Wenn man das Cover der aktuellen „TV Spielfilm“ sieht, könnte man meinen… Ach, sehen Sie selbst:
Na? Warten Sie, ich mach’s etwas größer.
Wir sehen also Michelle Hunziker, die Moderatorin der ersten beiden Staffeln von Deutschland sucht den Superstar, neben dem DSDS-Logo und dem Schriftzug „Neue Chance“. Kehrt sie etwa zur fünften Staffel zurück?
Hahahahahaha!
Wer schon mal eine TV-Zeitschrift gelesen hat, weiß natürlich, dass die Covermädels nie, aber auch wirklich NIEMALS auch nur irgendetwas mit dem Inhalt des Hefts oder den Texten auf der Titelseite zu tun haben. Oder gar dem aktuellen Fernsehprogramm.
Es sei denn, Michelle Hunziker füllt vielleicht den Bewerbungsbogen im Heft aus…
Es ist ja auch völlig egal, ob der rechtspopulistische, reaktionäre Fox-News-Polemiker Bill O’Reilly oder die rechtspopulistische, reaktionäre Polemikerin Ann Coulter mehr Bücher verkauft hat. Aber die Kindergarten-Diskussion in O’Reillys eigener Sendung darüber, wer den längsten hat, hätte bestimmt noch stundenlang weitergehen können und wäre auch nicht weniger gehaltvoll gewesen als das, was in seiner Show sonst passiert.
Es folgt eine längere Besprechung der neuen Sendung TV-Helden. Für alle, denen das zu viel Text ist, bieten wir vorab eine Kurzfassung an: Lustig. Ansehen! Bitte sehr.
Screenshot: RTL
Das waren noch Zeiten, als Hape Kerkeling ernste Pressekonferenzen mit dummen Fragen sprengte oder sich verkleidete und ernste Kulturinteressierte foppte, indem er ihnen „Hurz“ vorsang und anschließend die Intention des Dargebotenen interpretieren ließ.
Vielleicht hat sich ähnliches seither niemand mehr getraut, weil sich niemand mit dem großen Kerkeling messen lassen wollte. Vielleicht hat es auch jemand versucht, scheiterte aber so kläglich, dass man es schon wieder verdrängt hat.
Die TV-Helden, wie RTL seine neue Samstagspätabendcomedy nennt, trauen sich wieder, und sie halten dem Vergleich mit Kerkeling stand.
Einer ihrer Scherze ging vor zwei Wochen schon durch die Medien, die nicht wussten, was sie damit anfangen sollten: Die Gründung des 1. Türkischen Karnevalsvereins Deutschlands in Köln wurde bekanntgegeben. Die Gründungsmitglieder forderten einen Türken im Dreigestirn und den Verzicht auf Freizügigkeit und Alkohol. Sie gaben eine gut besuchte Pressekonferenz, und obwohl dabei offenbar wurde, dass keiner der drei auch nur ein Wort Türkisch sprach, glaubten viele Zeitungen auch am nächsten Tag noch, die Sache sei echt. Für den betriebenen Aufwand ist das, was daraus heute Abend im Fernsehen zu sehen ist, überraschend kurz. Überhaupt wird kein Gag länger ausgewalzt als er lustig ist, und lustig sind fast alle: Caroline Korneli, die denselben Interviewpartnern für zwei vorgeblich unterschiedliche Magazine gegensätzliche Aussagen entlockt, Pierre M. Krause, der versucht, im Gespräch mit dem saarländischen SPD-Spitzenkandidaten Heiko Maas 25 Wortspiele mit dem Namen „Maas“ unterzubringen, und Jan Böhmermann, der den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein fragt, ob er Angst vor Bushido habe und anfängt gezielt kindisch zu kichern, wenn Beckstein „Konvertiten“ sagt und die zweite Worthälfte wie „Titten“ klingt. Wie das gespielt und geschnitten ist, erinnert das an die „Korrespondenten“ in der Daily Show with Jon Stewart, und ebenfalls in diesem Stil, aber mit Kerkeling-Methoden, wird auch noch Medienkritik laut, wenn Krause und Böhmermann durch ständiges Anrufen (und Durchkommen!) den Abzocksender Astro-TV entlarven. Allein die Kosten für diese Anrufe dürften einen erheblichen Anteil am Budget der Sendung ausgemacht haben.
