Herdtrieb

Wann auch immer Sie Vox einschalten, dauert es nicht lange, bis gekocht wird. In dieser Hinsicht ist Vox eine Art SWR Fernsehen unter den Privaten. Würfe man alles Gekochte von Vox und dem SWR Fernsehen in ein riesiges Care-Paket, könnte man mehrere afrikanische Länder ernähren. Weil aber auch in Südamerika Menschen hungern, kommt heute eine neue Kochshow dazu. Born To Cook — Die Tim Mälzer Show verbindet das beliebte Kochelement mit dem beliebten Mitrateeffekt, wenn Kandidatenteams zwischendurch Fragen beantworten müssen. Also quasi Quark und Quiz.

Vorher beginnt bei Vox die letzte Staffel von Crossing Jordan — Pathologin mit Profil. Die Krimiserie Close To Home pausiert für den Rest des Sommers.

Die Kollegen von Kress formulieren es so: „Der Sender Vox strahlt ab Oktober 22 neue Folgen der Krimiserie Close to Home aus. Grund: Auf dem angestammten Sendeplatz am Freitagabend um 21.05 Uhr läuft ab sofort die Tim-Mälzer-Show Born to Cook.“, und halten das für eine logische Erklärung.

Herz-Zungen-Massage für Sonya Kraus

Erst habe ich gedacht: Boah, Sonya Kraus, die Sau, lässt sich auch von jedem Giraffenbullen die Zunge in den Mund schieben. Dann wurde aber schnell unübersehbar: Das ist für sie nicht nur ein sexuelles Abenteuer, ein billiger Flirt. Dieser Axel ist ihre große Liebe (4,20 Meter Scheitelhöhe). Mit Tränen in den Augen stand sie neben ihm in seinem Gehege, rang nach Fassung, schwärmte von seiner Zeichnung und davon, wie wunderbar das sei, seine Nähe zu spüren. Plötzlich schien es unbedeutend, dass er sich wieder nicht vorher die Stoppeln von der Oberlippe rasiert hatte — und der Gedanke war fern, dass das Tier vielleicht nur das eine von ihr wollte. Bananen.

Die Moderatorin hat ihren neuen Freund im Comedy Zoo getroffen, einer neuen siebenteiligen Doku-Reihe von ProSieben. Die Zoos sind allerdings gar keine „Comedy-Zoos“, sondern ganz normale (wie im Fall von Sonya und Axel der Allwetterzoo in Münster). „Comedy“ sind die prominenten Menschen, die dort einen Tag verbringen und beim Ausmisten, Kraulen, Schieben, Füttern und Im-Dreck-Waten helfen. „Comedy“ bedeutet, dass Dirk Bach sich keine drei Sekunden um die sympathischen, aber überraschend willigen Husumer Protestschweine kümmern kann, ohne dass der Sprecher aus dem Off einen Satz sagt, in dem einer der Begriffe „Schweinerei“, „Schweinsgalopp“ oder „saugeile Show“ vorkommt. „Comedy“ bedeutet, dass Matze Knop auf einem Kamel reiten darf, mit der Schiebkarre hinfällt und am Ende „lustig“ mit dem Kopf vorne aus dem Kaninchenstall herausguckt. Und „Comedy“ bedeutet, dass den Machern auffällt, dass so Paviane voll die Ähnlichkeit mit Paul Breitner haben. Höhö. Paul Breitner, der Pavian, da muss man erst mal drauf kommen!

Man sieht sie förmlich vor sich, die Produzenten, wie sie in der Redaktion zusammen gesessen haben, und einer sagte: „Das wird tierisch lustig, verstehst Du, gnihihi, tierisch lustig — tierisch! Und wir sind im Zoo! Zwischen den ganzen Tieren!“, und ein anderer erwiderte, als er endlich mit Lachen fertig war und sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte: „Oh Mann, und wenn unsere Prominenten sowas lustiges sagen, müssen wir das ganz oft und auch in Zeitlupe zeigen.“

Dabei zeigen die täglich 363 Tier-Doku-Soaps bei ARD und ZDF doch, wie leicht es ist, mit den niedlichen, hässlichen, ungestümen, trampeligen, zotteligen Wesen Programm zu machen, wenn man sie nur ein bisschen liebevoll in Szene setzt. Ein großes, unüberwindliches Wenn für den Comedy-Zoo.

