Das große Glück des ZDF

(Meine Frau) sagte zu mir, das größte Glück im Leben sei nicht, einen Parkinson-Patienten zu haben als Ehemann, sondern mich zu haben.

Michael J. Fox sagte diesen Satz in seiner Dankesrede bei der Verleihung der Goldenen Kamera. Zumindest wenn man dem Simultandolmetscher des ZDF glaubt. Aber warum sollte man dem jemals glauben? ZDF-Dolmetscher machten auch schon aus Madonnas Satz „Could you make my son a hat“ zu zwei strickendem Damen auf der Couch von Wetten, dass…? die Übersetzung „Können Sie mir einen Sonnenhut machen?“, und aus ihrer Bemerkung zu einem Kandidaten „You look like Eminem“ „Du siehst aus wie ein M&M“.

Diesmal hörte man zum Glück sehr deutlich, wie Michael J. Fox in Wirklichkeit nicht „luck“ sagte, sondern „challenge“. Und schon wird aus einer Entgleisung eine liebevolle Pointe. 

(Meine Frau) sagte zu mir, die größte Herausforderung in ihrem Leben sei nicht, einen Parkinson-Patienten als Ehemann zu haben, sondern mich zu haben.

Das Holodeck von CNN

Natürlich ist es geschichtlich nicht ganz unbedeutend, dass in der vergangenen Nacht zum ersten Mal ein Schwarzer zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, aber das eigentlich historische Ereignis war zweifellos, dass CNN zum ersten Mal Korrespondenten in sein Wahlstudio beamen ließ. Gut, „beamen“ trifft es nicht ganz, und auch der Begriff „Hologramm“, den CNN benutzte, ist technisch gesehen nicht korrekt, denn das Abbild der Korrespondenten war im Studio nicht sichtbar, sondern entstand erst im Fernsehbild. Aber das sind Kleinigkeiten angesichts dieses revolutionären Einbruchs der Science-Fiction in unsere TV-Gegenwart:

Später wiederholte CNN den Trick mit dem Rapper will.i.am.

Die Technik ist, wie man an den unsauberen Umrissen sieht, noch nicht ausgereift, aber der Aufwand ist gigantisch. Die Korrespondenten stehen, umgeben von 35 Kameras, die sie von allen Seiten filmen, in einem Raum. Mehrere Computer errechnen aus den Bewegungen der Kameras im Studio den richtigen Blickwinkel der Aufnahmen vor Ort und überlagern die Bilder.

Das Ergebnis ist ebenso bizarr wie sinnlos. CNN-Moderator Wolf Blitzer erklärte der Korrespondentin Jessica Yellin (die sagte, sie fühle sich wie Prinzessin Leia in „Star Wars“), das sei angenehm, sich so in Ruhe unterhalten zu können — ohne die lärmenden Menschenmassen, die sonst hinter ihr stünden. Aber erstens sind lärmende Menschenmassen oder auch nur das Live-Bild eines irgendwie relevanten Gebäudes im Hintergrund in neunzig Prozent der Fälle genau der Grund, warum man überhaupt zu einem Korrespondenten vor Ort schaltet: um eine Illusion von Nähe zu einem Ereignis zu schaffen. Und zweitens hätte sich die Korrespondentin für ein ruhiges Gespräch auch einfach in ein Zimmer in der Nähe zurückziehen und vor eine ordinäre Kamera stellen können.

Aber dann hätte natürlich niemand gesagt: Boah, was die bei CNN können!

Das Jahr des Affen. Und des Pferdes!

Ein gutes neues Jahr.

Auch wenn Menschen, die in Nord-  oder Ostdeutschland aufgewachsen sind, jetzt fragend auf ihren Bildschirm starren werden, aber der Affe und der Gaul, die da unten gleich singen, sind im Südwesten Kult.

Das schwäbisch sprechende Duo Äffle und Pferdle war für das Werbefernsehen des SDR, was die Mainzelmännchen für das ZDF oder Ute, Schnute, Kasimir für den WDR waren: In kurzen Zeichentrickfilmchen, die nur wenige Sekunden dauerten, traten sie mit allerlei Witzchen zwischen den Werbespots auf und machten auf diese Weise die Werbeblöcke zwar noch länger, aber auch unterhaltsamer. Sie tun das beim SWR bis heute, auch wenn die Produktion längst eingestellt wurde und viele es nicht mehr merken, weil erstens das ARD-Vorabendprogramm weitgehend uninteressant geworden ist und zweitens dank Kabel- oder Satellitenempfang und dem Rückgang terrestrischen Empfangs längst nicht mehr jeder zwingend das sieht, was der „Heimatsender“ in seinem Bundesland ausstrahlt.