Leider mussten vielleicht deshalb wohl noch ein paar Minuten Sendezeit kostengünstiger gefüllt werden, weshalb die Helden nun zu Beginn der Sendung und immer wieder zwischendurch aufgereiht hinter Mikrofonen stehen und dem Studiopublikum, das ebenfalls stehen muss, Witze erzählen, die bemüht wirken. Das Publikum gibt auffallend unauthentische Reaktionen von sich, und in dem Geklatsche gehen dann die hinführenden Anmoderationen unter, die für die Filmzuspielungen eigentlich ganz nützlich wären. Die Studiomoderationen waren in SketchUp schon überflüssig und der schwächste Teil in Ladykracher, und jetzt ziehen sie die TV-Helden unnötig in die Länge, die davon abgesehen witzig, mutig, originell und schnell sind. Und das Allerbeste: Weder werden Sketche gespielt, noch eine Kamera versteckt.
RTL hat die Qualität der Sendung anscheinend erkannt und versteckt sie nicht am toten Comedyfreitag, sondern gibt ihr den durchaus prominenten Sendeplatz direkt nach dem Dschungelfinale. Nächste Woche gibt es noch eine zweite Folge. Eine Fortsetzung darüber hinaus wäre wünschenswert, wenn die Qualität hält.
TV-Helden, heute um 23.30 Uhr bei RTL. Nächste Woche um 23.15 Uhr.
Disclosure: Ich bin mit Pierre M. Krause befreundet, habe mit ihm für eine andere Sendung bereits Sketche geschrieben und gespielt und musste mir dafür dämliche Kostüme anziehen. Ich finde seine Arbeit nicht deshalb lustig, weil ich das getan habe, sondern habe das getan, weil ich ihn lustig finde. Da ich auch die Teile ohne ihn bei TV-Helden als äußerst gelungen erachte, halte ich mich für unvoreingenommen. Pierre M. Krause hat mir kein Geld für diese Besprechung gegeben, und auch für ein Bier hat er eigentlich nie Zeit.
Und wenn ab 11. März ProSieben Filmklassiker auf den Arm nimmt, heißt das nicht mehr „Parodie“, „Satire“ oder „Spoof“, sondern Funny Movie — Die große Film-Verarsche.
eigentlich hätte ich für Sie schon vor vielen Stunden aufschreiben sollen, wie mir die Neuauflage der 100.000 Mark Show mit Inka Bause gestern auf RTL gefallen hat. Leider bin ich während der Sendung vor Langeweile in ein Koma gefallen, aus dem ich gerade erst wieder aufgewacht bin.
Diese Sendung ist eh kein Fall für die Fernsehkritik, sondern für die Wissenschaft. Sie muss klären, wie es RTL gelungen ist, dass die zweistündige Show doppelt so lang ist wie Stefan Raabs fünfstündige Show Schlag den Raab. Und vielleicht genügt die Zeit bis zur geplanten zweiten Folge am 6. Dezember, um Möglichkeiten zu entwickeln, die Sendung nicht auszustrahlen, sondern in Tablettenform zu verkaufen, als Sedativum.
Und wenn Sie partout mehr lesen wollen über die 100.000 Euro Show, lesen Sie den erschütternden Augenzeugenbericht der Kollegen von DWDL, die bei der Aufzeichnung der Sendung dabei waren — und sich von der Erfahrung anscheinend bis heute nicht erholt haben.
Die ZDF-Verantwortlichen, die sich normalerweise schon die Augen reiben, wenn der Marktanteil bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern mit einer 8 vor dem Komma beginnt, werden heute ziemlich lange reiben müssen, denn hinter der 8 kommt vor dem Komma noch eine weitere Stelle. Fast zehn Millionen junge Zuschauer (und knapp 23 Millionen insgesamt) sahen gestern um 18.00 Uhr die EM-Niederlage der Deutschen gegen Kroatien, das entspricht einem Marktanteil von 80,1 Prozent. Das geht also.
