Leichte Erderschütterung in New York
Elton läuft heute den New York City Marathon. Für eine Fernsehsendung.
So etwas würde ich ja nie tun…
Elton läuft heute den New York City Marathon. Für eine Fernsehsendung.
So etwas würde ich ja nie tun…
Bild: MDR/Junghans
Bilder sagen mehr als Worte, muss sich der Regisseur gedacht haben. Tatort Nummer 700 beginnt mit teils quälend langen Einstellungen, die in den ersten zehn Minuten nur durch wenig Textgeplänkel aufgelockert werden. Kommissarin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) kommt im neuen Büro an und richtet es pedantisch ein. Ihr Ex-Mann und Neu-Kollege Andreas Keppler (Martin Wuttke) kommt am Bahnhof an und fährt mit der Straßenbahn zum Tatort. Originell an dieser Idee ist allenfalls, dass fast die komplette Fahrt abgefilmt wird.
Die Kommissarin spricht mit einer Zeugin, dann mit der Ex-Frau, dann mit dem Anwalt der Ex-Frau, und gleichzeitig begibt sich Frodo Keppler auf Wanderschaft durch Leipzig, allerdings ohne Gefährten und ohne dass klar wird, was das eigentlich soll. Ich dachte immer, die ersten Minuten entschieden über dranbleiben und abschalten.
Wer dranblieb, sah dann doch einen einigermaßen soliden Tatort-Krimi. Die Neuen aus Leipzig sind nett, umgänglich und äußerst scharfsinnig (Saalfeld) oder mürrisch, eigenbrötlerisch und noch scharfsinniger (Keppler). Nach vierzig Minuten nimmt die Geschichte um den ermordeten mutmaßlichen Kinderschänder endlich Fahrt auf. Der erste Verdächtige wird im Beisein seines gemischten Chores vernommen, und Keppler muss den Gag vom lieben Herrn Gesangsverein anbringen. Zwanzig Minuten später, der erste Verdächtige kann es natürlich nicht gewesen sein, und schwupps führt die nächste Spur zum nächsten Mutmaßlichen.
Am Ende war’s dann nicht der Gärtner, sondern der Postbote. Der Tote war auch kein Kinderschänder, sondern nur ein armer Kerl, der erst der Intrige seiner Ex-Frau und dann dem Messer des Postboten zum Opfer fiel. Schade, dass die Diskussion um Selbstjustiz nur angeschnitten wurde. Viel interessanter wäre es gewesen, wenn das Mordopfer tatsächlich Kinder missbraucht hätte. So war am Ende alles ein bisschen sehr schwarz-weiß, da hilft es auch nicht mehr, dass der Täter früher selbst Missbrauchsopfer war.
Trotz durchschnittlicher Tatort-Ware: Aus dem neuen Leipziger Team könnte etwas werden. Die Ausgangkonstellation der geschiedenen Eheleute, die gemeinsam ermitteln, ist zwar arg konstruiert, aber nie zu dick aufgetragen, sondern einfach nett gespielt. Vor allem Martin Wuttke nimmt man den ständig mies gelaunten Ermittler ab. Leider muss der in einer klischeebeladenen Pension wohnen: Ein seltsamer, schnodderiger Besitzer, und natürlich wohnt Keppler ausgerechnet in dem Zimmer, durch dessen Fenster die Leuchtreklame blinkt. Aber das sind sie eben, die Tatort-typischen Schnitzer. Genau wie das ambitionierte Drehbuch, leider weniger ambitioniert umgesetzt, die jungen Laienschauspieler, die sich grundlos in Rage brüllen, die Komparsen, die hölzern durch die Szene stolpern.
Für das Jubiläum hätte man sich Besseres gewünscht.
Heute nehmen wir Abschied von Jerry Orbach. In Deutschland als Babys Vater im Film „Dirty Dancing“ und durch die Titelrolle der ARD-Vorabendserie Privatdetektiv Harry McGraw bekannt, war er vor allem zwölf Jahre und 274 Folgen lang als Lennie Briscoe die prägende Gestalt des Krimiklassikers Law & Order. 2004 stieg er aus, ein halbes Jahr später starb er. Seine letzte Folge zeigt RTL heute um 23.10 Uhr.