Jedes Missgeschick, jeder Ritt auf dem Kamel, jeder „Überraschungs“-Besuch bei anderen Pflegern wurde zelebriert und angestrengt humorisiert. Nur zwischen Sonya Kraus und ihrem Alex mit seiner 50 Zentimeter langen Zunge und den großen Augen, da lief wirklich was. Eine Banane nach der anderen schob sie sich in den Mund, damit er sie beim Herausholen mit seinem weichen Schlabbermaul küsste.

„Mit Zunge!“

Aber es ist ja wahr: Wer weiß schon, ob das Zusammenleben funktionieren würde. Die Beziehung auf Distanz. Der Altersunterschied. Der Größenunterschied. Ihre Prominenz, seine Hörner. Und natürlich die Frage, ob so einer den Hals jemals voll kriegt. Am Ende hat sie sich dann doch wort-, tränen- und bananenreich von ihm verabschiedet.

Comedy Zoo, 7 Folgen, dienstags, 21.15 Uhr, Pro Sieben.

(Die ganze Folge kann man sich auf prosieben.de ansehen.)

Hesse sucht Frau

Manchmal fragt man sich ja schon, wie Atze Schröder im wirklichen Leben aussieht. Und ob Maddin Schneider tatsächlich so ein lahmer Depp ist. Komiker tun sich nicht zwingend einen Gefallen, sich selbst die Beschränkung einer einzigen eindimensionalen Rolle aufzuerlegen, die irgendwann erschöpft ist. Tom Gerhardt hat das eines Tages gemerkt. Maddin Schneider noch nicht. Vorausgesetzt, es ist wirklich eine Rolle.

Und so ist seine neue Comedyserie Maddin in Love über weite Strecken eine Qual. Als einer von mehreren Teilnehmern in Panelshows, als Dauergast in der Schillerstraße oder als sporadisch auftauchende Nebenrolle in Pastewka ist Maddin noch einigermaßen zu ertragen, als Hauptfigur seiner eigenen Serie, in der auch fast alle Nebenrollen Klischeefiguren sind, wird es allmählich schwierig.

Die Drehbücher sind vermutlich nur halb so dick wie bei anderen Serien, weil Maddin für jeden Satz so lange braucht.

Oliver Welke hat sie geschrieben, und es gelingt ihm trotz der Hindernisse, aus der an den Haaren herbeigezogenen Ausgangssituation eine einigermaßen stimmige, liebenswerte Geschichte zu machen: Maddin darf eine Millionenerbschaft nur dann antreten, wenn er innerhalb von vier Wochen die Frau fürs Leben findet und heiratet. Und das ist der Punkt, der tatsächlich nur funktioniert, wenn Maddin ist wie er ist: Wer um Himmels Willen würde den heiraten? Das macht es halbwegs interessant, und dazu kommt das alte Kriegen-sie-sich-oder-nicht-Spiel, das immer funktioniert, auch hier, bei dem der Zuschauer schon viel früher als die Beteiligten weiß, worauf es hinausläuft. Denn auch hier scheint festzustehen, dass Maddin am Ende seine Traumfrau in der Person finden wird, die schon die ganze Zeit an seiner Seite ist: Es ist eine gutherzige Freundin, die ihm bei der Partnersuche hilft, weil sie offenbar als Einzige seine positiven Eigenschaften zu schätzen weiß. Man wünscht ihnen schnell, dass sie sich kriegen – und dass sie uns später vielleicht mal erzählt, welche Eigenschaften das sind.

Maddin in Love, sonntags ab 19.15 Uhr in Sat.1 (jeweils zwei Folgen).

