Oh Mary

1974–1977 (ARD). 110‑tlg. US-Sitcom von James L. Brooks und Allan Burns („The Mary Tyler Moore Show“; 1970–1977).

Mary Richards (Mary Tyler Moore) arbeitet als Co‑Producerin für die Abendnachrichten des erfolglosen Fernsehsenders WJM‑TV in Minneapolis, die der eitle Ted Baxter (Ted Knight) auf dem Bildschirm präsentiert. Murray Slaughter (Gavin MacLeod) schreibt die Meldungen, Lou Grant (Edward Asner) ist der grimmige Chef. Gordy Howard (John Amos) ist der Wettermann. Er verlässt den Sender später. Etwa zu dieser Zeit kommt Sue Ann Nivens (Betty White) dazu, die eine Kochshow für Hausfrauen moderiert. Mary ist Single und lebt allein, ihre Couch wird aber meist von ihrer Nachbarin Rhoda Morgenstern (Valerie Harper) belagert. Auch ihre neugierige Vermieterin Phyllis Lindstrom (Cloris Leachman) schaut regelmäßig rein.

Warmherzige, realistische, erfolgreiche und einflussreiche Sitcom der 70er-Jahre, die ihre Hauptdarstellerin zum Star machte. Zwar hatte es vorher Serien gegeben, deren Hauptfiguren Frauen waren (der Prototyp aller Sitcoms, das in Deutschland nie gezeigte „I Love Lucy“ aus den 50ern, war bereits um eine Frau herumgestrickt), doch erstmals drehte sich eine Sitcom um eine Single-Frau, die auf eigenen Beinen steht und erfolgreich im Beruf ist. Wie sehr sie das Leben genießt, zeigte bereits der Vorspann, in dem sie sich zum Titelsong „Love Is All Around“ von Sonny Curtis fröhlich im Kreis dreht und ihren Hut in die Luft wirft.

Mit dem wichtigen Fernsehpreis Emmy wurde Oh Mary dreimal in der Kategorie Beste Comedyserie und insgesamt 29‑mal ausgezeichnet, so oft wie keine Serie bis dahin. Der Rekord wurde erst ein Vierteljahrhundert später von Frasier gebrochen. Mary Tyler Moore produzierte die Serie mit ihrer eigenen Firma.

In der ARD lief die Serie im regionalen Vorabendprogramm. Etwa 20 Jahre später zeigte RTL sie unter dem Titel Mary Tyler Moore täglich im Nachtprogramm. Neben den Wiederholungen liefen dort 58 Folgen in deutscher Erstausstrahlung. Edward Asner bekam nach dem Ende der „Mary Tyler Moore Show“ seine eigene Serie als Titelheld Lou Grant, der nach seinem Rauswurf bei WJM‑TV Chefredakteur einer Zeitung wird. 2000 entstand der zweistündige Fernsehfilm „Mary & Rhoda“, der die beiden Freundinnen wiedervereinte. Er lief im Dezember 2002 auf Vox.

Lou Grant

1979–1982 (ZDF); 1993–1995 (Vox). 113-tlg. US-Dramaserie („Lou Grant“; 1977–1982).

Lou Grant (Edward Asner) ist Redaktionsleiter der Tageszeitung „Los Angeles Tribune“. Sie gehört Margaret Pynchon (Nancy Marchand), mit der er regelmäßig aneinander rasselt. Zu Grants Team zählen sein Assistent Art Donovan (Jack Bannon), der Reporter Joe Rossi (Robert Walden), die Journalistin Billie Newman (Linda Kelsey) und der Fotograf Herb „Bestie“ Herbert (Daryl Anderson). Charles Hume (Mason Adams) ist ein alter Freund von Lou.

Die Serie entsprang der „Mary Tyler Moore Show“, die bei uns unter den Titeln Oh Mary und Mary Tyler Moore lief. Darin ist Lou Grant, ebenfalls gespielt von Ed Asner, der grummelige Chef der Fernsehabendnachrichten und wird am Ende der Serie gefeuert. Mit dem neuen Job wechselt die Figur nicht nur vom Fernsehen zur Zeitung, sondern auch von der Sitcom zum Drama.

