Glas halb leer

Als Der Bergdoktor noch in Sat.1 lief, teilte er sich dort den Sendeplatz mit Uschi Glas, die eine Geschäftsfrau spielte, die einen Familienbetrieb führte und als Anna Maria ihren Weg ging. Jetzt ist die aktuelle Staffel des neuen Bergdoktors im ZDF gerade zu Ende gegangen, und nun raten Sie mal, wer kommt… Richtig: Uschi Glas als Geschäftsfrau, die einen Familienbetrieb führt. Der hat jetzt nichts mehr mit Kies zu tun, sondern mit Bier, das schmeckt ja auch viel besser, und Anna Maria heißt jetzt Lena. Die Serie heißt dafür noch so ähnlich wie der Film, mit dem sie vor hundert Jahren berühmt wurde: Zur Sache, Lena! statt Zur Sache, Schätzchen.


Foto: ZDF

Und sie geht so: Lena, „57″, kann nicht zum Geburtstag ihres Vaters und ist deshalb deprimiert. Dann wird sie gefeuert und ist deprimiert. Ihr Mann, der sie hätte trösten können, ist tot, was sie deprimiert. Den erhofften neuen Job bekommt sie nicht, deshalb ist sie deprimiert. Schließlich stirbt auch noch ihr Vater. Wer wäre da nicht deprimiert? Deshalb muss sie zusammen mit ihrem Bruder fortan die Familienbrauerei führen, aber da ist die erste Folge auch schon zu Ende.

Klar, eigentlich ist jetzt erst die Ausgangssituation etabliert, und die Serie fängt an dieser Stelle erst richtig an, aber nach so viel Weltschmerz und schlechter Stimmung in 45 Minuten wüsste ich nicht, warum ich mir das noch ein weiteres Mal antun sollte. Um darauf zu warten, dass Uschi Glas eines Tages doch noch eine gute Schauspielerin wird? Unwahrscheinlich. Oder dass die uralten Autoren 20-jährigen Töchtern endlich andere Sätze in den Mund legen als „Relax, Mama, keep cool und get lässig“? Auch nicht wahrscheinlicher.

Beim ZDF-Sowiesopublikum, das glaubt, junge Menschen sprächen so und Uschi Glas sei ein Star, wird das altbackene Trauerspiel zumindest zum Start vermutlich trotzdem ein Erfolg werden.

Zur Sache, Lena!, donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF.

Glaube versetzt Steine

  1. „Faith“
  2. „Freedom“
  3. „Father Figure“
  4. „Wake Me Up Before You Go Go“
  5. „One More Try“

Fällt Ihnen bei dieser Liste etwas auf, zum Beispiel, dass dies alles Titel von George-Michael-Songs sind? Dann sind Sie schon gewitzter als derjenige, der sich um die deutschen Episodentitel der skurrilen Anwaltsserie Eli Stone kümmern sollte. Dies sind nämlich auch die Titel der ersten fünf Episoden von Eli Stone. Allerdings nicht in Deutschland. Hier heißen sie:

  1. „Ruf des Propheten“
  2. „Doppeldecker“
  3. „Die Verlobungsparty
  4. „Mr. Koma“
  5. „Noch ein Versuch“

Schon schade, dass der Gag in der deutschen Fassung verloren geht, obwohl es doch sonst heute so wenig Berührungsängste mit Originaltiteln gibt (Grey’s Anatomy, Desperate Housewives, Two And A Half Men, Cold Case, Without A Trace usw.)