Es wird ein leiser, unauffälliger Abschied, wenn Rolf Schimpf heute um 20.15 Uhr nach 22 Jahren zum letzten Mal als Der Alte zu sehen ist. Die Ära geht mit einer ganz gewöhnlichen Episode zu Ende, dem üblichen depressiven Kammerspiel also. Dann ist Josef Matula das letzte verbleibende Urgestein aus der Zeit, als die ZDF-Freitagskrimis noch Pflichttermine waren.
Rolf Schimpf ist zu preisen, weil er nicht zu den Schauspielern gehört, die nach einer Handvoll Folgen befinden, ihre Rolle sei auserzählt, und verkünden, sie wollten sich nicht so sehr auf eine Rolle festlegen lassen. Er entschied sich, Leo Kress zu werden, und stand dazu. Anfangs trotzte er noch dem großen Schatten seines Vorgängers Siegfried Lowitz, dessen Erwin Köster ein eigensinniger Grantler war, und trat ebenfalls eigensinnig, impulsiv und unkonventionell auf. Erst später verlegte Schimpf sein Tätigkeitsfeld in den Schatten von Derrick und befragte in den gleichen Münchner Villen die gleichen Reichen mit den gleichen Standardfloskeln. Durch seine unauffällige Verlässlichkeit wurde Rolf Schimpf einer der größten deutschen Serienstars, ohne dass es besonders ins Auge fiel.
Nach 222 Folgen erklärte der heute 83-jährige Schimpf seinen Ausstieg, denn „es soll ja glaubwürdig wirken, wenn ich einen Kommissar spiele“.
Für den Fall, dass er es sich anders überlegt hätte, hätte man sich in seiner letzten Episode mit einem simplen Schnitt vom Abschied verabschieden können. Erst drei Minuten vor Schluss, nachdem der eigentliche Fall gelöst ist, kommt der bevorstehende Abschied zum ersten Mal zur Sprache, in einer rührungsfreien finalen Szene, die keinen Bezug zum bisher Geschehenen hat. Klebte man einfach unmittelbar vorher den Abspann dran, würde niemand merken, dass die heutige Episode eine besondere ist.
Ab 0.50 Uhr zeigt das ZDF noch einmal vier alte Alte-Folgen.
Mach’s gut, Alter!
RTL hat heute mit einer Kampagne gegen Analphabetismus begonnen und wirbt für das Lesen.
Sehr gut.
Im nächsten Schritt könnte RTL dann seinen Redakteuren das Schreiben beibringen. Lektion 1: Wann schreibt man Wörter mit „ß“ statt mit „ss“?
Lektion 2: Wann benutzt man Trennstriche?
Screenshots aus dem RTL-Nachtjournal und Punkt 12 von vergangenem Freitag und heute.
Nach zweimonatiger Streikpause gingen gestern die amerikanischen Late-Night-Shows wieder auf Sendung: Jay Leno, Conan O’Brien und Jimmy Kimmel ohne, David Letterman und Craig Ferguson mit ihren Autoren (wir berichteten). Jon Stewart und Stephen Colbert folgen nächste Woche, ebenfalls ohne Autoren.
Variety berichtet heute sehr ausführlich über die ersten Shows nach der Pause, in der Letterman und O’Brien mit Streikbärten auftraten, die ihnen während der Pause aus dem Gesicht gekommen waren.
Lettermans berühmte Top-10-Liste wurde diesmal von zehn streikenden Autoren anderer Shows präsentiert, die ihre Forderungen vortrugen, darunter ein Autor von Late Night with Conan O’Brien, einer von The Colbert Report mit Stephen Colbert und zwei von der Daily Show with Jon Stewart. Sie forderten u.a. eine kostenlose Tragetüte für jeden beleidigenden Vertrag, der ihnen angeboten wird, einen Gesundheitsbonus zur Behandlung der Unterkühlung, die sich an der Streikfront zugezogen haben, und ein Date mit einer Frau.
Conan O’Brien erklärte in seiner eigenen Sendung die verheerenden Folgen, die Pause der Late-Night-Shows hatte:
Amerikaner waren gewungen, ein Buch zu lesen oder miteinander zu reden. Es war entsetzlich.
Nachtrag 20.00 Uhr: Inzwischen gibt es auch bei Zap2it einen ausführlichen Bericht über die Late-Night-Comebacks.
