„Alles wird gut.“

Nina Ruge hört bei Leute heute auf. Dann hat sie ja doch Recht behalten.

Michael, 28. November 2006, 21:34.

Wir zappen für Sie!

Aufregend. Augenreibend. Auch ohne Zappen vermitteln uns die Sender das Gefühl, in der Werbepause mal kurz bei einem anderen Kanal gelandet zu sein. Da wirbt doch die ARD, die in ihren Programmen gern die Privaten totschweigt, weil sie glaubt, dann bemerken die Zuschauer deren Existenz nicht, bei RTL in der Werbepause von Wer wird Millionär? für ihre Fernsehlotterie. Mitsamt Frank Elstner. Sehr interessant.

Michael, 24. November 2006, 12:46.

Spurensuche mit Jürgen Fliege

1995-1996 (ARD). Pseudotherapeutische Reihe, in der Jürgen Fliege Menschen, die ein außerordentlich schweres Schicksal haben, beim „Nachgehen ihres Lebensweges“ begleitet und Opfer und Täter am Ort des Geschehens zusammenbringt.

Kein Thema war Pfarrer Fliege zu groß für diese Reihe. Die Titel der vier Sendungen lauteten: „Mein Gott, warum habt ihr mich verlassen“, „Ich lebte ahnungslos mit einem Serienmörder“, „Ich war im Kinderknast von Torgau“ und „Ich suche meine Mutter“. Selbst hinter letzterem, vergleichsweise harmlos klingenden Titel verbarg sich eine entsetzliche Lebensgeschichte von einem Mann, der als Kind eines deutschen Soldaten und einer Norwegerin für den „Lebensborn“ der Nazis geboren wurde, mit dessen Hilfe die arische Rasse fortgepflanzt werden sollte. Er wurde danach immer wieder zwischen Pflegefamilien und Kinderheimen und verschiedenen Staaten hin- und hergeschoben.

Fliege „begleitete“ diesen Mann, der auf der „Reise in die Vergangenheit“ immer wieder in Tränen ausbrach und verstummte, vor allem aber begleitete ihn das Kamerateam, das bei Tränen immer weiter ranzoomte und fröhlich das Telefonat filmte, in dem die Mutter dem schwer traumatisierten Mann mitteilte, dass sie ihn nicht sehen wolle. Als er seine Adoptivschwester traf und mit ihr für andere unverständlich tuschelte, fragte Fliege gleich zweimal: „Ist das ein Geheimnis?“ Fliege versprach, den Mann auch nach der Sendung seelsorgerisch zu „begleiten“. Eine professionelle psychotherapeutische Unterstützung gab es nicht.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb: „Fliege packt die Verbrechen am Seelenleben eines Menschen rücksichtslos aus. Der Zuschauer darf sich daran weiden.“ Die ARD verteidigte die Sendung damit, dass der Sender „zu kalt, zu unnahbar“ sei und das Publikum „auch ein emotionales Angebot“ wolle. Henning Röhl, der Fernsehdirektor des MDR sagte: „Auch so was muss machbar sein, und wir machen das noch viel zu wenig.“ Und: „Der Mann wird nicht ausgezogen. Er könnte sich ja wehren.“

Jürgen Fliege antwortet

1995-1996 (ARD). Fünf Minuten-Sendung, in der Jürgen Fliege an einem unaufgeräumten Schreibtisch sitzt, aus Zuschauerbriefen zu seiner Talkshow Fliege vorliest und seine eigene Empfehlung ignoriert: „Lassen Sie nie eine gute Gelegenheit vorbeiziehen, wo Sie den Mund halten können.“

Lief exakt 152-mal am Nachmittag.

Fliege

1994–2005 (ARD). Tägliche Seelsorge- und Esoterik-Talkshow mit Jürgen Fliege.