Heute wird das Pferdle 50 Jahre alt (das Äffle kam erst später dazu). Hier steht die Geschichte etwas ausführlicher. Und als Ständchen (pardon: vermutlich heißt es in der Landessprache „Ständle“) singen sie sich selbst jetzt ihren größten Hit.

Das kommt mir österreichisch vor

Wer bei der ARD entscheidet eigentlich, an genau welchen Stellen des durchgehend sehr akzenthaltigen ORF-Tatorts Untertitel eingeblendet werden und wann nicht? Oder versorgt Jörg Schönenborn die ARD inzwischen mit Live-Quotenhochrechnungen inklusive Analysen über Zuschauerwanderung, und die Untertitel erscheinen immer dann, wenn gerade besonders viele RTL-Zuschauer rübergeschaltet haben?

Das Kreuz mit den Trickbetrügern

Screenshots Sat.1

Vor Abzockern warnt Sat.1 heute in seiner neuen Sendung Die Abzocker.

Gut, dass die Sendung diesen Titel trägt, denn dann kann man sich in Ruhe auf die Tricks der Trickbetrüger konzentrieren, ohne sich fragen zu müssen, was eigentlich Schlepper und Bauernfänger sind.

Und gut, dass es das Nazometer von Schmidt & Pocher nicht mehr gibt.

Es hätte wahrscheinlich schon beim Trailer für Die Abzocker spätestens…

…jetzt Alarm geschlagen.

Das Lesen der Anderen

Ich habe ein Buch gelesen. Das kommt gelegentlich vor. Weil dieses aber sehr, sehr entfernt etwas mit dem aktuellen Fernsehprogramm zu tun hat, sei es Ihnen empfohlen.

Als in den 90er-Jahren der Roman „Der Waffenhändler“ erschien, war sein Autor Hugh Laurie in Deutschland noch völlig unbekannt und das Buch kein großer Verkaufserfolg. Heute ist der Schauspieler Hugh Laurie als Dr. House bekannt, weshalb Heyne das Buch neu aufgelegt hat. Irgendwer muss dabei gedacht haben: „Mensch, ‚Der Waffenhändler‘, das klingt ja gar nicht lustig und knackig, dabei ist Dr. House doch so lustig. Nennen wir den Roman doch einfach ‚Bockmist‘!“ Wahrscheinlich jemand, dessen Berufsbezeichnung „Head of“, „creative“ und/oder „director“ beinhaltet, aber das klingt natürlich nicht sehr knackig, also nennen wir ihn doch einfach Volldepp. Volldepp entschied sich also für „Bockmist“, was mit dem Inhalt des Buchs so viel zu tun hat wie „Stinkender Teppich“, ließ aber den Übersetzer gegen Ende zweimal das Wort „Bockmist“ in den Dialog einbauen. Volldepp entschied wahrscheinlich auch, dass es bumskomisch sei, wenn man den Titel auf eine blaue Unterhose druckt, die mit dem Inhalt des Buches noch weniger zu tun hat als der Bockmist. Überflüssig zu erwähnen, dass der weitere Aufdruck auf dem Buchdeckel „Hugh Laurie ist Dr. House!“ ebenfalls nur eine verkaufsfördernde Irreführung ist. Und wenn der gewollte Comedyeffekt durch den blöden Titel nicht eintritt, dann kann man ja vielleicht wenigstens die wenigen Leser vom ersten Versuch vor gut zehn Jahren um 8,95 Euro prellen, weil sie womöglich denken, Hugh Laurie habe noch einen zweiten Roman geschrieben.

Aber jetzt zum Buch: Schöne Sache. Der große Komödiant Hugh Laurie ist auch schriftlich sehr witzig, obwohl sein Roman eigentlich ein Wirtschaftsthriller ist.

Die Hauptfigur Thomas Lang ist ein Ex-Soldat, der in den Tag lebt und für ein Attentat auf einen Industriellen angeheuert werden soll. Er lehnt zwar ab, aber jetzt weiß er von dem Plan, und damit ist er in die Sache verwickelt. Zumal er sich auch noch in die Tochter des Industriellen verliebt.

In der ersten Hälfte liest sich „Bockmist“ locker, beinahe wie eine Parodie. Würde man die Geschichte nur mit den Dialogen aus dem Buch verfilmen, wirkte die Angelegenheit vermutlich von Beginn an einigermaßen ernst, denn es sind vor allem die lapidaren und oft selbstverständlichen, aber nicht offensichtlichen Beschreibungen des Ich-Erzählers und dessen direkte Ansprache des Lesers, die den Humor in den Text bringen.

