Kriminalfilme im Wandel der Zeit

Hauptkommissar Schmücke: „Gelobt sei die DNA-Analyse!“
Hauptkommissar Schneider: „Wie haben wir das eigentlich früher gemacht?“
Hauptkommissar Schmücke: „Da mussten wir uns noch richtig anstrengen.“

(Aus: Polizeiruf 110, Sonntagabend im Ersten.)

Kupplung raus!

Zum Wichtigsten für Ganoven gehört es, über ein Verbrechen Gras wachsen zu lassen. So hat es auch RTL mit Der Bachelor gemacht, jener sturzlangweiligen achtwöchigen Kuppelshow, deren erste Staffel inzwischen so lange her ist, dass RTL sie nachträglich zum Erfolg erklärt.

(Screenshot aus Staffel 1)

„Bis zu 5,23 Millionenen Zuschauer verfolgten im Herbst 2003 die erste Staffel von Der Bachelor„, jubelt RTL und geht davon aus, dass sich erstens niemand fragt, warum es dann öffentlich-rechtliche acht Jahre gedauert hat, bis eine zweite Staffel folgte, und sich zweitens niemand die Mühe macht herauszufinden, dass damals in Wirklichkeit nur drei der acht Episoden überhaupt die Vier-Millionen-Grenze im Schnitt geknackt haben, die Fünf-Millionen-Grenze aber gar keine.

Die Tat von damals ist offenbar verjährt. Deshalb wird ab heute die Frage neu gestellt: „An wen wird der Bachelor sein Herz verlieren?“

An wen die Zuschauer ihr Hirn verlieren werden, ist schon vorher klar.

Kurz vor Knapp

Die neue Sat.1-Serie Kidnapped – 13 Tage Hoffnung hat eine Gemeinsamkeit mit den Klassikern Auf der Flucht und Das Geheimnis von Twin Peaks, aber auch mit den modernen Fernsehereignissen 24 und Damages – Im Netz der Macht, es ist aber vor allem eine formale: Der Fall, um den es in der Serie geht, lässt sich nicht so leicht in einer einzigen Episode lösen. Deshalb befasst sich die gesamte Staffel mit nichts anderem als der Entführung des reichen, 15-jährigen Leopold, dessen Eltern den draufgängerischen Freiberufler Knapp (Foto unten, rechts) engagiert haben, der den Jungen zusammen mit dem FBI (und manchmal gegen das FBI) zu befreien versucht.


Foto: Sat.1

Das ist ganz ansehnlich geworden, weil trotz durchgehender Handlung das alte Fernsehgesetz befolgt wird, dass gegen Ende einer Episode die Zuschauer mit einem Spannungshöhepunkt versorgt werden müssen. Zum Beispiel: Kann der Junge sich befreien? Nein, kann er natürlich noch nicht, weiß doch jeder, aber für ein paar Minuten macht es die Sache aufregend.

Gescheitert ist die Serie trotzdem, und in den USA wurde sie nach wenigen Folgen abgesetzt. Man muss den NBC-Verantwortlichen dennoch dankbar sein, dass hier ausnahmsweise mal eine Serie die Gelegenheit erhielt, die Handlung zu einem Ende zu bringen und alle wichtigen Fragen aufzulösen. Insofern ist es zumindest keine verschwendete Zeit, sich drei Monate lang jeden Donnerstag mit diesem Thriller zu befassen. Vermissen wird die Serie anschließend aber auch niemand.

Kidnapped – 13 Tage Hoffnung, heute ab 20.15 Uhr (2 Folgen), dann immer donnerstags ca. 23.15 Uhr in Sat.1.

Kurzarbeit

Auch in Zeiten des Streiks verschickt die Late Show with David Letterman einen wöchentlichen Newsletter an die Fans, in dem die Wiederholungen der Woche angekündigt werden und ein paar historische Daten aus der 26-jährigen Geschichte der Show gelistet sind, die sich in der entsprechenden Woche jähren.
Zum Beginn jedes neuen Monats gibt es außerdem einen Rückblick auf die Höhepunkte des Vormonats. Auch diesmal:

Wow, war das ein Monat! Er begann mit einer brillanten Show (1. November, Show Nr. 2840) mit blöden Tiertricks, Dr. Phil und Ryan Adams, und er endete (2. November, Show Nr. 2841) mit Bill Murray, Jay-Z und dem Künstler George Vlosich. (…) Meine liebsten musikalischen Gäste diesen Monat waren Ryan Adams und Jay Z.

