Das RTL-Nachtragsjournal

RTL feiert heute den 15. Geburtstag seines Nachtjournals. Das ist einigermaßen logisch, denn das RTL-Nachtjournal ging zum ersten Mal am 3. Januar 1994 auf Sendung, und seit dem 3. Januar 2009 musste RTL ja zunächst einmal wochenlang den Geburtstag des ganzes Senders feiern, da konnte man sich nun wirklich nicht um jede einzelne Sendung kümmern.

RTL sollte das um sechs Wochen verpennte Ereignis bloß nicht nutzen, um für seine enorme Aktualität zu werben.

Das Nachtjournal setzte Maßstäbe, denn vorher war kein Sender auf die Idee gekommen, dass man seine Zuschauer auch nachts noch informieren könnte, und seitdem machen es alle. Und für die ersten zehn Jahre hatte RTL noch ein anderes Alleinstellungsmerkmal: Heiner Bremer.

Was soll’s also, feiern wir eben mit.

Das Supertalent? Britain’s Got Talent!

Auf RTL beginnt gleich das Finale von Das Supertalent, und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn die elfjährige Tilly nicht am Ende gewönne.

Wer das Konzept der Sendung nur aus Deutschland kennt, wo RTL es auf drei Folgen geschrumpft, wüst zusammengeschnitten und zu einer Art Deutschland sucht den Superstar für Kinder gemacht hat, ahnt nicht, wieviel Potential eigentlich darin steckt.

Zum Vergleich meine drei Favoriten aus der britischen Variante Britain’s Got Talent:

Atemberaubende Artistik mit den Bar Wizards:

 
Ganz große Gefühle mit Craig, dem Baton Twirler:

 
Und affenstarke Comedy mit Damon Scott und Bubbles:

Nachtrag: Soviel also zu meinen Prognosefähigkeiten. Es ging mit dem Teufel zu, Tilly wurde nur zweite. Es gewann — ähnlich wie in Großbritannien — ein Opernsänger: der 19-jährige Ricardo Marinello.

Das wäre dann also die Endziffer 60. Haben Sie das jetzt verstanden?

Es ist absurd, dass RTL vorgestern den 60. Geburtstag von Otto Waalkes feierte, der erst in sechs Wochen ist, der heutige 60. Geburtstag eines anderen der wenigen wirklich großen deutschen Komiker aber weitgehend unbemerkt an Fernsehdeutschland vorüberzieht – es sei denn, man schaut seinen langjährigen Heimatsender WDR, der die lange Geburtstagsnacht schon hinter sich hat, Eins Festival, wo heute Nachmittag schon einige Sendungen von und über ihn liefen und ab Mitternacht fünf Stunden lang Höhepunkte aus So isses, Donnerlippchen, Geld oder Liebe und Wat is? gezeigt werden, oder den MDR, der um 20.15 Uhr mit den Feierlichkeiten beginnt.


Mit Gerd Dudenhöfer. Foto: WDR/H. Kratzer

Andererseits passt es aber zu ihm, denn trotz seinem unbestreitbaren Hang zum Herrenwitz fielen seine Fernsehsendungen über viele Jahre dadurch auf, dass sie kaum auffielen, weil sie so leise waren. Sein größter Erfolg, Geld oder Liebe, war immer näher an einem Kindergeburtstag als an den Gladiatorenwettkämpfen, die Programmchefs doch eigentlich viel lieber als Vorbild nehmen. Die ganz große Show fehlte, die kleinen Geschichtchen und das Zwischenmenschliche machten den Reiz aus, der Moderator nahm sich zurück, wenn es angemessen war, und in diesen Kleinigkeiten zeigte sich seine Größe.

Da hatte er die große Krawallshow freilich schon hinter sich: Donnerlippchen sorgte Mitte der 80er-Jahre für einige Aufschreie. Die dreiste Show war ihrer Zeit weit voraus, aber trotzdem erfolgreich.