Er hieß Rayner. Vorname unbekannt. Mir jedenfalls und daher auch Ihnen, nehm‘ ich an.

Ich glaube, er hatte die tiefsten und weitestverteilten Poren, die ich je auf einer Menschenhaut gesehen habe, und ich musste unwillkürlich an den städtischen Golfplatz in Dalbeattie denken, damals nach dem langen und trockenen Sommer ’76.

Meine Wohnung lag noch da, wo ich sie verlassen hatte, kam mir aber kleiner vor als früher. Der Anrufbeantworter hatte keine Nachrichten aufgezeichnet, und der Kühlschrank war leer bis auf den Becher Biojoghurt und die Selleriestange, die ich von meinem Vormieter übernommen hatte.

Richie hatte das Zimmer nur einmal verlassen, um sich einen Stuhl zu holen. Während er draußen war, versuchte ich, mich loszureißen, das Laken zusammenzuknoten und mich aus dem Fenster abzuseilen, schaffte es aber nur, mich a Oberschenkel zu kratzen, bevor zurückkam.

Währenddessen wälzt Laurie bereits ganz große politische Probleme, erklärt, wie das Wohlergehen einer ganzen Nation im Grunde auf krummen Geschäften basiert. Das führt langsam auf die zweite Hälfte zu, in der das Buch einen neuen Klang bekommt. Viel des Leichten verschwindet, es ist jetzt eher spannend als lustig, die Geschichte wird verworrener, es häufen sich Lügen, Intrigen und Gewaltbereitschaft, und das ist eigentlich nicht mehr das Buch, über das ich mich in der ersten Hälfte so gefreut habe. Aber die Beschreibungen des Erzählers bleiben ähnlich lapidar.

Wir fuhren ungefähr eine Stunde die M4 entlang und müssen sie nach meiner Schätzung in der Nähe von Reading verlassen haben. Ich würde Ihnen ja nur zu gern die genaue Abfahrt sagen und die Landstraßennummern, aber da ich den größten Teil der Fahrt auf dem Boden des Diplomat verbrachte und man mir das Gesicht in den Teppich drückte, war der Input an Sinnesdaten etwas eingeschränkt. Der Teppich war dunkelblau und roch nach Zitrone, falls Ihnen das weiterhilft.

Er nickte und summte weiter vor sich hin. Puccini, glaub‘ ich. Kann auch Take That gewesen sein.

Wir haben jetzt Mitte Dezember und stehen vor der Abreise in die Schweiz, wo wir ein bisschen Skilaufen, ein bisschen entspannen und einen holländischen Politiker ein bisschen erschießen wollen.

Kurzweilig ist „Bockmist“ bis zum Ende, und lesenswert ist es schon deshalb, weil es zeigt, dass Hugh Laurie nicht nur witzig ist, wenn er die Texte anderer Autoren aufsagt, sondern auch, wenn er seine eigenen schreibt.

„Bockmist“, Heyne, 440 Seiten, 8,95 €.
Im Original: „The Gun Seller“, Random House UK, 9,45 €.

Das Nein

The Nine – Die Geiseln erforscht ab heute das Leben einer Gruppe von Menschen, die sich kennen lernten, als sie bei einem Banküberfall zu Geiseln wurden.


Foto: kabel eins

Die Serienpremiere geht so: Wir lernen ein paar Menschen und Bruchstücke aus ihrem Lebensumfeld kennen. Zu einem zufälligen Zeitpunkt sind alle gleichzeitig in einer Bank, die dann überfallen wird. Zeitsprung: Tage später werden die Geiseln befreit und kehren schrittweise in ihr normales Leben zurück. Sie halten Kontakt. Von nun an sprechen alle nur noch in Rätseln: Von Heldentaten, Zwischenfällen, Vorkommnissen und Ereignissen, ohne konkret zu werden, und auch ohne dass eine Rückblende zur den Geschehnissen während der Geiselnahme Klarheit schaffen würde. Das ist ganz furchtbar ermüdend und schade um die tollen Schauspieler (Chi McBride aus Dr. House, Kim Raver aus 24, Tim Daly aus Auf der Flucht, die schon in Folge 1 agieren müssen, als gelte es, die Serie auf mindestens zehn Jahre zu strecken, obwohl nur etwa drei Wochen Handlung zur Verfügung stehen.