52 einstündige Folgen zeigte bei uns das ZDF samstags um 18.00 Uhr, der Rest lief zehn Jahre später in Erstausstrahlung bei Vox.

Taxi

1980 (ZDF); 2007 (Kabel 1). 114-tlg. US-Sitcom von Ed. Weinberger, David Davis, Stan Daniels und James L. Brooks („Taxi“; 1978–1983).

Im Taxiunternehmen „Sunshine Cab Company“ in New York verdienen sich einige gescheiterte Existenzen ihr Geld als Taxifahrer. Neben Alex Reiger (Judd Hirsch), dem einzigen Vollzeit-Fahrer, jobben dort der erfolglose Schauspieler Bobby Wheeler (Jeff Conaway), der schlechte Boxer Tony Banta (Tony Danza), der Student John Burns (Randall Carver) und Elaine Nardo (Marilu Henner), die hauptberuflich am Empfang in einer Kunstgalerie arbeitet. Der Sadist Louie de Palma (Danny DeVito) leitet die Funkzentrale, der Einwanderer Latka Gravas (Andy Kaufman) ist der Mechaniker. Ab der zweiten Staffel ist Randall Carver nicht mehr dabei, dazu kommt „Reverend Jim“ Ignatowski (Christopher Lloyd).

Das ZDF zeigte mittwochs nachmittags nur die erste Staffel der Serie. Der Rest, die Folgen mit Christopher Lloyd, war in Deutschland über ein Vierteljahrhundert nur in regionalen Programmen oder im Pay-TV zu sehen, bis Kabel 1 sie 2007 im Nachtprogramm erstmal zeigte. Lloyd wurde später als Doc Brown in der Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“ (ab 1985) auch bei uns bekannt. Ein Jahr nach dem Ende der Serie starb der Komiker Andy Kaufman im Alter vom 36 Jahren an Lungenkrebs. Sein Leben schilderte 2000 der Film „Der Mondmann“ mit Jim Carrey in der Rolle des Andy Kaufman. Noch zwei weitere Darsteller, die durch Taxi bekannt wurden, hatten später weitere große Erfolge: Tony Danza als Star der Serie Wer ist hier der Boss?, Danny DeVito als Schauspieler und Regisseur etlicher Kinofilme.

Hinter Taxi steckte das kreative Team der „Mary Tyler Moore Show“ (Oh Mary, Mary Tyler Moore).

Unser Bauernhof

2007 (RTL). „Familien auf dem Land“. 28-tlg. dt. Dokusoap, die verschiedene Landwirtsfamilien bei der Viehzucht und der Ernte begleitet. Manche beherbergen auch Feriengäste.
Die halbstündigen Folgen laufen werktags um 17.00 Uhr.

Germany’s Next Topmodel

Seit 2006 (Pro Sieben). Castingshow, in der Heidi Klum ihre Nachfolgerin sucht.

Zwölf Kandidatinnen müssen beweisen, dass sie auch frierend, fliegend, tauchend und albern staksend gut aussehen — oder jedenfalls so, wie sich Modelagenturen das wünschen. Die jungen Frauen trainieren den richtigen Blick und den richtigen Gang, nehmen an Fotoshootings und Modeschauen teil und müssen verschiedene Aufgaben erfüllen. Eine Jury sortiert nach und nach Kandidatinnen aus, die Gewinnerin erhält einen Model-Vertrag und erscheint auf dem Cover der deutschen „Cosmopolitan“.

Erste Siegerin wurde Lena Gercke, von der man hinterher wenig hörte, was der Sender aber damit erklärte, dass sie noch ihr Abitur mache. Später saß sie in einigen ProSieben-Shows als Gast herum. Immerhin blieb ihr Name auf diese Weise geläufiger als die der nächsten beiden Staffelsiegerinnen Barbara Maier und Jennifer Hof. Die Zwölftplatzierte der dritten Staffel erhielt ihre eigene ProSieben-Show Gina-Lisas Welt.

