Nach MTV kräht kein Hahn

Der ehemalige Fernsehsender Musiksender MTV möchte sich seine Musikkompetenz wohl im Internet zurückerobern. Schon seit Sommer zeigt MTV online nicht nur Videos aus den aktuellen Charts, sondern zum Beispiel auch den schönen Song „You Can’t Count On Me“ der großartigen Gruppe Counting Crows. Die hatten in Deutschland nie einen wirklichen Hit; ihre bekanntesten Songs sind vermutlich die Joni-Mitchell-Coverversion „Big Yellow Taxi“ aus dem Film „Ein Chef zum Verlieben“, „Accidentally In Love“ aus dem Film „Shrek 2“ und „Mr. Jones“ aus dem Radio.

Umso erfreulicher, dass MTV ausgerechnet einen unbekannten Hit über Monate fördert, der nie in den Charts war, und nicht nur dem Mainstream nachrennt. Die Frage ist allerdings: Warum findet man dieses Video dann ausgerechnet in den Charts – und zwar in den aktuellen? Vor einigen Wochen sogar in den Top 10?

Wurde der Song in einem Film verwendet? In einem Werbespot? In einer Castingshow gesungen? Und kam deshalb erstmals in die Charts?

Nichts dergleichen? Ach, schade. Das macht die Sache traurig. Denn dann ist die Präsenz der Counting Crows doch nur ein blöder Fehler an einer Stelle, an die eigentlich der Hit „Du“ des Rappers Cro gehört. Der war im Sommer überall in Deutschland ein großer Hit – außer bei MTV.de, wo der Fehler vielleicht durch eine falsche Autovervollständigung in irgendeinem System entstand und seitdem mitgeschleppt wird, weil natürlich niemand beim MTV die eigene Homepage liest. Aber ich bin sicher, sobald mal ein Nutzer darauf aufmerksam macht, wird der Fehler zügig korrigiert.

Nicht. Aha.

Nach Switch switch zu Switch

Die hervorragende Fernsehparodie Switch Reloaded ist mittlerweile so populär, dass ganze Themenabende um sie herum gestrickt werden. Man kennt das ja von den Sensationserfolgen. Beim Finale von Sex And The City zelebrierte ProSieben eine große Abschiedgala, bei der die eigentliche letzte Episode nur einen kleinen Teil in der Mitte ausmachte. Und wenn RTL am 3. Oktober um 20.15 Uhr zeigt, wie Mario Barth vor 70.000 Menschen im Berliner Olympiastadion hundert Jahre alte Männer-Frauen-Witze erzählt, gibt es vorher einen 70-minütigen Countdown zur Ausstrahlung und am späten Abend eine Aftershow-Party.

Gestern also folgte nach dem Ende von Switch Reloaded ein Talk mit den Hauptdarstellern Martina Hill, Bernhard Hoëcker und Peter Nottmeier. Denn es ist ja immer ganz spritzig, eine halbe Stunde lang theoretisch über Humor zu lamentieren.

Das Ziel solcher Umfeldprogrammierungen ist logischerweise, die Zuschauer der eigentlichen Sendung mit ins Rahmenprogramm zu ziehen, und das hat gestern ganz wunderbar geklappt: 1,5 Millionen Zuschauer sahen Switch Reloaded und sogar 1,6 Millionen den Talk danach. Man kann also…

Wie bitte?

Entschuldigung.

Ich höre gerade, dass es keine nennenswerte Überschneidung zwischen diesen beiden Zuschauermengen gab, weil Switch Reloaded wie üblich auf ProSieben lief, der anschließende Talk aber bei Markus Lanz im ZDF.

Ja, gut, sicherlich. Wenn man keine eigenen Comedystars hat, die man in so eine Sendung einladen könnte…


Fotos: ZDF/Wolfgang Lehmann

Die Switch-Talkrunde ist mit einigen ruppigen Schnitten in der ZDF-Mediathek online, die wesentlich unterhaltsamere Switch-Episode gibt’s in voller Länge ebenfalls online bei ProSieben.

