Seit 1952 (ARD). „Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“
Älteste Nachrichtensendung und älteste Sendung im deutschen Fernsehen überhaupt. Eine erste Testsendung der Tagesschau hatte der Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR im Hamburg bereits am 4. Januar 1952 in seinem Versuchsprogramm unter dem Namen „Fernseh-Filmbericht“ gesendet. Damit ist die Tagesschau älter als das Fernsehen. Martin S. Svoboda hatte die Idee, aus Wochenschaumaterial eigene, fernsehtaugliche Zusammenstellungen zu schneiden. Zuvor hatte der NWDR zum einen ganze Berichte aus der Wochenschau im Programm ausgestrahlt, zum anderen Standfotos von Nachrichtenagenturen gezeigt und von Radioleuten kommentieren lassen.
Am 1. November 1952 ersetzte der Titel Tagesschau die Einblendung „Fernseh-Filmbericht“. Ab 26. Dezember 1952, einen Tag nach dem offiziellen Start des Fernsehens in der Bundesrepublik, lief die viertelstündige Sendung regelmäßig dreimal wöchentlich: montags, mittwochs und freitags, ab 1. Oktober 1956 täglich außer sonntags um 20.00 Uhr. Die erste Sonntagsausgabe wurde am 3. September 1961 ausgestrahlt. Am 3. Januar 1961 wurde erstmals zusätzlich eine Spätausgabe gesendet, nach und nach wurden weitere Kurzausgaben über den Tag verteilt ins Programm genommen.
In der Anfangszeit war zu den Wochenschauschnipseln ein unsichtbarer Sprecher zu hören, der erste war Cay Dietrich Voss. Ab 2. März 1959 gab es einen fünfminütigen Nachrichtenteil am Anfang der Sendung, den ein sichtbarer Sprecher zu Standfotos verlas. Der erste Tagesschau-Sprecher, den die Zuschauer zu sehen bekamen, war Gerd Heinz Boening, Mitte April folgte Karl-Heinz Köpcke. Er wurde „Mr. Tagesschau“ und über Jahrzehnte zu einem der bekanntesten Gesichter in ganz Deutschland. Als er 1974 mit einem Bart aus dem Urlaub zurückkehrte, erschütterte das die Republik wie wenige andere Ereignisse. 1978 protestierte er gähnend und raschelnd dagegen, dass er in den neuen Tagesthemen scheinbar zu einem Hilfsarbeiter am Katzentisch degradiert werden sollte. 1976 wurde Dagmar Berghoff die erste Frau in der Sprecherriege und prompt „Miss Tagesschau“ – allerdings war das ZDF mit seiner heute-Sendung schon fünf Jahre vorher auf die skurrile Idee gekommen, Nachrichten von einer Frau präsentieren zu lassen. Was sie sich damit einbrockten, merkten die Verantwortlichen spätestens 1999, als die damals 31-jährige Susan Stahnke sich mit erotisch gemeinten Fotos als Vamp und Blauer Engel in der Illustrierten „Gala“ präsentierte und bekanntgab, in einem Hollywoodfilm die Frau von Hermann Göring spielen zu wollen. Nach einigem öffentlichen Getöse kündigte Stahnke.
Die sichtbaren Tagesschau-Sprecher waren: Cay Dietrich Voss (1952–1962), Dieter von Sallwitz (1959–1963), Karl-Heinz Köpcke (1959–1987, ab 1964 Chefsprecher), Klaus Wunderlich (1959–1962), Marthin Thon (1959–1964), Siegmar Ruhmland (1960–1963), Werner Veigel (1961–1995, ab 1987 Chefsprecher), Wilhelm Stöck (1961–1984), Manfred Schmidt (1961–1964), Wilhelm Wieben (1966–1998), Lothar Dombrowski (1967–1974), Karl Fleischer (1968–1994), Joachim „Jo“ Brauner (1974–2004, ab 2000 Chefsprecher), Günter Wiatrek (1974–1975), Georg Hopf (1975–1985), Dagmar Berghoff (1976–1999, ab 1995 Chefsprecherin), Harry Teubner (1978–1980), Klaus Eckert (1978–1983), Elfi Marten-Brockmann (1981–1984), Daniela Witte (1985–1988), Jan Hofer (seit 1986, seit 2004 Chefsprecher), Ellen Arnhold (seit 1987), Eva Herman (seit 1988), Franz Laake (1988–1993), Robert „Bernd“ Schröder (1988), Jens Riewa (seit 1991), Susanne „Susan“ Stahnke (1992–1999), Susanne Daubner (seit 1999), Marc Bator (seit 2000), Thorsten Schröder (seit 2000), Laura Dünnwald (seit 2001), Silke Jürgensen (2002–2005), Astrid Vits (seit 2004), Michail Paweletz (seit 2004), Tarek Youzbachi (seit 2004), Judith Rakers (seit 2005) und Christine Dohnau (seit 2007).
Für einen Meilenstein in der Entwicklung der Tagesschau und der Fernsehnachrichten überhaupt sorgte das Grubenunglück von Lengede 1963. Waren sonst in der Tagesschau abends selten Berichte zu sehen, von denen man nicht morgens schon in der Zeitung hatte lesen können, übertrug die Tagesschau hier die Bilder von den Rettungsmaßnahmen live. Die Bedeutung der Sendung wuchs, sie wurde zu einem Aushängeschild der ARD und des Fernsehens. Ihre Form veränderte sie im Lauf der folgenden Jahrzehnte nur äußerst zögernd, was sich im Nachhinein als großer Vorteil herausstellte. Noch 1984 gab es nur eine Minderheit von ARD-Anstalten, die am Sendeplatz um 20.00 Uhr festhalten wollten. Weil sich die Mehrheit der Reformwilligen aber nicht zwischen einem Beginn um 18.45 Uhr und 19.30 Uhr entscheiden konnten, blieb es beim Status quo.