Topmodel und Moderatorin Heidi Klum wurde selbst in einem Castingwettbewerb im Fernsehen entdeckt: 1992 in Thomas Gottschalks Late-Night-Show. Zur Jury gehören neben ihr und verschiedenen Gaststars der Agent Peyman Amin, der Visagist Armin Morbach und der amerikanische Laufsteg-Trainer Bruce Darnell. Darnell wurde durch seine exaltiert-feminine Art, seine ungehemmten Gefühlsausbrüche und seine eigenwillige Interpretation der deutschen Sprache zu einer Art Maskottchen der Sendung und sorgte mit seinen exotischen Auftritten regelmäßig für Material für Sendungen wie TV Total. In der zweiten Staffel ersetzte Visagist Boris Entrup seinen Kollegen Armin Morbach, der plötzlich erkannt hatte: „Ich habe noch nie ein Topmodel gesehen, das einer Casting-Show entsprungen ist.“ Ab der dritten Staffel bestand die auf drei Personen reduzierte Jury aus Klum, Amin und dem Casting-Direktor Rolf Scheider als Ersatz für Bruce Darnell, der bei der ARD seine eigene Show Bruce in den Sand setzte.

Die Sendung sorgte Anfang 2006 einige Wochen lang für heftige Diskussionen über den Magerwahn im Model-Geschäft, nachdem in der ersten Folge eine 1,76-Meter-Kandidatin mit 52 Kilo Lebendgewicht als „zu dick“ ausgesiebt wurde. Die „Bild“-Zeitung warb mit Schlagzeilen wie „Heidi-Klum-Show immer brutaler“ und „TV-Model packt aus: Ich wusste nie, wann ich die nächste Mahlzeit kriege“ für die Sendung, Politiker und Jugendschützer forderten ihre Absetzung. Pro Sieben ließ die zwölf Kandidatinnen eine Anzeige in mehreren Tageszeitungen schalten, in denen sie die Geschichten „konstruiert“ nannten und erklärten: „Die Buffets sind superlecker.“

Zehn Folgen liefen mit mittlerem Erfolg mittwochs um 20.15. Kurz vor Schluss verdoppelte Pro Sieben die Sendezeit auf zwei Stunden. Die zweite Staffel, nun am Donnerstag um 20.15, begann sofort in dieser Länge und mauserte sich zu einem großen Erfolg. Im Frühjahr 2007 brachte ProSieben werktäglich als Alternative zur Tagesschau 15 Minuten lang Nachrichten aus dem Leben der Möchtegern-Models, moderiert von Charlotte Engelhardt, unter dem Namen Germany’s Next Topmodel — Das Magazin.

Germany’s Next Topmodel ist die Adaption einer amerikanischen Show, die eine der erfolgreichsten Sendungen auf einem der kleinsten Networks wurde. Die Show hieß dort „America’s Next Top Model“, und Heidi Klum hieß dort Tyra Banks. Viva zeigte dieses Original 2007.

Schlagwörter:

Bauer sucht Frau

Seit 2005 (RTL). Kuppel-Doku-Soap mit Inka Bause.

Als alleinstehender Bauer hat man’s nicht leicht. Spätestens wenn Mama alt und gebrechlich wird, sollte eine Ehefrau auf den Hof kommen, die mit anpackt. Bei sieben paarungswilligen Landwirten hilft RTL dem Glück auf die Sprünge. Sie dürfen sich aus den Verehrerinnen, die sich für sie gemeldet haben, jeweils zwei aussuchen. (Meldet sich nur eine, wie im Fall von Bauer Hubert, über den Inka Bause sagt, er sei „zwar eher klein, aber dafür hat er ein großes Herz“, stellt der Sender aushilfsweise eine zweite Kandidatin.) Bei einem Scheunenfest lernt man sich kennen und hat Gelegenheit, Gemeinsamkeiten auszuloten. (Kandidatin Manuela: „Ich bin Fleischerfachverkäuferin, 35 Stunden die Woche, und liebe meinen Beruf über alles. Du hast mit lebenden Tieren zu tun, ich halt mit toten.“ Bauer Georg: „Mmh.“) Die Bauern entscheiden dann, ob sie eine, beide oder keine probeweise für eine Woche mit auf den Hof nehmen.