Heute hier, morgen dort

Was Thomas Gottschalk betrifft, ist sein Wechsel zu RTL gar nicht so abwegig. Wo soll er denn sonst hin? Wer will ihn denn noch? Und so kehrt er zu dem Sender zurück, bei dem vor zwanzig Jahren sein Scheitern mit begann, mit Gottschalk Late Night. – Dass zweieinhalb Millionen Zuschauer bei einer täglichen Late-Night-Show gar kein Scheitern bedeuteten, wusste man damals noch nicht. Das Format war in Deutschland ja neu, und man hatte keine Vergleichswerte. Deshalb ging man einfach davon aus, dass es sich um ein Scheitern handelte, weil man offenbar als Vergleich die Zahlen einer Samstagabendshow anlegte. Und zu dieser kehrte Gottschalk dann eben zurück.

Der erneute Wechsel zu RTL ist die konsequente Weiterführung der kontinuierlichen Selbstverleugnung Gottschalks, der bisher noch fast jede Sendeform und Idee des Privatfernsehens, die er zuvor lautstark in der „Bild“ und im ZDF kritisiert, angeprangert und durch den Dreck gezogen hatte, sich wenig später selbst aneignete. Dass er schlussendlich gleich beim Original mitmacht, ist der logische nächste Schritt.

Interessanter ist die Frage, was RTL dazu bewegt. Von dem Sender, der nach jungem Publikum lechzt, hätte ich momentan eher erwartet, dass er sich von Günther Jauch trennt, dessen junges Publikum seit Jahren langsam, aber stetig weniger wird, als dass er Gottschalk an Land zieht, der zuletzt gar kein junges Publikum mehr hatte. Noch einmal etwas Neues, wie damals mit der Late Night, wird RTL mit Gottschalk kaum ausprobieren. Erfahrungen aus mittlerweile zwanzig Jahren und jüngst konkreten fünf Monaten haben gezeigt, dass die Zuschauer Gottschalk in etwas Neuem schlicht nicht sehen wollen. Als Juror in einer etablierten Show wie Das Supertalent wird er zumindest kaum Schaden anrichten können. Doch es kann ja nicht der Sinn sein, einen prominenten und teuren Ex-Star an Land zu ziehen, damit man ihn dann dorthin setzt, wo er den geringsten Schaden anrichtet.

Andererseits: In dem Tempo, in dem Dieter Bohlen One-Hit-Wonder, ehemalige TV-Stars und  Kinder von Prominenten als Nebenfiguren in seinen Jurys verschleißt, war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis irgendwann auch mal Thomas Gottschalk für eine Staffel dort Platz nehmen würde.

Heute ja, aber wann?

Weil jede PR gute PR ist, hatten die Tagesthemen der ARD in den vergangenen Jahren jede Menge gute PR, während quälend lang darüber diskutiert wurde, wie schön es wäre, wenn diese Tagesthemen jeden Tag zur gleichen Zeit anfingen, statt mal so mal so.

Sieht so aus, als provoziere das ZDF eine ähnliche Art von PR, wenn es den seit 27 Jahren gelernten festen Startzeitpunkt für das heute-journal um 21.45 Uhr nach und nach immer mehr aufweicht.

Diese Woche sieht das so aus:

Montag: 22.30 Uhr. Um 21.45 Uhr kommt stattdessen der erste Teil der Claus-Kleber-Doku Machtfaktor Erde.

Dienstag: 21.30 Uhr. Ungefähr. Jedenfalls während der Halbzeitpause des Fußball-Länderspiels.

Mittwoch: 22.3o Uhr. Deutschlands fantastische Märchenshow mit Jörg Pilawa ist vorher nicht zu Ende.

Donnerstag: 22.45 Uhr. Der 20.15-Uhr-Fim ist diesmal durchaus um 21.45 Uhr vorbei. Dann kommt im Rahmen des Schwerpunkts „BURNOUT – Der erschöpfte Planet“ aber erst noch die Talkrunde von Maybrit Illner.

Freitag: 22.00 Uhr. Nach dem Freitagskrimi zeigt das ZDF ja schon seit geraumer Zeit noch ein zweiten Krimi.

