Da sind wir ja wieder!

Hallo. Willkommen zurück. Wir waren leider ein paar Tage kaputt. Hoffentlich hält’s jetzt.

Frohe Ostern!

Dancing Ziering

Der Begriff „The Ziering“ bezeichnet einen Schauspieler, bei dem es höchst unwahrscheinlich ist, dass er nach dem Ende seiner einen langlebigen Serie jemals wieder in einer größeren Rolle zu sehen sein wird. Philip Michael Thomas, der Tubbs aus Miami Vice, ist zum Beispiel ein Ziering, ebenso James van der Beek, der Dawson aus Dawson’s Creek. Ach ja, und natürlich Ian Ziering, der Steve Sanders aus Beverly Hills, 90210, der Namenspatron. Auserkoren von zwei Autorinnen eines Artikels für MSNBC.

Die müssen sich sehr erschreckt haben, falls sie gestern „Dancing With The Stars“ bei ABC gesehen haben, die US-Version von Let’s Dance. Da ist er nämlich wieder. Ziering, der in seinen Dreißigern mit erkennbar beginnender Glatzenbildung bedingt talentiert einen Teenager spielte, ist jetzt 42, hat aus unerfindlichen Gründen immer noch Haare und probiert wahrscheinlich einfach mal aus, ob er wenigstens tanzen kann.

So ein einzelner Ziering hätte mich wahrscheinlich nicht weiter beunruhigt, hätte ich nicht erst vergangenen Donnerstag in Sat.1 Jason Priestley (Brandon Walsh aus Beverly Hills, 90210) als Geiselnehmer in Without A Trace gesehen. Gleich zwei Zierings. Aus derselben Serie. Die haben bestimmt irgendwas vor. Ich habe Angst. Dagegen wirken die Guildo Horns und Margarethe Schreinemakers‘ dieser Welt, die in der zweiten Staffel von Let’s Dance ab Mai bei RTL erwartet werden, plötzlich ganz harmlos.

Danni Colonia

Eigentlich weiß ja sogar Sat.1 selbst, dass es montags abends nur mit Spielfilmen Erfolg hat. Das neue Montagabendprogramm ist es im Gegensatz zu früheren Versuchen aber wenigstens wert, noch mal was anderes zu probieren.


Foto: Sat.1

Die Ausgangskonstellationen beider heute startenden Serien sind sehr abwegig, aber nur eine davon wirkt auch so. Das ist Der letzte Bulle. Ein Essener Bulle, der Polizeiarbeit, Gesellschaft und Umgangsformen nur aus den 80ern kennt, erwacht nach 20 Jahren aus dem Koma und kehrt zurück zur Kriminalpolizei, wo es ihm schwerfällt, sich schlagartig an die Neuzeit anzupassen. Für diese Vorgeschichte verschwendet die erste Episode keine drei Minuten, bevor die normale Polizeiarbeit beginnt. Und schon dann wird klar, dass die an sich originelle Idee, wenn auch im Prinzip nur eine Umkehrung von Life On Mars, eigentlich nur der Vorwand für eine ganz konventionelle Krimiserie mit dem üblichen Gegensätzliche-Ermittler-Klischee ist: Der harte Macho, der sich nicht um Vorschriften schert, bekommt nämlich einen peniblen Karrieristen zur Seite, der immer alles richtig macht. Die beiden können sich eingangs nicht riechen, und niemand muss ein Genie sein, um weissagen zu können, dass die beiden sich in Kürze prima verstehen und ein tolles Team werden werden, ohne ihre Gegensätzlichkeiten aufzugeben. Ist doch immer so.

Einen Mann wie ein Baum mit der Rolle des harten Bullen zu besetzen (Wortspiel nicht beabsichtigt, auch wenn dieser Hauptdarsteller Henning Baum ist), ist zwar einerseits logisch, anderseits ist zwanzig Jahre regungslos im Bett liegen nicht unbedingt die Art von Aufbautraining, aus der diese Art von Muskeln resultieren sollten. Oder kommen die etwa aus der Sechs-Wochen-Reha nach dem Erwachen? Die hat ja offenbar auch ausgereicht, um den Mann, der vor zwanzig Jahren gerade erst seinen Dienst begonnen haben kann (Henning Baum ist 37), zum Kommissar zu machen.