Kurz nachdem RTL mit Hans Meiser das Genre der täglichen Talkshow erfolgreich nach Deutschland importiert hatte, begann die ARD eine eigene, ganz eigene Version ebenfalls jeden Werktag um 16.00 Uhr. Moderator wurde der evangelische Pfarrer Jürgen Fliege, der zuvor Kirchenbeauftragter bei Sat.1 war. Fliege spricht mit seinen meist nichtprominenten Gästen über eine große Bandbreite von Themen, am häufigsten jedoch über ihre Schicksale, die meist von einer außerordentlichen Tragik oder Dramatik sind. Weitere Schwerpunkte sind esoterische Themen wie Astrologie und Wunderheiler und eng damit verbunden die Werbung für alternative Heilmethoden jenseits der so genannten Schulmedizin. Gelegentlich gelingt es Fliege, all diese Komplexe miteinander zu verbinden, wie in der Sendung vom 22. Januar 2002 unter dem Titel: „Meine eigene Krankheit hat mich zum Heiler gemacht“. Sie hatte besonders hohe Zuschauerzahlen.

Fliege schafft es durch intensive Suggestion, die innersten Gefühle seiner Gäste aus ihnen herauszukneten. Die „Wochenpost“ schrieb, Fliege habe die seltene Gabe entwickelt, so zu „reden, dass es wie zuhören klingt“. Zum Repertoire gehören u. a. die Wiederholung des Gesagten in der Ich-Form, das abrupte Verfallen in vermeintliche Jugendsprache oder regionale Dialekte und körpersprachliche Signale wie das, sich vor die Gäste und damit unterhalb von ihnen auf den Boden oder eine Treppenstufe zu setzen. Wenn jemand erzählt: „Ich gehe jeden Tag auf den Friedhof zum Grab meiner Frau“, sagt Fliege als Nächstes: „Ich gehe jeden Tag auf den Friedhof, was erleb’ ich denn da?“ Er benutzt pseudotherapeutische Floskeln wie: „Das macht mich nachdenklich“, „Ich hab’ da eine Frage im Hinterkopf, die spiel’ ich mal nach vorne“, „Darf ich mit Ihnen traurig sein?“, „Jede Träne hat ihre zwei Seiten“ und „Sie haben ein sensibles Gesicht“. Nicht untypisch ist aber auch der Fliege-Satz: „Sein eigenes Kind wirklich zu stillen, da sind den Vätern die Brüste gebunden.“

Eine Mutter, deren jugendliches Kind durch eine Überdosis Drogen starb, begrüßte er mit den Worten: „Vielleicht ist der Sinn von Adrian, dass wir ihn nicht vergessen.“ Am Ende der Geschichte eines krebskranken Gastes sagte er: „Danke für die Emotion.“ Eine Frau, die sich für Drogenabhängige einsetzt, stellte er mit den Worten vor: „Das ist die Frau, die kämpft die Leute frei, die kämpft die Leute frei.“ In einer Sendung zum Thema „Mein größter Fehler“ fragte er einen Jungen, dessen Mutter einen Bullterrier als Haushund gekauft hatte, der ihm schwerste Bissverletzungen am Kopf zugefügt hatte: „Und wo können wir an einer Hoffnung teilnehmen?“ Eine Frau, die behauptete, aus Einsamkeit gelegentlich als Prostituierte zu arbeiten, fragte er: „Können Sie annehmen, dass Menschen Ihnen wünschen, aus dieser Sache herauszukommen, weil ihnen an Ihnen liegt?“ In einer Weihnachtssendung hatte er eine verarmte 65 jährige Frau zu Gast, die zwölf Krebsoperationen hinter sich hatte und deren Mann tödlich verunglückte, als er sie im Krankenhaus besuchen wollte. Sie sagte: „Aus diesem Loch heraus hab ich Ihnen geschrieben, Herr Fliege, Sie waren mein Strohhalm.“ Daraufhin schenkte Fliege ihr einen Strohstern vom Weihnachtsbaum in der Studiodekoration. Der exzentrische Münchner Modedesigner Rudolph Moshammer, der als Nächstes auftrat, versprach, der Frau zu Weihnachten einen Fernseher zu schenken, woraufhin Fliege Moshammer sein neues, selbstgeschriebenes Kinderbuch mit dem Titel „Alles wird gut“ schenkte.