Der Mann ist einer der vielseitigsten und kreativsten deutschen Entertainer. Er musste sich nie neu erfinden, weil er doch schon immer alles gleichzeitig machte. Wie Peter Frankenfeld und Frank Elstner entwickelte er die von ihm moderierten Sendungen oft selbst, ging mit seinen Comedy-Programmen auf Bühnentournee, schrieb Bücher („Wie rede ich mich um Kopf und Kragen? Anecken in jeder Runde“), drehte als Schauspieler für Film („Nich mit Leo“) und Fernsehen (Heiland auf dem Eiland) und sang sich mit dem, was man Blödelsongs nennt, mehrfach in die Charts: „Kreuzberger Nächte“ der Gebrüder Blattschuss war 1978 fünfzehn Wochen in den deutschen Top 10, als Solist gewann er mit „Guten Morgen, liebe Sorgen“ mehrfach die ZDF-Hitparade und stand zehn Wochen in den Top 10 der deutschen Single-Charts. 1987 hatten beide Errungenschaften noch etwas zu bedeuten.

Wenn man ihn auf der Bühne sieht, wünscht man sich allerdings manchmal, er möge ein paar Lieder weniger singen und dafür lieber etwas länger erzählen, denn seine Alltagsbeobachtungen sind präzise und pointiert und sollten ein Vorbild für jeden sein, der sich Stand-up-Comedian nennt.


Bild: WDR/M. Kohr

Der Mann ist sympathisch und hat Humor, auch wenn er selbst einstecken muss. Er war einer der wenigen Prominenten, die bei Alles nichts oder?! am Ende der Sendung hinter die Tortenwand mussten und beworfen wurden, denn mit ihm konnte es ja machen. Das Schlimmste, was ihm hätte zustoßen können, wäre ein neues Wehleid gewesen, aber darüber hätte er sich dann vermutlich abendfüllend mit Harald Schmidt unterhalten. Elke Heidenreich hat einmal beklagt, dass er im wirklichen Leben genauso sei wie im Fernsehen und zu ihr Sachen sage wie: „Na, mein Vögelchen, jetzt gehen wir aber mal einen heben.“

Erst vor einem Jahr gewann er noch einmal einen wichtigen Fernsehpreis, den Adolf-Grimme-Preis für Extreme Activity, die ProSieben-Spielshow, die so lange erfolgreich war, bis ProSieben anfing, damit Sendeplatzroulette zu spielen. Aus letztem Grund, und weil in den vergangenen Jahren leider ein paar seiner Sendungen gefloppt sind, vergisst man leicht, dass der Mann noch immer eine Größe ist — dieser Mann mit den bunten Hemden und den endlosen Ansagen für seine Gäste, in denen er sich minutenlang um den Namen des Künstlers herummoderiert, weil derweil noch das Bühnenbild umgebaut werden muss, bis er ganz am Ende doch noch sagt, um wen es geht, wenn es die meisten ohnehin schon gemerkt haben: Jürgen von der Lippe.

Gläschen Sekt?

Das Wetter im Ersten wird Ihnen präsentiert von „Kontrolle verlieren“

Mensch, gibt’s denn das? Bin ich doof oder was?

Das Wetter im Ersten ist also nicht live. In einer Live-Sendung hätte sich Claudia Kleinert gestern vor der Tagesschau nach einem kleinen Versprecher bestimmt nicht zu obigem Ausruf hinreißen lassen. Aber vielleicht ein kleiner Hinweis fürs nächste Mal: Einfach rausschneiden!

Das offizielle Online-Video zur Sendung auf daserste.de wurde bereinigt, aber bei Clipfish gibt’s inzwischen die Originalausstrahlung zu sehen:

 


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Das ZDF bringt seine Nachrichtensprecher ganz klein raus

Das ZDF weist seine Zuschauer seit einigen Tagen in kurzen Filmen darauf hin, dass man richtige Nachrichten nicht beim Friseur oder am Gartenzaun erfährt, sondern nur im Fernsehen. Es wirbt damit für sein neues Studio („Die Zukunft beginnt jetzt“), in dem die heute-Sendungen vom kommenden Freitag an produziert werden. Die Trailer enden mit dieser Einstellung:

Was möchte uns das ZDF damit sagen?