Zwischen die Szenen werden lieblos Ausschnitte aus willkürlichen 80er-Hits geklatscht, und haha, der Typ kennt ja gar keine Handys, das Internet oder Fernbedienungen fürs Auto und raucht, wo er gar nicht darf. Die lustigen 80er! Verpasst wurden Gelegenheiten wie: „Warum haben die Polizeiautos so eine komische Farbe?“

Der letzte Bulle, montags um 20.15 Uhr in Sat.1.


Foto: Sat.1

Danni Lowinski dagegen wirkt (anders als das PR-Foto des Senders oben) frisch und ambitioniert. Auch hier würde niemand auf die Idee kommen, die Geschichte zu glauben: Eine Ex-Friseurin macht auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach und schließt ein Jurastudium an und sogar ab, wird als Anwältin zugelassen, findet aber keinen Job. Also eröffnet sie in einer Kölner Einkaufspassage einen Stand und bietet für einen Euro pro Minute Rechtsberatung an. Daraus resultieren aber tatsächlich ausgewachsene Gerichtsverhandlungen, in denen sie sich aufopferungsvoll für die kleinen Leute einsetzt und auch noch gewinnt.

So abwegig das auch ist, so charmant umgesetzt ist es auch. Das fängt schon beim Vorspann an, in dem Hauptdarstellerin Annette Frier durch eine animierte Welt läuft, in der sie Zebrastreifen auf die Straße wirft und Säulen umkippt, um darüberlaufen zu können, der zeigen soll: Dieser Frau stellt sich nichts in den Weg. Und doch hat sie so angenehm wenig von Uschi Glas. Die Besetzung ist ein Traum: Annette Frier spielt die friseusenhafteste Anwältin, die es je im Fernsehen gab, und Jan Sosniok als ihr Kontrahent ist wie üblich damit betraut, schön zu sein und die Protagonistin zu ärgern.

Einen zusätzlichen Bonus erhält die Serie, weil sie die erste deutsche Produktion seit geraumer Zeit ist, bei der ich nicht sofort an irgendein ausländisches Vorbild denken musste.

Marc Terjung steckt als Autor dahinter, der auch schon Edel & Starck und Die Anwälte mit amüsanten Justizgeschichten füllte und damit wohl der deutsche David E. Kelley ist, der auch kaum was anderes als kurzweilige Anwaltsserien schreibt. Hoffentlich schreiben beide noch ein paar.

Danni Lowinski, montags um 21.15 Uhr in Sat.1.

Darüber lacht die Branche

Es ist schon ein Wunder, dass Sat.1 überhaupt Geld ausgegeben hat, um vor erwartbar überschaubarem Publikum eine Neuauflage der Harald Schmidt Show ins Programm zu nehmen. Man hätte doch auch einfach die alten Ausgaben aus der Zeit von 1995 bis 2003 noch einmal zeigen können.

Andere Teile des „neuen“ Sat.1-Programms scheinen nämlich dieser Philosophie zu folgen – und das sogar auf prominenteren Sendeplätzen.

Freitags abends um 22.15 Uhr kommt bald wieder Darüber lacht die Welt mit Hape Kerkeling und am frühen Samstagabend schon ab dieser Woche Die Comedy-Falle mit Kai Pflaume. Beide Moderatoren arbeiten inzwischen bei anderen Sendern. Sat.1 zeigt ausschließlich Altware.

Dass Serien und Sketchreihen bis in die Unendlichkeit wiederholt werden konnten, war schon immer so. Dass Unterhaltungsshows, die schon allein durch die Tatsache, dass sie moderiert werden, eine gewisse Aktualität und einen Live-Charakter vorgaukeln, lange später wiederholt werden, ist eine Sitte, die sich bisher auf Kleinsender wie Super RTL oder 3sat beschränkte. Das waren dann aber oft Kultsendungen wie Alles nichts oder?! oder die ZDF-Hitparade. Und selbst dort war das auf Randsendeplätzen. 22.15 Uhr gilt heute eigentlich noch als Primetime. Und Sat.1 scheint schlicht irgendwas zu senden.

Vielleicht arbeitet Sat.1 aber auch nur hartnäckig daran, endlich ebenfalls als Kleinsender zu gelten.