Foto: ProSieben

Zumal ProSieben sogar damit wirbt, dass George Michael in der neuen Serie eine Hauptrolle spiele. Das ist zwar ohnehin nicht wahr, er hat lediglich Gastauftritte in einzelnen Episoden, aber seine Musik spielt eine große Rolle: Sie verfolgt den Helden Eli Stone, der an einem Gehirnaneurysma leidet, wodurch er sich immer wieder Dinge einbildet, die gar nicht da sind. Zum Beispiel George Michael. Oder einen Knabenchor, der George-Michael-Lieder singt. Diese Vorstellungen plagen ihn so lange, bis er in seiner Funktion als Anwalt für die kleinen Leute kämpft und sich damit gegen die Interessen der riesigen, mächtigen Kanzlei auflehnt, für die er arbeitet, und gegen die ihrer mächtigen Mandanten. Er ist nämlich ein Prophet. Sagt sein Kumpel. Und der muss es wissen, denn er ist ein Scharlatan. Er arbeitet als Akupunkteur, und sein wichtigstes Dienstutensil ist sein aufgesetzter chinesischer Akzent.


Foto: ProSieben

Serienerfinder Greg Berlanti, der auch die idyllische Familienserie Everwood schuf, bereichert das Fernsehen ein weiteres Mal: Eli Stone verbindet all das Pathos, das man aus anderen Anwaltsserien wie Boston Legal und L.A. Law kennt, mit all der Komik, die man aus einem inoperablen Hirnschaden schöpfen kann, ohne dabei platt, albern oder peinlich zu werden. Die Serie ist liebevoll, originell, kurzweilig, witzig, nachdenklich und hiermit wärmstens empfohlen.

Eli Stone, mittwochs um 20.15 Uhr auf ProSieben (zum Start zwei Folgen hintereinander).

Gleich und gleich verzählt sich gern

Die nachfolgende Presseschau zeigt, wie unterschiedlich die Sender RTL und Sat.1 wahrgenommen werden, und mit welch verschiedenen Maßstäben sie leben müssen.

Die Mediendienste, die für ihre Quotenberichterstattung die von den Privatsendern festgelegte Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauer bevorzugen, schreiben zum Start der neuen Infoservicedokusoaptainmentformate Die Abzocker — Das sind ihre Tricks! (Sat.1) und Der Arbeitsbeschaffer (RTL), die gestern gleichzeitig um 21.15 Uhr liefen, Folgendes.

Kress:

Eine seltene Erfolgsmeldung für Sat.1: Das neue Servicemagazin „Die Abzocker – Das sind ihre Tricks!“ startete am Mittwochabend mit recht guten 13,4%. Keine gute Premiere gab es hingegen für RTLs „Arbeitsbeschaffer“.

DWDL:

RTL: Arbeitsbeschaffer scheitert kläglich. Endlich ein Erfolg: Sat.1-Abzocker starten gut.

Quotenmeter:

Aufatmen bei Sat.1: «Clever!» und die neue Dokusoap «Die Abzocker» legten einen guten Start hin. Die Kollegen von RTL können dagegen nur teilweise zufrieden sein.

Und das sind die exakten Zahlen der mediendienstrelevanten Zielgruppe, um die es geht:

Der RTL-Arbeitsbeschaffer:
1,79 Millionen Zuschauer, Marktanteil: 13,4 Prozent.

Die Sat.1-Abzocker:
1,79 Millionen Zuschauer, Marktanteil: 13,4 Prozent.

Gockelgehabe

Eigentlich wollte ich darüber schreiben, dass die neue Sat.1-Serie GSG 9 es sich, wie auch das gestern gestartete US-Pendant The Unit, etwas zu leicht mit ihren konstruierten Fällen macht. Worum genau es geht, spielt oft nur beiläufig eine Rolle, solange es vordergründig ordentlich rummst. Oder darüber, dass die Terroristen, die die GSG 9 bekämpft, Abziehbilder aus dem 24-Sammelalbum sind und damit von der deutschen Lebenswirklichkeit vielleicht ein Stück zu weit entfernt. Aber dass diese GSG 9 schon eine dolle Truppe sein muss, wenn sie in nur einer Dreiviertelstunde einen Schwerverbrecher ausschaltet, der die ganze Welt mit Pockenviren infizieren wollte, für den Jack Bauer einen ganzen Tag lang durch Los Angeles gefahren wäre. Über die gewisse Ähnlichkeit des Hauptdarstellers Marc Ben Puch mit Moritz Bleibtreu wollte ich schreiben, über hölzernes Schauspiel, ausgelutschte Klischees, den viel zu pathetischen gesprochenen Vorspann („Ihr Glaube an das Gute macht stark. Ihr Mut macht sie zu Helden…“). Ich hätte verwundert festgestellt, dass man im GSG-9-Lagezentrum noch rauchen darf und die Gruppe „Amerikanerinnen“ in der ersten Folge so auffallend schlechtes Englisch spricht. Und schließlich, dass die Serie trotz allem stellenweise sehr spannend ist.