Samstag: 22.45 Uhr. Und nach dem Samstagskrimi bis 21.45 Uhr kommt eben auch noch ein zweiter Krimi.

Sonntag: 21.45 Uhr Ach was! Ausgerechnet am Sonntag? Da hätte man aber wirklich nach Rosamunde Pilcher noch einen zweiten Rosamunde-Pilcher-Film zeigen können. Feiglinge.

Heute keine Nachrichten

Zu den merkwürdigsten Erfindungen im Fernsehen gehört die Doppelmoderation von Nachrichtensendungen. Kaum eine andere Aufgabe ist gleichzeitig so anspruchsvoll und erniedrigend wie die, einigermaßen intelligent zu wirken, während der Kollege neben einem eine Meldung vorliest. Bis heute ungelöst ist auch die Frage, wohin derjenige, der gerade nicht an der Reihe ist, guckt: Starr in die Kamera? Rüber zum Kollegen? Vor sich aufs Blatt? Und mit welchem Gesichtsausdruck: Aufmerksam? Abwesend? Neugierig? Wissend?

Jason Arber von der Londoner Filmfirma Wyld Stallyons konnte nicht aufhören, die schweigenden Sprecher während dieser Moderationen anzugucken, und hat ihnen ein kleines Video-Denkmal gesetzt: Er schnitt den Sprecher des Duos weg, ersetzte ihn durch einen Schweiger — und erreichte einen höchst beunruhigenden Effekt.

„The Day There Was No News“:

Der englische Komiker Adam Buxton hatte zuvor schon eine ganz ähnliche Idee.

„No News“:

[via idents.tv]

Heute, Witze, Welke

Seit vielen Jahren pilotieren immer wieder Sender und Produktionsfirmen deutsche Adaptionen der Daily Show with Jon Stewart mit unterschiedlicher Besetzung, doch bisher war keine davon so erfolgversprechend, dass sie auch nur auf Sendung gegangen wäre. Ausreden und Spekulationen verliefen immer in zwei Richtungen: Der Polit- und Medienzirkus sei in Deutschland schlicht ein anderer und eine solche ironische Polit- und Mediensatire deshalb hierzulande nicht umsetzbar, und es gebe keinen Moderator in Deutschland, der Jon Stewart auch nur ansatzweise das Wasser reichen könne. Alle zwei Jahre kündigt Harald Schmidt an, sich an Jon Stewart orientieren zu wollen, zuletzt für diesen Herbst.

Gestern aber kam ihm das ZDF zuvor und versuchte es mit der heute-show mit Oliver Welke, die zwar nicht mehrmals wöchentlich, aber immerhin einmal im Monat laufen soll. Dafür könnte der Stoff sogar in Deutschland reichen.

Was viele überraschen dürfte: Die Show war gut. Natürlich reichte sie nicht an die Daily Show heran, aber hey, es war erst die Premiere. Man merkte den meisten Beteiligten an, dass sie vom Original nicht nur schon mal gehört, sondern es sogar schon mal gesehen hatten, und vor allem Martin Sonneborn und Christian Ehring als „Reporter“ erinnerten sehr an das was die Amerikaner so gut machen.

In der ZDF-Mediathek ist zwar nicht die komplette Sendung verfügbar, dort sind aber mehrere Ausschnitte zu sehen, die durch die Bank besser sind als das, was dort vorab als Werbevideo gezeigt wurde. Die gesamte Show wird heute im ZDFinfokanal, morgen im ZDFdokukanal und am Samstag in 3sat wiederholt.

Und falls Sie sich in einem Monat noch daran erinnern, sollten Sie am 23. Juni wirklich mal in die nächste Folge hineinschauen.

Hexenbestattung

Eigentlich ist es ja egal. Und der Vorspann mit Bildern von San Francisco war sicher das Gehaltvollste, was Charmed – Zauberhafte Hexen zu bieten hatte. Aber irgendwie werde ich die drei Hexen vermissen, die nur mit schluchttiefen Dekolletés und einem Zettel mit gereimten Zaubersprüchen jedes Monster zum Explodieren bringen konnten.

