Freitagskrimi jetzt auch am Mittwoch

Das ZDF hat großes Vertrauen in seine Serie mit Rainer Hunold als Der Staatsanwalt. Sie startete vor knapp drei Jahren mit einem erfolgreichen einzelnen Fernsehfilm. Noch bevor die wiederum einzelne Fortsetzung ausgestrahlt war, wurde eine ganze Staffel mit vier einstündigen Folgen gedreht, und noch bevor diese heute Abend an den Start geht, laufen bereits die Dreharbeiten für die nächste Staffel.

Es gibt aber auch keinen Grund, kein Vertrauen zu haben. Der Staatsanwalt ist bewährte Kost: Eine grundsolide, unspektakuläre, professionelle, zeitlose Serie wie alle ZDF-Krimis seit 35 Jahren. Nichts deutet darauf hin, dass es sich um eine Produktion der Gegenwart handelt, außer dass Rainer Hunold noch dicker geworden ist. Wenn er zwischendurch mit einem Freund Billard spielt, glaubt man trotzdem, in alte Folge von Ein Fall für zwei geraten zu sein. Aus dieser Serie stieg er damals viel zu früh aus, deshalb ist es schön, ihn wieder in einer Anwaltsrolle zu sehen.

Wer schon alle anderen ZDF-Krimiserien guckt, hat zwar keinen Grund, diese auch noch zu schauen, aber auch keine Ausrede, sie nicht zu mögen.

Der Staatsanwalt, mittwochs um 20.15 Uhr im ZDF.

Freiwald bald wieder Freiwild

Kurz vor seiner großen Geburtstagswoche zum siebenjährigen Bestehen hat der Verkaufskanal RTL Shop etwas tolles Neues im Angebot: sich selbst. RTL glaubt, wenn schon niemand den Ramsch seines Verlustbringers einzeln kauft, möchte vielleicht jemand gleich den ganzen Shoppingsender. Noch in diesem Halbjahr soll er verkauft werden.

Das könnte auch die Marktanteile des Muttersenders geringfügig verbessern. Zur Bewerbung seines Shoppingkanals sendet RTL derzeit nachts und morgens jeweils ein einstündiges Fernsterprogramm seines Verkaufsfernsehens und nimmt für den Werbeeffekt die katastrophalen Marktanteile in der Gegend von einem Prozent in Kauf. Auch nachfolgende Programme werden dadurch nach unten gezogen. Dies könnte man dann beenden.

Also: Rufen Sie gleich an! Nur noch ein Stück vorrätig! Bestellnummer 1. RTL Shop, 24-stündig, in trendigen Farben. Und wenn Sie gleich anrufen, bekommen Sie Starmoderator Walter Freiwald gratis dazu! Statt 29999999,95 € Nur 19999999,90 €.

Freiwilligendienst für die Todeszone

Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm hat ARD-Programmdirektor Volker Herres ein interessantes Angebot gemacht. Die mehr als 850 Autoren, Regisseure und Produzenten bieten „für den vermutlich bald frei werdenden Sendeplatz“ in der „sogenannten Todeszone vor 20 Uhr“ eine Dokumentarreihe an, bei der sie bereit sind, sich erfolgsabhängig bezahlen zu lassen. Wären die Quoten schlecht, müsste die ARD nur die Hälfte der Kosten tragen.

Eine erste Dokureihe im Rahmen des ambitionierten Vorhabens überträgt die Idee von Loriots Film „Pappa ante portas“ ins wirkliche Leben. Sie begleitet einen leicht verkalkten Senioren, der nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben nun viel Zeit im Wohnzimmer verbringt und alle mit seinen Geschichten von früher nervt und läuft auf dem Sendeplatz bereits seit vier Wochen.

Fremdlesehinweise

Dass Fernsehsender viel zu hektisch mit Absetzung reagieren, sobald eine neue Sendung nicht sofort gute Quoten holt, haben wir hier schon oft beklagt, meistens am Beispiel ProSieben. Die Kollegen von DWDL haben heute eine interessante Liste erfolgreicher Fernsehsendungen zusammengestellt, die die Mehrheit der Zuschauer nie kennen gelernt hätte, wenn die Sender damals auch schon so übereilt aufgegeben hätten. Darunter: CSI, Gute Zeiten, schlechte Zeiten und Die Harald Schmidt Show und sogar einige von ProSieben.

Und Peer Schader fasst die gelungene Premiere von Tim Mälzers Born To Cook bei Spiegel Online viel ausführlicher, treffender und schöner zusammen als ich.

