Allwissende Müllhalde

Ich habe gerade ein wenig in den alten Antworten gestöbert und muss sagen: Ich war beeindruckt. Monate vor dem Sendestart von Dr. House habt Ihr einen idealen Sendetermin angeregt, und genau da läuft die Serie nun seit geraumer Zeit mit wahnsinnigem Erfolg. Ich gucke den Dienstag bei RTL auch komplett durch, es passt wirklich alles zusammen.
Da Ihr soviel vom Fernsehen zu verstehen scheint, habe ich eine Frage zur ARD-Sendung „Ziehung der Lottozahlen“: Könntet Ihr mir bitte die vom nächsten Samstag vorhersagen?
 – Uwe

Klar: 3, 9, 24, 25, 41, 43, 48, Zusatzzahl 16. Diese Angaben wie immer ohne Gewähr. Und wir machen natürlich halbe-halbe. Danke auch für die Blumen. Sollte also jemand beim Fernsehen einen Rat zu Programmierungsstrategien brauchen, nehmen wir die Anfrage gern, wie auch alle anderen Fragen zum Fernsehen, unter fragen@fernsehlexikon.de entgegen.

Welcome, Mrs. President

2006 (Sat.1). 18-tlg. US-Politserie von Rod Lurie („Commander In Chief“; 2005–2006).

Eigentlich war Mackenzie Allen (Geena Davis) die Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, doch als der Präsident starb, rückte sie nach und ist nun die erste Frau in diesem Amt. Als brächte ihr das nicht schon genug Anfeindungen ein, ist sie auch noch unabhängig, d.h. keiner Partei zugehörig. Ihr schärfster Widersacher ist der Sprecher des Repräsentantenhauses, Nathan Templeton (Donald Sutherland). Neben der Weltmacht USA hat Mackenzie noch eine Familie zu organisieren, bestehend aus „First Gentleman“ Rod Calloway (Kyle Secor), der sich in eben dieser Rolle zurechtzufinden bemüht, den Teenager-Zwillingen Horace (Matt Lanter) und Rebecca (Caitlin Wachs) und der siebenjährigen Amy (Jasmine Anthony). Jim Gardner (Harry Lennix) ist Mackenzies Stabschef, der diese Position schon beim Vorgänger hielt, Kelly Ludlow (Ever Carradine) ihre Pressesprecherin und Richard „Dickie“ McDonald (Mark-Paul Gosselaar) ihr persönlicher Berater. Auch ihren Mann hebt Mackenzie nach kurzer Zeit in einen offiziellen Beraterposten.

In Massen beschäftigte sich das US-Publikum zum Sendestart mit dieser Serie, an der prompt mehrere deutsche Fernsehsender interessiert waren, obwohl die ähnlich angelegte, aber wesentlich bessere US-Politserie „The West Wing“ auch nach sieben Jahren noch immer keinen deutschen Käufer gefunden hatte, weil die Sender einmütig darauf beharrten, das deutsche Publikum könne sich nicht mit einer Serie identifizieren, die hinter den Kulissen des Weißen Hauses spiele. Sat.1 erhielt den Zuschlag, während sich in den USA schon nur noch die Medien mit der Serie befassten, insbesondere mit ihrem rasanten Niedergang. Ihr Erfinder Rod Lurie wurde nach wenigen Wochen vom Sender gefeuert, weil er angeblich zu teuer und zu langsam produzierte. Steven Bochco, der noch nie eine Serie übernommen hatte, die er nicht selbst ausgeheckt hatte, sollte es richten, versagte aber inhaltlich. Die Serie dümpelte in eine völlig neue Richtung, erschien zeitweise wie ein billiger Abklatsch von „The West Wing“, was sie anfangs gar nicht war, und verlor innerhalb nur eines halben Jahres fast zwei Drittel ihrer Zuschauer. Und so wurde, was im Herbst 2005 noch der erfolgreichste Neustart der neuen Fernsehsaison war, nach nicht einmal einer ganzen Staffel wegen Erfolglosigkeit abgesetzt. Vorher noch wurde Geena Davis mit einem Golden Globe als Beste Hauptdarstellerin in einer Dramaserie ausgezeichnet.

Sat.1 zeigte die ersten sieben einstündigen Folgen dienstags um 22.15 Uhr und den Rest eine Stunde später.

Kanzleramt

2005 (ZDF). 12-tlg. dt. Politserie von Hans-Christoph Blumenberg und Martin E. Süskind.

Hinter den Kulissen der großen Politik: Wer berät den Kanzler, schreibt die Gesetze, formuliert seine Reden? Und wie gut kann man das Privatleben vom politischen Alltag abgrenzen? Die engsten Mitarbeiter von Kanzler Andreas Weyer (Klaus J. Behrendt) sind sein Kanzleramtschef Norbert Kraft (Robert Atzorn), Büroleiterin Birte Schmitz (Rita Russek), Regierungssprecher Conny Bergmann (Herbert Knaup), die Leiterin der Abteilung Außenpolitik Edith Lambert (Claudia Michelsen) und der Redenschreiber Alexander Nachtweih (Heikko Deutschmann). Der Kanzler ist Witwer und hat eine 16-jährige Tochter Nina (Karoline Teska).

Das ZDF schwärmte: „Zum ersten Mal spielt eine Fernsehserie im Zentrum der politischen Macht.“ Wenn man in Betracht zieht, dass den deutschen Zuschauern die herausragende US‑Serie „The West Wing“, die das gleiche Konzept im Weißen Haus ansiedelte, vorenthalten wurde, war das sicherlich nicht ganz falsch. Leider war die deutsche Version klischeehaft und harmlos und nahm sich im Gegensatz zum amerikanischen Vorbild viel zu ernst. Die erste Folge hatte noch fast fünf Millionen Zuschauer, doch von denen kam nur ein Bruchteil wieder, um sich auch die weiteren Sendungen anzusehen.

Die 45-Minuten-Folgen liefen mittwochs um 20.15 Uhr.

The West Wing

Seit 2008 (Fox). 154-tlg. US-Politserie von Aaron Sorkin („The West Wing“; 1999–2006).