Das „Hörzu“-Jodeldiplom

Soeben erreicht uns folgender Hilferuf des bekennenden Fernsehzuschauers Bastian Pastewka:

Ich habe mich gestern wie so oft als letzter lebender Deutscher ausgiebig mit der HÖRZU beschäftigt, nach wie vor meine Lieblingszeitung und nicht zu schlagen, wenn es um die Ausführlichkeit geht. So weit, so uninteressant.

Ich habe jedoch mit einem Mal einen fast zweistündigen Diskurs mit meiner Freundin und wiederum ihrer Freundin über die Bedeutung eines Hinweises, den die HÖRZU auf Seite 31 ihres neuesten Heftes (Nummer 35, die mit der grinsenden Frau drauf, Top-Thema: „Gesund durch Fröhlichkeit“) gibt, geführt.

Wie ihr seht, mag ich Bandwurmsätze; aber das, was dort steht, hätte selbst ich nicht zustande gekriegt, vielleicht auch, weil weder ich noch meine Freunde den dort stehenden Satz begreifen.

Die Überschrift bezieht sich auf eine ZDF-Sendung, die am SA, 30.8. um 20.15h laufen wird. Sie lautet (tatsächlich) GRAND PRIX DER VOLKSMUSIK 2008 – STADIONJODELN IN ZÜRICH.

Darunter folgender Text:

Live! Finale! - Mit

Bitte helft mir. Ihr seid Journalisten oder so was und könnt mir fachlich bestätigen, daß hier mehrere Sätze aufs Schlimmste miteinander kollidiert sind. Kleiner Tipp: Ich habe bereits einen Teil des Rätsels lösen können (da die HÖRZU ja auf der nächsten Seite weitere Infos gibt): Der „23. Bergkristall“ ist natürlich der Name eines Preises und „Oesch’s die Dritten“ eine Schweizer Jodelgruppe. Das ist also ein Eigenname, der nichts mit ihrer Platzierung oder ähnlichem zu tun hat. Aber sie sind kein Quartett.

Und sagt mir, daß man eine Karte FÜR etwas zieht, nicht UM etwas. Und sagt mir, daß 4 Gruppen aus der Schweiz, die in dieser Knallershow gegen je weitere 4 aus Deutschland, Südtirol bzw. Österreich antreten, vielleicht — ich sage ausdrücklich vielleicht — das erwähnte Quartett sein könnten, aber daß sie hierfür ihre Karte längst geZOGEN haben müssten, nicht erst ZIEHEN werden.

Bitte helft mir, bevor ich der HÖRZU schreibe!

Wer kann dem Mann helfen?

Das Ärgernis der Serienmörderserie

Dexter Morgan (Michael C. Hall) ist ein Serienkiller, der Serienkiller umbringt. Tagsüber arbeitet er in Miami bei der Polizei und entwickelt aus Blutspritzern am Tatort ganze Täterprofile. Nachts lockt er die Bösen in einen Hinterhalt, entnimmt ihnen eine Blutprobe für seine Sammlung und testet die komplette Black&Decker-Produktfamilie an ihren Körperteilen. Er ist besessen von Blut, empfindet keine Gefühle, ist aber ein Meister darin, sie vorzutäuschen. Töten muss er, weil er als kleines Kind ein traumatisches Erlebnis hatte.


Foto: RTL 2

In den USA ist gerade die dritte Staffel von Dexter angelaufen, RTL 2 zeigt von heute an immer montags (am „unmoralischen Montag“) die ersten zwölf Folgen der Krimiserie, die provozierend gemeint und außerordentlich ärgerlich ist.

Das Problem von Dexter besteht nicht darin, einen sympathischen Serienmörder zu zeigen. Im Gegenteil, das hätte ich gerne gesehen: Eine Serie über einen freundlichen, witzigen, charmanten und intelligenten Menschen, der nebenbei, aus Boshaftigkeit, Gier oder Machtwillen, jedenfalls ohne Moral, Leute umbringt. Eine Serie, die mich als Zuschauer verwirrt, weil ich mich fragen muss, wie jemand, der so sympathisch ist, so böse sein kann, und jemand, der so böse ist, so sympathisch. Das wäre interessantes Dilemma gewesen.