  • Wok-WM im Zweiten?
  • Irgendwann ebbt die braune Welle ab?
  • Ein Tisch kann eine Brücke sein?
  • Am Ende der Informationswüste wartet eine kleine Frau mit Erfrischungen auf Sie?
  • Objekte im Rückspiegel sind näher, als sie erscheinen?
  • Sie sehen: Wenn mal überraschend Nachrichten zu Besuch kommen, bringen wir die schon unter?

Oder ist es doch nur ein schlichtes „Meiner ist größer“-Statement in einem virtuellen SchwanzKompetenzvergleich, den spätestens die BBC News vor über zehn Jahren mit einem Pult eröffnet haben, an dem man eine komplette Fußballmannschaft hätte begrüßen können. („Joining us tonight: The Manchester City football club, including some of their biggest supporters. Good evening, folks.“)

Jedenfalls war in Mainz wohl bis zuletzt umstritten, ob man für die Nachrichten das Studio neu baut oder gleich das hier anmieten soll:

 
(Aber die beste Pointe steht auf wirres.net.)

Dawsons Krieg

Mal ehrlich, war Ihnen Dawson aus Dawson’s Creek nicht auch immer suspekt? Dieser schielende Typ mit dem schiefen Gesicht, den man uns jahrelang als Sympathieträger verkauft hat? Der in vielen Episoden der nach ihm benannten Serie gar nicht mitgespielt hat? Wer weiß, was der in der Zeit Dubioses getan hat?

Nun, heute findet er vielleicht seine wahre Berufung. Als Gaststar in Criminal Minds spielt James van der Beek jemand Dubiosen. Sat.1 zeigt ab 21.15 Uhr beide Teile der düsteren Doppelfolge hintereinander. In den USA hielt der Sender CBS es für eine gute Idee, den ersten Teil im Anschluss an den Super Bowl zu zeigen, das meistgesehene und fröhlichste Fernsehereignis des Jahres. Die Episode entpuppte sich als enormer Stimmungstöter. Wenn Ihnen kurz vor Weihnachten eher fröhlich zumute ist und das so bleiben soll, ist also vielleicht der Spongebob-Schwammkopf-Film auf ProSieben und das anschließende Shrek-Special die bessere Wahl.

De Prinz kütt spät

Ein weiterer großer Fernsehstar feiert heute einen runden Geburtstag: Prinz Charles wird 60.

Ach, Sie wussten gar nicht, dass Charles im amerikanischen Fernsehen eine eigene Late-Night-Show hat?
(Sie wussten es, wenn Sie die Late Late Show with Craig Ferguson kennen.)

Dealing Housewives

Der Gatte ist tot, die Serie kann beginnen. Hinterbliebene stehen gern im Mittelpunkt neuer Serien, damit die gezeigte Situation für die Beteiligten wenigstens annähernd so neu ist wie für die Zuschauer.
Die neue Serie Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn verschwendet immerhin keine Zeit, den Tod noch umständlich zu schildern, sondern beginnt mittendrin: Die erste Trauerphase ist schon vorbei, und Witwe Nancy Botwin (Mary-Louise Parker) hat bereits einen Weg gefunden, ihre beiden Söhne nun allein durchzubringen. Um Lebensmittel, Strom- und Zahnarztrechnungen zu bezahlen, handelt sie eben mit Marihuana. Das stellt ihre anderen Eigenarten (zum Beispiel einem Zehnjährigen ein Bein zu stellen) in den Schatten, ist aber noch nicht das dunkelste Geheimnis in der Nachbarschaft. Ein ehrenwerter Stadtrat gehört zu Nancys besten Kunden, vorbildliche Gatten gehen fremd, und nur manchmal mit anderen Frauen oder Volljährigen.

Nancy dealt nur deshalb mit Drogen, weil sie eine so gute Mutter ist und es ihr um das Wohl der Kinder geht. Und nicht nur um das der eigenen: Ihrem minderjährigen Dealer-Kollegen setzt sie zu, nicht an Kinder zu verkaufen:

Nancy: „Du hast mir versprochen, keine Kinder! Ich hab‘ gehört, dass ein Zehnjähriger erwischt wurde, ein Zehnjähriger!“
Josh: „Der Junge hat mir gesagt, er sei siebenunddreißig.“