Die Beschäftigten im Westflügel des Weißen Hauses in Washington kämpfen mit ihren privaten Problemen, während sie gleichzeitig damit zu tun haben, die Vereinigten Staaten Amerikas zu regieren. Amtierender Präsident ist der Demokrat Josiah „Jed“ Bartlet (Martin Sheen). Zu seinen engsten Mitarbeitern gehören sein persönlicher Assistent Charlie Young (Dulé Hill), die Pressesprecherin Claudia Jean „C.J.“ Cregg (Allison Janney), Kommunikationsdirektor Toby Ziegler (Richard Schiff), dessen Stellvertreter Sam Seaborn (Rob Lowe), Stabschef Leo McGarry (John Spencer), McGarrys Stellvertreter Josh Lyman (Bradley Whitford), dessen Sekretärin Donna Moss (Janel Moloney) und anfangs die Beraterin Madeline „Mandy“ Hampton (Moira Kelly).

Herausragende Serie mit relevanten Themen, ebenso intelligenten wie schnellen Dialogen, politisch tätigen und doch sympathischen Charakteren, subtilem Humor und interessanten Einblicken in die Regierungsarbeit, so fiktiv dieses Weiße Haus auch sein mochte.

Nach dem Ende der ersten Staffel wurde „The West Wing“ in den USA mit Emmys überschüttet. Sie gewann den wichtigsten Fernsehpreis in neun Kategorien und wurde u.a. als beste Dramaserie ausgezeichnet. Das ging in den nächsten Jahren gerade so weiter, und immer wenn darüber geschrieben wurde, wie die Serien des amerikanischen Fernsehens so sehr an Qualität gewonnen hätten, war vor allem „The West Wing“ gemeint. Deutschen Fernsehzuschauern wurde die Serie vorenthalten, weil das Thema hierzulande nicht vermittelbar sei, behaupteten alle, die es hätten entscheiden können. Stattdessen zeigt Sat.1 Jahre später die ähnlich angelegte, aber wesentlich schlechtere Serie Welcome Mrs. President und das ZDF seine wesentlich schlechtere deutsche Versionen Kanzleramt, und wahrscheinlich fühlten sich die Vorgenannten, die es hätten entscheiden können, durch deren schlechte Quoten auch noch in ihrer Theorie bestätigt.

Im Mai 2008 ging der neue Pay-TV-Sender Fox in Deutschland an den Start, der die Serie nun erstmals zeigt.

Im Originalton ist die Serie komplett auf DVD erschienen.

The Unit — Eine Frage der Ehre

Seit 2007 (Sat.1). US-Actionserie von David Mamet („The Unit“; seit 2006).

Streng geheime und lebensgefährliche Einsätze führen eine Eliteeinheit der amerikanischen Streitkräfte im Kampf gegen Terroristen und Kriegsverbrecher in die ganze Welt. Jonas Blane (Dennis Haysbert) leitet die Einheit, zu der auch Bob Brown (Scott Foley), Mack Gerhardt (Max Martini), Charles Grey (Michael Irby) und Hector Williams (Demore Barnes) gehören. Offiziell ist die Einheit eine Logistikabteilung, und niemand außer den Männern des Teams und ihren Ehefrauen darf wissen, was ihre tatsächliche Aufgabe ist. Neben den actionreichen Erlebnissen der Soldaten vor Ort erzählt die Serie auch die gefühlsbetonten Geschichten der Angehörigen, die zu Hause bleiben mussten. Oder durften. Jonas‘ Frau Molly Blane (Regina Taylor) ist analog zu ihrem Mann zu Hause eine Art Kopf der Gruppe und kümmert sich um alle in der Wohnsiedlung. Bob und Kim Brown (Audrey Marie Anderson) haben eine Tochter Serena (Alyssa Shafer), und Kim ist erneut schwanger. Tiffy Gerhardt (Abby Brammell) betrügt ihren Mann mit Colonel Tom Ryan (Robert Patrick), dem Vorgesetzten der Einheit.

Die Serie nimmt sich zwar ausreichend Zeit, die Gefühlswelt der daheim gebliebenen Frauen zu erforschen, doch wenn die Männer im Einsatz sind, wird hauptsächlich geballert. Hintergründe für das, was vorgeht, Intentionen der Terroristen, gegen die sie vorgehen, Vorgeschichte, all das wird nur gestreift, falls überhaupt behandelt. In erster Linie ist es während der Einsätze laut.

Das Buch „Delta Force – Im Einsatz gegen den Terror“ von Eric L. Haney lieferte die Inspiration zur Serie. Sat.1 zeigt die einstündigen Folgen erst mittwochs um 22.15 Uhr, dann donnerstags eine Stunde später.

Der letzte Zeuge

Seit 1998 (ZDF). Dt. Krimiserie von Gregor Edelmann.

Der Gerichtsmediziner Dr. Robert Kolmaar (Ulrich Mühe) hilft durch seine Obduktionen Kommissar Johannes „Joe“ Hoffer (Jörg Gudzuhn), dem Chef der 2. Mordkommission, bei der Aufklärung von Verbrechen. Kolmaar ist ein freundlicher, charmanter Freund, Kollege und Vater. Anna (Theresa Scholze) ist seine Tochter, Dr. Judith Sommer (Gesine Cukrowski) seine Kollegin und Freundin. Zwischendurch ist er auch mal mit der Staatsanwältin Dr. Tanja Rose (Claudia Messner) zusammen, die die Nachfolgerin von Dr. Sänger (Leonard Lansink) wird. Prof. Dr. Bondzio (Dieter Mann) ist der Institutsleiter und somit Kolmaars und Sommers Chef, Ulla Grünbein (Renate Schroeter) seine resolute Sekretärin. Neben Joe Hoffer geben sich die Assistenten die Klinke in die Hand: Wolfgang Hölzermann (Andreas Maria Schwaiger), ab 2002 Max Kolditz (Markus Majowski), ab 2005 Etzel Hanisch (Daniel Krauss) und ab 2007 Jockel Löw (Dominique Horwitz). Im Institut arbeiten noch der Sektionsgehilfe Fred Schröder (Volker Ranisch) und von 2002 bis 2003 bis  Dr. Leilah Berg (Julia Jäger) ans Institut. 2007 ersetzt Dr. Nadja Heron (Lavinia Wilson) Schröder.