Zusatzaufgabe: Sagen Sie die Überschrift zu diesem Text zehnmal hintereinander schnell laut auf.

Nachgegelbt

Nur so am Rande, um das echte Datum zumindest kurz zu würdigen: Heute werden Die Simpsons tatsächlich 20 Jahre alt! Pro Sieben hat das ja schon vor fünf Wochen gefeiert. Und wir ja auch. 

Nachricht an die Fernsehchefs

Weil sie auch für das deutsche Fernsehen so traurig wahr ist, hier Lewis Blacks Wutausbruch von der Emmy-Verleihung im Wortlaut:

Hey, Fernsehchefs, hört zu.
Ich weiß, wird schwierig, aber es dauert nur zwei Minuten, und das ist doch die Länge eurer Aufmerksamkeitsspanne.

Habt ihr vergessen, was euer Job ist? Es ist Geschichten zu erzählen. Sogar Realityshows erzählen Geschichten. Es ist nicht, uns mitten in einer Geschichte  zu erzählen, welche Sendung als nächstes kommt. Oder welche in zwei Wochen Premiere hat.

Was wollt ihr von mir? Dass ich alles fallen lasse, einen Bleistift hole und es aufschreibe? Soll ich wirklich aufhören zuzuschauen, um mich auf die nächste Sendung vorzubereiten?

Hey, hier eine Nachricht von den Zuschauern: Uns interessiert die nächste Show nicht. Wir schauen diese!

Ihr zerstört das Drama. Oder die Comedy. Oder das Nickerchen, das ich mache. Denn deshalb schaue ich diese Sendung, weil ich davon so schön einschlafe.

Oh, und übrigens: Am Ende der Sendung: Pfercht nicht den Bildschirm zusammen, so dass wir nicht sehen können, wer an der Show mitgearbeitet hat. Ihr habt es schon so sehr beschleunigt, dass man kaum einen Namen mitbekommt, während sie vorbeirasen. Reicht das nicht?

Natürlich passt niemand auf. Aber die Mitarbeiter der Show passen auf, und sie verdienen es, ihren Namen zu sehen.

Versteht ihr, die sind es, die die tatsächliche Arbeit machen! Was genau ist es, das ihr macht? Außer schlechte Ideen zu haben?

Warum geht ihr nicht einfach in die Politik?

Nachrichten aus einer fremden Zivilisation

Fast 15 Millionen Menschen sahen das WM-Achtelfinale zwischen den USA und Ghana — beim US-Sender ABC. Das sind knapp halb so viele wie bei den Spielen der deutschen Mannschaft im deutschen Fernsehen — in einem Land, das knapp viermal so viele Einwohner hat wie Deutschland, aber sich eben mehr für Baseball und American Football interessiert.

Die Zahl entspricht der zweithöchsten Zuschauerzahl, die jemals im US-TV für eine Fußball-Übertragung erreicht wurde — nur geschlagen vom 1999er WM-Finale der Frauen.

Nachruf

Wir nehmen heute Abschied vom einstmals treuen und geduldigen Sender Vox, der es durch Kontinuität und Verlässlichkeit nach oben geschafft hat. Doch jetzt ist der viel beschworene Aufstieg in die erste Fernsehliga vollendet, und Vox fängt sofort damit an, sich zu benehmen wie die da oben. Seit Herbst 2007 wurde bereits wiederholt das Nachmittagsprogramm durcheinandergeworfen, nun trifft es ein paar Primetimeserien. Shark läuft ab Ende März montags eine Stunde später, The Disctrict erst nach 23 Uhr, CSI: NY dafür vorher grundlos doppelt und Men In Trees gar nicht mehr. Willkommen in der ersten Liga!