Fliege versteht sich in der Sendung nicht als Talkmaster, sondern als Seelsorger. Er nennt sich „Missionar“, bezeichnet das Fernsehen als seine „elektronische Kirche“, fragt, ob nicht auch Jesus „ein Entertainer“ war („einer der besten“), nennt seine Show „die größte Selbsthilfegruppe“ der Nation. Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er: „Die Menschen kommen in meine Sendung, weil sie andere Menschen an ihrem Leid und übrigens auch an ihrer Freude teilhaben lassen wollen. Sie wollen es endlich loswerden! Das ist nicht schlecht, sondern gut und völlig natürlich. Ich verdiene mein Geld nicht mit Leid, sondern mit Unterhaltung. Unterhaltung heißt, dass man unter jemanden die Hände hält.“ Fliege stellt sich am Anfang jeder Sendung vor mit dem Satz: „Ich bin Jürgen Fliege“, und entließ seine Zuschauer am Ende nicht ohne den Segen: „Passen Sie gut auf sich auf!“

Im Juni 1995 gründete der Moderator mit seiner Produktionsfirma die „Stiftung Fliege“, um die Spenden, die häufig nach seinen Sendungen eintrafen, zu verwalten. In der ersten Sendung, in der er die Einrichtung vorstellte, bat er Hotelbesitzer darum, der Mutter eines schwerbehinderten Jungen einen Urlaub zu finanzieren, spendierte drei Pflegekindern eine Dauerkarte fürs Freibad und vermittelte einer Zwölfjährigen, deren Eltern einen Monat zuvor ums Leben gekommen waren, Ferien auf einem Pferdehof. Seit September 2002 gibt es außerdem eine Zeitschrift zur Sendung. Eine Zeit lang war auch „Flämmchen“, ein Stoffschaf zur Sendung, käuflich zu erwerben.

Mitte 1999 drohte der Bayerische Rundfunk, die Sendung nicht fortzusetzen, weil Fliege in einem Interview mit der Zeitschrift „Penthouse“ Gott als „alten Gangster da oben“ bezeichnet hatte – dem Anschein nach in dem Sinn, wie Eltern ihre Kinder liebevoll als „Räuber“ bezeichnen. Die Aufregung darüber hielt dennoch mehrere Wochen an. Auch mit Kritik an der Kirche gelangte Fliege immer wieder in die Schlagzeilen.

Ende 1995 lieferte er sich einen verbalen Schlagabtausch mit Hans Meiser. Fliege sagte: „Was bei Meisers und Ilona Christens Sendungen stattfindet, ist ein kaltes Vorführen von Menschen. Das ist Voyeurismus.“ Meiser erwiderte: „Das sind die weinerlichen Anschuldigungen eines ewigen Dritten.“ Fliege überlebte allerdings das große Talkshowsterben und überrundete alle anderen Daily Talker an Dienstjahren. Seine Quoten waren relativ konstant gut, das Publikum allerdings weit überdurchschnittlich alt.

Ab April 2005 wurde Fliege schon eine Stunde früher, um 15.00 Uhr, ausgestrahlt. In der ersten Woche auf dem neuen Sendeplatz zeigte Fliege die offensichtlich von Sendungen wie Frauentausch inspirierte vierteilige Realityshow „Pfarrertausch“, in der er eine Woche lang die Stelle und Aufgaben eines evangelischen Gemeindepfarrers übernahm.

Zeitweilige Ableger der Sendung waren Jürgen Fliege antwortet und Spurensuche mit Jürgen Fliege.

Ilona Christen

1993–1999 (RTL). Einstündige tägliche Talkshow mit Ilona Christen.

Ein Jahr nach Hans Meiser startete RTL die zweite tägliche Talkshow eine Stunde vor Meiser, ersetzte das Altherrenhafte durch das Tantige, beließ aber im Kern das Konzept: eine monothematische Gesprächsrunde mit unbekannten Gästen. Christen saß in einer Reihe mit ihren Gästen, immer ganz rechts außen, die Beine übereinandergeschlagen. Die Gäste waren immer schon alle vom Anfang der Sendung an da. In der ersten Reihe des Publikums saßen ihnen häufig noch Experten zum Thema gegenüber. Ilona Christen wandte sich vor allem an weibliche Zuschauer.

Die Gesprächsrunden fielen selten durch Skandale, aber häufig durch Wirrheit auf; das Aufregendste war oft das extravagante Brillengestell der Moderatorin. Trotzdem ging es auch hier gelegentlich um drängende Fragen des Alltags wie „Warum lieben Frauen einen Mörder? Wann macht es Angst? Und wann wird’s erotisch?“. Häufige Themen waren der Kampf gegen Fettleibigkeit und Bürokratie, außerdem ging es z. B. um das „Abenteuer Kaffeefahrt“, die These „Deutsche Frauen bringen’s nicht“ und das Bekenntnis „Ich will nicht länger schwul sein“. Die Moderatorin legte Wert auf die Feststellung, dass sich bei ihrer Sendung im Gegensatz zu anderen Talks hinter dem Titel „Ich bin 30 und impotent“ ein Medizin- und kein Sexthema verborgen habe.

