Die Streetworker

2003–2004 (Pro Sieben). Dt. Pseudo-Doku-Soap über die Arbeit des Sozialpädagogen Til Schumann und seines Teams, das sich um Problemkinder kümmert. Die Fälle sind nachgestellt, nein, erfunden – jedenfalls, gelinde gesagt, unwahrscheinlich.

Schon Monate vorher waren die Streetworker immer wieder in der Sendung Die Jugendberaterin mit längeren Einspielfilmen aufgetaucht, nach deren Absetzung bekamen sie ihre eigene halbe Stunde werktags um 15.30 Uhr.

Die Jugendberaterin

2002–2003 (Pro Sieben). Einstündige Pseudo-Beratungsshow mit der Diplom-Sozialpädagogin Margit Tetz, die pro Sendung in zwei bis drei Fällen Jugendlichen konkrete Lebenshilfe bietet. Eine Schweigepflicht gilt hier nicht, da die Probleme von Laiendarstellern vorgetragen werden.

Tetz war jahrelang Mitglied des „Dr. Sommer“-Beratungsteams der Jugendzeitschrift „Bravo“ und als solche auch regelmäßig in deren Fernsehableger Bravo TV aufgetreten. Ihre eigene Show dümpelte in den Quoten vor sich hin, der vergleichsweise lange Atem des Senders reichte für genau ein Jahr, während dessen die Fälle immer konstruierter und extremer wurden. Dann verschwand Frau Tetz in eine „kreative Pause“, und Die Streetworker nahmen ihren Platz ein, eine Doku-Soap über die Arbeit von Sozialpädagogen (natürlich auch anhand erfundener und nachgestellter Fälle), die schon seit Monaten immer wieder bei der Jugendberaterin als längere Einspielfilme aufgetaucht waren.

Zwei bei Kallwass


Foto: Sat.1

Seit 2001 (Sat.1). Wenn zwei sich streiten, freut sich Sat.1: Jeden Werktag um 14.00 Uhr treten zwei echte Menschen mit einem Konflikt auf, und die Psychologin Angelika Kallwass löst das Problem — oder trifft zumindest eine Entscheidung.

Das Konzept kam nicht sonderlich gut an, während direkt im Anschluss zwei Richtershows großen Erfolg hatten. Ab Ende des Jahres 2001 wurde es deshalb geändert: Statt echter gab es nun von Schauspielern nachgestellte Problemfälle, die nun wesentlich weniger überzeugend, dafür aber viel abwegiger und dramatischer waren. Die Quoten stiegen, die Show wurde doch noch ein Erfolg. Glückwunsch.

Richter Alexander Hold

Seit 2001 (Sat.1). Einstündige Gerichtsshow mit dem Richter Alexander Hold.


Foto: Sat.1

Dass die Zeit der Daily Talks vorbei war, bewies spätestens diese neue Sendung. Es war die dritte Streitshow, die Sat.1 jeden Nachmittag am Stück zeigte, werktags um 16.00 Uhr direkt nach Zwei bei Kallwass und Richterin Barbara Salesch. Hold erzielte auf Anhieb gute Quoten und schlug auch die kurz zuvor gestartete zeitgleiche RTL-Konkurrenz Das Jugendgericht. Wie bei all diesen Formaten waren der Richter und die Staatsanwälte und Verteidiger echt, die Fälle fiktiv und die Betroffenen schlechte Schauspieler. Ingo Lenßen, der häufig die Rolle des Anwalts übernahm, bekam später seine eigene Serie Lenßen und Partner.

Wie seine Kollegin Salesch richtete auch Hold im Sommer 2002 zweimal zur besten Sendezeit. Beide Richter erreichten auch im Abendprogramm akzeptable Marktanteile.

Nicole — Entscheidung am Nachmittag

1999–2001 (Pro Sieben). Tägliche Nachmittags-Talkshow um 16.00 Uhr mit Nicole Noevers und unprominenten Gästen, die sich in der Öffentlichkeit über Privates stritten.