Die Serie startete mit sechs Folgen an verschiedenen Sendeplätzen zur Primetime, ab der zweiten Staffel lief sie mittwochs um 20.15 Uhr und ab der vierten im Frühjahr 2003 freitags eine Stunde später, direkt nach den etablierten Freitagskrimis. Jede Folge war 45 Minuten lang. Die Serie war erfolgreich und ereichte auch beim jüngeren Publikum für ZDF-Verhältnisse ungewöhnlich viele Zuschauer. 1999 erhielt Der letzte Zeuge den Deutschen Fernsehpreis für das beste Buch in einer Serie. 2005 wurde Hauptdarsteller Ulrich Mühe mit dem Preis als bester Schauspieler ausgezeichnet. 

In 73 Folgen spielte Mühe den Gerichtsmediziner Dr. Kolmaar. Im März 2007 nahm er an der Oscarverleihung in Hollywood teil, wo der Film „Das Leben des Anderen“, in dem er mitgespielt hatte, einen Oscar gewann. Kurz danach wurde bekannt, dass Mühe an Krebs erkrankt war und nicht mehr spielen könne. Er starb zwei Wochen nach der Ausstrahlung seiner letzten Folge von Der letzte Zeuge im Juli 2007.

Post Mortem

2007–2008 (RTL). 17-tlg. dt. Krimiserie von Lorenz Lau-Uhle.

Ein Team von Rechtsmedizinern unterstützt einen Kommissar bei seinen Ermittlungen in Mordfällen. Im Klartext: Die Mediziner um den leitenen Oberarzt Dr. Daniel Koch (Hannes Jaenicke) tragen im Kölner Institut für Rechtsmedizin (IFR) Indizien und Beweise zusammen, erforschen genaue Todesursachen und rekonstruieren Tathergänge, und Kommissar Brandt (Tilo Nest) verhört und nimmt fest. Koch ist der allwissende Analytiker, der zwar nur harte Fakten zur Lösung eines Falles akzeptiert, sich aber im Zweifelsfall von seiner Intuition leiten lässt. Er arbeitet in der Pathologie meist mit Dr. Dr. Dr. Carolin Moritz (Therese Hämer) zusammen (jawoll, drei Doktors), die noch sehr unter dem Tod ihres Mannes leidet, der vor rund einem Jahr starb. Dr. Vera Bergmann (Anne Cathrin Buhtz) ist unnahbar, um nicht zu sagen unerträglich, und hat vor allem den neuen Assistenzarzt Frederick Peyn (Mirko Lang) auf dem Kieker, der erkennbar darunter leidet. Er ermittelt meistens zusammen mit Dr. Thomas Renner (Charly Hübner) in dem kleineren der beiden Fälle, die das Team pro Folge aufzuklären hat. Alle sind kompetent, und jeder hat sein Fachgebiet, auf dem er noch etwas kompetenter ist als die anderen. In der Mitte der zweiten Staffel kommt noch Dr. Yvonne Janus (Minh-Khai Pan-Thi) dazu.

Fünfeinhalb Jahre nach dem Start der  amerikanischen Serie CSI bei Vox hat das deutsche Fernsehen mit Post Mortem seinen ersten eigenen Klon: Alles ist wie im US-Original, und nichts ist mehr wie in früheren deutschen Serien: Die Handlung wird schneller vorangetrieben, die Schnitte sind schneller und die Kamera wackeliger. Rückblenden zeigen längst geschehene Vorgänge, und laute elektronische Musik ertönt in minutenlangen wortlosen Szenen, zu der die Forensiker im Labor Tröpfchen in Fläschchen fallen lassen. Dabei wirkt die Serie nicht wie ein billiger Abklatsch, sondern wie eine gelungene Adaption. Konsequenterweise baut sich RTL einen Programmblock am Donnerstagabend, der um 20.15 Uhr mit Post Mortem beginnt, dem um 21.15 Uhr sogleich CSI folgt. Ein durchschlagender Erfolg wurde die Serie trotzdem nicht. Nach einem hervorragenden Start verlor sie im Verlauf der ersten Staffel grob die Hälfte ihrer Zuschauer. Trotzdem gab es noch eine zweite. Mehr aber nicht.

Interview: Hannes Jaenicke

Hannes Jaenicke und ich schauen die gleichen Serien. Nämlich alle. Naja, fast. Wir teilen die Vorliebe für die Münsteraner Tatort-Kommissare und eine Abneigung gegen David Carusos Gehabe in CSI: Miami, mögen aber die CSI-Varianten aus Las Vegas und New York. Als ich die vielen Gemeinsamkeiten bemerkte, fragte ich irgendwann nur noch sein Sehverhalten für Einzelsendungen ab.

Im Grunde ging es um die Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Fernsehen, und warum US-Serien derzeit so erfolgreich sind. Jaenicke kennt beide Seiten. Er ist einer der wenigen deutschen Schauspieler, die in Hollywood mehr als einen Fuß in der Tür haben und wirkte neben vielen deutschen auch in zahlreichen amerikanischen Produktionen mit. Weil er die Hälfte des Jahres in Los Angeles lebt, ist er auch als Zuschauer beiden Modellen gleichermaßen ausgesetzt.

Hannes Jaenicke ist der Star der neuen RTL-Serie Post Mortem (ab 18. Januar donnerstags um 20.15 Uhr), die sehr amerikanisch daherkommt.


Mögen Sie das amerikanische Fernsehen?

Ich habe sehr viel amerikanisches Fernsehen gemacht und denke, das sehen wir ja an den Quoten, dass die völlig einsam in der Qualität ihrer Fernsehproduktionen sind. Das ist im Moment nicht zu schaffen, was die machen. Schon seit Jahren. Das fängt bei den Sopranos an, sogar schon bei den Straßen von San Francisco und Columbo. Die Amerikaner machen seit fünfzig Jahren das führende Fernsehen. Das ist die Latte, an der wir uns messen müssen.

Vor allem die Krimis sind im Moment sehr erfolgreich.

Aber es laufen ja auch die Comedys. Schauen Sie sich Desperate Housewives an, Sex And The City, Will & Grace. Die haben eine Fernsehkultur, die wir vielleicht irgendwann, und das wird lange nach meinem Ableben stattfinden, vielleicht mal hinbekommen. Ich werde das nicht mehr erleben.