Das Problem von Dexter besteht darin, einen nützlichen Serienmörder zu zeigen. Dass Dexter der Gesellschaft einen Gefallen tut, indem er die schlimmsten Verbrecher beseitigt, die sonst womöglich entkommen würden, steht für die Serie außer Frage. Dexter ist ein guter Serienmörder. Er ist so anständig gewesen, trotz seines psychischen Defekts zu versprechen, nur die Leute hinzumetzeln, die es „verdient“ haben. Beunruhigend und abstoßend ist für die Zuschauer nur, mit welchem Genuss, welchem kalten Sadismus er seine Morde zelebriert. Aber dass er die Welt von diesen Monstern befreit, ist an sich vergleichsweise unproblematisch. Die Welt wäre eine bessere Welt, sagt die Serie, wenn es mehr solche Serienmörder gäbe.

Das ist aber für mich kein interessantes Dilemma, sondern eine abstoßende politische Botschaft. Sie erklärt nicht nur – wieder einmal – den Rechtsstaat für lästigen Ballast, der Gerechtigkeit verhindert statt ermöglicht. Sie geht auch, ohne großes Tamtam, davon aus, dass es Menschen gibt, die den Tod verdient haben, Menschen, die nicht als Menschen zu behandeln sind.

Nun kann eine Serie, trotz einer solchen Ideologie, künstlerisch faszinieren — und im besten (und schlechtesten) Fall einen Sog entwickeln, dem man sich nicht entziehen kann, so sehr man sich dagegen sträubt. Die Macher von Dexter waren aber offensichtlich so besoffen davon, wie mutig und spektakulär ihre Grundkonstellation vom Serienkiller als Held ist, dass sie sich keine Mühe mehr gaben, gute Geschichten zu entwickeln, gute Dialoge zu schreiben, vielschichtige Charaktere zu zeigen. Dexter ist von einer erschütternden Schlichtheit, die von Blut und abgetrennten Körperteilen notdürftig überdeckt wird. Alles, auch das Offensichtlichste, wird erklärt und von Dexter in endlosen Monologen ausgesprochen. Es gibt kein Geheimnis. Nicht einmal die Pilotfolge lang dürfen wir rätseln, was es mit Dexter auf sich hat. Selbst der Kodex, den ihm sein Adoptivvater Harry mit auf den Weg gegeben hat, wird schon in einer Rückblende mitsamt der ganzen Serienmoral erklärt:

Harry: Mein Sohn, es gibt Leute, da draußen, die ganz schlimme Dinge tun. Schreckliche Leute. Und die Polizei kann sie nicht alle fangen. Verstehst du, was ich sagen will?
Dexter: Du meinst, sie verdienen es?
Harry: Genau. Aber natürlich musst du lernen, wie du sie erkennst. Wie du deine Spuren verwischt.
Dexter: Vater…
Harry: Es ist okay, Dex. Du kannst nichts dafür, was mit dir passiert. Aber du kannst das beste daraus machen.

So schlicht ist das. So schlicht ist nicht nur die Moral. So schlicht ist auch die Erzählweise, dass das alles gleich am Anfang ausgesprochen und erklärt werden muss. Und so schlicht sind auch die Fälle.

In der ersten Folge ist Dexter einem Mann auf der Spur, der verdächtigt wird, eine Frau umgebracht zu haben. Und weil wir sonst das womöglich nicht schlimm genug finden könnten (und als Anspielung auf einer spätere, sehr unüberraschende Erklärung dafür, warum Dexter selbst so emotional beschädigt ist) blättert er in einer Mappe mit den Fotos von den Kindern der Frau und erzählt uns, dass diese Halbweisen nun für ihr Leben lang emotional beschädigt seien.

Der Mann ist schuldig, aber wegen irgendeiner lächerlichen Formalie auf freiem Fuß. Und wie überführt ihn Dexter? Er bricht in sein Haus ein. Er findet dort eine Kamera und ein SM-Magazin, in dem der Täter die Anzeige für ein Portal mit Snuff-Filmen praktischerweise rot eingekringelt hat. Er geht auf die Website, guckt sich den Snuff-Film an und sieht, dass der Täter darin dasselbe Tattoo hat wie der Verdächtige. Das ist es. Er ist es definitiv. Und Dexter erklärt uns: „Das ist es. Er ist es definitiv.“

Das ist mir zu blöd. Dafür muss man sich nicht einmal über Moral und Ideologie der Serie unterhalten – wenn sie als reiner Krimi schon so versagt, weil sie so unterkomplex, unlogisch, dämlich daherkommt.