Die erste Staffel mit acht Folgen und einem Special entwickelte sich nach Anlaufschwierigkeiten überraschend zum Zuschauerliebling und endete sogar mit einer Hochzeit. Ende 2006 lief eine zweite Staffel, diesmal mit einem Kandidaten und einer Folge mehr, ebenfalls sehr erfolgreich. Sendeplatz war sonntags um 19.10 Uhr. Im Herbst 2007 setzte RTL die dritte Staffel eher aus Verlegenheit montags um 21.15 Uhr an, weil auf diesem Sendeplatz zuvor etliche Formate gescheitert waren. Bauer sucht Frau übertraf nicht nur die Erwartungen, sondern auch fast alle anderen Sendungen. Acht Millionen Menschen sahen nun zu, in manchen Wochen mehr als bei Wer wird Millionär? unmittelbar vorher.

Im Dezember 2007 frohlockte RTL, Bauer Hauke und Christina, die sich in der zweiten Staffel kennengelernt hatten, seien Eltern geworden.

Der Bauernverband protestierte gegen die Sendung, weil sie das Klischee vom „unbeholfenen Bauern“ befördere: Landwirte fühlten sich „veralbert“.

Die Sendung beruht auf dem britischen Format „The Farmer Wants A Wife“.

Schlagwörter:

Eurovision Song Contest

Seit 1956 (ARD). Europäischer Schlagerwettbewerb, der jedes Jahr im Frühling im Land des Vorjahressiegers ausgetragen wird und eine der merkwürdigsten Veranstaltungen darstellt, die das Fernsehen hervorgebracht hat.

Jedes teilnehmende Land entsendet einen Interpreten mit seinem Titel. Jurys oder die Zuschauer wählen daraus den Gewinner, der daraufhin entweder ganz groß herauskommt oder von dem man nie wieder etwas hört. Letzteres ist die Regel.

Den ersten Grand Prix Eurovision de la Chanson veranstaltete die Eurovision, zu der sich sechs Jahre zuvor 23 öffentlich-rechtliche oder staatliche Fernsehsender Westeuropas zusammengeschlossen hatten, am 24. Mai 1956 im Teatro Kursaal in Lugano. Damals nahmen sieben Länder mit jeweils zwei Titeln teil. Deutschland war mit Walter Andreas Schwarz und Freddy Quinn vertreten, die beim Vorentscheid am 1. Mai 1956 im Großen Sendesaal des Kölner Funkhauses von einer Jury ausgewählt worden waren. Von den Jurys der vertretenen Länder wurde Lys Assia mit dem Titel „Refrain“ zur Siegerin gewählt. In den kommenden Jahren stieg die Zahl der Teilnehmerländer, die ab 1957 nur noch je einen Titel ins Rennen schicken durften. Nach dem Ende des Kalten Krieges nahmen auch die Länder Osteuropas teil, wodurch die Zahl der Teilnehmer bis auf 26 (2003) stieg. Die Zahl der Interessenten überstieg die Möglichkeiten einer dreistündigen Live-Sendung, weshalb ab 1994 einige Länder aussetzen mussten — im Jahr 1996 traf dies den deutschen Vertreter Leon mit „Blauer Planet“, weil eine internationale Jury den Titel (nicht ohne Grund) für zu schlecht hielt. 2004 wurde ein Modus mit einem Halbfinale eingeführt, in dem sich Länder, die neu dabei waren oder im Vorjahr nicht gut abgeschnitten hatten, einige Tage vor dem eigentlichen Wettbewerb erst qualifizieren müssen.

