Hallo, wir sind die Neuen

Im Fernsehen ist der Sommer vorbei. Auf etlichen Sendern begannen heute neue Staffeln bewährter Reihen, und gleich drei komplett neue Shows gingen an den Start.

Ganz & gar (Vox). Die nächste neue Kochshow auf dem alten Sendeplatz von Schmeckt nicht, gibt’s nicht. Jetzt kocht Steffen Henssler, der gleich in seiner ersten Sendung einen Lehrling hat. Hat der keine Nina? Immerhin weiß der Mann Prioritäten zu setzen: Nach knapp zehn Minuten nimmt er erst mal zwei Bier aus dem Kühlschrank. Guter Mann.

Experiment Inkognito (Kabel 1). Eine Prominente, gespielt von Jeanette Biedermann, wird von einem Maskenbildner in einen indischen Filmproduzenten verwandelt und darf nun Menschen begegnen, die sich nicht erkennen. Amüsante Idee, die einen Einspielfilm in Verstehen Sie Spaß? gefüllt hätte oder in einer anderen dieser Sendungen, in denen Humor theoretisch erklärt wird, aber eine ganze Stunde? Mit nur einer Idee? Puh. Aber wenn nur alles oft genug erklärt und lang genug zerredet wird, bekommt man auch eine Stunde voll.

Krügers Woche (ProSieben). Mike Krüger und Hans Werner Olm kommen nicht voneinander los. In Sat.1 machten sie noch eine gemeinsame Show (Die Mike Krüger Show), bei RTL liefen ihre Sendungen Krüger sieht alles und Olm! hintereinander, und auch bei ihrem neuen Sender ProSieben bilden ihre neuen Shows Krügers Woche und Olm unterwegs wieder einen Block. Vorher moderiert noch Jürgen von der Lippe Extreme Activity, und Mike Krüger sagte im DWDL-Interview: „Wir drei alten Knacker bei ProSieben. Das allein ist doch schon Comedy.“ Mehr Comedy wird’s leider auch nicht.
Im gleichen Interview erklärte Mike Krüger, das Format der neuen Reihe, die die fiktive Redaktionskonferenz einer fiktiven Late-Night-Show zeigt, biete die Möglichkeit, auch Gags zu verbraten, die sie in der Redaktionssitzung zu Sieben Tage — Sieben Köpfe noch rausgeworfen hätten, weil sie Humorgrenzen hatten. Man erschrickt ein wenig bei der Vorstellung, dass es dort tatsächlich Gags gegeben haben soll, die nicht gemacht wurden. Und tatsächlich sind die Witze in Krügers Woche noch viel platter und niveauloser, als man es je für möglich gehalten hätte. Wenn es wirklich das erklärte Ziel war, endlich auch diese Witze ins Fernsehen zu bringen: Glückwunsch. Sie wurden ausgestrahlt. Gilt das schon als Erfolg?

Ich hätte wie Steffen Henssler um 18.40 Uhr Bier aus dem Kühlschrank holen sollen, dann wäre der Rest dieses Fernsehabends vielleicht leichter zu ertragen gewesen, bei dem ich mir wünschte, der Sommer wäre nie zu Ende gegangen.

Michael, 27. August 2007, 23:29.

Krügers Woche

Seit 2007 (ProSieben). Halbstündige Comedyshow mit Mike Krüger.

Statt einer Late-Night-Show spielen Mike Krüger und sein Team die Redaktionskonferenz einer fiktiven Late-Night-Show und denken sich den ganzen Tag Witze aus, von denen es die meisten aus gutem Grund nicht in die abendliche Show schaffen, die es dank der konzeptionellen Umwegskonstruktion dieser Reihe aber bedauerlicherweise dennoch ins echte Fernsehen schaffen. Mike Krüger spielt den alten, selbstverliebten Sack, der die Show moderiert und am liebsten noch immer seine alten Blödelhits wie „Der Nippel“ spielen würde, Chefautor Peter Rütten, Autor Frank Streffing, Redakteurin Tina Seydel, Praktikantin Kirstin Hesse, Maskenbildner Tobias Licht und Bandleader Helmut Zerlett bilden seine Mannschaft. Alle treten unter ihren tatsächlichen Namen auf. Am Ende sieht man jeweils noch den Anfang der Late-Night-Show „Krügers Woche“, die die ganze Sendung über geplant wurde.

Ansammlung gezielt platter Witze zum Tagesgeschehen und Kalauer aus den unteren Schubladen, für die man endlich die geeignete Plattform gefunden zu haben glaubt. Die Show wird tagesaktuell produziert und läuft montags um 22.20 Uhr.

