An diesem Wochenende feiert der rote Sender Pro Sieben das gelbe Jubiläum „20 Jahre Simpsons„. Das ist sein gutes Recht, denn jeder Sender kann seine eigenen Jubiläen völlig unabhängig vom tatsächlichen Jahrfestag feiern, wann er will. Deshalb zeigt Pro Sieben zehn von Zuschauern gewählte Episoden in zwei Fünferblöcken: Am Sonntag ab 15.35 Uhr und am Montag ab 20.15 Uhr.
Der tatsächliche Jahrestag ist erst am 19. April. An diesem Datum im Jahr 1987 tauchten die Simpsons erstmals als Kurzfilm in der Tracey Ullman Show auf. Der Zeichner Matt Groening wollte eigentlich seine damals bekannten Häschen-Comics aus der Print-Serie „Life Is Hell“ beisteuern, hörte dann aber eine Viertelstunde vor der entscheidenden Sitzung, dass der Auftraggeber der damals noch ganz neue und kleine Sender Fox war. „Ich hatte nicht die Absicht, meine großartigen Häschen für diesen Sender zu verschwenden, der keine Zukunft hatte. Also habe ich spontan die Simpsons erfunden. Weil ich in Eile war, gab ich ihnen einfach die Namen meiner eigenen Familie und änderte nur Matt in Bart“, erzählte Groening in dieser Woche noch einmal beim William S. Paley Television Festival des Museum of Television & Radio in Los Angeles die Entstehungsgeschichte.
Der Sender ohne Zukunft ist heute einer der größten, und Groenings Schnellschüsse werden in wenigen Wochen mit Matt Dillon und Frasier Crane gleichziehen als langlebigste Primetime-Charaktere in der amerikanischen Fernsehgeschichte. Während Marshal Dillon und Psychiater Frasier allerdings nach zwanzig Jahren abtraten, machen die Simpsons immer weiter: Bis Mai 2008 ist die Serie bereits offiziell verlängert, und niemand zweifelt daran, dass sie auch danach weitergeht.
Ehrlich gesagt ist es aber egal, wann sich das Datum tatsächlich jährt, solange die jetzige Feier dafür sorgt, dass Pro Sieben am Montagabend nicht noch zwei Stunden Gameshow-Marathon zeigt. Und das Schöne ist, dass es noch viele weitere Daten gibt, an denen Pro Sieben in Zukunft 20-jährige Jubiläen feiern könnte, zum Beispiel am 17. Dezember 2009 (20 Jahre Simpsons als eigenständige Serie / US-Sendestart bei Fox), am 28. Februar 2011 (20 Jahre Simpsons in Deutschland / Pay-TV-Sendestart auf Premiere), am 13. September 2011 (20 Jahre Simpsons im deutschen Free-TV / Sendestart im ZDF) und am 24. Januar 2014 (20 Jahre Simpsons bei Pro Sieben).
Wenige Serien waren jemals so global und allumfassend erfolgreich wie Die Simpsons. Auf der ganzen Welt sind sie populär, und aus jedem Bedarfsbereich des täglichen Lebens gibt es Fanartikel, bis hin zum Bart-Simpson-Asthma-Inhalator. Sie zogen nicht nur eine ganze Reihe weiterer Zeichentrickserien wie South Park und Family Guy nach sich, die mit krudem Humor an den Erfolg anknüpfen wollten, sondern beeinflussten in Stil, Tempo und Humor auch Realserien wie Malcolm mittendrin und Scrubs.
Ich gehöre nicht zu den Fans, die der Meinung sind, Die Simpsons seien mit der Zeit schlechter geworden. Im Gegenteil. Wer sich heute eine Episode der ersten Staffel und eine aktuelle hintereinander ansieht, wird diese Meinung ebenfalls verwerfen. Ich gehöre aber grundsätzlich nicht zu jenen, die nur darauf warten, den Niedergang einer Serie herbeireden zu können, wie es Fans bei Desperate Housewives und Lost ja schon in der zweiten Staffel taten. Die Simpsons sind, wie der Rest des US-Fernsehens, heute schneller, hintergründiger und vielschichtiger als vor 20 Jahren.
Ein Grund für den anhaltenden Erfolg der Simpsons ist ihre nach wie vor hohe Qualität und Aktualität, mit der sie auf Ereignisse aus den Nachrichten und den Medien eingehen. Der andere ist der Gewohnheitsfaktor. Die Simpsons wirken, als gebe es sie wie die Tagessschau und Wetten, dass…? schon immer. Und für viele jüngere Zuschauer ist das sogar wahr.
Ein Grund für den ursprünglichen Erfolg ist die reichhaltige Mischung, die so viele Zielgruppen gleichzeitig ansprechen kann. Formal sind Die Simpsons eine klassische Familiensitcom. Diesen Rahmen füllen sie mit hintergründiger Satire ebenso wie mit vordergründigen Kalauern. Wer das eine nicht kapiert, freut sich am anderen. Wer einen Film nicht gesehen oder ein Buch nicht gelesen hat, wer oder einen Prominenten oder amerikanische Eigenheiten nicht kennt, wer sich mit US-Politik und Popkultur nicht auskennt, versteht möglicherweise eine Anspielung nicht, bemerkt aber gar nicht, dass er etwas verpasst, sondern ordnet es als ganz normalen Dialog ein. Ebenso merkt man der deutschen Fassung erst im Direktvergleich mit dem Original an, wie viele Witze einfach aus Unkenntnis oder Schlamperei wegsynchronisiert wurden, denn es bleiben noch genug andere übrig. Deshalb sind die Simpsons sowohl bei Kindern, als auch bei höher gebildeten Erwachsenen, und sowohl im Ursprungsland Amerika, als auch in Deutschland so populär.
Eine andere Erklärung steht im Buch „752 Things We Love To Hate (And Hate To Love) About TV“ der Television-Without-Pity-Autorinnen Tara Ariano und Sarah D. Bunting: „Any fictional family that can so efficiently piss off both George H. W. Bush and Bill Cosby must be doing something right.“
Der verstorbene Simpsons-Übersetzer Ivar Combrinck hätte den Satz vermutlich so ins Deutsche übertragen: Eine fiktive Familie, die so effizient mit George H. W. Bush und Bill Cosby zur Toilette geht, muss irgendwann rechts abbiegen.