Kurzer Boom

Weil sonst gerade so wenig Neues im Fernsehen passiert, befassen wir uns ausnahmsweise mal mit einer Pay-TV-Premiere. Der Sender 13th Street startet heute Boomtown, eine amerikanische Krimiserie, die bei der US-Ausstrahlung vor fünf Jahren von den Kritikern einhellig derart gefeiert wurde, als sei sie die größte Errungenschaft seit der Erfindung des Rades.

Tatsächlich war die Serie sehr innovativ und toll umgesetzt, zugleich aber ein wenig verwirrend. Man ist es zwar mittlerweile gewohnt, dass in Serien mehrere Geschichten parallel erzählt werden. Doch dass die gleiche Geschichte in sieben verschiedenen Versionen erzählt wird, war ungewöhnlich. Aus den Blickwinkeln aller Protagonisten (Polizei, Staatsanwaltschaft, Notärzte, Reporter) setzte sich das Gesamtwerk zusammen, doch haben nicht alle die gleiche Auffassung der Ereignisse.

Nach einer wenig erfolgreichen ersten Staffel ließ sich NBC einerseits vom Kritikerlob und den inzwischen gewonnenen Preisen überzeugen, andererseits nicht. Es wurde zwar eine zweite Staffel bestellt, aber das einzigartige Konzept sollte verschwinden. Aus Boomtown wurde eine mehr oder weniger gewöhnliche Krimiserie, und trotzdem setzte NBC sie nach nur zwei neuen Folgen ab.

Dass in der ungewöhnlichen Serie auch das Schauspielerensemble überzeugte, ist daran zu erkennen, dass sich niemand darüber lustig machte, dass der Hauptdarsteller früher bei den New Kids On The Block gesungen hat.

Boomtown, werktags gegen 21.50 Uhr bei 13th Street.

Kurzes Zwischengezwitscher

Neue Elektronik soll man sich ja nicht immer gleich sofort kaufen. Solche Dinge werden mit der Zeit nämlich billiger. Deshalb habe ich mir erst jetzt eine dieser neumodischen Twitter-Maschinen für nur noch zehntausend Euro zugelegt. Schließlich kommen neben der eigentlichen Maschine ja auch noch die Kosten für Zubehör auf einen zu, zum Beispiel die ganzen Hashtags. Ich hab mal gleich einen Zehnerpack gekauft.

Ich weiß auch nicht, ob es ein gutes Zeichen für Twitter ist, dass ich jetzt aufspringe. Meistens fährt der Zug dann nämlich schon allmählich ab. Das Gefühl hate ich zumindest, als ich mir letztes Jahr einen High-Tech-MiniDisc-Player zulegte. Und Ende November Bundespräsidentenaktien. Und vergangenen Dienstag anfing, Gottschalk zu mögen.

Eigentlich will ich ja nur sagen: Wer möchte, bitte gern folgen. Danke.


LaFontaine ist tot

Der Werbesprecher Don LaFontaine war selbst in den USA nicht sonderlich prominent, doch sein Tod war ein Thema für die Hauptnachrichten. Er war der Typ, der seit vierzig Jahren fast jeden Kinofilmtrailer gesprochen hatte, vor allem wenn es dramatisch klingen sollte. Meistens begannen seine Texte mit „In a world, where…“ Alle Sender beschäftigten ihn für die Bewerbungen ihrer Fernsehserien. Jeder kannte seine tiefe, raue Stimme.

Vor zwei Jahren nahm er sich selbst auf den Arm, als er in einem Werbespot für den Autoversicherer Geico ausnahmsweise mal sichtbar mitwirkte. Ein anderer Sprecher erklärte aus dem Off: „Paula Sala ist eine echte Geico-Kundin, keine Schauspielerin. Um ihr bei der Schilderung ihrer Geschichte zu helfen, haben wir also diesen Ansagertypen aus dem Kino engagiert.“

Lang lebe der König!

Nach neun Jahren und 207 Folgen ging im Mai in den USA der Sitcom-Klassiker King of Queens zu Ende, heute ist das zweiteilige Finale in Deutschland zu sehen. Das ist schon deshalb schade, weil wir danach nicht mehr so oft diesen tollen Song „When Did Your Heart Go Missing“ von Rooney in den Trailern hören werden.

Wie so oft zum Ende einer langlebigen Serie fahren die Autoren die ganz großen Fragen auf: Scheidung? Hochzeit? Baby? Auszug? Dabei gelingt es ihnen, den Mittelweg zwischen einem sentimentalen Abschied und dem Erhalt des gewohnten Tonfalls zu finden. Es ist der Serie angemessen, dass sie nicht mit Tränen der Rührung, sondern mit einem fetten Lacher endet, und ebenso, dass der endgültig letzte Satz der Serie Arthur gehört.