Doch dann traten all diese Beobachtungen in den Schatten durch die scheinende Allgegenwart von Hans-Hermann Gockel! Jawohl, Hans-Hermann Gockel feiert heute ein furioses Comeback in Sat.1. Herr Gockel, ein ebenso sympathischer wie steifer Allesmoderator, war dort vor Jahren schon einmal omnipräsent und verkörperte zugleich Kompetenz und unfreiwillige Komik, indem er die Nachrichten moderierte – UND eine Gameshow! Na ja, und dann heißt er eben auch noch Gockel. Seit 2004 ist er nur noch für N24 tätig.

Jetzt sehen wir ihn wieder als Nachrichtensprecher in einer Sat.1-Sendung. Er vermeldet die aktuellen Entwicklungen der vordergründigen Ereignisse in den fiktiven Nachrichtensendungen auf den Fernsehgeräten im Hintergrund, die die Charaktere eingeschaltet haben. Alle. Immer. Überall. Auch im Ausland. GSG 9 und Terroristen. Passanten vor Schaufenstern. Alle sehen sich die gleichen Nachrichten mit dem gleichen Moderator an, der offenbar rund um die Uhr ununterbrochen auf Sendungen ist. Egal, was passiert, im Hintergrund läuft permanent ein Fernseher mit Hans-Hermann Gockel! Wie, bitteschön, soll ich mich da noch auf die Explosionen konzentrieren, wenn dauernd Hans-Hermann Gockel auftritt? Ich mag ihn. Schön, ihn mal wieder zu sehen.

Das betrifft allerdings nur die ersten zwei Folgen. Danach war er wahrscheinlich müde. Oder er musste wieder echte Nachrichten vermelden, sofern man bei N24 davon sprechen kann. Ab Folge 3 begegnet uns mit der gleichen Allgegenwart Thomas Kausch.

GSG 9, heute um 20.15 Uhr, dann immer mittwochs um 21.15 Uhr in Sat.1.

Gordon Bleu

RTL2 bringt ab heute auch den zweitberühmtesten britischen Koch ins deutsche Fernsehen. Außer Jamie Oliver kocht ab heute auch Gordon Ramsay bei RTL2, und meistens vor Wut. Man könnte recht einfach erklären, um welche Sendung es sich bei In Teufels Küche mit Gordon Ramsay handelt, aber ich versuche es lieber umständlich: Gordon Ramsay wurde in seiner Heimat unter anderem durch den Kochwettbewerb Hell’s Kitchen bekannt, was auf Deutsch etwa so viel heißt wie „Teufels Küche“. Die ist es nicht.

Ramsay bereitete aber auch Ramsay’s Kitchen Nightmares, worin Ramsey den Betreibern von schlecht gehenden Restaurants lautstark den Kopf wäscht, die Kaschemmen rigoros auf Vordermann bringt und dabei an dem Versuch scheitert, den Blutdruck aller Beteiligten unter Kontrolle zu halten. In Deutschland wurde das Konzept als Rach, der Restauranttester adaptiert. Das ist sie auch nicht.

Und dann gibt es noch eine amerikanische Adaption seiner britischen Show, ebenfalls mit Ramsay selbst, die im Original einfach Kitchen Nightmares heißt und erst eine Woche nach der deutschen Variante an den Start ging. Die ist es!