Aber Sie versuchen es ja gerade mit Post Mortem und lehnen sich dabei stark an CSI an.

Natürlich können wir das Format Rechtsmedizin nicht neu erfinden. Was Thomas Jauch, der Regisseur, und ich uns in den Kopf gesetzt haben, war: Wenn wir das machen, muss es anders aussehen als andere deutsche Fernsehprodukte. Und wir sind natürlich große 24-Fans, und Sie werden schnell feststellen, dass wir das sehr ähnlich aufgelöst haben vom Schnitttempo her. Wir wollten es stilistisch anders machen, als es hierzulande bislang gemacht wird. Wenn das geglückt ist, dann sind wir schon mal froh.

Man sieht zumindest deutlich, dass diejenigen, die dahinter stecken, sich mit dem amerikanischen Fernsehen befasst haben. Viele Produzenten versuchen sich an einem Abklatsch, ohne sich ernsthaft mit den Originalen auseinanderzusetzen.

Thomas Jauch und ich sind bekennende Fans von Michael Mann und Scorsese und anderen amerikanischen Serien. Wir gucken Die Sopranos, und wir haben uns natürlich sämtliche Folgen von 24 reingezogen. Thomas und ich sind sicher vom amerikanischen Fernsehen stärker beeinflusst als viele andere hierzulande. Das mag man uns jetzt vorwerfen, und das passiert auch regelmäßig, aber das ist nun einmal unser Geschmack. Und Thomas Jauch versteht nicht nur was vom amerikanischen Fernsehen, er hat auch die handwerklichen Fähigkeiten, das tatsächlich selber zu drehen. Ich glaube, wir sind die erste deutsche Fernsehproduktion in der Geschichte, an der zwei US-Studiobosse ans Set gekommen sind, um zu sehen, wie wir das machen.

Wie kam das?

Bei den May-Screenings (der jährlichen Veranstaltung in Los Angeles, bei der die neuen Serien der kommenden TV-Saison erstmals vorgeführt werden), wurde der Pilot gezeigt, und drei, vier Monate später hatten wir plötzlich Michael Lynton am Set und eine Woche später Michael Grindon, die Bosse von Sony/Columbia Tristar. Die wollten einfach mal zusehen. Und die waren, ehrlich gesagt, ziemlich geplättet. Die kennen natürlich deutsches Fernsehen und sind anderes gewohnt, hierzulande, die kennen die sonst übliche deutsche Erzählform, den deutschen visuellen Stil. Und die haben plötzlich gesehen, dass es da ein paar Deutsche gibt, die das so machen wie die Amis.
Das Lustige ist: Der Vorwurf, dass wir CSI nachmachen, kam nie aus Amerika. Die haben sich das angesehen und fanden das großartig. Da hat kein Mensch gesagt: „It’s like CSI„. Oder „It’s like Cold Case„. Sondern nur: „Das ist aber geil. So was haben wir in Deutschland noch nie gesehen.“ Und das ist für uns ganz interessant.

Empfinden Sie es als Vorwurf, wenn ich sage: Das sieht aus wie CSI?

Bei Ihnen nicht. Aber der „Stern“ hat uns gerade fürchterlich in die Pfanne gehauen, die sagen: Ja, aber Vegas ist viel geiler als Köln. Und das ist so typisch deutsch. Wir werden das Format nicht neu erfinden. Auch Ulrich Mühe macht seit Jahren Rechtsmedizin, und auch Jan Josef Liefers macht Rechtsmedizin. Letztendlich machen wir ja alle CSI und Cold Case nach. Aber wir haben eben versucht, es mal stilistisch anders zu machen. Vielleicht ein bisschen flotter, ein bisschen radikaler. Und wenn der „Stern“ dann schreibt, der Caruso mit seiner Sonnenbrille ist cooler als der Jaenicke, dann beleidigt mich das.

Der kann sich ganz toll 45 Minuten lang diese Sonnenbrille immer wieder auf- und absetzen, bis der Fall gelöst ist.

Aber der „Stern“ findet das halt tausendmal cooler als mich. Und dann steht da drin, Miami ist einfach sexier als Köln. Na gut, großes Kunststück. Die haben Palmen und Sandstrände. Daraus einen Strick zu drehen, dass man das hier gleich lassen sollte, ist unglaublich dämlich. Außerdem erzählen wir deutsche Geschichten. Die Geschichten haben mit russischen Einwanderern zu tun, mit dem Verbot von Sterbehilfe, wir erzählen bundesrepublikanische Realität.

Stimmt es, dass Sie immer schon einen Krimi-Kommissar spielen wollten?

Ganz ehrlich: Ich würde gerne einen deutschen Tatort-Kommissar spielen. Den würde ich dann aber auch gern ein bisschen anders gestalten. Wir haben seit Schimanski keinen Kommissar mehr gehabt, der sich mal daneben benimmt. Ich finde, auch der Tatort ist mittlerweile sehr gediegen geworden. Ich hätte gern einen, der mal nicht so konformistisch vorgeht.

Was halten Sie denn von den Münsteranern?

Die finde ich klasse. Die haben gute Autoren, und endlich mal Humor! Das ist unbezahlbar. Und was Prahl und Liefers da spielen ist einfach großartig. Das ist ein Tatort, den sollte man bitte genau so weiterlaufen lassen. Es gibt auch in Köln oder München großartige Tatorte. Trotzdem fände ich ein bisschen frischen Wind in dieser doch mittlerweile inflationären Tatort-Szene nicht so schlecht. Sich da etwas einfallen zu lassen wäre eine spannende Aufgabe.

Wenn Sie sich in Post Mortem in der Gerichtsmedizin über Leichen beugen oder im Labor Tröpfchen in Fläschchen fallen lassen, wissen Sie dann immer, was Sie da gerade tun?