Selbst bei dem großen Fall, der sich über die ganze erste Staffel erstreckt, dem Killer, der Dexter durchschaut hat und zu einem Duell herausfordert, der genau so zu ticken scheint wie er, dieselbe Faszination für Blut zu haben scheint, ist die Auflösung, wer dieser Dexter so seelenverwandt scheinende Täter ist, exakt die, die Ihnen jetzt einfallen würde, wenn Sie 30 Sekunden darüber nachdenken.

Dexter ist doppelt ärgerlich: moralisch und künstlerisch, als Botschaft und als Krimi.

Dexter, von heute an montags, 22.55 Uhr, RTL 2.

Das Alten-Team

Schlimm, wenn sich das Publikum einfach verweigert. RTL, Sat.1, ProSieben, RTL2… ach was: Alle Fernsehsender mussten in den vergangenen Tagen und Wochen erleben, wie Formate scheiterten, auf denen große Hoffnungen ruhten: Familienhilfe mit Herz, Verdammt lange her – Das Wiedersehen, Das große Promi-Pilgern, Der Requardt… wie viel Zeit haben Sie? Das betraf vor allem das Nachmittags- und Vorabendprogramm. Es scheint fast, als lehnten die Zuschauer Neues pauschal ab.

RTL2 zieht daraus als Erster die Konsequenz und versucht es erst gar nicht mehr. Jeden Werktag um 19.00 Uhr soll ab Mitte November das antike A-Team laufen, bei dem das A für „Allzweck“ steht. Samstags funktioniert das schon hervorragend, oder sonntags mittags bei RTL.

Und schon regt sich in mir die Hoffnung, dass inzwischen alle Ratlosen zufriedengecoacht und alle Dokumentationswilligen durchdokumentiert wurden und sich diese Genres wieder auf ein normales Maß reduzieren. Dann könnten wieder Sendungen gezeigt werden, für die jemand Drehbücher und Texte schrieb, bevor die Kamera draufhielt.

Im RTL-Archiv ruhen zum Beispiel 300 Folgen Law & Order, die zum Teil seit zehn Jahren nicht gezeigt wurden und problemlos einen täglichen Sendeplatz füllen könnten. ProSieben hat mit Charmed — Zauberhafte Hexen schon vorgemacht, dass man mit Kram, der sowieso rumliegt, ordentliche Quoten im Werktagsnachmittagsprogramm holen kann.

So alt oder albern manche fiktionalen Serien auch sein mögen, es sind Programme, für die sich jemand Mühe gab, damit sie unterhaltsam wurden, bevor sie ins Fernsehen kamen. Anscheinend erkennen jetzt die ersten Zuschauer, und vielleicht bald sogar die ersten Sender, dass nicht grundsätzlich alles unterhaltsam ist, nur weil es im Fernsehen kommt.

Das deutsche Fernsehen wird 60 — Warum es gescheitert ist

Heute vor 60 Jahren begann das Fernsehen in Deutschland mit der Ausstrahlung von regelmäßigem Programm. Wann es wieder damit aufgehört hat, kann nicht exakt rekonstruiert werden.

Das Fernsehen in Deutschland hat seine besten Zeiten hinter sich. Es ist allerdings nicht mehr ein Auslaufmodell als Zeitungen auf Papier. Es wird es lange geben. Dass es sich Diskussionen über seine Zukunft gefallen lassen muss, hat es sich auch selbst zuzusschreiben.

Denn die Frage nach der Henne und dem Ei stellt sich auch beim Fernsehen. Was war zuerst da? Die technische Möglichkeit, unabhängig vom ausgestrahlten Programm seine Lieblingssendungen ansehen zu können wann und wo man will? Oder war die Motivation, diese technischen Möglichkeiten zu schaffen, getrieben vom unzureichenden Programmangebot?