Direktes Vorbild für Christen in den USA war wohl Sally Jessy Raphael, die ähnlich schroff und burschikos an Gäste und Themen heranging und ebenfalls auffällige Brillen trug. (Angeblich stellte eine Ansage Christens im November 1973 im Regionalprogramm des Saarländischen Rundfunks den ersten Auftritt einer Fernsehansagerin mit Brille dar, weshalb sie sie zu ihrem Markenzeichen gemacht habe.) Vor den Werbepausen sagte Christen gern: „Wir reden drüber“ oder, verwirrenderweise, zu den Fernsehzuschauern: „Wir sehn uns.“

Die Sendung wurde im Doppelpack mit Meiser ein Erfolg und ließ RTL den Nachmittag locker gewinnen. Allerdings war auch das Publikum von Ilona Christen auf Dauer zu alt; im Frühjahr 1999 verlegte RTL die Show von 15.00 auf 13.00 Uhr, wodurch die Quoten rapide sanken, da zur gleichen Zeit bereits Sonja Zietlow erfolgreich auf Sat.1 talkte. Bereits zur 1000. Sendung 1998 hatte Christen angekündigt, im Sommer 1999 aufhören zu wollen, weil sie die Eskalation und zunehmende Provokation in den Talkshows nicht mehr mitmachen wolle. Nach der letzten Erstausstrahlung Ende Juni 1999 zeigte RTL noch zwei Monate lang Wiederholungen. Nachfolger auf dem Sendeplatz um 13.00 Uhr wurde Die Oliver Geissen Show.

Hans Meiser


Foto: RTL

1992-2001 (RTL). Einstündige werktägliche Nachmittags-Talkshow.

Hans Meiser, der sich als Anchorman der RTL-Nachrichten einen Namen als lockerer, aber halbwegs seriöser Moderator gemacht hatte, wagte als Erster in Deutschland eine tägliche Talkshow nach amerikanischen Vorbildern. Pate standen vor allem Phil Donahue und Oprah Winfrey. Fast alles an dem Format war für deutsche Fernsehzuschauer neu: die Platzierung am Nachmittag (16.00 Uhr), die tägliche Ausstrahlung, die Besetzung mit nichtprominenten Gästen, die Beteiligung des Publikums an der Diskussion – anfangs taten sich die Zuschauer sichtlich schwer damit, den wildfremden Menschen auf der Bühne ihre Meinung zu sagen. RTL selbst beschrieb Hans Meiser 1994 so: „Eine Sendung, in der Menschen zu Wort kommen, über die man sonst nicht redet.“ So durften z. B. Klofrauen ihre schönsten Anekdoten erzählen.

Anders als seine sämtlichen Kollegen stand Meiser weder im Publikum noch saß er bei den Gästen. Sein Platz war in einem Gang, der beide Gruppen voneinander trennte. Von dort eilte er gelegentlich ins Publikum, um Stimmen einzuholen. Der Moderator trat dabei betont schnoddrig auf („Ja, nun sind wir also zum ersten Mal da“, sagte er zu Beginn der Premierensendung) und verlor häufiger den Faden, womit er gern kokettierte. Themen mit sexuellem Bezug kamen von Anfang an vor, dominierten aber nicht. Meiser betonte dabei häufig, dass man am Nachmittag natürlich nicht schlüpfrig sein dürfe, und tat das so oft, bis die Schlüpfrigkeit sich nicht mehr steigern ließ. Das einfache Verb „stehen“ wurde in solchen Sendungen zu seinem beliebtesten Wort.