Da wir die komplette Kölner Rechtsmedizin als Beraterstab haben, sind wir da ziemlich gut gebrieft worden. Wir hatten Prof. Markus Rothschild als Chefberater, das ist Deutschlands führender Rechtsmediziner, und der hat einen ganzen Stab von wirklich sensationell hilfsbereiten, klugen, tollen Leuten. Die sind auch erstaunlich witzig, das war eine richtig tolle Truppe. Wenn wir am Sektionstisch standen, stand immer ein Profi dabei. Und wenn wir Begriffe im Text hatten, die wir nicht verstanden haben, wurden sie uns erklärt. Wir haben uns da richtig schlau gemacht. Wenn man dann über diesen Puppen herumhantiert, mit Schweineleber und Schweineherz… Das hat ja bei diesen Leuten eine unglaubliche, sehr kühle, professionelle Selbstverständlichkeit. Professor Rothschild hat oft junge, angehende Fachärzte, die dann mit ganz großer Betroffenheit über einer Selbstmordleiche knien, und dann sagt er: Wer so guckt, fliegt raus. Der will da kein Mitleid, der will auch kein Gefühl. Der will, dass da sachlich gearbeitet wird. Und das kriegt man nur, wenn man mal dabei war, wie die den Darm da rausziehen. Und das Herz. Und das Hirn. Standardgemäß wird ja alles rausgenommen, was der Körper so hergibt. Und ich hab‘ mir das so lange angesehen, bis das für mich auch eine gewisse Selbstverständlichkeit hatte.

Gab es bei den amerikanischen Vorbildern ein spezielles, an dem Sie sich besonders orientieren wollten?

Thomas Jauch und ich haben uns 24 so lange angesehen, bis es uns zu den Ohren rausgekommen ist. Das ist natürlich nicht inhaltlich das Vorbild, aber stilistisch. Wir wollten auch wissen, wie sie das machen, dass die dauernd so schamlos über die Achse gehen. Der Achsensprung wird ja bis heute in Deutschland heiliggesprochen. Rechts, links, links, rechts, und 24 war die erste Serie, die gesagt hat, wisst ihr was, Achsensprung gibt’s für uns nicht mehr. Die springen aus jedem Winkel in jedes Gesicht, in sieben verschiedenen Größen, und das hat eine Energie im Bild, die man nicht hinkriegt, wenn man konventionell dreht. Das haben wir uns zugegebenermaßen reingepfiffen, bis wir nicht mehr konnten.
Bei den CSIs ist mir William Petersen der Nächste, also die Vegas-Variante. Gil Grissom ist die Figur, bei der sich die Autoren am meisten trauen. Der überrascht mich am meisten, der konnte ja in der letzten Staffel plötzlich die Taubstummensprache, und zwar perfekt. Die haben so viel Mut beim Erzählen, das ist so unorthodox gemacht. Von den Autoren und Figuren her finde ich diese die spannendste Variante. Und Caruso und Miami ist mir einfach zu … bunt. Also, das ist nicht mein Favorit.

Aber CSI: NY müsste Ihnen wieder gefallen.

Ja, da ich ein alter Theaterhase bin und weiß, dass Gary Sinise mit der Steppenwolf Theatre Company eine der besten Theatertruppen der USA betreibt und Herrn Sinise mehrfach auf der Bühne gesehen habe. Ich bin ein ganz großer Fan von ihm. Und ich finde die Serie auch von der Düsternis unheimlich schön gemacht. CSI: NY traut sich mal richtig dunkles Fernsehen zu machen.

Und trotzdem skurrile, kuriose Fälle zu behandeln.

Ja. Aber die amerikanische Gesellschaft hat ein anderes Verhältnis zum Verbrechen und zur Gewalt. Wenn man in Amerika eine Zeitung aufschlägt, dann haben die natürlich auch, Entschuldigung, die interessanteren Vorlagen. Dort gibt es eine Verbrechenskultur, die wir Gott sei Dank nicht haben, aber die für Filme unglaublich viel hergibt.

Was gucken Sie noch?

Dr. House, Die SopranosSix Feet Under, Boston Legal

The West Wing„?

Natürlich.

Auch Sitcoms? Was ist mit Frasier?

Frasier, herrlich! Will & Grace

Und Will & Grace wurde Ihnen nicht nach der zweiten Staffel zu albern?

Doch, aber die ersten zwei Jahre waren großartig. Und Criminal Minds, kennen Sie das?

Ich halte das für eine der schwächeren, aber selbst das ist noch eine gut gemachte Serie.

Da habe ich gerade eine ganz tolle Folge gesehen, stilistisch unheimlich gut gemacht. Von The Unit habe ich zwei Folgen gesehen, das schreibt David Mamet, was mich sehr erstaunt hat, aber das hat mich erst mal nicht so umgehauen. Aber trotzdem: Im Großen und Ganzen ist es fantastisch, was die da drüben treiben. Und englisches Fernsehen gucke ich auch mit großer Begeisterung. Und in Deutschland möchte man immer mal so einen Wake-up-call starten.
Aber dazu gehört auch Mut von Sender- und Produzentenseite. Es ist nicht so, dass hier keine tollen Konzepte durch die Gegend fliegen. Die bekomme ich ja dauernd vor die Nase gehalten. Aber die werden dann komischerweise seltenst gemacht.

Warum nicht?

Das kann nur die Angst vor der schlechten Quote sein. Anders kann ich mir das nicht erklären. Das hat wohl auch mit der deutschen Mentalität zu tun. Wir hatten jetzt drei oder vier Jahre lang eine Medienkrise. Die hatten die Amerikaner auch, nur ein bisschen früher. Aber in der Krise sagen die Amerikaner Okay, jetzt läuft gar nichts, experimentieren wir mal. Und dann lassen die Sachen steigen wie Six Feet Under und Sopranos und ich weiß nicht was. An dem Punkt sind die Amerikaner Unternehmer. Dann schmeißen sie auch mal zehn Piloten an die Wand, und davon bleiben zwei haften. Und die machen sie dann. Und das werden dann Welthits.
Wenn bei uns die Krise ausbricht, dann werden die Leute so panisch, dass sie überhaupt nichts mehr wagen. Sie machen nur noch das, was schon mal gemacht wurde. Wenn es irgendwie ein bisschen gelaufen ist, vielleicht können wir noch einen kleinen Hinterherkleckererfolg haben. Bei uns gibt es diese Ängstlichkeit, dass man nur noch schaut: Was macht denn der Andere, aha, damit haben die gerade fünfzehn Prozent, ah, dann machen wir das auch, nur ein bisschen halbherziger. Das hat meines Erachtens auch viel mit der deutschen Vorsicht zu tun, der deutschen Ängstlichkeit. Wir sind kein Volk von radikalen Unternehmern.