Die „Entscheidung“, durch die sich Nicole von den damals elf anderen täglichen Talkshows unterschied, sah so aus, dass z. B. der Vater sich noch in der Sendung festlegen sollte, ob er seine Tochter noch einmal wiedersehen wollte oder nicht. Oft steckte die Entscheidung auch schon im Sendungstitel: „Ungewollt schwanger. Soll ich das Kind bekommen?“

Als „Konfliktlösung“ bezeichnete Pro Sieben das Drängen zur schnellen Entscheidung. Wo andere Talkshows mit Krawall versuchten, Quote zu machen, setzte Nicole auf Emotionalität. In den ersten Sendungen wurde vermutlich mehr geheult als in allen Talksendungen der vorangegangenen Monate zusammen. Eine Mutter stellte fest, dass ihre Kinder öffentlich erzählten, dass sie intrigant sei; eine Tochter berichtete, dass ihr Vater auch nach sechs Jahren keine Lust habe, einen Streit zu vergessen und sie und das Enkelkind zu sehen. Auch nach dem Auftritt blieb häufig die Kamera dabei und verfolgte, wie emotional es hinter der Bühne weiterging. Eine Pro-Sieben-Sprecherin rechtfertigte das Format mit dem Satz, notfalls „besorgen wir den Gästen einen Therapieplatz“.

Nicole hatte zunächst Erfolg, doch als im Herbst 2001 sowohl RTL als auch Sat.1 zeitgleich Gerichtsshows dagegensetzten (Das Jugendgericht und Richter Alexander Hold), bröckelten die Quoten erheblich. Das Konzept wurde daraufhin geändert: Jetzt traten keine echten Talkgäste mehr auf, Laiendarsteller trugen in der Rolle von Talkgästen den umso heftigeren Streit aus. Nun wurde z. B. verhandelt, ob ein Mann ein junges Mädchen sexuell belästigt habe, und die Moderatorin wedelte mit der Unterhose des vermeintlichen Opfers samt Spermaspuren und kündigte das Ergebnis eines DNA-Tests für nach der Werbung an. Es half alles nichts, die Show starb ein paar Wochen später den Quotentod.

Sabrina

1999–2000 (RTL). Werktägliche Vormittagstalkshow mit Sabrina Staubitz.

Allein bei RTL war dies die fünfte tägliche Talkshow. Anders als die anderen sollte die von Ilona Christen produzierte Sendung „Lösungsansätze“ bieten und weniger krawallig sein. Tatsächlich waren die Unterschiede marginal.

Die Folge mit dem Thema „Sabrina: Ich gehe in den Puff — na und?“ rief die Jugendschützer der Landesmedienanstalten auf den Plan: Die Gäste hätten Prostitution verharmlost und unkritisch als lukrative Möglichkeit des Geldverdienens dargestellt, diskriminierende Verhaltensmuster gegenüber Frauen seien propagiert worden. Die Sendung verstieße damit gegen die Jugendschutzbestimmungen. Am 1. Februar 2000 lautete das Thema: „Du Waschlappen, Du hast ja nichts zu melden“. Acht Monate später ging es Sabrina ähnlich.

Birte Karalus

1998–2000 (RTL). Einstündige Daily-Talkshow mit Birte Karalus.

Birte Karalus, produziert von Hans Meisers Firma crea-tv, war die mit Abstand härteste Talkshow ihrer Zeit. Schon nach der ersten Woche stellte die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass die „freiwilligen Verhaltensgrundsätze“, die die Privatsender für Talks gerade erst beschlossen hatten, nicht eingehalten wurden. Die Redaktion versprach, in Zukunft „weniger Alkoholiker“ in die Sendung zu nehmen und keine Kinder unter 16 Jahren. In einer Sendung hatte ein 15-jähriger Junge neben seinem leiblichen und seinem Pflegevater gesessen, während die beiden sich fast schlugen. Ein Highlight (oder Tiefpunkt) in der kurzen, aber skandalträchtigen Geschichte war eine Sendung mit dem 14-jährigen Serienstraftäter „Mehmet“, der aus München in die Türkei ausgewiesen worden war — der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Trotz der Behauptung, keine Gäste unter 16 einzuladen, schaltete man „Mehmet“ aus der Türkei zu. Karalus moderierte ihn mit den Worten an: „Ist er der hoffnungslose Kriminelle? Oder der arme Junge, der zwischen den Mühlen von Polizei und Justiz zermahlen wurde? Am besten fragen wir ihn selbst.“

Typische Themen waren „Furchtbar! Und so was wie ihr hat Kinder!“, „Igitt, du gehst zu Huren“, „Ganz ehrlich, diese Schläge hast du dir verdient“ und „Du Schlampe, du lässt dich ja von jedem Typen schwängern“.