Freundchen allein zu Haus

Am Wochenende beginnt Joey, der Spin-off von Friends

Die Geschichte der Spin-offs ist lang und schmerzlich. Spin-offs, Ableger anderer Serien mit Charakteren, die im Original etabliert wurden, werden wesentlich häufiger Flops als Erfolge, und dennoch versuchen die Sender es immer wieder. Der Grund ist simpel: Trotz vieler Flops zeigt die Geschichte, dass die Chancen auf Erfolg immerhin wesentlich besser stehen, als wenn eine neue Serie ohne Vorhut aus dem Nichts auf den Bildschirm kommt.

Spin-offs versetzen Charaktere aus der bestehenden Serie in ein neues Umfeld. Das kann nach deren Ende passieren (Lou Grant begann erst nach dem Ende von Mary Tyler Moore) oder noch während deren Laufzeit (Buffy — Im Bann der Dämonen hatte seitdem nur noch gelegentlichen Besuch von Angel — Jäger der Finsternis). Die plumpeste Variante ist die, eine Figur zu dem alleinigen Zweck in eine etablierte Serie einzuführen, ihr im Anschluss eine eigene Serie zu geben (so geschehen mit Mork vom Ork in Happy Days und dem Team aus CSI: Miami in CSI).

Der erfolgreichste Spin-off aller Zeiten ist Frasier, der den Psychiater aus Cheers nach dessen Ende in den Mittelpunkt einer eigenen Sitcom stellte. Cheers war zu diesem Zeitpunkt die erfolgreichste Serie des Senders NBC, und Frasier gelang das Kunststück, ebenso lang wie die Mutterserie erfolgreich im Programm zu bleiben: satte elf Jahre.

Als im Mai 2004 Friends als jetzt erfolgreichste NBC-Serie endete, hoffte der Sender, das Kunststück wiederholen zu können, und versetzte die Figur des Joey Tribbiani (Matt Leblanc) an die entgegengesetzte Küste in die neue Serie Joey. Nun war Joey aber leider die einfältigste Figur aus der Mutterserie. Sie war zwar im Verlauf von Friends allmählich mehrdimensionaler geworden, doch zeigte sich schon in den ersten Episoden, dass Joey eine eigene Serie allein kaum tragen konnte und auch das uninspirierte Umfeld keine große Hilfe war. Joey genoss einen enormen Vertrauensvorschuss und durfte dank seiner Vorgeschichte trotz kontinuierlich bröckelnder Quoten ein ganzes Jahr im Programm bleiben, bekam sogar das OK für eine zweite Staffel, die wurde dann aber vor zwei Jahren in der Mitte abgesetzt.

Mindestens seitdem kündigt ProSieben schon an, die Serie in Deutschland zu zeigen, hat aber offenbar erst jetzt einen „passenden Sendeplatz“ gefunden. Nämlich am Samstagmittag, wo immer alle Sitcoms laufen. Stimmt, darauf hätte man auch nicht früher kommen können.

Joey, samstags um 13.05 Uhr auf ProSieben.

Freundschaftswerbung

Es ist ja schon ein Wunder, dass deutsche Serienproduzenten auf diese alte Idee noch nicht zurückgegriffen haben, um ihre Serien wieder zum Erfolg zu führen: Sie aussehen lassen wie amerikanische. Und damit meine ich nicht, die amerikanischen Konzepte, die Optik, die Effekte und die Handlungsstränge zu übernehmen und in Deutschland mit deutschen Charakteren nachzudrehen — das geschieht ja alles. Ich meine das, was deutsche Serienproduzenten in den 70er-Jahren taten, weil sie sich nur so einen Erfolg ihrer Serien vorstellen konnten: Sie ließen sie auch in Amerika spielen, gaben den Charakteren amerikanische Rollennamen, und teilweise drehten sie sogar dort. Ein Beispiel dafür ist Sergeant Berry. Wenn Sergeant Berry in Los Angeles auf einer Straßenkreuzung stand, sah das fast amerikanisch aus, obwohl Berry von Klausjürgen Wussow gespielt wurde.

An diese Serie sowie an Plumpaquatsch und Kli-Kla-Klawitter erinnern unsere Feunde von Retro-TV in der Premiere ihres kurzen Web-TV-Magazins. Das gibt es ab heute alle 14 Tage. Paddy Kroetz von Super RTL moderiert, Fernsehexperte Henning Harperath von tv-kult.de plaudert aus dem Glotzkästchen. Die beiden schmökern in alten Fernsehzeitschriften, schwelgen in TV-Erinnerungen und zeigen Ausschnitte aus Serien, die einen noch längeren Bart haben als Henning. Zum Start geht es um das Jahr 1974, als man für die Karriere von Thomas Ohrner noch Hoffnung haben konnte.