Verfolgen Sie denn auch das deutsche Fernsehen?

Oh ja. Gerade die guten Sachen schaue ich mir alle an. Aber ich schaue mir auch diese sogenannten Eventmovies an, die mich allerdings nicht vom Hocker hauen, weil es immer „Titanic“ ist vor unterschiedlichem historischem Background. Da wird eine geschätzte Kollegin zwischen zwei Herren unterschiedlicher Gesellschaftsschicht hin- und hergerissen, und das läuft dann mal vor Bombennächten in Dresden und mal vor der Sturmflut, das ist immer die gleiche Schote.
Ich schaue mir aber auch Polizeiruf 110 vornehmlich von Dominik Graf an, und es gibt tolle Bella Block-Folgen, es gibt fantastische Sachen im deutschen Fernsehen. Und ganz ehrlich: Heinrich Breloer hat für mich mal einen Meilenstein gesetzt, der hieß „Das Todesspiel“. Das war ein genialer Film. Ich möchte um Gottes Willen nicht alles niederbürsten, was hier über den Bildschirm flimmert, aber die Latte der Amerikaner liegt eben verdammt hoch.

Aber warum gelingt es bisher so selten, die Qualität, die man in vielen deutschen Fernsehfilmen vorfindet, auch auf deutsche Serien zu übertragen?

Da haben wir einfach ein Autorenproblem. Denn die guten Autoren haben keine Lust auf Serien. Wir haben bei Post Mortem wirklich alle meine Schreibidole angefragt, und die haben ohne Ausnahme abgesagt. Die haben Kinoangebote, Angebote für 90-minüter und für Mehrteiler. Die können wir für die Serie nicht gewinnen, da muss in den Schulen was passieren.

Aber mit den Büchern für Post Mortem waren Sie dann letztendlich doch zufrieden?

Weil wir an diesen Büchern immer wieder herumgefeilt haben. Da will ich niemandem einen Vorwurf machen. Es ist schwer, ein 45-Minuten-Format mit zwei Plots zu bestücken, die jeweils eigentlich ein Tatort-Plot sein könnten. Die Produktionsfirma Sony hat mir das angeboten als Autor, und ich habe es abgelehnt, weil mir das zu schwer war. Ich bräuchte für eine Folge ein halbes Jahr. Und die Zeit habe ich nicht. Ich habe jede Menge Verständnis für die Autoren, die das schreiben, aber da muss in Deutschland auch im Ausbildungsbereich was passieren, damit wir einen anderen Pool kriegen von Leuten, die dieses Format einfach beherrschen.
Aber die neun Bücher, die wir jetzt haben, kann ich wirklich vertreten. Weil auch die Kollegen, allen voran Charly Hübner, sich auf fantastische Weise eingebracht haben.

Wie reagieren die eigentlichen Autoren, wenn Sie als Schauspieler an den Dialogen herumdoktern?

Ganz kollaborativ. Unser Headwriter Lorenz Lau-Uhle ist total in Ordnung. Aber bei einer Serie ist das ein organisatorisches Problem. Der Pilot wird ein Jahr entwickelt und basiert dadurch auf einem großartigen Buch. Dann kommt der Produktionsauftrag, Der kommt aber dann, sagen wir mal, vier Monate vor Drehbeginn. Es entsteht ein Zeitdruck, bei dem die Autoren gar nicht hinterherkommen können, weil sie für die restlichen acht Folgen der ersten Staffel sechzehn Geschichten erarbeiten müssen. Das muss man erst hinkriegen. Letztendlich beginnt man dann mit den Drehabreiten, bevor die Drehbücher fertig sind. Aber wir haben es hingekriegt, das werden Sie sehen.
Da läuft wirklich ganz viel falsch in Deutschland. CSI-Produzent Jerry Bruckheimer hat dreißig Autoren zur Verfügung! Ich habe mal ein Jahr lang Highlander: The Raven gemacht, und da war direkt über dem Produktionsbüro ein Großraumbüro, da saßen zwölf Autoren und haben Highlander geschrieben. Und einmal am Tag ging der Produzent Bill Panzer durch und hat denen über die Schulter geguckt. Das läuft dort eben anders. Der Schreibbetrieb drüben ist ein Servicebetrieb. Wenn das Buch nicht funktioniert, ab in die Tonne. Wir haben aber nicht das Geld, um zu sagen, das Buch funktioniert nicht, lieber Autor X, das schmeißen wir weg, geh noch mal neu ran. Denn dann müssten wir noch mal neu bezahlen, und die Kohle wird in Deutschland nicht ausgegeben. Die Amerikaner investieren in das Buch ein x-faches von dem, was wir investieren.

Ein anderes typisch deutsches Phänomen ist, dass Schauspieler nach verhältnismäßig kurzer Zeit aus einer Serie aussteigen mit dem Argument, sich nicht auf eine Rolle festlegen zu wollen. Und gerade ein Krimi ist ja ein Format, bei dem eher die Fälle als die Charaktere im Vordergrund stehen. Ist das trotzdem ein Projekt, an das Sie sich längerfristig binden könnten?

Es ist ja meine erste deutsche Serie. Und ich habe gesagt: Ich mache das gerne, wenn ich Thomas Jauch mitbringen darf. Und diese Bedingung wurde mir von der Produktionsfirma Sony großartigerweise erfüllt. Das heißt, wenn wir eine gute Quote haben und gute Bücher bekommen, dann mache ich das weiter.

Sie könnten sich vorstellen, den Gerichtsmediziner Daniel Koch 100 Folgen zu spielen?

100 Folgen würde ich jetzt mal nicht sagen. Ich habe auf jeden Fall gesagt, dass ich eine weitere Staffel mache, wenn die Quote stimmt. Ich drehe als Nächstes einen NDR-Film, da spiele ich einen Konditormeister, und dann mache ich wahrscheinlich einen historischen Film fürs ZDF. Insofern langweile ich mich noch nicht als Schauspieler. Wenn ich dann zwischendurch noch mal neun Folgen Post Mortem drehe, mache ich danach wieder so radikal andere Sachen, dass ich nicht die Angst habe, mich den Rest meines Lebens in der Rechtsmedizin über Leichen zu beugen.