Das deutsche Fernsehen tut seit langer Zeit viel dafür, es sich mit seinen Zuschauern zu verscherzen. Und das hat viel mit der eingangs angesprochenen Regelmäßigkeit zu tun. Denn Verlass ist auf das Fernsehen nicht. Wann weiß man schon noch mit Sicherheit, wann etwas kommt? Die Tagesschau immer um 20.00 Uhr. Der Tatort immer sonntags um 20.15 Uhr. Two And A Half Men immer. Aber das war’s doch. Selbst die Nachrichtenmagazine Tagesthemen und heute-journal kommen höchstens noch viermal die Woche zur eigentlichen Zeit.

Serienfans sind am meisten gebeutelt. Serien werden gestartet und abgesetzt, kurzfristig auf abwegigen Sendeplätzen versteckt oder in willkürlicher Reihenfolge gezeigt. Oder einfach gar nicht. Sogar Vox, bisher der verlässlichste Sender, überspringt nun die 2. Hälfte der 12. Staffel der Serie Law & Order: Special Victims Unit und damit einen relevanten Handlungsstrang, der zur Auswechslung des Hauptdarstellers führt, und macht gleich bei Staffel 13 weiter. Andere Sender handhaben ihre Ausstrahlungspraxis längst ähnlich, einfach weil es offenbar egal ist. Da ist es doch kein Wunder, wenn Zuschauer, die sich wirklich für die Programme interessieren, auf das Internet oder DVDs ausweichen.

Die Zuschauer, denen es nur darauf ankommt, dass die Glotze läuft, denen das ausgestrahlte Programm aber egal ist, wird das Fernsehen immer behalten. Und damit sind sie in guter Gesellschaft. Denn den Machern ist das Programm ja auch egal. Würden sie andernfalls so lieblos mit ihren eigenen Sendungen umghen?

Es geht nicht nur um die Reihenfolge und die Sendeplätze. Es geht um die Behandlung jeder einzelnen Sendung. Werbeunterbrechungen werden an beliebigen Stellen ins Programm gerotzt, gern mitten in eine Szene und mitten in einen Dialog hinein. Jegliche Dramaturgie geht dabei flöten.

Dass Fernsehsendungen überhaupt von Werbung unterbrochen werden, ist nicht das Problem. Irgendwie muss das Programm schließlich finanziert werden. Das Problem ist, wie dies geschieht. Wenn ich in den USA Serien sehe, werden diese zwar noch häufiger unterbrochen als bei uns, aber es nervt weniger. Denn die Serien sind wie ein Theaterstück in mehrere Akte unterteilt, und am Ende eines Akts gibt es womöglich sogar so etwas wie einen Cliffhanger und dann die Pause. Das deutsche Fernsehen setzt seine Werbeblöcke bei US-Produktionen aber nicht an diese dafür vorgesehenen Stellen, sondern einfach irgendwohin. Darauf angesprochen, erklären die Sender einhellig, die deutschen Werberichtlinien ließen es nicht zu, die Werbung an diesen Stellen zu platzieren. Das ist Quatsch. Es zwingt die Deutschen ja niemand dazu, an allen dieser Stellen Werbung zu platzieren. De facto sind die Positionen der zweiten und vierten Unterbrechung in einer amerikanischen TV-Stunde nahezu identisch mit den den Positionen der ersten und zweiten Unterbrechung bei uns. Nahezu. Will man uns beim Privatfernsehen ernsthaft erzählen, es gebe keinen Spielraum für ein Verschiebung der Blöcke um 30 bis 120 Sekunden? Das wäre seltsam, denn immer wenn die Platzierung der Werbeblöcke exakt an das starke Konkurrenzprogramm im anderen Sender angepasst wird, scheint das kein Problem zu sein.