Wenn es nach Beverly Hills, 90210 und Charmed nicht bald eine neue Serie gibt, aus der Shannen Doherty gefeuert werden kann, wird nach der heutigen letzten Folge eine Lücke im Fernsehen klaffen, die sogar die zwischen Tori Spellings Brüsten in den Schatten stellt.

Einige Stunden später, gegen Mitternacht, beerdigen wir außerdem Six Feet Under. Das war zwar streckenweise recht deprimierend und lief nur halb so lang wie Charmed, ist aber auch nur halb so egal. Zumal die Halliwell-Hexen in den Wiederholungshimmel kommen und wohl noch auf Jahre im Pro-Sieben-Nachmittagsprogramm Dämonen sprengen werden, nach der Verbannung der letzten Staffel ins Samstagnachtprogramm eine baldige Wiederholung von Six Feet Under aber unwahrscheinlich ist.

Auf Wiedersehen, Fishers! Hoffentlich macht Euch Federico für die letzte Ruhe besonders hübsch.

Hey, hey, Bully, hey, Bully, hey


Foto: Pro Sieben.

Immerhin wissen wir nun, dass die Antwort „Im Prinzip Ja“ lautet. Die Antwort auf die Frage, ob es möglich ist, eine Castingshow zu produzieren, die im Gegensatz zu Deutschland sucht den Superstar grundsätzlich menschenfreundlich ist, ohne so langweilig zu sein wie Gottschalks Musical Showstar 2008.

Bully sucht also Leute, die in seiner Verfilmung von Wickie und die starken Männer, die 2009 ins Kino kommen soll, Gorm, Urobe, Ulme, Faxe, Tjure und Snorre spielen. Was die Voraussetzungen sind, ist nicht ganz klar; irgendeine äußerliche Ähnlichkeit ist offenbar hilfreich, aber nicht notwendig, dasselbe gilt für schauspielerisches Talent. Gute Typen sind gesucht, und einige haben sich auch zum Vorsprechen beworben.

Da ist Alexander Mayer, ein junger Bayer, der in Tracht gekommen ist und in breitem Bayerisch spricht, aber behauptet, hochdeutsch nicht nur sprechen zu können, sondern gelegentlich sogar zu denken (was sich spontan aber nicht überprüfen lässt). Er ist sensationell sympathisch, halbfreiwillig komisch — nur der Gedanke, ihn als Schauspieler zu engagieren, drängt sich nachhaltig nicht auf. Es ist herzzerreißend, seine ungläubige Enttäuschung zu sehen, als er erfährt, dass es nichts wird mit der Rolle. Das ist besonders tragisch, denn Alexander sagt: „Bully, ich glaub, ich bin dein größter Fan.“ Andererseits ist er deshalb schon grenzenlos glücklich, Bully überhaupt getroffen haben zu dürfen. Ein Autogramm wünscht er sich noch. Bully will es ihm auf den Wikingerhelm schreiben, den Alexander mitgebracht hat und aufgeregt zwischen den Fingern dreht, bloß: „Des is aber ein Leihhelm…“ Es findet sich schließlich ein Poster, das er unterschrieben mitnehmen kann, und als Alexander auch von Jürgen Vogel ein Autogramm bekommt, sagt er dem Schauspieler noch, fast als wollte er ihn trösten: „Ich find dich auch klasse.“

Aus ganz Deutschland sind sie angereist für dieses Casting, aber es liegt eine angenehm entspannte Atmosphäre über dem Ganzen: dass es hier nicht darum geht, Deutschlands nächster Super-Wikinger zu werden oder sich ein Lebensziel zu erfüllen, für das man seit seiner Geburt Gesangstunden nimmt. Es ist eine unverhoffte Chance, ein wunderbarer Traum, nicht mehr und nicht weniger.