Abgesehen von den ersten Jahren galt die Regel, dass das Gewinnerland im nächsten Jahr den Song Contest ausrichten würde. Das war mit außergewöhnlich hohen Kosten verbunden, von denen die Eurovision nur einen Teil übernahm, weshalb Israel, als es 1979 zum zweiten Mal in Folge gewann, auf die Veranstaltung der Show verzichten musste und die Niederlande einsprangen. Andererseits bietet die Ausrichtung des Song Contest vor allem kleineren Ländern oder Staaten im Umbruch eine einzigartige Möglichkeit, sich vor zig Millionen Zuschauern in aller Welt als modern und weltoffen zu präsentieren. Am häufigsten gewann Irland: siebenmal.

Interessanter als die Lieder, die schon in den ersten Jahren wenig mit aktuellen Musiktrends zu tun hatten, war die Punktevergabe, die fast jedes Jahr zu Diskussionen über Mauscheleien und Freundschaften oder Abneigungen zwischen Ländern führten. Während sich etwa die skandinavischen Länder untereinander meist reich mit Punkten beschenkten, demütigten sich die Jurys aus Deutschland und Österreich jahrelang mit einem Punkt — wenn überhaupt.

Der Modus der Punktevergabe variierte anfangs. Erst 1975 etablierte sich das System, wonach jedes Land für das liebste Lied zwölf Punkte gibt, für das zweitliebste zehn, dann acht, sieben, sechs und so weiter bis zu einem Punkt. Das Ritual, die Punkte eines Landes durch einen Vertreter per Telefon oder Live-Schaltung bekannt zu geben, die dann in englisch oder französisch wiederholt und von einer mehrköpfigen Jury überwacht wurden, wurde im Laufe der Zeit für viele Zuschauer zum eigentlichen Grund einzuschalten — neben den abenteuerlichen Kostümen, den unfassbaren Choreografien, den unterirdischen Titeln und dem regelmäßigen Scheitern an der Pflicht, live zu singen. 1997 verteilten fünf Länder ihre Punkte erstmals nicht nach dem Votum einer Jury, sondern dem des Publikums, das per TED abstimmte. Ab 1998 wurde das zur Regel, 1999 zur Pflicht. Mit der Abschaffung der Jurys war auch der Versuch verbunden, die Veranstaltung zu modernisieren. Ebenfalls 1999 fiel die Pflicht, in der Landessprache zu singen, und statt mit Orchester sangen die Künstler zum Halbplayback.

Auch die deutsche Vorentscheidung wandelte sich. Viele Jahre hieß sie Ein Lied für … mit dem Namen der Stadt, in dem der Grand Prix stattfand, im Titel. 1998 wurde die Show in Countdown Grand Prix umgetauft, 2004 in Germany 12 Points, seit 2006 heißt sie schmucklos irgendwas mit „Vorentscheid“. Die Veranstaltung wurde von wechselnden Moderatoren präsentiert. Axel Bulthaupt moderierte sechsmal (1998–2003), Carolin Reiber viermal (1979 und 1980 mit Thomas Gottschalk, 1982 und 1983 mit Rudolf Rohlinger), Hape Kerkeling dreimal (1989–1991). Seit 2006 moderiert Thomas Hermanns. Mal wählte eine Jury, mal ein Programmdirektor, mal stand der Interpret vorher fest und stellte mehrere Titel zur Auswahl. 1961 nahm übrigens ein junger Mann namens Carl Dieter Heckscher mit dem Titel „Was tut man nicht alles aus Liebe“ am Vorentscheid teil. Unter seinem Künstlernamen Dieter Thomas Heck hörte man später mehr von ihm. 1976 durfte erstmals das Publikum abstimmen: Per Postkarte wählte es Tony Marshall. Allerdings war sein Titel schon vier Jahre vorher veröffentlicht worden, was Disqualifikation bedeutete — nur ein Skandal von vielen. Statt Marshall fuhren die zweitplatzierten Les Humphries Singers zum Finale. Nach verschiedenen Umfragesystemen kam 1987 zum ersten Mal der TED zum Einsatz.

