Die 100.000-Minuten-Show

Liebe Leser,

eigentlich hätte ich für Sie schon vor vielen Stunden aufschreiben sollen, wie mir die Neuauflage der 100.000 Mark Show mit Inka Bause gestern auf RTL gefallen hat. Leider bin ich während der Sendung vor Langeweile in ein Koma gefallen, aus dem ich gerade erst wieder aufgewacht bin.

Diese Sendung ist eh kein Fall für die Fernsehkritik, sondern für die Wissenschaft. Sie muss klären, wie es RTL gelungen ist, dass die zweistündige Show doppelt so lang ist wie Stefan Raabs fünfstündige Show Schlag den Raab. Und vielleicht genügt die Zeit bis zur geplanten zweiten Folge am 6. Dezember, um Möglichkeiten zu entwickeln, die Sendung nicht auszustrahlen, sondern in Tablettenform zu verkaufen, als Sedativum.

Und wenn Sie partout mehr lesen wollen über die 100.000 Euro Show, lesen Sie den erschütternden Augenzeugenbericht der Kollegen von DWDL, die bei der Aufzeichnung der Sendung dabei waren — und sich von der Erfahrung anscheinend bis heute nicht erholt haben.

Stefan, 21. September 2008, 21:05.

Die 100.000 Mark Show

1993–2000 (RTL). Abendfüllende Spielshow mit Ulla Kock am Brink.

Action und Thrill sind die Hauptbestandteile dieser Show. Die Kandidaten müssen körperlich fit sein und alles geben, um in dieser Show gewinnen zu können, denn die meisten Spiele sind Aktionsspiele, die Ausdauer erfordern. Es gibt jedoch auch Frage- und Rechenrunden. Jawohl, Rechenaufgaben. Wie in der Schule. Doch wenn im Hintergrund die spannungsgeladene Musik läuft, gewinnt man den Eindruck, selbst das sei große Unterhaltung.

Aus einem ersten Schnelligkeitsspiel zu Beginn der Show gehen drei Paare hervor, die dann gegeneinander spielen. Das Siegerpaar kann im Idealfall 100.000 DM gewinnen (eine bis dahin als Gameshow-Gewinn unerreichte Summe), wenn es im Schlussspiel die Zahlenkombination für den Tresor knackt. Diese befindet sich in einem von zehn verschlossenen zylindrischen Gefäßen. Für jede richtig beantwortete Frage verschwindet mit einem Knall ein Zylinder mit einer falschen Kombination im Tisch, und unter den am Ende übrig gebliebenen Zylindern wählt das Paar einen aus und gibt die Kombination ein. Dann tickt es eine Weile, als sei der Computer 100 Jahre alt und brauche seine Zeit, und schließlich sagt eine unheimliche, monotone Computerstimme: „Der von Ihnen eingegebene Zahlencode ist …“ Pause. Pause. Pause. „… richtig.“ Oder eben falsch.

Die Show lief zunächst am Freitag, dann sonntags und schließlich als große Samstagabendshow und gehörte mit bis zu zehn Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten Sendungen von RTL. Vorbild war die „Staatsloterijshow / De 100.000 Gulden-Show“, die seit 1989 in den Niederlanden lief. John de Mol war der Produzent. Als Ulla Kock am Brink den Sender 1998 nach 56 Folgen verließ, übernahm Franklin Schmidt die Moderation. Um die inzwischen stark zurückgegangene Einschaltquote wieder anzuheben, wurde unter Franklin, wie er sich lediglich nannte, ein Jackpot eingeführt, d. h. gewann ein Paar die 100.000 DM nicht, gab es in der nächsten Sendung 200.000 DM zu gewinnen.

Im Herbst 2008 belebte RTL die Show mit zwei Ausgaben neu, jetzt mit Inka Bause unter dem Titel Die 100.000 Euro Show.