Hinter The Nine steckt Hank Steinberg, der vor sechs Jahren Without A Trace erfand, eine Serie, in der es jede Woche darum geht, vermisste Personen aufzuspüren. Damals befürchtete ich, nach wenigen Wochen könnten alle Möglichkeiten und Geschichten ausgeschöpft sein, auf welche Weise jemand verschwinden und gefunden werden könnte, doch seit 136 Folgen ist die Serie nun ungebrochen großartig und abwechslungsreich. Insofern hätte ich die Hoffnung gehabt, dass es Steinberg gelingen würde, auch The Nine mittelfristig zu einer kurzweiligen Serie zu machen – doch dann bezeichnete der Titel unfreiwillig auch die Anzahl der Episoden, auf die es die Serie brachte, bevor sie in den USA abgesetzt wurde, ohne Hintergründe und Vorkommnisse abschließend klären zu können. (Kabel 1 zeigt alle 13 Folgen, die gedreht wurden.) Bis dahin wurde sie zwar schon erkennbar besser, aber wer angesichts der öden Pilotfolge seine Zeit lieber nicht in eine halbe Serie investieren will, hat mein volles Verständnis.

The Nine – Die Geiseln, freitags um 22.15 Uhr bei Kabel 1.

Das neue Jura-Zeitalter

Wenn wir diese entsetzliche neue ProSieben-„Comedy“, die wahrscheinlich deshalb Volles Haus heißt, weil man sie nur erträgt, wenn man voll wie ein Haus ist, einfach mal verdrängen, bevor sie überhaupt angefangen hat, beginnt das Fernsehjahr 2008 eigentlich ziemlich gut. Mit Men In Trees und Mord mit Aussicht starteten zwei sehr amüsante Kleinstadtserien, mit Ich bin ein Star – holt mich hier raus kam nach mehr als drei Jahren Pause die einzige erträgliche unter den Realityshows zurück ins Fernsehen, und am Ende der kommenden Woche wird es bereits mehr wirklich gute neue Serien gegeben haben als im ganzen Jahr 2007.

Alle drei Neustarts der nächsten Tage sind Anwaltsserien, und überall stehen eigensinnige Charaktere und skurrile Fälle im Mittelpunkt. Trotzdem unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Alle erinnern zwar manchmal an etablierte Serien, aber keine ist ein billiger Abklatsch. Alle sind originell, originär und sehenswert. Und weder die US-Serie noch die beiden deutschen Produktionen verkaufen ihre Zuschauer für dumm.

Wie klug es von der RTL-Gruppe ist, gleich drei Anwaltsserien in fünf Tagen zu starten, bleibt dahingestellt. Wie viel Spaß Sie haben werden, wenn Sie dennoch alle drei anschauen, wird Sie überraschen:

Shark — ab Montag auf Vox.
Die Anwälte — ab Donnerstag bei RTL.
Herzog — ab Freitag bei RTL.

Jeweils am Tag des Sendestarts werden wir hier ausführlicher auf die neuen Serien eingehen.

Das perfekte Timing

Seit vergangenen Montag zeigt ProSieben werktags seine Dating-Koch-Doku-Soap Liebe isst. Und vermutlich ist es kein Zufall, dass die Sendung nicht nur fast so aussieht wie die erfolgreiche Vox-Sendung Das perfekte Dinner, sondern direkt im Anschluss an Das perfekte Dinner beginnt.

Theoretisch jedenfalls. Praktisch hat Vox die Sendezeit von Das perfekte Dinner unauffällig ein bisschen verändert. Seit vergangenen Montag isst man auf Vox nicht mehr bis 19.45 Uhr, sondern fünf Minuten länger. Gerade so lang, dass es nicht mehr ganz so naheliegend ist, direkt nach dem Ende der Sendung zur ProSieben-Variante umzuschalten.

Nicht dass solche Taschenspielertricks angesichts der Quoten und der Qualität von „Liebe isst“ wirklich nötig gewesen wären. Aber besser isst’s.

Das RTL-Lachjournal

Ob den Redakteuren des RTL-Nachtjournals vergangene Nacht klar war, dass ihre Sendung nicht mehr (ich wiederhole: nicht mehr) zur Übertragung des Deutschen Comedypreises gehörte?

Der unvollständige Bericht über die unvollständige Zusammenstellung des Kabinetts war mit einer Musik unterlegt, die man eher bei Benny Hill erwartet hätte, und ein Ausblick auf die Zeitumstellung am Wochenende (großes journalistisches Thema!) bestand im Wesentlichen aus einer Straßenumfrage, die vier Antwortmöglichkeiten vorgab:


Screenshot: RTL
 
Das Bangen um die Zukunft der deutschen Comedy kann man getrost vertagen, solange beim RTL-Nachtjournal Redakteure arbeiten, die so bumskomische Einfälle haben, hahaha. Bleibt nur noch das Bangen um die Zukunft der Nachrichten.

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