Und mit dem Sendeplatz stopft RTL2 auch endlich die Kochlücke zwischen Mittagessen und Abendessen.

In Teufels Küche mit Gordon Ramsay, sonntags um 15 Uhr bei RTL2.

Gottschalk aus

Ich unterbreche die Stille hier nur ungern, aber Thomas Gottschalks Vorabendshow Gottschalk live wird abgesetzt und endet am 7. Juni. Das haben die Intendaten entschieden, teilte die ARD eben mit.

Da die Erklärungen für das Ende der Show hier ja schon seit Monaten standen, ist ein ausführlicher Nachruf wohl nicht mehr nötig.

Gottschalk beherrscht sein Feld

Dass Thomas Gottschalk es wie kein Zweiter beherrscht, die besten Komiker auf seiner Couch zu begrüßen, ohne ihnen auch nur den Hauch einer Chance zu geben, etwas Lustiges zu sagen, ist bekannt. Sein heutiges Opfer war Jerry Seinfeld, der sich nun wahrscheinlich auch nicht mehr darüber wundert, warum seine Sitcom in Deutschland kein Erfolg war, wenn es Wetten, dass…? ist, was in Deutschland als gute Unterhaltung gilt.

Seinfeld und Renée Zellweger ließen sich von Gottschalk begrabschen, um ihren gemeinsamen Trickfilm „Bee Movie“ zu bewerben. In diesem Zusammenhang muss auch die außergewöhnliche Leistung derer, die die Filmausschnitte auswählen, anerkannt werden. Ich habe „Bee Movie“ gesehen, und einen Ausschnitt zu finden, der keine einzige Pointe enthält, muss viel Mühe gekostet haben.

Und damit gebe ich weiter an Jochen, der im Gegensatz zu mir sogar die ganze Sendung gesehen hat, was mir sehr leid tut.
 

KÖCHE, KÜHE UND GARY BOCKHEIMER
Ein Wetten, dass…?-Gedächtnisprotokoll

Als Thomas Gottschalk die zweite Wette ankündigte, dachte ich schon, jetzt wäre ich bei Switch gelandet. „Bauer Achim wettet, dass er seine Kühe am Geräusch erkennen kann, das sie machen, wenn sie einen Apfel essen…“ Diese Wette, und vor allem der schwäbische Bauer Achim, der den Apfel mit dem Lockruf „Muuuuuuuuuuuuki!“ den Kühen vor die Mäuler hielt, war allerdings das sympathische Highlight der Show.

Sonst alles wie immer, nur irgendwie noch schlimmer. Gottschalk legte seine Hände auf diverse Damenknie, Renée Zellweger schob Gottschalks Hand von ihrem Arm, als er sie fummelnd nach draußen geleiten wollte, und Gottschalk faselte sich im Gespräch mit Zellweger und Jerry Seinfeld derart fest, dass er sein Heil in einem seiner Spickzettel suchte, die Frage zwar vorlas, aber sofort wieder verwarf, um daraufhin etwas irgendetwas völlig Egales zu fragen.

Schlimmer als Gottschalk war diesmal nur der kölsche Comedykoch aus Lafer, Lichter, lecker! und Kerners freitäglichen Kochshows, der glücklicherweise nur verbal fummeln konnte, da ihn Gottschalk in einem seltenen Anflug von Intuition ganz an den Rand der Couch platziert hatte.

Der Koch trägt übrigens einen lustigen gezwirbelten Schnauzbart und war als solcher sofort als Comedy zu erkennen. Genauso wie Gast Piet Klocke (lustige Haarfarbe, Brille) oder eben Gottschalk (lustiges Haarteil Gottschalk eben). Bezeichnenderweise war ausgerechnet der kölsche Koch der einzige Mensch in der gesamten Grazer Stadthalle, der über den Piet-Klocke-Auftritt lachte. Wirklich lustige Menschen sehen übrigens meist ganz normal aus, wie beispielsweise Jerry Seinfeld oder Bastian Pastewka.