Die kurzweilige Serie von Jenji Kohan, der Schwester des Will & Grace-Erfinders David Kohan, erinnert in Anmutung, Humor und nur vordergründiger Vorstadtidylle stark an Desperate Housewives, ist aber mehr Comedy als Soap. Das Vokabular ist stellenweise unnötig ordinär, doch insgesamt sind die Themen vielseitig. Es geht neben Sex und Drogen um Probleme in der Schule und der Familie, Trauerbegleitung und Fußball. Grob umrissen. Die Gespräche zwischen der weißen Nancy und ihren schwarzen Drogenlieferanten Heylia und Conrad spielen witzig und intelligent die gegenseitigen Vorurteile aus:

Nancy: „Bescheuert, einem Dreijährigen teure Turnschuhe zu kaufen. Am nächsten Tag ist er rausgewachsen.“
Conrad: „Was, du nennst Schwarze bescheuert?“
Nancy: „Und faul, und außerdem klauen sie.“
Heylia: „Aber dafür können wir gut singen und tanzen“.
Conrad: „Weiße klauen genauso. Enron, Worldcom… Die klauen ein paar Milliarden, lassen die Kohle auf einem Bankkonto in Übersee, und dann hocken sie am Strand und zählen fleißig Scheinchen.“
Nancy: „Vielleicht sollten die Schwarzen anfangen in größerem Stil zu klauen.“

Und während sich die Lieferanten und die Dealerin gegenseitig beteuern, ihre Beziehung sei rein geschäftlicher Natur, scheint sich doch etwas Zwischenmenschliches anzubahnen, vor allem zwischen Nancy und Conrad. Wäre aber auch logisch, denn ohne anbahnende Romanze wäre so ein toter Anfangsgatte doch reine Verschwendung.

Weeds — Kleine Deals unter Nachbarn, mittwochs um 22.10 Uhr auf Pro Sieben.

Debakel: Allzeit-Tief für „Wetten, dass…?“-Nachberichterstattung

Wenn man die Schlagzeilen über Zuschauerzahlen und Marktanteile auf den Medienseiten verfolgt, bekommt man seit ein paar Jahren den Eindruck, Wetten, dass…? und Deutschland sucht den Superstar gehörten zu den Sendungen mit den größten Quotenproblemen im deutschen Fernsehen. Beispiel Wetten, dass…? von gestern Abend:

– „Schlechteste Quote“ („Bild“)
– „Debakel“ („Stern“)
– „Miserable Quoten“ („Focus“)

Das ist bemerkenswert, denn Wetten, dass…? und Deutschland sucht den Superstar gehören zu den quotenstärksten Sendungen im deutschen Fernsehen.

Sicher, beide Shows haben heute nur noch etwa halb so viele Zuschauer wie vor zehn Jahren. Das macht sie aber noch immer nicht zu Flops. So groß war nämlich einst ihr Vorsprung, dass sie selbst nach Verlust der Hälfte ihres Publikums noch immer in der Spitzengruppe mitspielen. Die Jahre dazwischen, in denen die Quoten allmählich auf das heutige Niveau sanken, boten allerdings immer und immer wieder die Gelegenheit, auf neue Quoten-Tiefstwerte hinzuweisen. Denn wenn eine Kurve stetig nach unten geht, erreicht man neue Tiefpunkte oft. Gerade Publikationen wie „Bild“, „Stern“ und „Focus“, die sich sabbernd auf die immer neuen „Debakel“ stürzen, müssten das wissen, denn ihre Auflagenkurve geht seit Jahren ungefähr so steil und stetig nach unten wie die Quoten der genannten Shows.

Eingebüßt haben die beiden Shows lediglich ihre einstige Sonderstellung – zumindest aus Quotensicht. Waren sie einst einsame Spitzenreiter, sind sie heute Teil einer größeren Spitzengruppe, zu der z.B. auch die ZDF-Samstagskrimis, Der Bergdoktor, Um Himmels Willen und Wer wird Millionär? gehören. Die Sonderstellung gehört momentan dem Tatort und Ich bin ein Star – holt mich hier raus!, zwei Reihen, denen trotz fortgeschrittenen Alters das Kunststück gelungen ist, seit Jahren kontinuierlich steigende Quoten zu verzeichnen.