Experiment Inkognito

Seit 2007 (Kabel 1). Versteckte-Kamera-Show mit Ingolf Lück und jeweils einem Prominenten, der von einem Special-Effects-Maskenbildner professionell verkleidet wird und sich einen Tag lang unter Menschen mischt, die ihn nicht erkennen sollen.

Nette Idee, zum Beispiel Jeanette Biedermann in der Maske eines indischen Filmproduzenten auf ihre eigenen Freunde loszulassen, die bestimmt zehn Minuten unterhaltsam gewesen wäre. Leider dauert jede Folge eine ganze Stunde. Sendeplatz ist montags um 21.15 Uhr.

Ganz & gar Henssler

2007 (Vox). Halbstündige Kochshow mit Steffen Henssler, der Tim Mälzers Sendeplatz geerbt hat und dessen Tradition fortführt, interessante, aber einfache Gerichte vorzukochen und dabei norddeutsch zu schnoddern. An seiner Seite: Ein Lehrling.

Zwei Wochen lang lief die Show testweise werktags um 18.30 Uhr und hieß ganz & gar, als sie wenig später zum Dauereinsatz zurückkehrte, trug sie Hensslers Namen im Titel. Jetzt fiel sie allerdings durch und wurde nach zwei Monaten wieder eingestellt.

Gelücktes Experiment

Das Experiment Inkognito, das Kabel 1 heute startet, ist ein mutiges. Ingolf Lück maskiert Prominente, damit sie mal unerkannt durch die Fußgängerzonen laufen können. Das Konzept ist deshalb spannend, weil die meisten „Prominenten“, die in Shows bei Kabel 1, Vox oder RTL2 auftreten, sowieso jederzeit unerkannt durch Fußgängerzonen laufen können.

Michael, 27. August 2007, 07:01.

Der WDR preist eine Eigenproduktion als „Fernsehtipp“ an, will sie aber nicht zeigen

Beim WDR scheint man die eigenen „Fernsehtipps“ nicht zu mögen. Die gestern im Ersten erstausgestrahlte Huldigung Herr Schmidt wird 50, will aber nicht feiern zu Harald Schmidts Geburtstag sollte heute um 22.40 Uhr im WDR wiederholt werden. Um genau 22.40 Uhr stand sie auch noch unter der Überschrift „Fernsehtipp“ auf der Startseite von WDR.de, während im Fernsehen stattdessen bereits ein Tatort begann.

Der Tatort (aus Berlin) war kurzfristig ins Programm gehoben worden. Das ist aus einem von drei Gründen geschehen. Raten Sie doch mal mit, welcher es sein könnte!
 

  1. Man hat spontan festgestellt, dass gerade Tatorte ja viel zu selten wiederholt werden.
    Könnte sein. In der laufenden Fernsehwoche von heute bis kommenden Freitag werden zum Bespiel in den Programmen der ARD nur acht verschiedene Folgen gezeigt. Das ist wenig, zumal der Donnerstag noch komplett frei ist. (Heute: „Märchenwald“ und „Dschungelbrüder“, Sonntag: „Strahlende Zukunft“, Montag: „Der Passagier“, Dienstag: „Verrat“, Mittwoch: „Schlaflos in Weimar“ und „Dagoberts Enkel“, Freitag: „Elvis lebt“.)
     
  2. Man hat festgestellt, dass 1,98 Millionen Zuschauer bei der Erstausstrahlung von Herr Schmidt wird 50, will aber nicht feiern gar keiner so guten Einschaltquote entsprechen.
    Und will den vielen Blöden, die es nicht gesehen haben, bloß keine Chance geben, das Verpasste nachzuholen? Ja, klingt schlüssig.
     
  3. Die neue WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff hat die WDR-Produktion gestern im Fernsehen gesehen und dabei Szenen entdeckt, die sie nie wieder im Fernsehen sehen will, weshalb sie das Band jetzt unter Verschluss hält.
    Verdammt, klingt auch total plausibel.

Puh, keine leichte Entscheidung. Na, was glauben Sie? Auflösung demnächst.

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Michael, 25. August 2007, 23:55.

Fremdlesehinweise

Dass Fernsehsender viel zu hektisch mit Absetzung reagieren, sobald eine neue Sendung nicht sofort gute Quoten holt, haben wir hier schon oft beklagt, meistens am Beispiel ProSieben. Die Kollegen von DWDL haben heute eine interessante Liste erfolgreicher Fernsehsendungen zusammengestellt, die die Mehrheit der Zuschauer nie kennen gelernt hätte, wenn die Sender damals auch schon so übereilt aufgegeben hätten. Darunter: CSI, Gute Zeiten, schlechte Zeiten und Die Harald Schmidt Show und sogar einige von ProSieben.