Andererseits besprach Hans Meiser viele ernsthafte Themen und führte Diskussionen, denen man den Anspruch anmerkte, zu informieren oder gar aufzuklären. Thema der ersten Sendung waren Partneragenturen, in den folgenden Tagen ging es u. a. um die Homo-Ehe, Wunderkinder, Überschuldung und minderjährige Mütter. Besonders interessant waren im Lauf der Jahre etwa 1992 „Stumme Schreie – Gewalt gegen Kinder“, 1997 „Ihr lasst uns doch verrecken – Obdachlos in Deutschland“ und 2000 „Unbelehrbar? NPD-Anhänger im Kreuzverhör“. Am 4. September 2000 sollte es in einer Sendung unter dem Titel „Albtraum Schönheit – Ausgenutzt und Abgezockt“ um die Machenschaften des Schönheitschirurgen Dr. Spahn gehen. Obwohl diesem in Deutschland die Approbation entzogen worden war, schnippelte er im Ausland weiter. Im Publikum erwarteten ihn Kriminalbeamte, die ihn eine halbe Stunde vor der Live-Ausstrahlung verhafteten. In der Sendung am 29. September 1999 mit dem Thema „Hans macht dich zum Viva-Star“ wurde Oliver Pocher entdeckt und erstaunlicherweise zum Viva-Star gemacht.

Hans Meiser entwickelte sich mit bis zu 4,8 Millionen Zuschauern zu einem Riesenerfolg, den viele in den nachfolgenden Jahren vergeblich zu kopieren versuchten. Die hauptsächlich auf Sex und Streit ausgerichtete Konkurrenz hatte jedoch auch Einfluss auf Meisers Themenauswahl, was sich besonders beim Wettstreit um jüngeres Publikum auswirkte. Meiser konnte zwar auch noch mit zehn weiteren täglichen Talkshows als direkter oder indirekter Konkurrenz die höchsten Einschaltquoten verzeichnen, hatte aber leider auch mit die ältesten Zuschauer. In der 850. Sendung liefen in den Werbepausen Spots für Lefax (gegen Blähungen), Fagorotin (für bessere Durchblutung), Cystofink (gegen Reizblasen), ABC-Pflaster und Biovital. Gegen den Trend sollten Sendungen wie „Ich rede nicht viel, ich schlag gleich zu“ und „Du bist doch bloß ein Flittchen“ wirken. Später bereute Meiser öffentlich, den Weg der „Schmuddeltalkshows“ mitgegangen zu sein.

1999 lieferte er sich allerdings noch eine öffentliche Diskussion, die ungefähr auf dem Niveau seiner damaligen Talkshows lag. Die Sendung „Großmaul trifft Gewitterhexe“ war von der Bayerischen Landesmedienanstalt u. a. beanstandet worden, weil ein F-Wort nicht überpiepst worden war. Der Vorsitzende des Medienrats, Klaus Kopka, sagte öffentlich: „Was bei Hans Meiser läuft, ist unter aller Sau.“ Meiser schrieb ihm einen Brief und warf ihm vor, sein Amt „zur Instrumentalisierung seiner ganz persönlichen geschmäcklerischen Moralvorstellungen“ genutzt zu haben und provozierte ihn u. a. mit einem Kopka-Button, den er in seiner Sendung am Revers trug. Als in einer Sendung ein Gast zu einer dicken Frau sagte, er könne sich nicht vorstellen, „mit einem so dicken Pansen ins Bett zu gehen“, griff Meiser ironisch ein: „… sonst muss ich ins Abendprogramm.“

Seiner Zeit voraus war Hans Meiser auch, als er zwei Sendungen mit erfundenen, von Laiendarstellern nachgespielten Geschichten ausstrahlte: Die eine wurde als Aprilscherz produziert, lief aber verwirrenderweise schon am 31. März 1999 („Heute rechne ich mit Dir ab“), die andere wurde sechs Wochen später zum Muttertag gesendet. Das Thema lautete: „Mami, mit dir hab ich noch eine Rechnung offen“. In immer extremeren Situationen prügelten sich in diesen Sendungen Menschen auf der Bühne, Mütter gaben zu, mit ihren Schwiegersöhnen geschlafen zu haben und bewiesen dies durch Kenntnis des Intimschmucks. Erst am Schluss verriet Meiser, dass es sich um „Märchen“ handelte. Die Quoten der beiden Fake-Sendungen waren bombig.

