Vera am Mittag
1996–2006. Werktägliche einstündige Talkshow mit Vera Int-Veen und nichtprominenten Gästen, die miteinander und um Worte ringen.
Bereits sieben Wochen nach Sendestart leitete die rheinland-pfälzische Landesmedienanstalt ein Verfahren gegen die Sendung ein. In der Sendung „Sex, das Spiel ohne Grenzen“ am 14. März 1996 traten u. a. eine Domina, ihr Sklave (in Gummianzug und Gasmaske) und ein als Baby verkleideter Mann in Windeln auf. Sat.1 wurde wegen Verletzung des Jugendschutzes zu 200 000 DM Bußgeld verurteilt und strahlte die Rüge am 11. Dezember 1996 in der Talkshow aus. Es war das erste Mal, dass einem Fernsehsender auferlegt wurde, die Rüge einer Medienanstalt zu verlesen.
Wegen einer Sendung am 22. November 2000, in der abweichende Sexualpraktiken unreflektiert vorgestellt wurden, handelte sich Vera am Mittag schon wieder eine Beanstandung ein, und zwei Wochen später für die Sendung „Unfassbar! Was ist bloß in unserer Familie los?“ am 7. Dezember 2000 gleich die nächste. Darin wurden in Anwesenheit des mutmaßlichen Täters sexuelle Gewalthandlungen gegenüber Kindern innerhalb äußerst undurchsichtiger Familienverhältnisse detailliert beschrieben, was nach Ansicht der Medienwächter ebenfalls gegen den Jugendschutz verstieß: „Die emotionalen und unreflektierten Schilderungen bedrohlicher Zustände und auswegloser Situationen wurden als besonders belastend für jüngere Zuschauer angesehen.“
Ein Höhepunkt in der deutschen Daily-Talk-Geschichte war die Sendung am 10. Februar 1999 zum Thema „Warum hast du mir das angetan?!“. Zu Gast sind der arbeitslose Alkoholiker Harry und seine Frau Michaela. Peter, der von Michaela früher mit Harry betrogen wurde, enthüllt, dass sie Harry heute mit einem gewissen Andreas betrüge. Der ist per Telefon zugeschaltet. Harry behauptet, dass er mit Michaela erst geschlafen habe, nachdem sie mit Peter Schluss gemacht hatte, worauf Peter erwidert: „Ne ne ne ne ne ne ne. Ne ne ne ne. Ne ne. Ne ne.“ Michaela erklärt, dass Harry nicht wisse, wie man eine Frau richtig behandelt, beschwert sich aber, dass Andreas „das hier in aller Öffentlichkeit auf den Tisch kehrt“. Andreas, Michaela und Peter drohen abwechselnd damit, sich „hinter den Zug zu werfen“. Vera empfiehlt Andreas, Michaela aufzugeben, und sagt, als er darauf etwas erwidern will: „Nein, Andreas, jetzt reden wir nicht mehr darüber. Ganz, ganz lieben Dank, dass du Zeit hattest, ans Telefon zu gehen, und von hier aus viele Grüße. Tschüss!“
Die Szene ist nicht ganz untypisch für Intelligenz und Artikulationsfähigkeit vieler Gäste bei Vera am Mittag. Eine sehr erfolgreiche Thematik, das über die Jahre immer wieder neu behandelt wurde, war „Fragen an Verstorbene: Geben die Toten heute Antwort?“.
Im November 2002 erschien eine Zeitschrift zur Sendung, die der Mediendienst epd als „eine Art Fanzine für Hardcore-Verehrerinnen von Vera Int-Veen“ bezeichnete, die aber nie eine zweite Ausgabe erlebte. Im Frühjahr 2005 gab Vera bekannt: „Die Zeit der rundum gepiercten Monster-Gäste ist vorbei.“ Der Trend gehe in eine andere Richtung, Zuschauer wollten sich wiedererkennen. Als Reaktion stand Vera am Mittag zunächst eine Woche lang unter dem Motto „Vera macht Mut!“ und wollte Menschen aus persönlichen Miseren heraushelfen. Es ging u. a. um Arbeitslosigkeit, extrem Dickleibige sowie „Leute, die psychisch krank sind, weil ihr Busen zu klein ist“. In Wirklichkeit ging der Trend aber zur Absetzung, die Vera Int-Veen zum folgenden Jahreswechsel erlebte. Insofern war die Zeit der Monster-Gäste zumindest in dieser Talkshow tatsächlich vorbei.
Vera am Mittag war nach Kerner die zweite tägliche Talkshow von Sat.1 und wurde mit Abstand die langlebigste. Die Sendung lief täglich um 12.00 Uhr. Die Moderatorin hatte vorher u. a. an einem Stand auf dem Münchner Viktualienmarkt gearbeitet und bei Herzblatt das Warm-up gemacht.