Buchstabierwettbewerb am Ballermann


Fotos: ProSieben

An mir lag’s nicht. Ich hatte schon vor Beginn der Show ein großes Bier und ein kleines getrunken, was bei einer 20.15-Uhr-Show nun wirklich ausreichen müsste, um eine angemessene Erhöhung der Toleranzschwelle und Senkung der Niveaugrenze zu erreichen. Okay, ich hab dann den Fehler gemacht, den gesamten ersten Werbeblock hindurch in einer Art Schockstarre vor dem Fernseher sitzen geblieben zu sein, anstatt schnell auf härtere Drogen umzusteigen. Und das dritte Bier nach der zweiten Werbepause reichte natürlich nicht einmal aus, auch nur den eingetretenen Ernüchterungseffekt durch das Grauen auf dem Bildschirm auszugleichen.

Es wäre aber, ehrlich gesagt, auch im Vollrausch nicht zu ertragen gewesen. Denn die neue Pro-Sieben-Sendung Singing Bee basiert auf der außerordentlich abwegigen (und aus den USA importierten) Idee, die, äh, Lebensfreude einer Gruppe achtzehnjähriger Jungmänner aus der hessischen Provinz am Ballermann kurz vor dem Filmriss mit der Pingeligkeit eines „Monopoly“-Spielers zu kombinieren, der sich wegen Differenzen über die genaue Regelauslegung beim „Frei Parken“-Feld mit dem halben Freundeskreis überworfen hat.

Es geht nämlich darum, dass unsympathische, übereuphorisierte Sich-Selbst-Produzierer darum kämpfen, wer irgendwelche Hits am besten auswendig singen kann, was sie, in bester Karaoke-Tradition, mit großer Inbrunst und Falschheit tun. Die Töne müssen nicht stimmen, aber bei den Texten lässt „Singing Bee“ nicht nur nicht Fünfe, sondern auch Viere nicht gerade sein, wenn sich herausstellt, dass die siebte Nachkommastelle keine Null ist. Die Kandidatin, die in dem Ärzte-Song den Refrain „Manchmal, aber nur manchmal, haben Frauen ein kleines bisschen Haue gern / Immer, ja wirklich immer, haben Typen wie du“ vervollständigte mit: „eins auf die Fresse verdient“, hatte verloren. Es heißt: „was auf die Fresse verdient“. Eine Spitzfindigkeit, die man eher nicht zu würdigen weiß, wenn man es geschafft hat, sich die schlimmen Kandidaten, die Moderatoren Senna (von Monrose) und Oliver Petszokat, die schlechte Band, den unerträglichen Gesang (der Profis!) und die falsche Jubelatmosphäre im Publikum erträglich zu trinken (also mindestens nicht mehr weiß, wo bei der Fernbedienung vorn und hinten ist).

Immerhin hatten die Kameraleute offenbar das einzig Richtige getan und sich schon vor der Sendung die Kante gegeben.

Wirklich beunruhigend ist, dass auch diese Sendung, wie schon der schnell wieder entsorgte Comedy Zoo, von Red Seven produziert wurde, einer neuen scheinambitionierten Produktionstochter der Senderfamilie ProSiebenSat.1 unter Leitung des langjährigen ProSieben-Unterhaltungschefs Jobst Benthues, teilweise unter Einsatz der gleichen affigen und nicht funktionierenden Witz-Ideen. Die meinen das ernst mit der Produktion von Sendungen auf dem Niveau der kleinen Trashreihe Gina-Lisas Welt.

Stefan, 10. September 2008, 01:35.

Das „Hörzu“-Jodeldiplom

Soeben erreicht uns folgender Hilferuf des bekennenden Fernsehzuschauers Bastian Pastewka:

Ich habe mich gestern wie so oft als letzter lebender Deutscher ausgiebig mit der HÖRZU beschäftigt, nach wie vor meine Lieblingszeitung und nicht zu schlagen, wenn es um die Ausführlichkeit geht. So weit, so uninteressant.