Noch immer richtet sich der Beginn des Hauptabendprogramms auf fast allen Sendern nach dem Ende der Tagesschau um 20.15 Uhr, weil es sich seit Jahrzehnten so eingebürgert hat. Wie sehr diese Zeit das Fernsehverhalten in Deutschland bestimmt, mussten die Privatsender erleben, als sie den Versuch unternahmen, die Primetime auf 20.00 Uhr vorzuziehen. Der kurze Versuch von RTL im Jahr 1989 scheiterte weitgehend unbemerkt, der „Nullzeit“-Versuch von Sat.1-Geschäftsführer Fred Kogel fünf Jahre später war von einer großen Werbekampagne begleitet („Volle Stunde – volles Programm“) und wurde ein Desaster.
Bis heute werden die Nachrichten in der Hauptausgabe noch vom Blatt und nicht vom Teleprompter abgelesen, der sich in allen anderen Nachrichtensendungen und nach und nach auch in den anderen Tagesschau-Ausgaben durchgesetzt hat. Trotz (oder wegen) ihrer oft starren und ritualhaften Anmutung ist die Tagesschau auch in Zeiten des Privatfernsehens die mit Abstand erfolgreichste deutsche Nachrichtensendung. Der langjährige RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma sagte 1992 halb neidisch, halb resigniert: „Diese Sendung könnte man auch in Latein verlesen mit zwei brennenden Kerzen, und sie hätte immer noch die gleichen Ratings.“
Seit 1995 gibt es mittags und am Nachmittag auch moderierte Ausgaben der Tageschau, in denen die Nachrichten nicht von Sprechern verlesen, sondern in einem Stil ähnlich der Tagesthemen von Moderatoren präsentiert werden, die auch Interviews mit Korrespondenten oder Politikern führen. Anfangs liefen diese Sendungen nur um 15.00 und um 17.00 Uhr und heißen Tagesschau um 3 bzw. Tagesschau um 5, 1998 kam auch die Mittagsausgabe Tagesschau um 12 hinzu. Moderatoren waren Claus-Erich Boetzkes (seit 1995), Ina Bergmann (1997–2001), Susanne Holst (seit 2001) und Susanne Stichler (seit 2005). Aus der Spätausgabe der Tagesschau wurden 1978 die Tagesthemen. Später ergänzte das Nachtmagazin die Tagesschau-Familie, deren Sendungen alle von der gemeinsamen Redaktion ARD aktuell mit Sitz beim NDR in Hamburg hergestellt werden.
Zunächst begann die Tagesschau mit einer Wochenschau-ähnlichen Fanfare. Die bekannte Erkennungsmelodie war erstmals 1956 zu hören. Hans Carste und Rolf Kühn hatten sie geschrieben, wegen ihrer markanten Instrumentierung wurde sie auch „Hammond-Fantasy“ genannt. Auf ihr basierten alle späteren Versionen der Tagesschau-Kennung, die sich allerdings zunehmend vom Original entfernten. Den Anfang machte stets der 20.00-Uhr-Gongschlag, begleitet von der vertrauten Ansage. Die Existenz eines Zweiten Deutschen Fernsehens erkannte die ARD darin erst an, als dieses schon zwei Jahrzehnte auf Sendung war. Bis in die 80er-Jahre hinein hatte der Satz gelautet: „Hier ist das deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“
Eine der bemerkenswertesten Sendungen war die vom 9. November 1987 mit Werner Veigel, bei der fast alles schief ging. Veigel sagte falsche Beiträge an, eine abwinkende Hand kam von der Seite ins Bild, eine Kamerafahrt über die Abgeordneten während eines Berichts aus dem Bundestag zeigte geistesabwesende und sogar schlafende Parlamentarier, und schließlich fiel Veigel während einer Meldung das Gebiss aus dem Mund.
Am 25. Juli 1988 kam die Tagesschau ausnahmsweise aus München. In Hamburg waren Techniker wegen einer Tarifauseinandersetzung in einen Warnstreik getreten. Ersatzweise rüschten die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk ihre regionale „Rundschau“ auf und sprangen ein. Deren Sprecher Michael Winter verschleierte allerdings den wahren Grund für diese einmalige Sondersituation und musste von „höherer Gewalt“ und einem „Technikausfall“ reden.
Ab März 1960 wurde die Wetterkarte fester Bestandteil der Tagesschau und beendete jede Sendung. Zuvor hatten Meteorologen das Wetter vor selbst gezeichneten Karten angesagt und sich eine Fangemeinde erobert, doch die ARD-Verantwortlichen fanden, dass diese Art der Präsentation zu viel Sendezeit verschlang, schafften die sichtbaren Wetterfrösche ab und zeigten eine animierte, aber menschenlose Karte. Die führte immer wieder zu Protesten, u. a. weil der Südwestfunk darauf bestand, dass Baden-Baden gefälligst markiert sein müsse, oder weil Vertriebenenverbände Sonne und Regen in den Grenzen Deutschlands von 1937 sehen wollten.
„Wir melden uns wieder um 22.30 Uhr mit den Tagesthemen.“