Und zum Schluss noch die Bonmonts der Show:

Gottschalk über Piet Klocke:

„Ich habe mir vorgenommen, pro Sendung einen Intellektuellen einzuladen, dieser hier reicht für zwei.“

Gottschalks befragt einen Golfspieler:

Gottschalk: „Hast Du ein Handicap?“
Kandidat: „Ja, 23,5.“
(Peinliche Pause)
Gottchalk: „Whatever…“
(Noch peinlichere Pause, gefolgt von einem noch viel peinlicherem Gespräch über eventuelle Freundinnen des 14 JAHRE ALTEN Kandidaten!)

Gottschalk über Jerry Seinfelds „Bee Movie“:

„Ein Film für Menschen die Tiere mögen –  die Pflanzen mögen…“

Die Wette mit den ausgeblasenen Kerzen:

Gottschalk: „Wenn von 14 Kerzen noch acht brennen, hat er sieben ausgelöscht.“
Aus dem Off Nora Tschirner: „WAS?????“

Bei all dem fällt der Simultanübersetzer kaum noch ins Gewicht, der den Namen des Mega-Killer-Blockbuster-Produzenten Jerry Bruckheimer wohl noch nie gehört hatte. Nur so lässt sich erklären, warum sich Nicolas Cage bei Gary Bockheimer bedankte.

Gottschalk große Klasse

Gerade gucke ich auf die Überschrift da oben und bin irritiert. Habe ich das geschrieben? Entweder werde ich allmählich wahlweise altersmilde oder senil oder beides, oder Back To School – Gottschalks großes Klassentreffen ist wirklich eine tolle neue Sendung.

Eigentlich ging ich ja davon aus, dass Sie alle meine Empfehlung Suits auf Vox anschauen und deshalb niemand die neue große Abendshow mit Thomas Gottschalk sieht. Deshalb wollte ich schnell beruhigen, dass Sie nichts verpasst hätten. Aber das wäre gelogen. Es war die beste ZDF-Sendung seit langer Zeit. … Moment… Es war gar keine ZDF-Sendung? RTL? Ach was. Dann kam ich wohl durcheinander, weil mehr als eine Stunde der Sendung komplett werbefrei war. Okay. Dann eben die beste neue RTL-Sendung seit sehr langer Zeit, und auch die un-RTLigste.


Foto: RTL/Max Kohr

Es fing zwar genauso lieblos an wie fast alle aktuellen Showformate. Mit dem Song „Counting Stars“ von der Band OneRepublic. Das Stück ist der Titelsong, weil… ja, warum? Wahrscheinlich lag es gerade auf einer semi-aktuellen „Bravo Hits“ rum und wurde es deshalb. Denn Lieder, die irgendwie mit Schule zu tun haben, sind ja leider nie geschrieben worden.

Aber danach konnte ich wirklich nicht mehr meckern. Denn sobald Thomas Gottschalk durch einen mit blauen Neonleuchten begrellten Wetten-dass-Gedächtnisgang die Bühne betreten hatte, war Back To School eine kurzweilige, spaßige Show, bei der sich die gute Laune der Teilnehmer mühelos auf die Zuschauer übertrug.

Das hängt zum kleinen Teil damit zusammen, dass Gottschalk in dieser Sendung machen darf, was er am besten kann: von früher reden. In diesem Fall mit zwei Prominenten, heute Matthias Schweighöfer und Tom Beck, die in Erinnerungen an ihre Schulzeit schwelgen und in verschiedenen Spielrunden gegeneinander antreten, meistens unterstützt von wechselnden früheren Mitschülern aus der damaligen Klasse. Zum großen Teil liegt es aber auch an eben diesen Spielen, die abwechslungsreich und kurzweilig sind, und vor allem in den meisten Fällen das Mitraten vor dem Fernseher ermöglichen, wenn z.B. im Lückentext-Karaoke Songs mitgesungen und dabei fehlende Begriff ergänzt werden müssen. (Fach: Musik.) Alles Songs aus der Schulzeit der Prominenten. Oder in Nachrichtenmeldungen ein versteckter Fehler gefunden werden muss. (Fach: Geschichte.) Auch hier: Meldungen aus der Schulzeit der Prominenten. Einer dieser Fehler war, dass Viagra als „rote Pille“ bezeichnet wurde. Eine frühere Schulkameradin erkannte korrekt, dass Viagra-Pillen in Wirklichkeit blau sind. „Ich hab‘ sie zwar noch nie gesehen“, sagte sie, und Gottschalk reagierte sofort: „Keiner hat sie je gesehen.“ In solchen Momenten war er schon immer stark.