Anfang 2000 begannen die Quoten aller Daily Talks im Fernsehen zu bröckeln. RTL reduzierte die Zahl seiner fünf täglichen Talks und setzte Birte Karalus und Sabrina im Herbst 2000 ab. Nach acht Jahren auf dem Sendeplatz um 16.00 Uhr talkte Meiser ab jetzt bereits eine Stunde früher. Inzwischen waren auch seine Quoten drastisch zurückgegangen, was er mit Fassung trug („Ich bin nicht traurig, wenn ich diesen Job nicht mehr mache“). Es folgten noch Rettungsversuche durch mehr Live-Shows, die Zuschauern die Möglichkeit boten, direkt in der Sendung anzurufen (in den ersten Jahren war die Show noch regelmäßig live ausgestrahlt worden), sowie durch Versteckte-Kamera-Aktionen und allerlei halbgare Experimente. Doch ein halbes Jahr später war auch für Hans Meiser nach 1700 Talks Schluss. Die letzte Live-Sendung vom 17. Januar 2001 hatte das Thema „Was ist typisch deutsch?“. Als merkwürdiger Gag waren nur der Moderator und das Team angezogen, Gäste und Publikum trugen nichts als Unterwäsche. Die Diskussion war aber brav und sachlich.

Die Sendung lief anfänglich um 16.00 Uhr, ab 2000 um 15.00 Uhr.

Arabella sucht

2000-2001 (ProSieben). Einstündiges Magazin mit Arabella Kiesbauer, in dem dienstags um 22.15 Uhr Menschen gesucht wurden. Es ging dabei nicht nur um Vermisste, sondern beispielsweise auch um Zeugen einer Straftat, Organspender, Erben etc. Die Sendung brachte es nur auf acht Ausgaben.

Arabella Night

1996-1997 (ProSieben). Wöchentliche Late-Night-Show mit Arabella Kiesbauer.

Sie war eine Mischung aus Comedy, Filmclips und Talk mit Prominenten und unprominenten Gästen. Vor allem aber war sie eine Fortsetzung des Nachmittagstalks Arabella mit den gleichen Mitteln. „Was, Andy, du hast noch nie mit einer Frau geschlafen?“ – „Nein“, sagt Andy, „aber mit mehreren Vierbeinern, und die haben auch kein Problem damit: Pferde sind polygam, das bin ich auch.“

Die Show lief montags um 23.00 Uhr.

Arabella

1994-2004 (ProSieben). Tägliche einstündige Nachmittags-Talkshow.

Arabella Kiesbauer gehörte zu den ersten, die nachmittags talkten. Das Konzept war dem von Hans Meiser und Ilona Christen ähnlich, die Themen waren allerdings auf ein jüngeres Publikum ausgerichtet; auch mit rasanten Wackelkamerafahrten setzte sich Arabella von den bedächtigeren Konkurrenten ab. Thema der ersten Sendung war: „Fremdgehen – Lust oder Laster?“ Die zu Beginn 28 Jahre alte Österreicherin hatte zuvor das ORF-Magazin „X Large“ moderiert, das in Deutschland auf 3sat zu sehen war.

Eigentlich sollte ihre Pro-Sieben-Show bereits im April starten, doch wegen einer Erkrankung – die Talkerin hatte wegen einer „linksseitigen Stimmbandlähmung“ ausgerechnet ihre Stimme verloren – schickte der Sender kurzfristig Lindenau ins Rennen. Während der Ersatz floppte, entwickelte sich Arabella zum Erfolg. Vor allem das anvisierte junge Publikum liebte die Show.

Für Diskussionen sorgte, dass der Sender um die 25 Drohbriefe veröffentlichte, die die Moderatorin angeblich wegen ihrer Hautfarbe erhalten habe. „Deutschlands erste farbige Moderatorin“ werde von Rassisten bedroht, verkündete Pro Sieben, was viele, auch farbige Kollegen, für Teil einer Marketingkampagne hielten. Im Juni 1995 bekam Kiesbauer eine Briefbombe ins Studio geschickt, die eine Assistentin leicht verletzte. Eine rechtsradikale österreichische Organisation bekannte sich zu dem Anschlag.