Die Sache ist nämlich die: Shark und The District erreichen sehr ordentliche Einschaltquoten oberhalb des Senderschnitts, und dafür werden sie jetzt mit der Verschiebung in den späten Abend bestraft. Denn CSI: NY erreicht deutlich höhere Marktanteile, andererseits aber längst nicht mehr so hohe wie noch vor einem Jahr. Wie klug es ist, den Ermüdungsfaktor der Marke CSI, der mit dem Wechsel der Mutterserie zu RTL einsetzte, jetzt auch noch durch Doppelprogrammierung zu beschleunigen, zudem mit Wiederholungen, während der Aufbau eines möglichen Nachfolgers durch die Sendeplatzverschiebung gebremst wird, muss Vox selbst wissen. Oder mal bei RTL, Sat.1 und ProSieben fragen, die ihr Programmschema schon seit geraumer Zeit wöchentlich neu auswürfeln.

Vox bleibt der Sender mit den meisten der besten Serien im deutschen Fernsehen. Wenn der neue Umgang mit ihnen aber nur der Anfang ist, wird er bald ein genauso großes Ärgernis sein wie die anderen abgehobenen „Erstligisten“, die den Kontakt zur Basis verloren haben.

Wir werden das alte Vox nie vergessen.

Nachträglich beste Wünsche

Heute, morgen und übermorgen ist das RTL-Mittagsjournal Punkt 12 zur Feier der Tage jeweils zwei Stunden lang! Damit begeht RTL das 15-jährige Bestehen des erfolgreichen Magazins. Das, und nur das ist der Grund für die dreimalige Verdoppelung der Sendezeit.

Man könnte natürlich meinen, das sei in Wirklichkeit gar kein Jubiläumsbonus, sondern etwa ein Test, um zu sehen, was passiert, wenn RTL auch in der Stunde von 13 bis 14 Uhr ein Mittagsmagazin zeigt. Das hat der Sender ab Herbst nämlich vor. Arbeitstitel: Punkt XL. Eine hurtige Entscheidung, die RTL erstmals vor zwei Wochen nach der Absetzung von Sat.1 am Mittag verkündete. Den 15. Geburtstag von Punkt 12 erfand RTL erst vergangene Woche. Am 23. Juli um 13.51 Uhr wurde die Programmänderung Nr. 107 für das Jahr 2007 kundgetan, die nun für Punkt 12 die zusätzlichen Stunden vorsah.

Huch, habe ich gerade „erfand“ geschrieben? Nein, das kann man so nicht sagen. Das Mittagsjournal wird dieses Jahr tatsächlich 15! Gut, der Jahrestag war schon am 6. April, aber der gilt nicht, denn damals hieß die Sendung noch 12.30 und begann eine halbe Stunde später. Ist man streng, muss man als Stichtag natürlich den ersten Sendetag als Punkt 12 nehmen.

Also den 1. Juni 1992.

Ähm…

Aber am 1. August 1992 war doch bestimmt auch irgendwas, das man jetzt feiern könnte, oder?

Richtig. Sendepause. Das war nämlich ein Samstag.

Aber egal. Mit Terminen nahm es die Sendung noch nie so genau. Am Montag zum Beispiel begann Punkt 12 um 11.57 Uhr.

Nackte X

Die Serie beginnt mit „You Can’t Always Get What You Want“ von den Rolling Stones, ein Song, der auch die Pilotfolge von Dr. House prägte. „Californication“ von den Red Hot Chili Peppers kommt in Californication nicht vor. Keine Ahnung, ob das die Band versöhnt hätte oder nicht. Die verklagte den US-Sender Showtime nämlich im vergangenen Jahr, weil sie den Begriff „Californication“ für ihre Erfindung hielt und nicht einfach ein dahergelaufener Fernsehsender kommen und eine Serie so nennen könne.

Die zweite Staffel, die gestern in den USA anlief, heißt trotzdem noch so.


Hank und sein Agent (Evan Handler).
Fotos: RTL2

Heute beginnt bei RTL2 die erste Staffel, und das ist schön, denn Californication ist eine gute Serie, wenn man außer Sex auf wenig andere Themen Wert legt. Doch auch davon abgesehen ist Californication gut, weil es der Serie gelingt, Sex in Wort und Bild zwar das vorherrschende Thema sein zu lassen, es aber trotzdem wirken zu lassen, als stecke noch mehr drin.