Merkwürdig war nur, dass diese Meldungen zwar von einer echten RTL-Nachrichtensprecherin verlesen wurden (Annett Möller), als Schriftzug im Hintergrund aber groß „Newstime“ zu lesen war. Newstime heißen die Nachrichten auf ProSieben. Die hat allerdings auch keiner je gesehen, woher also hätten die RTL-Redakteure das wissen sollen.

Am Ende siegte nach Punkten Matthias Schweighöfer, eigentlicher Gewinner war aber Tom Beck, denn beide Stars wurden mit einer Person aus ihrer Vergangenheit überrascht: Bei Beck war es die Baywatch-Darstellerin Erika Eleniak, die er noch nie persönlich getroffen, aber als Jugendlicher auf einem Poster im Zimmer hängen hatte. Er war ein großer Fan und freute sich heute so sehr, als habe er das Poster noch immer an der Wand. Bei Schweighöfer war es eine frühere Lehrerin.

Zur sehr gelungenen Premiere trug auch bei, dass Gottschalk sich selbst angenehm zurückhielt und sein Lieblingsthema, also Thomas Gottschalk, nur ein paar Mal am Rande streifte. Sonst überließ er das Feld seinen aufgedrehten Gästen. Man muss allerdings einräumen, dass die Sendung nicht live war. Womöglich war Gottschalk auch so ich-bezogen wie immer, aber es wurde alles rausgeschnitten. Dann hätten wir jetzt das Rezept für eine gute Gottschalk-Show gefunden. Und dann sind die 90er-Jahre, in denen Schweighöfer und Beck zur Schule gingen, natürlich auch nicht ganz Gottschalks Zeit, denn er war damals schon alt. Wenn beim nächsten Mal Heiner Lauterbach gegen Uwe Ochsenknecht antritt und als Gäste Veronica Ferres und Foreigner dabei sind, kann Gottschalk wieder wesentlich besser mitreden.

Gottschalk sprach, und das Volk hörte

Die Menschen in Deutschland hören noch immer auf Thomas Gottschalk. Um auf den Start der neuen Staffel von Wetten, dass…? aufmerksam zu machen, erklärte Gottschalk vorab werbewirksam in „Bild“, dass es wahrscheinlich mehr Kinder gäbe, wenn die Menschen weniger fernsähen. Und siehe da: Etwa eine Million bisherige Zuschauer ließen sich offenbar überzeugen und schalteten diesmal nicht mehr ein. Dann sind die Deutschen also vielleicht doch noch zu retten.

Gottschalks „Rücktritt“ – Die Woche danach

Was bisher geschah: Thomas Gottschalk erklärte am vergangenen Samstag seinen Abschied von Wetten, dass…?  nach der Sommerausgabe auf Mallorca.

Was seitdem geschah: Zuallererst wurde bekannt, dass Gottschalk nach seinem Abschied die Sendung noch ein halbes Jahr weiter moderieren werde. Nach der Sommerausgabe am 18. Juni folgen nämlich noch drei „Best of“-Sendungen, in denen aber auch neue Wetten und neue Gäste vorkommen sollen. Oder wie ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut es ausdrückte: „Das ist dann Wetten, dass…?, wie wir es kennen, aber aufgewertet durch Erinnerungsstücke“. Mehr als drei Ausgaben von Wetten, dass…? gab es zwischen der Sommerausgabe und dem Jahresende auch bisher nicht, insofern moderiert Gottschak seine letzte Sendung nach jetziger Planung erst am 3. Dezember.