Seit Karalus täglich talkte, sendete RTL jeden Nachmittag vier Stunden Talk am Stück. Sie war die Erste, die zwei Jahre später nach 404 Sendungen bröckelnden Quoten zum Opfer fiel. Karalus selbst schien darüber ähnlich erleichtert zu sein wie viele andere. „Nie wieder würde ich eine Nachmittags-Talkshow machen“, sagte sie zwei Jahre später der „Bild“-Zeitung. „Es gab Augenblicke, da stand ich im Studio und habe mich geschämt. Sinnloser Krawalltalk! Da zog sich mir der Magen zusammen.“

Die Show lief werktags um 14.00 Uhr.

Bärbel Schäfer

1995–2002 (RTL). Einstündiger Daily Talk mit Bärbel Schäfer.

Bärbel Schäfer war die dritte tägliche Talkshow von RTL und deutlich jünger, frecher und provokanter als Ilona Christen und Hans Meiser, mit denen sie anfangs einen dreistündigen Talkblock am Nachmittag bildete.

Auf dem Sendeplatz um 14.00 Uhr war sie die direkte Konkurrenz von Arabella und versuchte das gleiche junge Publikum anzusprechen. Anders als Arabella Kiesbauer stand Schäfer nicht zwischen den Diskutierenden, sondern im Publikum, und viel häufiger als Kiesbauer diskutierte sie nicht den Lebensstil ihrer Gäste, sondern die konkreten Abgründe in den Beziehungen zwischen ihnen. Diese Art der Konfrontation, die später auch die meisten Sendungen von Birte Karalus oder Andreas Türck kennzeichnete, wurde von Schäfer zuerst etabliert. Anstatt nur ihre unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema zu diskutieren, trugen hier die Betroffenen private Streitigkeiten über oft sehr intime Dinge öffentlich miteinander aus.

Die Sendung stand immer wieder in der Kritik von Jugendschützern. Eine Ausgabe im März 1999 zum Thema „Alle hänseln mich, weil ich so hässlich bin“ wurde gerügt, weil sie den Eindruck vermittelt habe, man dürfe entstellte oder nicht der ästhetischen Norm entsprechende Menschen beleidigen und beschimpfen — die Moderatorin habe Gäste, die dies taten, nicht in ihre Schranken verwiesen. Im gleichen Jahr hatte Schäfer unter dem Motto „Meine Mutter verbietet mir die Pille“ ein elfjähriges Mädchen zu Gast. Das größte Aufsehen löste die Sendung vom 28. Januar 2000 zum Thema „Bärbel, für Geld würde ich alles tun“ aus: Die „Bild“-Zeitung hatte vorab berichtet, dass darin ein Gast für eine Million DM Sex mit seiner Ehefrau anbiete. Daraufhin rief u. a. die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis zu einem Einschaltboykott auf. Tatsächlich war diese Sendung vergleichsweise harmlos: Der Mann, ein verschuldeter 29-jähriger Frührentner, erzählte nur, dass er und seine Frau nach dem Ansehen des Films „Ein unmoralisches Angebot“ den Gedanken theoretisch verlockend fanden.

Die Show startete und behauptete sich erfolgreich auf ihrem 14-Uhr-Termin, wurde 1998 auf 13.00 Uhr vorverlegt, um den Platz für die neue Talkshow Birte Karalus freizumachen. 1999 tauschte RTL Schäfers Sendeplatz mit dem von Ilona Christen, so dass Schäfer fortan um 15.00 Uhr talkte. Ab Herbst 2000 kehrte sie auf ihren ursprünglichen Platz um 14.00 Uhr zurück. Zu Big-Brother-Zeiten war Bärbel Schäfer die „offizielle RTL-Talkshow zum TV-Kult“ und begleitete regelmäßig das Treiben im Container. Nach genau sieben Jahren und mit mittlerweile deutlich gesunkenen Einschaltquoten beendete Schäfer die Show angeblich auf eigenen Wunsch.

Andreas Türck

1998–2002 (ProSieben). Tägliche Nachmittags-Talkshow mit Andreas Türck und unprominenten Gästen.