Eine ausführlichere Betrachtung zum Ende der Serie gibt’s hier.

King of Queens: „Das China-Syndrom“, heute um 21.15 Uhr bei Kabel 1.
Vorher um 20.15 Uhr der große Countdown zum Finale: Forever King of Queens.

Lang und breit

Bisher hielt ich immer Boston Legal für die Einzelsendung mit dem breitesten Themenspektrum innerhalb einer einzelnen Sendung, weil dort im einen Moment eine ernsthafte Diskussion über den Völkermord im Sudan geführt und im nächsten ein Witz über Penislängen gemacht werden kann. Aber erstens ist Boston Legal ja ohnehin derzeit nicht im Fernsehen, weil der Kochsender Vox hinter den vielen Töpfen keinen Sendeplatz mehr findet; und seit bei Schlag den Raab von Samstagabend bis Sonntagmorgen um drei Millionen Euro Mäxchen gespielt und Flummis gegen eine Wand geworfen wurden und zwischendurch Bilder erkannt und Quizfragen zum Bürgerkrieg in Sri Lanka beantwortet werden mussten, ist das zweitens sowieso obsolet.

Noch eine andere Sache muss man in Relation setzen: Wenn man bedenkt, dass es diesmal fast fünfeinhalb Stunden dauerte, bis entschieden war, das Raabs bisher höchster Jackpot geknackt würde und Raab das offenbar für ein ganz normales Ausmaß für eine einzelne Sendung hält, hat man eine ungefähre Vorstellung der Entscheidungswege bei der ARD, die Stefan Raab als zu lang und zu kompliziert bewertet.

Langweido

Ich weiß, ich weiß, vor fünf Tagen trompetete ich noch laut, das Privatleben von Prominenten interessiere mich nicht, und heute schaue ich mir Privado an, den neuen RTL-Sendeplatzfüller über Prominente und ihre Häuser. Wie passt das zusammen?

Das hat natürlich vor allem berufliche Gründe. Ich gebe aber zu, dass ich sehen wollte, wie Thomas D. heute lebt. Vor etwa zehn Jahren bin ich mal mit in seinem Wohnmobil gefahren, als er gerade seine Phase hatte, in der er darin wohnte. Wir telefonierten damals auch gelegentlich, weil ich ihn für SWF3 interviewte und er seine jüngsten Wohnmobil-Erlebnisse erzählte. Als er dann plötzlich der Meinung war, in Kürze Jenny Elvers zu heiraten und das ZDF für Leute heute krampfhaft versuchte, das Thema schnellstmöglich zu besetzen, kam ich als Interviewpartner ins Spiel. Ich erfand also ein paar Antworten und hörte dann abends bei der Ausstrahlung, wie ich als „guter Freund“ von Thomas D. angetextet wurde, der „ihn schon lange kennt“. Beides war zwar gelogen, erfüllte aber offenbar den Zweck, Sendezeit zu füllen. Noch ein Grund, warum ich auf Sendungen über Prominente nichts gebe.

Ich schweife ab.

Die Häuser seiner Eifel-Kommune sind zwar ganz nett anzusehen, und er gab sich große Mühe bei der Führung und hat das nett und lustig gemacht, dennoch wurde es langweilig, weil RTL es zu breit trat. Wenn ich jemanden zum ersten Mal besuche, dauert die Hausführung ja auch nicht länger als fünf bis zehn Minuten. Warum? Weil’s dann öde wird. Aha. Oh, ein Raum! Ach, und noch einer. Und was ist das hier? Ah ja, das ist also ein weiterer Raum. Toll.

Da die Porträts in Privado nicht nacheinander, sondern ineinander verschachtelt gezeigt werden, hatte ich leider keine andere Chance als auch zu erfahren, wie Sonja Zietlow und Uwe Fellensiek leben. Und wow, ist das spannend: Auch sie haben Küchen, Bäder, Wohnzimmer und Bilder an der Wand. Sensationell. Gut, es ist natürlich alles etwas größer als bei uns weniger Reichen zu Hause, aber wer einmal Einrichtungen der katholischen Kirche in Rom besucht hat, hält sowieso nichts mehr für prunkvoll, das nicht aus purem Gold besteht.

Wenigstens ein Lob sei RTL für die Auswahl der Privado-Titelmusik gezollt. Der Song ist zwar entsetzlich, aber die Titelzeile „This Is The World We Live In“ von Alcazar passt im Gegensatz zur normalerweise offenbar zugelosten Musikauswahl wenigstens mal zum Inhalt der Sendung.

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