Es klingt nach dem üblichen PR-Getöse, wenn ein Fernsehsender davon spricht, den Auftrag zu haben, „wahrhaft bahnbrechende kreative Arbeiten“ zu produzieren. Doch das Pathos wirkt weniger hohl, wenn man sich ansieht, was die BBC konkret damit meint.
Gestern hat sie ihren Trailer zu den in zwei Wochen beginnenden Olympischen Spielen vorgestellt. Er basiert auf dem klassischen chinesischen Roman „Die Reise nach Westen“ und zeigt den Affen Monkey, den Sandmönch Sandy und das Schwein Pigsy auf ihrem gefährlichen Weg ins Olympiastadion in Peking, animiert und komponiert von keinem geringeren als den Gorillaz-Erfindern Jamie Hewlett und Damon Albarn.
Das ZDF ist endlich in den 80er-Jahren angekommen, und die Emanzipation hat den Freitagabend erreicht. In keinem der 20.15-Uhr-Krimis am Freitag hatte bisher eine Frau eine Rolle gespielt, die darüber hinaus gegangen war, den Ermittlern Kaffee zu kochen oder als verstörte Angehörige eines Mordopfers verdächtig in einer Villa herumzustehen. Doch jetzt wird alles anders, denn schon lange stellte sich die Frage, warum nicht auch eine Frau das Recht haben sollte, dieselben altmodischen Klischeeverfilmungen zu spielen wie Männer.
Die Redaktionskonferenz, in der das ZDF die neue Serie Die Chefinbeschloss, stelle ich mir so vor:
– „Also gut, Katharina Böhm spielt die Kommissarin. Die war schon inDas Erbe der Guldenburgssuper. Hat jemand eine Idee, wie die Serie aussehen könnte?“
– „Wir haben da noch etliche Drehbücher vonDer Alte rumliegen, von denen manche erst fünfmal verfilmt wurden. Die könnten wir nochmal nehmen.“
– „Superidee. Aber ist diese Art von Fernsehen im Jahr 2012 noch zeitgemäß?“
– „Die Kommissarin könnte zusätzlich dauernd Erdnüsse essen.“
– „Das ist ja total crazy! Genau so machen wir’s!“
Und so entwickelt sich der neue Freitagskrimi des ZDF wie die meisten Freitagskrimis vor ihm auch. Die Ermittlerin steht mit ihrem Kollegen in Münchner Villen herum, wo die komplett verdächtige reiche Familie, inklusive obligatorischer rauchender Oma im Rollstuhl, verstört dreinblickt, untermalt von penetrant irritierender Psychomusik.
Die Ermittler fragen Alibis ab und stellen verbale Fallen wie aus dem Lehrbuch für Krimiautoren von 1969, in die die Einfaltspinsel von Verdächtigen pflichtgemäß reintappen.
– „Kim Landauer ist heute morgen vom Balkon gestürzt.“
– „Was? Das kann nicht sein. Warum sollte sie sich umbringen wollen?“
– „Von Selbstmord habe ich doch gar nichts gesagt.“
Doch dann, nach etwa der Hälfte der ersten Episode, muss jemand mehrere Seiten des Drehbuchs gekapert haben, und einige Elemente der Serie biegen in eine Richtung ab, die man von Autor Orkun Ertener, der viel für seinen KDD – Kriminaldauerdienst gepriesen wurde, erwartet hatte. Die Chefin bekommt ein Vor- und Privatleben und schnüffelt heimlich seit vier Jahren in eigener Sache: Damals wurde ihr Mann erschossen, ebenfalls ein Polizist, und noch immer hat niemand die genauen Umstände herausgefunden. Das wird wohl der rote Faden, der sich beiläufig durch die Serie ziehen soll.