Es geht um einen schreibblockierten und sexsüchtigen Schriftsteller, und hätte sein Darsteller, Akte-X-Mulder David Duchovny, sich im wahren Leben nicht schon vor einem Monat wegen seiner eigenen Sexsucht in eine Therapie begeben, sondern erst jetzt, wäre das für die Serie bestimmt eine noch bessere Werbung gewesen. Seine Figur Hank hängt noch an seiner Exfreundin, die aber einen Anderen heiraten will. Hank rät ihr davon ab.

Hank: „Hab‘ ich nicht auch ein Wörtchen mitzureden?“
Karen: „Nein!“
Hank: „Ganz sicher? Ich glaub‘ nämlich doch. Vielleicht.“

Mit Karen teilt sich Hank das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Becca. Er bemüht sich um Erziehung. Als sie schon wieder „Fluch der Karibik“ sehen will, rät Hank:

„Willst du nicht vielleicht deinen filmischen Horizont erweitern und einen Film sehen, der auf einem Buch und nicht auf einer Freizeitparkattraktion basiert?“

Trotz der Erziehungsbemühungen gelingt es ihm nicht, sein verlottertes Privatleben vor ihr zu verbergen.

Becca: „Vater?“
Hank: „Tochter?“
Becca: „Darf ich dich was fragen? Warum ist da eine nackte Frau in deinem Zimmer? Sie hat keine Haare an der Vagina, Ist sie vielleicht krank?“
Hank: „Ich sehe nach.“

Oder vor Karen:

Karen: „Du riechst nach Muschi.“
Hank: „Dankeschön!“

Ein paar weitere schöne Dialoge machen die sehr monothematische Handlung wett, und vielleicht ist Californication wirklich, wie wiederholt zu lesen war, so eine Art Sex And The City für Männer, aber ich als Mann kann das leider nicht objektiv und seriös beurteilen. Sex And The City fand ich langweilig. Californication nicht.


Hank und seine Affäre Mia. Den Hank-Darsteller David Duchovny erkennen Sie sofort aus Akte X. Die Mia-Darstellerin womöglich erst auf den zweiten Blick: Madeline Zima spielte in den 90er-Jahren die kleine Tochter Gracie in Die Nanny.

Californication, montags um 22.15 Uhr bei RTL2.

Nanu

Pro Sieben hat doch tatsächlich eine zweite Staffel der schönen, aber erfolglosen Serie Dr. Psycho bestellt, berichten heute mehrere Mediendienste fast im Gleichlaut. Die Nachricht kommt nur wenige Wochen nach der von RTL, das ambitionierte Post Mortem trotz des Quotensturzfluges fortsetzen zu wollen. Sollten die Sender etwa wirklich damit angefangen haben, statt der Quoten sich die Serien selbst anzusehen?

Das gibt Hoffnung, dass die ARD der grandiosen, mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Grimme-Preis ausgezeichneten, aber leider kaum gesehenen Vorabend-Comedy Türkisch für Anfänger noch eine weitere Staffel gönnt. Wo sonst sollen wir in Zukunft Sätze hören wie „Warte noch einen Augenblick, ich will so doof aussehen wie Frauke Ludowig“ und „‚Der Untergang‘. Total schlecht recherchiert. Aber es gibt ja sowieso viel zu wenig gute Nostalgiefilme über diese Zeit“.

Narren gekappt

Traditionell gibt es auch dieses Jahr wieder Ärger unter Karnevalisten. Die Mainzer Hofsänger sind beleidigt, weil sie bei der Mainzer Sitzung nur traditionell zum Finale ein paar Stimmungslieder singen, aber auf ihr ebenso traditionelles politsatirisches Potpourri verzichten sollten. Den Hofsängern war das zu wenig, also haben sie ihren Auftritt gleich ganz abgesagt. Karneval ist eben kein Spaß.

Vergangene amüsante Karnevalsskandale, Eklats und sonstige Unstimmigkeiten haben wir hier und da gesammelt, und außerdem noch da und dort.

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