In den 90er Jahren geriet der Wettbewerb fast völlig aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. 1998 wurde er von Guildo Horn scheinbar zerstört, tatsächlich aber wiederbelebt: Mit dem Titel „Guildo hat Euch lieb“ von Stefan Raab (unter dem Pseudonym Alf Igel) und großem PR-Geschick schaffte er die nötige Polarisierung („Bild“ fragte scheinheilig: „Darf dieser Mann für Deutschland singen?“ — eine Idee von Horns Manager Johannes Kram). In den folgenden Jahren wurde auch die Musik vielfältiger und relevanter, vor allem beim jungen Publikum war die Sendung außerordentlich erfolgreich.

Den größten Erfolg nach einem Grand-Prix-Sieg schafften Abba, die 1974 mit „Waterloo“ gewannen. Aber auch für andere Künstler brachte der Grand Prix den weltweiten Durchbruch, darunter Udo Jürgens (1966), Vicky Leandros (1972) und Céline Dion (1988). Deutschland gewann 1982 zum ersten und bislang einzigen Mal mit Nicole und dem Lied „Ein bisschen Frieden“ von Ralph Siegel (Musik) und Bernd Meinunger (Text). Im Jahr darauf moderierte Marlène Charell den Grand Prix Eurovision aus München. Als Einziger konnte Johnny Logan zweimal gewinnen: Er siegte für Irland 1980 und 1987.

Seit 2001 wird der Grand Prix in Deutschland offiziell nicht mehr mit dem französischen, sondern dem englischen Titel benannt: Eurovision Song Contest, was sich aber nur zögerlich durchsetzte. Stefan Raab erfand 2005 eine eigene Konkurrenzveranstaltung namens Bundesvision Song Contest, in der die 16 Bundesländer gegeneinander antraten.

Der Grand Prix löste bei Komponisten wie Ralph Siegel und Stefan Raab eine anscheinend unheilbare Besessenheit aus. Aus schwer zu erklärenden Gründen hat er außerdem eine beunruhigende Anziehungskraft insbesondere auf homosexuelle Männer, die in teils rivalisierenden Fanclubs das Ereignis mit quasi-religiöser Anteilnahme verfolgen. Die Mainstream-Presse dagegen stellt Jahr für Jahr auf breitem Raum die Frage, welchem Zweck der Eurovision Song Contest überhaupt diene, was möglicherweise zugleich eine Antwort auf die Frage ist.

Bundesvision Song Contest

Seit 2005 (ProSieben). Jährlicher Musikwettbewerb mit Stefan Raab.

Nachdem Raab sich drei Mal mit mäßigem Erfolg am Eurovision Song Contest beteiligt hatte (als Komponist für Guildo Horn 1998, als Interpret 2000, als Komponist für Max Mutzke 2004), erfand er seine eigene Alternativveranstaltung. Der Bundesvision Song Contest lieh sich von seinem Vorbild Namen und Abstimmungsmodus (Raab: „schließlich soll das Verfahren genauso Scheiße sein wie beim Original“), sollte aber musikalisch relevanter sein — und wurde es auch: Alle Teilnehmer (für jedes Bundesland einer) werden in den Wochen vor der Sendung bei TV Total vorgestellt; die meisten profitieren erheblich von der Aufmerksamkeit, die ihnen der Wettbewerb verschafft.

Das Publikum stimmt in der eigentlichen, abendfüllenden Live-Show per Telefon über den Sieger ab. Anders als im Original können die Bundesländer auch für sich selbst stimmen (in der Regel geben sie sich die Höchstpunktzahl zwölf). In jedem Land gibt es einen Privatradiosender als Werbepartner, der auch in der Sendung die Punkte bekannt geben darf, was in der Regel von den Radiomoderatoren dazu genutzt wird, ihre Fernsehuntauglichkeit eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.

Die Sieger holen den Wettbewerb des nächsten Jahres in ihr Bundesland. Die Gewinner bisher: Juli (Hessen), Seeed (Berlin) und Oomph! (Niedersachsen).