Ich habe jedoch mit einem Mal einen fast zweistündigen Diskurs mit meiner Freundin und wiederum ihrer Freundin über die Bedeutung eines Hinweises, den die HÖRZU auf Seite 31 ihres neuesten Heftes (Nummer 35, die mit der grinsenden Frau drauf, Top-Thema: „Gesund durch Fröhlichkeit“) gibt, geführt.

Wie ihr seht, mag ich Bandwurmsätze; aber das, was dort steht, hätte selbst ich nicht zustande gekriegt, vielleicht auch, weil weder ich noch meine Freunde den dort stehenden Satz begreifen.

Die Überschrift bezieht sich auf eine ZDF-Sendung, die am SA, 30.8. um 20.15h laufen wird. Sie lautet (tatsächlich) GRAND PRIX DER VOLKSMUSIK 2008 – STADIONJODELN IN ZÜRICH.

Darunter folgender Text:

Live! Finale! - Mit

Bitte helft mir. Ihr seid Journalisten oder so was und könnt mir fachlich bestätigen, daß hier mehrere Sätze aufs Schlimmste miteinander kollidiert sind. Kleiner Tipp: Ich habe bereits einen Teil des Rätsels lösen können (da die HÖRZU ja auf der nächsten Seite weitere Infos gibt): Der „23. Bergkristall“ ist natürlich der Name eines Preises und „Oesch’s die Dritten“ eine Schweizer Jodelgruppe. Das ist also ein Eigenname, der nichts mit ihrer Platzierung oder ähnlichem zu tun hat. Aber sie sind kein Quartett.

Und sagt mir, daß man eine Karte FÜR etwas zieht, nicht UM etwas. Und sagt mir, daß 4 Gruppen aus der Schweiz, die in dieser Knallershow gegen je weitere 4 aus Deutschland, Südtirol bzw. Österreich antreten, vielleicht — ich sage ausdrücklich vielleicht — das erwähnte Quartett sein könnten, aber daß sie hierfür ihre Karte längst geZOGEN haben müssten, nicht erst ZIEHEN werden.

Bitte helft mir, bevor ich der HÖRZU schreibe!

Wer kann dem Mann helfen?

Stefan, 25. August 2008, 11:52.

Black Adder

1999 (RTL). 24-tlg. brit. Comedyserie von Rowan Atkinson und Richard Curtis („Black Adder“; 1983–1989).

Edmund Blackadder (Rowan Atkinson) schreibt die Geschichte um. Auf einem Streifzug durch die Jahrhunderte nimmt er an historischen Ereignissen teil und beeinflusst sie. Sein idiotischer Partner Baldrick (Tony Robinson) ist immer dabei.

Zeitweise lief die Serie unter dem albernen Titel Rowan Atkinson alias Mr. Bean ist „Black Adder“, weil Atkinson in Deutschland in der Rolle des Mr. Bean in der gleichnamigen Show bekannt geworden war. In seiner britischen Heimat schlug Black Adder deutlich stärker ein als Mr. Bean und war eine der erfolgreichsten Serien der 80er-Jahre. Nach dem eigentlichen Ende wurde sie – jeweils in einer anderen Epoche – noch dreimal fortgesetzt.

Bei uns ging Black Adder weitestgehend im Sonntagnachtprogramm unter. Ab 1993 hatte bereits 3sat und in Wiederholungen später arte die Serie im englischen Original mit deutschen Untertiteln gezeigt. Erst RTL zeigte synchronisierte Fassungen.

Inspektor Fowler — Härter als die Polizei erlaubt

1996–1998 (Pro Sieben). 14-tlg. brit. Comedyserie von Ben Elton. Regie: John Birkin („The Thin Blue Line“; 1994–1996).

Inspektor Raymond Fowler (Rowan Atkinson) leitet ein Polizeirevier in einem Londoner Vorort. Er ist penibel und verzweifelt oft über seine Mitarbeiter Bob Kray (Kevin Allen), Maggie Habib (Minar Anwar), Frank Gladstone (Rudolph Walker), Kevin Goody (James Dreyfus), Derek Grim (David Haig) und Patricia Dawkins (Serena Evans). Patricia ist zugleich Fowlers Freundin, die manchmal ihre liebe Not mit ihm hat.