Inhaltlich entwickelte Arabella sich zeitweise zur Krawallshow, in der sich Streitende anbrüllen oder ihrem Gegenüber schockierende Neuigkeiten offenbaren durften. Als die Talkshows im Rahmen der „Schmuddeldebatte“ 1998 ins Visier der Medienöffentlichkeit und aufsicht gerieten, setzte der Sender mehrere Ausgaben kurzfristig ab, darunter „Selbstbefriedigung – warum schläfst du nicht mit mir“ und „Schafft die Huren ab“. Bei einigen Sendungen wurden nur die Titel entschärft: Aus „Ich schäme mich für meinen Busen“ wurde „Meine Formen sind zu weiblich“, und die These „Schwangere sind hässlich“ wandelte sich auf wundersame Weise zu: „Schwanger sein macht schön“. Der harmlose „Alptraum Friseur“ hatte den Originaltitel „Du bist doch bloß ’ne Friseuse!“. Im Juli 1999 ließ Arabella über das Genre selbst diskutieren. Dabei sagte Torsten Rossmann als Sprecher von Pro Sieben: „Wir haben Folgen ausgestrahlt, die wir heute nicht mehr ausstrahlen würden. Haben Sachen gezeigt, die im Nachmittagsprogramm nichts zu suchen haben.“ Aber auch danach gab es noch interessante Themen, so etwa am 31. Januar 2000: „Dein Partner ist das Letzte – sieh es endlich ein!“

Als der Daily-Talk-Boom Anfang des neuen Jahrtausends abflachte und die meisten entsprechenden Sendungen aus dem Programm flogen, sanken zwar auch Arabellas Quoten, doch sie konnte sich halten. Ende 2002, vor den Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung, gab es jedoch heftige Diskussionen um das zukünftige Konzept. Kiesbauer weigerte sich, ihre Gäste von Laienschauspielern darstellen zu lassen, wie es in den aufkommenden Gerichtsshows und in der Schlussphase des Pro-Sieben-Talks Nicole – Entscheidung am Nachmittag der Fall war.

Zeitweise verwandelte sie ihre Talkshow stattdessen wochenlang in eine Beziehungsshow, in der junge Paare ihre Liebe testeten, indem beide mit je einem anderen Menschen ausgingen und sich hinterher für „alte Liebe“ oder „neue Liebe“ entscheiden mussten. Diese Idee hatte sie einer eigenständigen Sendung aus den USA entnommen.

Im Frühjahr 2003 lief innerhalb der Sendung die Doku-Soap „Die Abschlussklasse 2003“ mit 80 Folgen, die jeweils die Hälfte der Sendezeit einnahmen. Im Zuge des Reality-Booms verhalf diese Doku-Soap zweier Schüler, die ihren Klassenalltag mit Videokameras filmten, der Talkshow zu einem Anstieg der Einschaltquote. Arabella habe zuvor einige Szenen aus dem Projekt zu sehen bekommen, hieß es. Für sie „stand sofort fest: Den Film muss ich in meiner Sendung zeigen“. Dass – entgegen früherer Beteuerungen – die Szenen in dem angeblich echten Projekt nachgestellt waren, kam erst später heraus.

Am 1. September 2003 begann eine neue Staffel, die „Die Abschlussklasse 2004“ begleitete – jetzt auf ein ganzes Schuljahr ausgedehnt. Auch nachdem diese einen eigenen Sendeplatz erhalten hatte, bekam Arabella nicht ihre volle Sendezeit zurück, sondern moderierte in der ersten halben Stunde Das Geständnis, ein so genanntes Plug-in mit erfundenen Geschichten und Laiendarstellern. Der Kandidat, der ein meist irgendwie sexuelles Geständnis zu machen hatte, verbarg sich immer hinter einer Schattenwand, die nur seinen Umriss zeigte.

Ebenso wie die Abschlussklassen hatte Das Geständnis regelmäßig bessere Quoten als die eigentliche Talkshow, so dass Pro Sieben sie zum zehnjährigen Jubiläum absetzte. Arabella hatte eigentlich ab Herbst das auf eine Stunde ausgedehnte Geständnis moderieren sollen, ihr Unbehagen an dem Trend zu erfundenen und immer extremeren Geschichten aber öffentlich gemacht. Pro Sieben trennte sich daraufhin im Streit vollständig von seinem bekanntesten Gesicht, das ironischerweise gerade vorher noch aus einer Umfrage als glaubwürdigste Moderatorin hervorgegangen war.

Bis zum 6. August 2004 liefen auf dem täglichen Sendeplatz noch Wiederholungen. Eine kurzlebige Spätabendvariante hieß Arabella Night

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