Liest aus Langeweile gerade eine Ansichtskarte: Markus Lanz
(hier mit einer stadtbekannten Karlsruher Schlägerin).
Screenshot: ZDF

Komplett ist der Ausnahmestatus vor allem von Wetten, dass.? aber auch mit Markus Lanz noch nicht dahin: Zumindest die Berichterstattung räumt der Show noch immer Platz ein, als sei sie weiterhin das Ereignis, über das am nächsten Tag alle sprechen, wie die ständigen Quotenstandsmeldungen zeigen, aber auch die zuverlässig erscheinenden Nacherzählungen nach jeder Sendung.

DSDS ist mittlerweile in der Normalität angekommen. Es gibt keine Quotenrekorde mehr, keine Sensationen, und auch keine empörten Aufschreie, wie Peer Schader bereits gestern bei DWDL schilderte. Die Entwicklung verläuft parallel zur amerikanischen Version American Idol, der der Variety-Kolumnist Brian Lowry diese Woche ans Herz legte, sich mit dem neuen Status abzufinden, kein Phänomen mehr zu sein, sondern nur noch ein Hit. Dann kann sie noch lange überleben. Dann muss nämlich nicht bei jedem kleinen Quotenrückgang das Gesamtkonzept in Frage gestellt werden. Wer einsieht, dass man nicht Bayern München ist, muss auch nicht gleich den Trainer feuern, wenn man mal nur Zweiter wird.

DSDS scheint das inzwischen verstanden zu haben (abgesehen vom ständigen Wechsel der Co-Trainer) und setzt im Wesentlichen auf das bewährte Format. Auch Wetten, dass…? hat einige der Änderungen rückgängig gemacht, die dazu gedacht waren, ein jüngeres Publikum zu erreichen, die stattdessen aber Teile des älteren Stammpublikums vergrault haben. Wer endlich aufhört, Programm für ein Publikum zu machen, das man gar nicht hat, sondern sich wieder um die kümmert, die „ihre“ Sendung ja wahrscheinlich nicht grundlos immer noch einschalten, kann noch lange erfolgreich senden. Die Quoten von DSDS haben sich in diesem Jahr wieder etwas erholt, die von Wetten, dass…? sind nach einem monatelangen stetigen Rückgang nun schon seit einem halben Jahr weitgehend konstant, auch wenn es gestern noch mal ein bisschen nach unten ging.


Gucken gerade Fernsehen: RTL-Zielgruppe (innen); ZDF-Zielgruppe (außen).
Foto: RTL

Es ist auch nicht so, als sei die Quotenentwicklung eine Überraschung. Irgendwann büßt jede Show einmal den Sensationsstatus ein. Wer wird Millionär? ging es so und lebt trotzdem ganz gut weiter, zumindest solange Günther Jauch die Fragen stellt. Wetten, dass…? zeigte schon deutliche Abnutzungserscheinungen, als Thomas Gottschalk noch moderierte, der zuletzt nur noch um die acht Millionen Zuschauer erreichte. Und doch war klar, dass sein Ausstieg keinen Aufschwung zur Folge haben würde. „Markus Lanz wird diesen Status kaum halten können. Die Sonderstellung wird verlorengehen. Aber selbst wenn die Show noch zwei oder drei Millionen Zuschauer verliert, was mittelfristig wahrscheinlich ist, macht das nichts. Ihr Vorsprung war so groß, dass Wetten dass…? gemessen am Programmumfeld sogar dann noch ein Erfolg wäre“, schrieb vor zwei Jahren bei der Ernennung von Lanz zum neuen Moderator ein sehr weiser Mann, also ich. Allerdings schrieb ich im gleichen Text sinngemäß auch, Markus Lanz sei eigentlich ein ganz passabler Moderator und könne Interviews führen. Gut, jeder macht mal Fehler.