Und Peer Schader fasst die gelungene Premiere von Tim Mälzers Born To Cook bei Spiegel Online viel ausführlicher, treffender und schöner zusammen als ich.

Michael, 25. August 2007, 19:08.

Born To Cook

2007 (Vox). Große Abendshow mit Tim Mälzer.

Fernsehkoch Tim Mälzer lässt zwei Kandidatenteams gegeneinander antreten, die nach Berufsgruppen geordnet sind. Sie kochen um die Wette, was Mälzer ihnen vorgibt, und beantworten zwischendurch Quizfragen von Assistent Nils Holst, die alle mit dem Thema Kochen und Essen zu tun haben. Die Antworten darauf sind zwar interessant, aber für den Spielverlauf egal, denn die Punkte verteilt Mälzer völlig willkürlich. Für jeden Punkt erhalten die Teams eine Dose, von der niemand weiß, ob vielleicht was Leckeres drin ist oder doch nur langweiliger Konservenfraß. Am Ende heißt es „Kühlen oder spülen“, wenn das Siegerteam Kühlschränke bekommt und die Verlierer die Sauerei beseitigen müssen. Jeder Ausgabe der Show ist ein Oberthema zugeordnet, und mehrere Gäste sind anwesend, die mitkochen oder etwas über Essen zu erzählen haben. Die 350 Zuschauer im Studio dürfen oder müssen immer mal wieder kosten.

Die knapp 90-minütige kurzweilige Show lief freitags um 21.05 Uhr.

Born To Quassel

Wahrscheinlich bräuchte Tim Mälzer gar keinen Herd, keine Zutaten, keine Kandidaten und kein Konzept, sondern müsste nur einfach so 90 Minuten lang reden, und man hätte schon einen kurzweiligen Abend. Born To Cook, der Vox-Einstieg ins große Abendshowgeschäft, verdankt seinen hohen Unterhaltunsgwert allein ihm. Gut, und ein paar schlagfertigen Kandidaten. Wild rennt er durchs Studio, hackt hier was, schnippelt da was, friert dort was ein, lernt was über Ernährungsgeschichte, wir auch, lässt seinen Assistenten Quizfragen stellen und verteilt Dosen als Punkte, deren Vergabe so herrlich willkürlich ist wie seit MAZ ab! nicht mehr, und hört dabei nicht auf zu reden.

Ich habe noch nichts gegessen, was Tim Mälzer gekocht hat, weshalb ich seine Qualitäten als Koch nicht beurteilen kann. Seine Tipps habe aber sogar ich verstanden. Und was seine anderen Qualitäten angeht: Man merkt ihm an, dass er kein „professioneller Moderator“ ist. „Professionelle Moderatoren“ läsen ihre Informationen von Papptafeln oder vom Teleprompter ab, weshalb sie wohl kaum den Namen ihres nächsten Gastes vergäßen. Merkwürdigerweise wären sie aber oft aufgeschmissen, sobald der Prompter mal ausfiele. Und wenige dieser „professionellen Moderatoren“, die die Shows bei anderen Sendern präsentieren, sind auch nur halb so gute Entertainer wie Tim Mälzer.

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Michael, 24. August 2007, 23:14.

Herdtrieb

Wann auch immer Sie Vox einschalten, dauert es nicht lange, bis gekocht wird. In dieser Hinsicht ist Vox eine Art SWR Fernsehen unter den Privaten. Würfe man alles Gekochte von Vox und dem SWR Fernsehen in ein riesiges Care-Paket, könnte man mehrere afrikanische Länder ernähren. Weil aber auch in Südamerika Menschen hungern, kommt heute eine neue Kochshow dazu. Born To Cook — Die Tim Mälzer Show verbindet das beliebte Kochelement mit dem beliebten Mitrateeffekt, wenn Kandidatenteams zwischendurch Fragen beantworten müssen. Also quasi Quark und Quiz.

Vorher beginnt bei Vox die letzte Staffel von Crossing Jordan — Pathologin mit Profil. Die Krimiserie Close To Home pausiert für den Rest des Sommers.

Die Kollegen von Kress formulieren es so: „Der Sender Vox strahlt ab Oktober 22 neue Folgen der Krimiserie Close to Home aus. Grund: Auf dem angestammten Sendeplatz am Freitagabend um 21.05 Uhr läuft ab sofort die Tim-Mälzer-Show Born to Cook.“, und halten das für eine logische Erklärung.

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Michael, 24. August 2007, 15:52.
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