Bitte hier entlang. Viel Spaß!

Frisch aus der Witzepresse

Beim amerikanischen Sender Comedy Central beginnt die Comedy schon in den Pressemitteilungen. Sie eröffnen immer mit der Ankündigung einer neuen Show oder der Mitteilung, dass von einer erfolgreichen Show eine Fortsetzung bestellt wurde, beschreiben pointiert, worum es in der Reihe geht und beinhalten dann ein witziges Zitat eines Beteiligten, der grundsätzlich „begeistert“ oder „aufgeregt“ ist.
Diese Woche ließ die Pressestelle viel Neues verlauten.

Aus der Ankündigung einer neuen Show mit Lewis Black:

In The Root of All Evil messen sich jeweils zwei Personen wie Dick Cheney und Paris Hilton oder zwei Popkulturthemen wie YouTube und Pornos in einer offenen Debatte. Eine wechselnd besetzte Gruppe an Komikern diskutiert, wer das größere Übel ist, und Lewis Black fällt das abschließende Urteil. (…)
Black: „Ich bin begeistert, als selbsternannter Entscheider über das Böse in der Popkultur Teil der Popkultur zu werden und werde am Ende der Serie ohne Zweifel über mich selbst richten müssen.“

Die Ankündigung einer zweiten Staffel der Trickserie Lil Bush, in der vorpubertäre Miniversionen von George W. Bush, Condoleezza Rice und Dick Cheney das Weiße Haus terrorisieren und vor dem Schlafengehen die Probleme der Welt lösen, macht sich über die Affäre um den Senator Larry Craig lustig:

„Ich bin begeistert, dass der Sender entschieden hat, die Serie fortzusetzen“, so Lil‘ Bush-Erfinder und ausführender Produzent Donick Cary. „Es tut mir leid, dass die Entscheidung in der Herrentoilette des Flughafens von Minneapolis fallen musste, aber wenn das die Art ist, wie [Senderchef] Doug Herzog sein Unternehmen führen will — mir ist es Recht.“

Aus der Ankündigung der neuen Show Important Things mit Demetri Martin, einem Mitarbeiter der Daily Show with Jon Stewart:

In jeder Epsiode analysiert Martin ein einzelnes Thema durch das Prisma seiner einzigartigen Perspektive. Mögliche Themen sind „Was passiert nach unserem Tod?“ und „Äpfel“. (…)
„Diese Ankündigung wirkt sehr wichtig“, so Martin. „Ich bin aufgeregt, bei Comedy Central zu sein und freue mich darauf, eine der besten Shows aller Zeiten zu machen. Außerdem muss ich meine Wohnung aufräumen und Jon Stewart danken.“

Frohe Weihnachten, Ally

Ich habe das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen. Bei Ally McBeal. Oder wenigstens ihrem Schöpfer David E. Kelley.

Im Fernsehlexikon schrieben wir im Artikel über Ally McBeal:

Fast jede Folge endet damit, dass Ally allein durch die dezent weihnachtlich geschmückten nächtlichen Straßen von Boston nach Hause läuft (in Allys Boston ist ungefähr neun Monate im Jahr Advent) (…)

Ja, aus diesem Satz ist eine gewisse Gehässigkeit herauszuhören. Denn es war schon ein bisschen albern, wie es fast ganzjährig im Gebäum glänzte und glitzerte.

Nun war ich aber gerade ein paar Tage in Boston und musste feststellen: In Boston ist tatsächlich das ganze Jahr Weihnachten, wie diese Fotos von gestern Abend beweisen.


Insofern: Sorry, Ally, und frohes Fest.

Frührentner mit 79

Es gibt noch ein paar Legenden des amerikanischen Fernsehens, die immer noch auf Sendung sind. Doch nachdem Larry King nun abgetreten ist und Oprah Winfrey in diesem Jahr ihre Talkshow aufgibt, fragten sich viele, wie lange die anderen Dienstalten eigentlich noch machen wollen. Über David Letterman, seit 29 Jahren mit einer täglichen Late-Night-Show auf Sendung, wird seit etwa zehn Jahren immer wieder spekuliert, er gehe womöglich bald in den Ruhestand. Sein Konkurrent Jay Leno hatte seinen eigenen Ruhestand sogar schon für 2009 angekündigt, sich seine schon abgegebene Sendung dann aber nach kurzer Zeit wieder zurückgeholt.