Schlagwörter: , , ,
Michael, 14. Januar 2007, 17:26.

Kommt Fritzchen zum Fernsehen…

Politiker stellen fest, Dieter Bohlens Sprüche gegenüber Kandidaten in Deutschland sucht den Superstar seien menschenverachtend, berichtet heute die offizielle Pressemappe zur Sendung, „Bild am Sonntag“. Es geht um Beleidigungen, wie man sie sich schon auf dem Schulhof an den Kopf warf, als wir vor fünfundzwanzig Jahren jung waren, und offenbar auch schon, als Dieter Bohlen vor fünfzig Jahren jung war, aber anscheinend noch nicht, als unsere aktuellen Politiker vor hundert Jahren jung waren. Zum Beispiel: „Was ist der Unterschied zwischen dir und einem Eimer Scheiße? Der Eimer.“ Und: „Deine Stimmbänder in Säure. Das wäre ein gelöstes Problem.“

Was lernen wir daraus? Dieter Bohlens Autoren Dieter Bohlen hat sich auf dem Flohmarkt ein altes Witzebuch gekauft. Niedlich.

Michael, 14. Januar 2007, 16:27.

Wer wird Millionär?

Seit 1999 (RTL). Überaus erfolgreiche einstündige Quizshow mit Günther Jauch, in der Kandidaten Millionäre werden können.

Moderator Günther Jauch stellt Wissensfragen mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad. Zunächst wird aus zehn potenziellen Mitspielern ein Kandidat ermittelt, indem Jauch die Aufgabe stellt, vier Begriffe in die richtige Reihenfolge zu bringen. Wer das am schnellsten schafft, ist dabei. Er spielt nun allein und sitzt Jauch gegenüber in der Mitte der Studio-Arena, beide haben je einen Bildschirm vor sich.

15 Fragen trennen den Kandidaten von der Million. Die zugeordneten Gewinnbeträge sind für die ersten fünf Fragen wie folgt gestaffelt: 50 – 100 – 200 – 300 – 500 €, verdoppeln sich dann bis 64 000 € für Frage 12 und steigern sich danach auf 125 000, dann auf 500 000 und schließlich 1 Million €. (Bis Ende 2001 hatte das Quiz bei 100 DM begonnen, sich im gleichen Rhythmus gesteigert und zusätzlich eine 250 000-DM-Stufe beinhaltet, die mit der Währungsumstellung gestrichen wurde, damit der Hauptgewinn weiterhin bei einer Million lag.) Der Kandidat kann pro Frage aus vier Antwortmöglichkeiten wählen. Ein Zeitlimit gibt es nicht. Drei Joker stehen ihm zur Verfügung: Er kann einen Bekannten anrufen, das Studiopublikum abstimmen lassen und zwei falsche Antworten wegfallen lassen. Es dürfen auch zwei oder alle drei Joker für eine einzige Frage eingesetzt werden.

Wer will, kann jederzeit mit dem bis dahin gewonnenen Geld aussteigen, auch nachdem er die nächste Frage bereits kennt und es daher vorzieht zu passen. Nur wer eine falsche Antwort gibt, fliegt raus und verliert einen Teil des Geldes. Wer fünf Fragen geschafft hat, darf die erspielten 500 € auf jeden Fall behalten, wer zehn Fragen geschafft hat, nimmt 16 000 € mit nach Hause. Wer alle 15 Fragen richtig beantwortet, ist Millionär. Hat ein Kandidat zu Ende gespielt, wird aus den verbliebenen potenziellen Mitspielern ein neuer ermittelt. Ist die Sendezeit um (was eine laute Hupe signalisiert), aber ein Kandidat noch im Spiel, macht er in der nächsten Sendung weiter.

Im Herbst 2007 führte RTL einen vierten Joker ein: Statt das gesamte Publikum per Mehrheitsentscheid zu befragen, kann der Kandidat sich auch von einem einzelnen Zuschauer aus dem Publikum helfen lassen, der glaubt die Antwort zu kennen (und in diesem Fall selbst 500 € gewinnt). Um diesen zusätzlichen Joker nutzen zu können, muss der Kandidat auf die 16.000-€-Sicherheitsstufe verzichten. Bevor sein Spiel beginnt, muss er sich festlegen, ob er diese Risikovariante oder lieber nach den bisherigen Regeln spielt.

Wer wird Millionär? war in jeder Hinsicht eine Sensation. Zunächst mal war es ein Quiz, und das Quiz hatte doch (zumindest im Hauptabendprogramm) seit vielen, vielen Jahren ausgedient. Und dann brach es auch noch alle bekannten Regeln: Es gab keine Zeitbegrenzung! Und die Kandidaten konnten tatsächlich noch aussteigen, wenn sie schon sahen, dass sie von der nächsten Frage keine Ahnung hatten!

Die ersten fünf Fragen waren im Prinzip Scherzfragen: „Ich wollt‘ ich wär‘ ein …? A: Hund, B: Huhn, C: Hummer, D: Huflattich“ (richtig: Huhn); „Wie heißt laut einem Märchen der Brüder Grimm die Schwester von Schneeweißchen? A: Fliederlila, B: Maisgelb, C: Rosenrot, D: Kornblumenblau“ (richtig: Rosenrot). Bei den härteren Nüssen konnte es höchst unterhaltsam sein, wie sich Kandidaten minutenlang wanden und nicht auf eine Antwort festlegen wollten, während Jauch mit Pokerface oder Grimassen versuchte, sie aufs Glatteis oder die richtige Fährte zu führen, was man leider an seinem Gesicht nicht unterscheiden konnte (Jauch selbst wusste die richtige Lösung allenfalls aus eigenem Vorwissen. Sein Bildschirm zeigte die korrekte Lösung erst, wenn der Kandidat sich festgelegt hatte).