Danach soll es ein halbes Jahr Pause geben, damit am Konzept gefeilt werden kann. Warum ein halbes Jahr Pause nötig ist, wenn ab jetzt bis zum Neuanfang de facto fast ein ganzes Jahr Zeit bleibt, ist mir nicht ganz klar. Wahrscheinlich dauert es einfach so lange, bis alle Gummibärchenreste aus den Couchritzen entfernt sind.

Die Debatte, wer Nachfolger wird, läuft nun seit einer Woche, mit Hape Kerkeling als eindeutigem Gewinner in allen Umfragen und wenig Liebe für Jörg Pilawa. Der wird es aber vermutlich werden. Verschiedene Medien haben über eine Vereinbarung zwischen Pilawa und dem ZDF berichtet, die im Rahmen von Pilawas Wechsel von der ARD zum ZDF getroffen worden sein soll. Demnach habe Pilawa in dem Fall, dass die Moderatorenstelle bei Wetten, dass…? frei wird, ein Erstzugriffsrecht, und erst wenn er ablehne, dürfe das ZDF mit anderen Moderatoren verhandeln.

Ich halte diese Berichte für plausibel und glaubwürdig. Jörg Pilawa ist ein fantastischer Geschäftsmann. Das kann gar nicht anders sein. Wer so durchschnittlich talentiert, aber gleichzeitig so omnipräsent ist wie Pilawa, der muss ein verdammt geschickter Geschäftsmann und Verhandler sein. Und mit dem Trumpf in der Hand, über Jahre der einzige erfolgreichste Abendmoderator der ARD gewesen zu sein, sollte es ihm ein Leichtes gewesen sein, dem ZDF diese Zusage abzunehmen. Das ZDF wiederum hat diese Zusage im Ringen um Pilawa wohl leichtfertig gegeben, nicht damit rechnend, der Fall könne tatsächlich in absehbarer Zeit eintreten. Immerhin hatte Thomas Gottschalk seit zwanzig Jahren mit keiner anderen regelmäßigen Sendung jemals nennenswerten Erfolg, warum sollte er also ausgerechnet mit Wetten, dass…? aufhören?

Und vielleicht tut er es ja auch gar nicht. Bei Maybrit Illner sagte er gestern: „Wir werden sehen, was mein Nachfolger aus dieser Sendung macht und ob’s funktioniert. Wer auch immer mir nachfolgt, stellt das Ding wieder auf Null und zeigt mal, wie gut es geht — und wenn es nicht geht: Ich bin ja nicht aus der Welt.“

Das ist die Arroganz, die ich vergangene Woche meinte. Damit sagt er im Prinzip: So gut wie ich ist ja doch keiner, und notfalls komme ich und rette die Show.

Das erinnert sehr an den Fall Jay Leno, der vor zwei Jahren in den USA die legendäre Tonight Show nach 17 Jahren an Conan O’Brien abgab, um sie sich ein knappes Jahr später zurückzuholen. Noch mehr aber erinnert es an den Fall Thomas Gottschalk, der Wetten, dass…? vor 19 Jahren an Wolfgang Lippert übergab, der immerhin neun Ausgaben moderieren durfte, bis Gottschalk plötzlich wieder Lust hatte und beim Comeback seinen Nachfolger und Vorgänger mit keinem Wort erwähnte — als habe es ihn nie gegeben.

Die Ära Gottschalk ist also vielleicht doch noch nicht vorbei.

David Letterman sagte im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Leno, wenn man sage, man gehe, dann solle man auch gehen. „Man sagt nicht: ‚Ich bin in der Lobby, falls ihr mich braucht‘ und wartet darauf, dass jemand tot umfällt.“

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