Vorher kommt aber noch wie aus dem Nichts eine unerwartete Ladung Selbstironie, als Chefins neuer Kollege einen lebensgroßen Derrick aus Pappe in seinem Büro aufstellt.
Screenshots: ZDF
Das macht die Premiere der Chefin insgesamt noch nicht zu aufregendem oder ungewöhnlichem Fernsehen, gibt aber zumindest ein bisschen Hoffnung.
Noch ahnt der Rentner Eduard Z. nicht, dass er im nächsten Augenblick Opfer eines Geburtstagstexts werden wird. Dies ist kein Einzelfall.
Eduard Zimmermann wird heute 80 Jahre alt, und eigentlich ist er ja doch ein Einzelfall. Generationen von Fernsehzuschauern hat er verstört. Wenn Zimmermann in Aktenzeichen XY… ungelöst vor die Kamera trat, wusste man: Gleich kommen schlechte Menschen, dargestellt von schlechten Schauspielern. Und die echten wie die falschen laufen frei herum. Sah man ihn in Vorsicht, Falle!, erfuhr man, dass spätestens morgen jedermanns Oma Opfer hinterhältiger Juwelendiebe werden würde.
Lieber Ede, zum Geburtstag haben wir ein ganz besonderes Präsent von hohem materiellen und ideellem Wert für Sie, das wir Ihnen gern schicken möchten. Es ist etwas sperrig, weshalb wir Sie bitten möchten, uns 20 Euro für Versand und Bearbeitung zu überweisen, und das Präsent ist Ihnen gewiss! Dieses fantastische Angebot gilt nur für Sie.
Allen anderen zeigen wir zu Eduard Zimmermanns Geburtstag noch einmal den Anfang der XY-Premiere aus dem Jahr 1967.
Für die Sender, deren Serienprofile in den vergangenen Jahren überwiegend auf US-Krimis ausgerichtet waren, wird allmählich die Luft dünn. Die alteingesessenen Serien verlieren Zuschauer und werden nach und nach eingestellt, und die Zahl erfolgreicher Neustarts ist ebenfalls zurückgegangen, während in den USA Sitcoms wieder die Oberhand gewinnen.
Noch ist die Quelle aber nicht ganz versiegt, und so kann Vox heute um 20.15 Uhr Rizzoli & Isles an den Start schicken, eine Serie über eine Welt, in der verurteilte Schwerverbrecher grundsätzlich persönliche Rechnungen mit den Polizisten offen haben, die sie einst überführt hatten. Oder in diesem Fall: Polizistinnen.
Rizzoli und Isles kriegen kalte Füße.
Foto: VOX/Warner Bros.
Ort der Handlung ist Boston, ein Boston außerhalb David E. Kelleys Universum und deshalb frei von Anwälten, was irgendwie komisch wirkt. Die Mordfälle sind einigermaßen originell und die stete Furcht der Protagonistinnen vor dem jeweiligen Hannibal Lecter der Woche durchaus spannend, weshalb sich Rizzoli & Isles prima ins Vox-Portfolio solider Krimis einreiht, bei denen man es bisher selten bereuen musste, eine Stunde mit ihnen verbracht zu haben.
Diese Quelle allerdings, die Vox für die neue Serie anzapft, ist keins der großen US-Networks, sondern der Kabelsender TNT. Das ist für uns Zuschauer zunächst mal egal, Erfolgserien wie Monk oder The Closer (deren letzte Staffel heute Abend im Anschluss beginnt), kamen auch aus dem US-Kabelfernsehen zu uns. Für Vox ist das aber unpraktisch, denn im Kabelfernsehen sind aus wirtschaftlichen Gründen die Staffeln deutlich kürzer. Sprich: Nicht nur der Nachschub an Serien insgesamt wird knapper, sondern auch der Nachschub an Episoden innerhalb der Serie.
Schon allein deshalb sollten wir uns über Serien wie Rizzoli & Isles freuen, solange sie noch produziert werden, auch wenn sie nicht die Neuerfindung des Fernsehens darstellen. Denn nur so lange können wir sicher sein, dass auf diesem Sendeplatz kein Model-Casting stattfindet.