In kleinen Rollenspielen müssen sich die Kandidaten präsentieren, und dass die meisten von ihnen bessere Selbstdarsteller als Anderedarsteller sind, tut der Unterhaltsamkeit keinen Abbruch. Viele kleine Männer sind gekommen (manche scheinen sogar noch kleiner zu sein als Jürgen Vogel) und bewerben sich darum, als Snorre groß rauszukommen. Aber auch für langsame, tumbe, lange und alte Bewerber bietet das zu castende Wikinger-Ensemble ja Chancen. Außer Bully und Jürgen Vogel sitzt ihnen die Produzentin Rita Serra-Roll gegenüber, und gemeinsam zeigt die Jury nicht nur gelegentlich eine unerklärliche Großzügigkeit, was das Verteilen von Helmen angeht, die zur Teilnahme am „Recall“ berechtigen, sondern auch eine wunderbare Dankbarkeit für unbrauchbare, aber unterhaltsame Vorstellungen, die sie hier sehen. „Das war ’ne schöne Lebenszeit“, sagt Jürgen Vogel einmal.

Bully sucht die starken Männer wäre, mit anderen Worten, eine anständige, teilweise fast zarte Show geworden — wenn sie nur (höchstens!) halb so lang gewesen wäre und die Produzenten allein der Kraft dieser Casting-Auftritte vertraut hätten. Leider versucht ein nerviger Off-Sprecher, eine offenkundig nicht vorhandene Dramatik in die Szenen zu quatschen, und zwischendurch gibt es immer wieder Promotion-Szenen für den Film und Ausschnitte vom konventionell veranstalteten Kindercasting für die Hauptrolle des Wickie, die ebenso lang wie weilig sind. Am Ende bewirbt sich „überraschend“ noch Günther Kaufmann um die Rolle des Faxe, wird aber abgelehnt und ist schon halb zur Tür raus, als ihm Bully plötzlich in Zeitlupe verspricht, stattdessen aber die Rolle des schrecklichen Sven spielen zu dürfen.

Das hätt’s wirklich nicht gebraucht.

Hi! Raten Sie mal…


Fotos: ZDF

Was haben wir Linda de Mol vermisst! Verzeihung – falsche Interpunktion. Was? Haben wir Linda de Mol vermisst? Nun, jetzt ist sie wieder da, und mit ihr die alte RTL-Show Traumhochzeit, diesmal als „der romantischste Event des Jahres“ im ZDF. Nach dem Schloss am Wörthersee, Johannes B. Kerner, Jörg Pilawa und dem Bergdoktor ist die Traumhochzeit die nächste Schöpfung des Privatfernsehens, die ins öffentlich-rechtliche Fernsehen gewandert ist, nächstes Jahr folgt noch Kommissar Rex — solange die Privaten heute weiter Programm produzieren, ist der Fortbestand von ARD und ZDF also auch in 15 Jahren noch gesichert.

Ist es sinnvoll, den Ablauf einer Sendung zu protokollieren, die jahrelang zu Recht ein Sensationserfolg war und allgemein bekannt sein dürfte? Man kann’s ja mal versuchen. Ein paar Gehässigkeiten und flache Witze kommen vielleicht dabei heraus.

20.15 Uhr: Die Traumhochzeit wird heute erstmals im 16:9-Format ausgestrahlt. Damit hätte man rechnen können. Nach so vielen Ehejahren gehen viele Verheiratete in die Breite.

20.18 Uhr: Als erstes Paar treten zwei Heiratswillige über 40 auf. Vermutlich, damit sich die ZDF-Zuschauer nur an die Hochzeit ihrer Kinder erinnert fühlen und nicht gleich an die ihrer Enkel.

20.45 Uhr: Nach den drei originellen Heiratsanträgen mit versteckter Kamera geht es im ersten Spiel darum, sich möglichst lang in einem Rodeo-Ehebett festzuhalten. Linda de Mol macht den nahe liegenden schlüpfrigen Witz über die Hochzeitsnacht und liest dann allen Ernstes einfache Rechenaufgaben vor, um die Rüttelbettaufgabe zu erschweren.