RTL sendete die erste Staffel im Herbst 1999 an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Die Einschaltquote steigerte sich innerhalb dieses Zeitraums auf sieben Millionen Zuschauer. Neue Staffeln im Winter, Frühjahr und Sommer 2000 bestanden bereits aus zehn bis 14 Folgen, die jeweils innerhalb von zwei Wochen zur Primetime liefen. Die Quote stieg weiter, und die Show erreichte jetzt bis zu zwölf Millionen Zuschauer. Ab Oktober 2000 änderte RTL den Senderhythmus und ließ Jauch seitdem regelmäßig jeden Freitag, Samstag und Montag um 20.15 Uhr Fragen stellen. Die Zuschauerzahl pendelte sich bei regelmäßig zwölf Millionen ein und machte die Sendung zur TV-Sensation des Jahres 2000. Die drei wöchentlichen Ausgaben belegten in der Hitliste aller Sendungen meistens die ersten drei Plätze. Es gab kaum eine Zeitschrift, die Jauchs Show nicht irgendwann zum Titelthema erhob.

Inspiriert vom großen Erfolg wurden bald wieder auf vielen Kanälen Wissensfragen gestellt. Die Kopien hießen u. a. Die Quiz Show, Die Chance Deines Lebens, Das Millionenquiz (alle Sat.1) und CA$H – Das Eine Million Mark Quiz (ZDF). Keine der Shows erreichte auch nur annähernd die Faszination, den Erfolg oder die Lebensdauer des Originals. Auch dessen Quoten ließen zwar im Lauf der Zeit nach, doch selbst im sechsten Jahr – bei unverändertem Ausstrahlungsrhythmus und rund 100 Sendungen pro Jahr – schauten noch immer regelmäßig acht Millionen Menschen zu.

Im Oktober 2000 wurde Wer wird Millionär? mit dem Deutschen Fernsehpreis für die beste Unterhaltungssendung ausgezeichnet. Ende November 2000 stellten sich in einem Special erstmals Prominente den Fragen, der erspielte Gewinn kam dem RTL-Spendenmarathon zugute (das Promi-Special wurde nun ein halbjährlicher Standard und erreichte noch höhere Zuschauerzahlen als die regulären Ausgaben). Zwei Tage später wurde die Frage Wer wird Millionär? endlich beantwortet: Millionär wurde Prof. Eckhard Freise aus Münster, der nach mehr als einem Jahr als erster Kandidat die Höchstsumme gewann. Er beantwortete zum Schluss die Frage: „Mit wem stand Edmund Hillary 1953 auf dem Gipfel des Mount Everest? A: Nasreddin Hodscha, B: Nursay Pimsorn, C: Tenzing Norgay, D: Abrindranath Singh“. Die richtige Antwort war C. Die „Bild“-Zeitung hatte den meisten Zuschauern jedoch zuvor den Spaß verdorben, weil sie schon morgens vor Ausstrahlung der Aufzeichnung den Millionär mitsamt Frage und Antwort verriet.

Die arbeitslose Hausfrau Marlene Grabherr aus Gottmadingen war im Mai 2001 die zweite Millionengewinnerin, weil sie die Antwort auf diese Frage richtig tippte: „Welche beiden Gibb-Brüder der Popband The Bee Gees sind Zwillinge? A: Robin und Barry, B: Maurice und Robin, C: Barry und Maurice, D: Andy und Robin“. Richtig: B. Bis dahin hatte sie risikofreudig und glücklich mehrfach korrekt geraten. Es dauerte 17 Monate bis zum nächsten Durchmarsch. Der Student Gerhard Krammer aus Ensdorf wurde mit der richtigen Antwort auf die Frage „Welcher berühmte Schriftsteller erbaute als diplomierter Architekt ein Freibad in Zürich?“ (Max Frisch) der erste Euro-Millionär, und die Assistenzärztin Maria Wienströer im März 2004 die erste Euro-Millionärin, weil sie beantwortete, wer 1954 den Chemie- und 1962 den Friedensnobelpreis bekam (Linus Pauling). Erst im Oktober 2006 gewann wieder ein Kandidat die Million: Der Darmstädter Aufzugsmonteur Stefan Lang, denn es ist das chemische Element Sauerstoff, das mehr als die Hälfte des menschlichen Körpers ausmacht, und er wusste das.

Einen Monat später begann die Show mit weiteren gelegentlichen Sonderprogrammierungen neben dem Prominentenspecial: Im „Familienspecial“ traten ganze Familien gemeinsam an und durften sich bei jeder Frage beraten, und noch vor Weihnachten 2006 erhielten Kandidaten eine zweite Chance, die zuvor mal ohne Gewinn rausgeflogen waren und sich diesmal ebenfalls mit einem Partner beraten durften. Im „Blind Date Special“ im Februar 2008 spielten Single-Kandidaten zusammen, die sich bis dahin nicht kannten.

Mit der Antwort auf die Frage „Welches Meer ist nach einem mythologischen König benannt, der sich dort hineingestürzt haben soll?“ (Ägäisches Meer) gewann der Marburger Student Timur Hahn im Januar 2007 ebenfalls eine Million Euro.

Zum Start des neunten Jahres gönnte sich die Show im September 2007 eine neue Regel: Wer will, kann jetzt auf die 16 000 €-Sicherheitsstufe verzichten und bekommt dafür einen zusätzlichen Publikumsjoker: Jeder im Studio, der der Meinung ist, die Antwort zu kennen, muss aufstehen, und der Kandidat kann sich jemanden aussuchen, dem er vertraut. Im Fall einer richtigen Antwort kommt der Kandidat wie üblich weiter, und der Studiozuschauer erhält 500 €. Die Show lief jetzt nur noch montags und freitags.

Beim 16. Prominenten-Special gewann Ende Mai 2008 Oliver Pocher als erster Prominenter die Million.

In England und den USA hieß die auch dort überaus erfolgreiche Show „Who Wants To Be A Millionaire?“. Der Engländer David Briggs hatte 1996 die Idee zur Sendung entwickelt und später damit einen Überraschungserfolg in Großbritannien gelandet, wo er zuvor bei mehreren Sendern mit dem Konzept abgeblitzt war. Er schrieb allen ausstrahlenden Sendern Ablauf, Deko, Licht und Musik bis ins Detail vor, weshalb die Show weltweit genau gleich aussah. Ende des Jahres 2000 war sie bereits in 81 Länder verkauft. In kaum einem war sie annähernd so erfolgreich wie in Deutschland, wo sie in Günther Jauch den perfekten Moderator fand.

Blättern:  1 ... 11 12 13 14 15 16 17


Das Buch

die Autoren

Weitere Bücher

New York für Fern-SeherDie kleine House-Apotheke

Links