US-Präsident Barack Obama hat es im Moment nicht leicht. Die Umsetzung seiner geplanten Gesundheitsreform funzt nicht so, wie er sich das vorgestellt hat, und auf Kundgebungen wird er von bedingungslosen Anhängern der früheren Regierung angeschrien und als Lügner beschimpft. Obama nutzt deshalb derzeit jede Gelegenheit, für die Reform zu werben und Sympathiepunkte zu sammeln. Aber ganz ehrlich – ich glaube, er hat auch einfach Spaß an Besuchen in den Late-Night-Shows.
Nach seinem Auftritt bei Jay Leno und vorproduzierten Zuspielungen bei Conan O’Brien und Stephen Colbert war Obama gestern bei David Letterman zu Gast, der ihn fragte, ob die plötzlichen Anfeindungen mit Rassismus zu tun haben könnten.
Obama:
„Ich war ja schon vor der Wahl schwarz!“
Weil das Interview etwas länger als geplant wurde, wurden übrigens die „Top 10 Gründe, warum Präsident Obama bereit war, in der Late Show aufzutreten“ aus der TV-Aufzeichnung herausgeschnitten. Hier sind sie, darunter auf Platz 2: „Hat ‚Ja‘ gesagt ohne nachzudenken – so wie Bush beim Irak!“
Ich habe nicht mitgezählt, aber Hape Kerkeling benutzte im Finale von Let’s Dance so oft die Formulierung „zum letzten Mal“ oder eine vergleichbare, dass ich den Eindruck gewann, er wolle den alten Rekord von Thomas Ohrner aus dessen letzter Glücksrad-Sendung brechen. Damals habe ich noch mitgezählt. Es waren 38 Erwähnungen, also ziemlich genau eine pro Sendeminute. Diesen Schnitt wird Hape Kerkeling wegen der Show- und Tanzblöcke kaum erreicht haben, doch auffallend war es allemal. Trotzdem werde ich die Angst nicht los, dass es noch eine weitere Staffel geben könnte.
Sie ist weg. Weg! Und Guido ist wieder allein, allein.
Mit diesen Worten verabschiedete sich Sabine Christiansen am Ende ihrer letzten Sendung, nachdem sie Bundespräsident Köhler eine Stunde lang Ausschnitte aus ihren alten Sendungen vorgespielt hatte:
Wir sehen uns im nächsten Jahr sicher das eine oder andere Mal in der ARD wieder. Ihnen herzlichen Dank für die lange Treue und auf Wiedersehen. Vielen Dank. Tschüs.
Und mit diesen Worten schloss ihre Nachfolgerin Anne Will zwanzig Minuten später ihre letzten Tagesthemen:
Bei Ihnen, meine Damen und Herren, bedanke ich mich für sehr viel Wohlwollen, das ich gespürt habe, aber von Ihnen muss ich mich nicht verabschieden. Stattdessen sage ich von Herzen und mit großer Vorfreude auf meine neue Sendung, die ich am 16. September beginnen will, auf Wiedersehen.
Rührend.
Zum Vergleich noch einmal die Abschiedsworte von Bob Barker vor neun Tagen nach 35 Jahren „The Price Is Right“:
Denken Sie dran: Helfen Sie mit, die Haustierpopulation unter Kontrolle zu halten. Lassen Sie Ihre Tiere kastrieren. Tschüs zusammen!
Da ich an dieser Stelle zu Beginn des Jahres sehr viel über die ambitionierte, aber teilweise übereifrige RTL-Serie Post Mortem geschrieben habe und nach deren Ende offen für eine Fortsetzung trotz stark gefallener Einschaltquoten plädierte, möchte ich heute kurz einen Gruß an RTL schicken und zu der mutigen Entscheidung gratulieren, tatsächlich eine zweite Staffel zu bestellen.
Und wenn ich schon dabei bin: Der großartige Dr. House erreichte gestern insgesamt deutlich über sechs Millionen Zuschauer und mehr als vier Millionen in der Zielgruppe, die die Werbewirtschaft übermütig Rad schlagen lässt. Das sind in beiden Gruppen so viele wie noch und in letzterer Wetten, dass…-?-Sphären. Noch einmal: Gratulation.
Zwei Dinge, die das komplett entsetzliche RTL-Nachmittagsprogramm für einen Moment vergessen machen.