Die ARD hatte vergeblich versucht, den Namen der Sendung juristisch zu verhindern.

Kontraste

Seit 1968 (ARD). Politmagazin vom SFB.

Der Untertitel von Kontraste hieß ursprünglich „Ein Ost-West-Magazin“. Anfangs konzentrierte sich die Sendereihe vor allem auf die Entwicklungen in den Ländern des Ostblocks und schaute dabei auch bis nach China oder in die sozialistischen Länder Lateinamerikas. Ab 1986 ging es verstärkt um innerdeutsche Themen.

Nach der Wiedervereinigung unterschied sich der Themenkreis nicht mehr sehr von denen der Schwestermagazine wie Monitor und Panorama, mit denen es sich abwechselte, und es beschrieb sich selbst als „zeitkritisches Hintergrundmagazin“ – allerdings, natürlich, mit dem besonderen Schwerpunkt Berlin. Der Untertitel lautete nun: „Magazin aus Berlin“. Erster Moderator war Peter Pechel. Ihm folgten 1984 Jürgen Engert, 1999 Petra Lidschreiber und 2006 Silke Böschen.

Kontraste lief zunächst vierwöchentlich donnerstags von 21.45 bis 22.30 Uhr. Später reihte es sich in die anderen ARD-Magazine ein und lief im Wechsel mit diesen um 21.00 Uhr, erst dienstags, ab 1992 montags, ab Ende 1994 donnerstags. Nach einer längeren Experimentierphase mit einem auf 20.15 Uhr vorgezogenen Sendebeginn landete das Magazin schließlich wieder bei 21.45 Uhr. Seit 2006 ist es nur noch eine halbe Stunde lang.

Rosa Roth

Seit 1994 (ZDF). Dt. Krimireihe.

Rosa Roth (Iris Berben) ist Kommissarin mit Leib und Seele und arbeitet in Berlin. Ihre Fälle gehen ihr auch persönlich sehr nahe. Die Arbeit ist ohnehin sehr persönlich: Ihre Kollegen Karin von Lomanski (Carmen-Maja Antoni), Charly Kubik (Jockel Tschiersch) und Jürgen Röder (Zacharias Preen) sind ihre Familie.

Rosa Roth ist modern, wach, stark, mutig, neugierig, liebenswürdig, kratzbürstig und widersprüchlich, sagte zumindest ihre Darstellerin Iris Berben. Rosa Roth sei schön, intelligent und engagiert, sagte das ZDF. Allerdings hat Rosa Roth auch einen derart beknackten Namen, dass eigentlich niemand eine ernst gemeinte Krimireihe hatte erwarten dürfen, sondern eher eine lustige Kindersendung mit einem pausbäckigen Mädchen mit Knubbelnase und gestreiftem T-Shirt. Dennoch etablierte sich die Reihe schnell und wurde gemeinsam mit Bella Block in doppelter Hinsicht zum Vorreiter einer neuen Krimigeneration. Die Titelheldinnen hatten Namen wie Comicfiguren, waren aber starke Frauen, die die Ermittlungen leiteten, und sie gehörten zu den ersten der neuen spielfilmlangen Krimiserien, die sich fortan am Samstagabend um 20.15 Uhr unter der Dachmarke Samstagskrimi abwechselten.

Rosa Roth läuft mit etwa zwei neuen Folgen pro Jahr. Bemerkenswert ist, dass außer Iris Berben auch die Nebendarsteller von Beginn an unverändert dabei sind, was in vergleichbaren Reihen selten der Fall ist. Carlo Rola führt bei allen Folgen Regie, ausführender Produzent ist Berbens Sohn Oliver Berben. Nach 21 abgeschlossenen Folgen lief 2007 erstmals ein Dreiteiler.

Blättern:  1 ... 165 166 167 168 169 ... 198


Das Buch

die Autoren

Weitere Bücher

New York für Fern-SeherDie kleine House-Apotheke

Links