20.53 Uhr: Zum Grundkonzept gehört es jetzt, dass nach jeder Spielrunde das Siegerpaar eins von drei Hochzeitsgeschenken aussuchen muss. Dabei geht es darum, richtig den Wert einzuschätzen und das preisgünstigste auszuwählen, denn am Ende kommt das Paar ins Finale, das die bescheidensten Geschenke angesammelt hat. Welch eine Verschwendung. Der Preis ist heiß hätte man doch als eigene Show ins ZDF holen können.

20.56 Uhr: Auftritt Johann Lafer und Horst Lichter. Auch damit hätte man nach dem Wechsel ins ZDF rechnen müssen. Die treten ja in jeder ZDF-Sendung auf. Bald moderieren sie bestimmt auch das heute-journal. Ich frage mich, ob es später eine Rückkehr des Traumhochzeit-Standesbeamtenoriginals Willy Weber geben wird oder ob mit Horst Lichter die Zwirbelbarthöchstgrenze bereits erreicht ist.

21.05 Uhr: Die Paare kochen um die Wette, und Lafer und Lichter essen test. Welch eine Verschwendung. Die Kocharena hätte man doch in 15 Jahren als eigene Show ins ZDF holen können.

21.22 Uhr: Die potenziellen Bräute haben vor der Show die Namen von 25 Paaren, ihre Hochzeitsdaten, die Orte der Trauung und die Anzahl und ggf. Namen der Kinder auswendig gelernt und sollen das alles nun im Angesicht der Bräute aufsagen. Und sie können das auch noch! Ich bin beeindruckt und halte es für einen Trick, denn ich konnte mir über viele Jahre nicht mal merken, was meine eigene Freundin beruflich macht.

21.30 Uhr: Das Spiel war tatsächlich spannend. Und das nächste ist es auch: Die Champagnerpyramide. Gläser rausziehen bis zum Einsturz.

21.40 Uhr: Einsturz.

21.49 Uhr: Die Show hängt jetzt ein bisschen in der Luft. Halt: Die Kandidaten tun es: Drei Paare hängen in luftiger Höhe an Seilen und halten sich aneinander fest. Wer am längsten festhält, gewinnt.

21.53 Uhr: Die Gewinnerin heult. Wann folgt Linda?

22.05 Uhr: Das Paar, das vom letzten Spiel noch orange Overalls trägt, hat die billigsten Preise angesammelt und darf deshalb gleich heiraten. Wäre es nicht lustig, wenn sie sich dafür nicht mehr umziehen dürften und aussähen wie von der Müllabfuhr?

22.09 Uhr: Schade. Er trägt einen Anzug. Dann würde ich jetzt viel Geld darauf verwetten, dass sie ein Brautkleid trägt.

22.10 Uhr: Eben.

22.12 Uhr: Das ist nicht Willy Weber. Aber wenigstens hat er einen Schnauzbart.

22.18 Uhr: Linda hat vergessen zu heulen, verabschiedet sich aber wenigstens wie gewohnt mit „Dag!“

So. Ich bilanziere mal nüchtern (haha, Riesengag): Ganz ehrlich, das war schon schön. Die Traumhochzeit ist eine Show aus der Zeit, als die große Abendshow noch nicht als tot galt, und sie lebt auch heute noch. Die Neuauflage hatte ein paar Längen, erfüllte aber insgesamt die Anforderungen an ein unterhaltsames Abendprogramm, zog mich sogar ein paar Mal vom Kühlschrank zum Fernseher zurück, weil die Spiele spannend wurden.

Und wer das anders sieht, sollte der Traumhochzeit zumindest zugute halten, dass ihretwegen heute kein Rosamunde-Pilcher-Film kam.

Quoten-Update 12. Mai:
Überraschende Zuschauerzahlen: Nicht einmal drei Milllionen sahen insgesamt zu, was dafür spräche, dass es bei einer einmaligen Neuauflage bleiben könnte. Bei den Menschen unter 50 lag die Traumhochzeit allerdings gut zwei Prozentpunkte oder rund 30 Prozent über dem ZDF-Senderschnitt.

Blättern:  1 ... 62 63 64 65 66 ... 149


Das Buch

die Autoren

Weitere Bücher

New York für Fern-SeherDie kleine House-Apotheke

Links