Zwei Staffeln mit je sieben halbstündigen Folgen liefen anfangs mittwochs gegen 22.00 Uhr, ab der zweiten Staffel montags gegen 23.15 Uhr.

Die Meistens-Sowieso-Mist-Faustregel der deutschen Fernsehcomedy im Praxistest

Angesichts der neuen ProSieben-Sendung Comedy Zoo (wir berichteten) formuliert D.o.N. in den Kommentaren:

Nach meiner Erfahrung sind Sendungen, die das Wort „Comedy“ im Titel explizit angeben müssen, meistens sowieso Mist.

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wie gut die Meistens-sowieso-Mist-Faustregel funktioniert, zeigt ein Blick auf unsere relativ vollständige Übersicht aller Sendungstitel im deutschen Fernsehen, die das Wort „Comedy“ im Titel tragen oder trugen:

(Eine ähnliche, aber ungleich eindeutigere Regel gilt übrigens für Begriffe wie „lustig“ oder „witzig“ in Sendungstiteln, vgl. Elmis witzige Oldieshow.)

Stefan, 20. August 2008, 19:30.

Elmis witzige Oldie-Show

1996–1998 (Sat.1). Nostalgie-Musikshow mit Elmar Hörig.

Auf der Bühne standen Stars, die entweder aus gutem Grund in Vergessenheit geraten waren (wer waren nochmal die Tremeloes? Und Jaqueline Boyer??), oder Leute wie Peter Kraus und Ted Herold, die seit den 60er-Jahren immer wieder die gleichen Titel singen mussten, und bewegten ihre Lippen zum Playback.

Sagen wir so: Im Jahr 2026 stünden bei dieser Show Captain Hollywood und Blümchen auf der Bühne und man würde sich gemeinsam an die guten alten Zeiten kurz vor der Jahrtausendwende erinnern, als es noch Techno und billigen Dancepop gab. Die Show vermittelte durch die alten Kracher gute Stimmung, aber nicht unbedingt jedes Wort im Titel der Sendung hielt einer genaueren Überprüfung stand.

Sie lief im Samstagabendprogramm, mal einstündig um 22.00 Uhr, mal als große Show um 20.15 Uhr.

Badesalz Comedy Stories

1999–2000 (Sat.1). 6-tlg. Comedyshow mit Gerd Knebel und Henni Nachtsheim, die als Badesalz bekannt wurden und bereits Jahre vorher mit Och Joh eine Fernsehshow hatten. Eine halbe Stunde lang wurden Gags mit meist absurdem Humor aneinandergereiht, in denen Alltagsszenen grotesk überzeichnet wurden.

T. V. Kaiser

1996–1999 (RTL). Dt. Comedyreihe.

Tillmann-Volker Kaiser (Martin Zuhr), genannt T. V. Kaiser, ist Moderator einer nach ihm benannten Talkshow, sein Assistent ist Marco Mommsen (Michael Dierks).

Parodie auf Daily-Talkshows. In T. V. Kaiser sollten die Themen noch dämlicher und die Gäste noch schlimmer sein als in den wirklichen Daily Talks. Die Show litt darunter, dass das schon vom Prinzip her nicht möglich war. Original und Parodie unterschieden sich nur dadurch, dass das Original unfreiwillig witzig war und die Parodie angestrengt witzig. Letztlich war T. V. Kaiser aber seiner Zeit voraus. Wenig später waren Shows wie Richterin Barbara Salesch, Das Jugendgericht oder Zwei bei Kallwass, aber auch Talkshows wie Nicole und Arabella routinemäßig mit schlechten Schauspielern in überdrehten Rollen besetzt.

RTL sendete 80 Ausgaben der Show, immer 45 Minuten lang, freitags um 23.15 Uhr. Die erste Staffel hatte noch den Untertitel „Die Talkshow, wo voll gut ist“. Vox versuchte sich an einem ähnlichen Format unter dem Titel Quatsch dich reich.

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