Anders als bei Hans Meiser oder Bärbel Schäfer trafen sich bei Türck häufig Menschen, die sich kannten und nicht allgemein über ein Thema stritten, sondern unter einem Titel wie „Bäh, du stinkst, wasch dich endlich“ oder „Was willst du mit der Mumie?“ ihre ganz persönlichen Probleme öffentlich austrugen. Der Moderator unterschied sich von seinen Kollegen durch seine betont flapsige Art, häufig machte er sich mit dem Publikum über seine Gäste, ihre Sorgen und ihre Artikulationsschwierigkeiten lustig. Wenn er, was häufiger geschah, gegen ein Schreiduell auf der Bühne nicht ankam, setzte er sich schon mal irgendwo hin und klimperte auf der Gitarre.

Die Themen waren häufig als Anrede an den Moderator formuliert, etwa: „Andreas, mein Busen wird auch dich verrückt machen“ oder „Andreas, komm, lass uns mal so richtig peinlich sein“ (was allerdings als Einzelthema, nicht als Motto der ganzen Reihe gemeint war). Eine typische Sendung trug den Titel „Andreas, hilf mir! Ich will meine Nacktfotos zurück!“. Angeblich ging es um Menschen, die bereuten, sich einst unbekleidet fotografiert haben zu lassen; mehrere von ihnen benutzten ihren Auftritt allerdings dazu, besagte Bilder erst- oder nochmals der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Als im Frühsommer 1998 die so genannte Schmuddeldebatte über die Talkshows hereinbrach, nahm Pro Sieben die besten Themen aus dem Programm, darunter „Glaub mir, Satan ist der wahre Gott“, „Ich will endlich wilden Sex!“ sowie „Andreas, ich find’s geil — ich bin eine Hobbynutte“ (diese Folge wurde ersetzt durch „Andreas, meine Freundin ist magersüchtig — ich hab‘ Angst, dass sie stirbt“). Manche Sendungen wurden auch nur umbenannt, so wurde aus „Andreas, glaub‘ mir, sie hat Schläge verdient“ plötzlich „Andreas, sie hat mich provoziert, da hab‘ ich zugeschlagen“. Ein typischer Satz eines Gasts war der eines gewissen Thomas, der sagte: „Ich habe drei, vier Freundinnen, alle mit Ehemann und Kind. Warum soll ich mir eine Kuh kaufen, wenn ich die Milch einzeln trinke?“ Im Sommer 1999 war ein Micky eingeladen, der gewisse Schwierigkeiten hatte, sich zu artikulieren, aber den schönen Satz sagte: „Woher sind gekommen eigentlich die ganze Laberei?“ Türck unterbrach ihn: „Tut mir wirklich leid, aber das versteht doch keine Sau. — Ist doch wahr.“

Türck war zuvor als Moderator von Dalli Dalli, einer täglichen Neuauflage des Hans-Rosenthal-Klassikers, durchgefallen. Mit seiner eigenen Talkshow wurde Türck zu einem der Stars von Pro Sieben, der dem Sender mehrere Jahre lang hohe Quoten brachte. Berühmt wurde eine Szene, in der Türcks gewaltige Schweißflecken unter den Armen deutlich zu sehen waren — Stefan Raab zeigte sie gleich in der ersten Sendung von TV Total und wiederholte sie gern.

Im Januar 2002 hörte Türck nach rund 850 Sendungen aus mehr oder weniger freien Stücken auf. Nur drei Monate später begann Pro Sieben allen Ernstes, die Talkshow mittags um 12.00 Uhr zu wiederholen.

AlSo

1993–1994 (Sat.1). „Politik zum Mitreden“. Aktuelles Polit- und Talkmagazin mit Elke Schneiderbanger.

In Interviews und Filmbeiträgen werden die Themen der Woche angerissen, Chefredakteure großer Zeitungen und Magazine geben einen Ausblick auf die Themen der kommenden Woche (sprich: auf den Aufmacher ihres jeweiligen Blatts). Beim Studiotalk mit mehreren Gästen, der jede Woche unter einem Schwerpunktthema steht, haben Fernsehzuschauer die Gelegenheit, sich per Telefon ins Gespräch einzuschalten.

Coup der ersten Sendung war ein rares Interview von Heinz Klaus Mertes mit dem sehr umstrittenen Steffen Heitmann, von dem Helmut Kohl damals noch glaubte, er könne ihn zum Bundespräsidenten machen.

Das Magazin lief sonntagmorgens um 11.00 Uhr.

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