Jemand, über dessen bevorstehenden Abschied eigentlich nie jemand spekuliert hatte, war Regis Philbin. Dabei ist Regis Philbin sogar noch 16 Jahre älter als Letterman. Vielleicht war aber genau das der Grund: Wenn jemand mit 79 immer noch eine tägliche Live-Sendung macht, jeden Vormittag um 9 Uhr, warum sollte er jemals damit aufhören wollen? Regis ist immer noch geistesgegenwärtig und schlagfertig und ohnehin ein Liebling der Nation. Er hält außerdem den Guinness-Weltrekord für die meisten Stunden vor der Kamera und schien mit der täglichen Vormittagsshow nicht einmal ausgelastet zu sein, weil er immer wieder nebenbei Quizsendungen zur Primetime moderierte, darunter die US-Version von Wer wird Millionär?.

Entsprechend schockiert war Fernsehamerika, als ausgerechnet Regis Philbin am Dienstagmorgen in seiner Sendung, die er seit 1983 macht, seinen Abschied für Sommer oder Herbst ankündigte. Nach isngesamt 50 Jahren im Fernsehen. Niemand war mehr schockiert als David Letterman, der Philbin gleichermaßen als Freund und als Idol betrachtet, und in dessen Sendung Philbin regelmäßig als Gast auftrat. Philbin, dessen Show wie Lettermans aus New York gesendet wird und der deshalb auch kurzfristig immer gern vorbeischauen konnte, hatte überhaupt keine Probleme damit, sich bei Letterman  regelmäßig zum Affen zu machen. Unten sehen Sie noch einmal seinen Auftritt als Shrek von vor zwei Jahren.

Vorher sehen Sie noch, wie Letterman gestern Abend versucht hat, Regis den Ruhestand auszureden.

Fünfeinhalb Tore und zweieinhalb Männer

Der Blick auf die Einschaltquoten vom Dienstagabend beweist zum einen Bekanntes: Übertragungen von Fußball-Länderspielen sind immer eine sichere Bank, und die zeitgleiche Konkurrenz leidet darunter.

Zum anderen offenbart er aber auch Interessantes: Nicht alle Konkurrenten leiden gleichermaßen. Und dies ist nicht nur bei naheliegenden Beispielen zu beobachten, also wenn das Gegenprogramm eine ganz andere Zielgruppe anspricht.

Schon vor einiger Zeit hat ProSieben die kluge Entscheidung getroffen, seine frauenaffinen Serien ausgerechnet auf den Mittwochabend zu legen, an dem im Konkurrenzprogramm so oft wie an keinem anderen Abend Live-Fußball zu sehen ist. Seitdem laufen Desperate Housewives und  Grey’s Anatomy stur und unbeeindruckt mit konstanten Zahlen weiter und können als Beleg für das Klischee herhalten, dass Fußball ein Männerprogramm sei. Die Sonnenbrillenserie CSI: Miami dagegen erlitt einen starken Einbruch, während gestern die deutschen Fußballer fünf Tore schossen und 6:1 gegen Aserbaidschan gewannen. Klar, die Zielgruppen für blutige Krimis und Blutgrätschen sind ja wohl ähnlich, gell?

So einfach ist und bleibt es aber nicht. Die Simpsons, laut einer Untersuchung vom Frühjahr die Serie mit dem höchsten Männeranteil unter den Zuschauern, musste keine Abstriche machen, die über die normalen Quotenschwankungen hinausgingen. Und auch Two And A Half Men, wo es normalerweise nur um Sex und Saufen geht, erreichte anschließend wie gewohnt knapp Two And A Half Million. Sind deren Zuschauer jünger als die Fußballfans? Vergangenen Freitag zeigte aber auch Wer wird Millionär? keine nennenswerten Einbußen gegen das Länderspiel unter dem schon etwas älteren Stammpublikum.

Eine Antwort muss ich schuldig bleiben. Aber warum soll ich schlauer sein als Fernsehmacher, die ihr ganzes Berufsleben oft vergeblich damit verbringen, strategisch richtiges Alternativprogramm zu dem der Mitbewerber anzubieten oder umgekehrt Programme zu finden, für die sich auch die Zuschauer ihrer eigenen anderen Programme interessieren? Wären Quoten und Zielgruppen vorhersehbarer, hätte ProSieben längst eine Mittwochsserie gefunden, für die die Zuschauer auch nach den etablierten Serien dranblieben. Und die Sender müssten nicht wild ungeordnete Werbung für alle ihrer Sendungen in jede andere Sendung knallen, sondern könnten die Sache gezielt angehen. Mit Einblendungen wie bei Amazon:  „Zuschauer, die sich für CSI: Miami interessieren, interessieren sich auch für: Fußball.“

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