Es geht außerdem um die Eindeutschung ausländischer Produktionen, mit der oft Übersetzer und Autoren beauftragt sind, denen diese Produktionen selbst, ihr Umfeld und Anlass nicht geläufig sind – oder auch wieder schlicht egal. Die Simpsons wurden fünfzehn Jahre lang von jemandem übersetzt, der die Gags nicht verstannd und sie deshalb in der deutschen Fassung verschwinden ließ. Dr. House wurde von jemandem übersetzt, der die Serie vielleicht nicht einmal sah. Im Serienfinale, das RTL im Dezember zeigte, schlossen die Autoren einen Kreis. Zu Beginn der Pilotfolge hatte House den Krebs einer Patientin als langweilig abgetan. Damit wurde House als jemand eingeführt, der knifflige Rätsel liebt, der medizinisch herausgefordert werden will. Krebs vermag das nicht. „Sie hat Krebs. Sie wird sterben. Langweilig“. Am Ende der letzten Folge bricht House mit seinem an Krebs erkrankten Freund Wilson ins Abenteuer auf Motorrädern auf, um dessen letzte Monate auszukosten. Als Wilson noch einmal auf seinen Krebs zu sprechen kommen will, fährt House ihm über den Mund und sagt: „Krebs ist langweilig“. Es sind die letzten Worte in der Serie. Aber nur im Original. In der deutschen Fassung sagt House: „Scheiß auf den.“ Das mag sinngemäß ähnlich sein, spannt aber nicht den Bogen zurück zum Serienanfang. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber solche Details machen viel vom Reiz einer Serie aus. Sonst könnte man auch gleich wieder Ansagerinnen Inhaltsangaben verlesen lassen und müsste die Sendungen selbst gar nicht zeigen.

All dies sind keine Auswüchse des heutigen Privatfernsehens. Früher war nicht alles besser: Auch früher wurden die meisten Serien und von den anderen Serien die meisten Folgen den Zuschauern vorenthalten. Wir haben es nur nicht gemerkt, es gab ja noch kein Internet. Aber wenn ARD oder ZDF in den 1960er-Jahren 13 oder 26 Folgen einer Serie gezeigt hatten, war es meist genug, zum Beispiel bei Auf der Flucht oder Ihr Auftritt, Al Mundy. Ob dann noch hunderte Folgen übrig waren, spielte keine Rolle. Selbst von der 80er-Jahre-Kultserie Ein Colt für alle Fälle wurden bis heute mehr als ein Dutzend Folgen in Deutschland nie gezeigt, von Rauchende Colts fehlen uns etwa 400.

Auch Synchronfassungen hatten damals nur bedingt mit dem Original zu tun. Der Synchronautor Rainer Brandt ergänzte Die 2 im ZDF um viele neue Gags, was ihm allgemein und fälschlerweise den Ruf einbrachte, die Serie dadurch und nur in Deutschland zu einem Erfolg gemacht zu haben. Tatsächlich ließ er in ähnlichem Maße Gags weg und ersetzte den subtilen, hintergründigen Humor der Originaltonfassung mit deutschen Holzhammer-Sprüchen, wie er sie auch in die Filme mit Terence Hill und Bud Spencer einbaute. Die ARD schnitt aus jeder Folge von Magnum mehrere Minuten raus und brachte sie damit nicht nur auf die 45 Minuten Länge, die sie der Serie wöchentlich zubilligten, sondern entfernten aus der Biografie der Hauptfigur die komplette Vietnam-Vergangenheit. Aus Columbo wurden noch größere Stücke entfernt, damit man die Reihe zeitlich im Vorabendprogramm unterbringen konnte. Die niederländische Serie Das Geheimnis des siebten Weges konnte nach 1994 nirgendwo mehr wiederholt werden, weil der SWF sie weggeworfen und damit die deutsche Fassung vernichtet hatte. So scheint es also, als habe das deutsche Fernsehen seine Zuschauer noch nie ernstgenommen, nicht erst neuerdings.

Hat das Fernsehen also noch eine Zukunft? Selbst macht es zumindest keine Anstalten, auch nur den Anschein zu erwecken. Wo investiert das Fernsehen denn noch in die Formate von morgen? Wo bemüht es sich denn, etwas Neues zu schaffen, mit dem man zumindest über das nächste Jahrzehnt kommen könnte, statt immer und immer wieder das Bestehende wiederzukäuen, weil man damit ja immerhin noch über das nächste Jahr kommt, und dann kann man ja weitersehen?