Auch Markus Lanz hat Fehler gemacht. Neben seiner Berufswahl wäre zu nennen, dass er sich viel zu oft in seinen eigenen Sendungen mit der Kritik an seinen Sendungen und mit den Einschaltquoten befasst. Eine Marotte, die er von Thomas Gottschalk übernommen hat. Beide thematisierten regelmäßig vor einem Millionenpublikum Inhalte, die bis dahin nur auf Medienseiten erschienen waren. Medienseiten werden aber fast ausschließlich von Medienjournalisten gelesen, und vielleicht von ein paar hunderttausend anderen, wenn’s hoch kommt. Das ist nichts gegen die mehreren Millionen, die die eigentlichen Sendungen sehen, sich aber nicht mit deren Hintergründen befassen. Diese Normalzuschauer wurden durch die Moderatoren überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht, dass es eine „öffentliche“ Kritik gibt und das Einschaltinteresse nachgelassen hat. Die vielen verbliebenen Zuschauer mit unverändertem Einschaltinteresse erhielten erst dadurch die Chance, sich darüber Gedanken zu machen, warum es sich bei anderen anders verhielt. Auf diese Weise waren es letztlich nicht wir Medienjournalisten mit unserer Handvoll Leser, sondern die Moderatoren mit ihrem Millionenpublikum, die ihre eigenen Sendungen niederredeten, indem sie die Kritik ernst und sich erkennbar zu Herzen nahmen, und damit eine Dünnhäutigkeit zeigten, die man als Fernsehmoderator ebensowenig haben darf wie als Politiker oder Musiker. Es wird immer Schwätzer wie mich geben, die sie nicht mögen. Na und? Niemand zwingt mich, es anzusehen. Und wie schon gesagt: Die Sendungen sollen ja für diejenigen gemacht werden, die sie sich ansehen, und nicht für die anderen.

Einen Schritt in die richtige Richtung machte Markus Lanz, als er sich gestern in einer subtilen Randbemerkung über die Online-Petition lustig machte, die gerade seine Absetzung fordert. Es ging um die vielen Baustellen in der Austragungsstadt Karlsruhe, und Lanz sagte, falls jemandem die Situation nicht passe, könne er ja „eine kleine Online-Petition“ machen.

Das ist der richtige Ansatz. Was schert Markus Lanz eine unqualifizierte Petition mit 200.000 Unterzeichnern? Dagegen stehen aktuell 6,31 Millionen Zuschauer. Eine demokratische Entscheidung sollte es sein? Hier ist das vorläufige amtliche Endergebnis: Lanz hat gewonnen.

Ob sie gut ist, ist jetzt nicht die Frage, aber Lanz und das ZDF sollen sich bloß nicht einreden lassen, ihre Show sei kein Erfolg. Die meisten anderen Sendungen wären glücklich, wenn sie einmal wie Wetten, dass…? auf Zahlen über sechs Millionen kämen. Und bestimmt auch einige andere Medien, zum Beispiel die Bild-Zeitung (aktuelle verkaufte Auflage: 2,31 Millionen), der „Stern“ (0,77 Millionen) oder der „Focus“ (0,51 Millionen).

Den Episoden auf der Spur

RTL rotzt ab heute neue Folgen von CSI ins Programm. In diesem Zusammenhang muss ich einen Irrtum einräumen. Im Mai mutmaßte ich anlässlich des ungefähren Endes der siebten Staffel:

RTL unterschlug die letzte Episode, vermutlich weil es die erste Hälfte einer Doppelfolge war und man beide Hälften zum nächsten Staffelstart so schön am Stück in Spielfilmlänge zeigen kann.

Das ist nicht der Fall. (Übrigens unterschlug RTL sogar zwei Episoden, die beide heute gezeigt werden.) Die zweite Hälfte der Doppelfolge, also der Auftakt der achten Staffel, ist nächsten Donnerstag auf dem „regulären“ Sendeplatz um 21.15 Uhr zu sehen. Die erste Hälfte, also das siebte Staffelfinale, erlebt ihre Erstausstrahlung heute um… Trommelwirbel … 23.10 Uhr! In Worten: Dreiundzwanzig Uhr zehn. Im Nachtprogramm! Der Cliffhanger kommt also gegen Mitternacht. Glückwunsch!

Denn nur so kann RTL gewährleisten, dass möglichst wenige Stammzuschauer tatsächlich beide Hälften der Episode mitbekommen und sich möglichst viele weitere verwirrt abwenden.

Manchmal glaube ich, die Programmplaner von RTL stehen auf der Gehaltsliste von ProSiebenSat.1.

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