Weder beim öffentlich-rechtlichen noch im privaten Fernsehen finden sich Macher, die ein Gefühl für Fernsehen haben und nicht nur kalkulierend die sichere Bank einfordern. Produzenten haben kaum eine Chance, für ein neues, innovatives Format einen Abnehmer zu finden. Dagegen ist die Chance groß, wenn es sich um ein Überflieger-Format aus dem Ausland handelt, oder noch besser: um ein Format, das es in ähnlicher Form sogar in Deutschland schon gibt und die Zuschauerresonanz deshalb absehbar ist. Aus diesem Grund gab es so lange überall Quizsendungen, bis die Quoten einbrachen, weil die Übersättigung eingetreten war. Ebenso lief es mit Talk- und Gerichtsshows. Mit amerikanischen Forensik-Serien. Derzeit erleben die Castingshows den kollektiven Quotenrückgang, weil es einfach zu viele von ihnen gibt. Und bei den Sendern verzweifelt man, weil man auf die Zeit danach nicht vorbereitet ist. Dazu hätte man ja mal was Neues ausprobieren müssen. Alle warten nur darauf, dass jemand anderem mal ein Zufallstreffer gelingt, damit sie den dann kopieren können.

Das Personal, das zur Präsentation dieser Sendungen verpflichtet wird, wirkt ebenfalls nicht wie eine Investition in die Zukunft. Einzig und ausgerechnet RTL hat in den vergangenen Jahren mit Daniel Hartwich einen Newcomer systematisch gefördert und aufgebaut. Die Öffentlich-Rechtlichen hätten diese Möglichkeit auch. In den dritten Programmen und den Digitalkanälen gibt es talentierte junge Leute. Aber niemand traut sich, sie auf ein großes Publikum loszulassen. So hat das ZDF zum Beispiel Joko & Klaas verloren. Bei der ARD hat man gar keine Zeit, den eigenen Nachwuchs zu sichten, weil man viel zu beschäftigt damit ist, eine Verwendung für vielsprechende junge Neueinkäufe wie Thomas Gottschalk zu finden.

Einer der Gründe, warum hier im Blog so wenig passiert, ist, dass ich es schlicht kaum noch ertragen kann, mir das Fernsehprogramm anzusehen, über das ich dann schreiben würde. Es langweilt mich, mir sogenannte „neue“ Showideen anzusehen, die erstens nur eine Abwandlung von Bewährtem sind und zweitens so stromlinienförmig, dass es schwerfällt, überhaupt eine Meinung zu entwickeln. Es nervt mich, neue Serien zu besprechen, die dann doch nur maximal sechs Wochen im Programm sind und dann abgesetzt werden. Und es kotzt mich an, aus dem Genuss einer Sendung rüde herausgerissen zu werden, weil mitten in der Szene die Werbung kommt, ein Programmhinweis eingeblendet wird oder die sentimentale Schlussszene abgerissen wird, weil der Splitscreen-Abspann mich auf den nächsten Blockbuster hinweist.

Ich gucke weiter meine Lieblingsserien auf DVD oder Festplatte, gucke die heute-show in der ZDF-Mediathek oder sogar manchmal im Fernsehen, und ich gucke Schlag den Raab zeitversetzt vom Festplattenrekorder und hole auf diese Weise meistens nach spätestens zwei Stunden die TV-Ausstrahlung ein. Damit hat sich mein TV-Konsum aber auch schon. Ich informiere mich über Nachrichtenportale im Internet, Deutschlandradio Kultur und für ausführlichere Hintergründe gelegentlich mit dem Blick in gedruckte Zeitungen. Ich gucke was ich will und wann ich es will. Manchmal entdecke ich durch Zufall eine der Dokumentationen, die die ARD zeigt, wenn alle im Bett sind, und sehe sie dann später. Das Fernsehprogramm spielt für mich kaum noch eine Rolle.

Für mich ist es deshalb nicht so, dass das Fernsehen in seiner jetzigen Form keine Zukunft hat. Es hat längst keine Gegenwart mehr.

 

Das doppelte Voxchen

Der von mir sehr verehrte Sender Vox, der im vergangenen Jahr im Wesentlichen alles richtig gemacht hat, hat eine sehr interessante Programmierungsstrategie für seine Spätfilme entdeckt. Der Film, der sonntags gegen 22.00 Uhr beginnt, kommt ab sofort direkt im Anschluss noch mal. Ohne irgendwas anderes dazwischen. Zum besseren Verständnis: Vox zeigt zweimal sofort hintereinander denselben Film. Einerseits ist das eine ziemlich plumpe Variante, Sendezeit zu füllen, andererseits muss derjenige, der zufällig mitten im Film hineingerät, gefesselt ist und ihn gern komplett sehen würde, nicht lange darauf warten, dass er endlich mal wiederholt wird (im konkreten Fall dieser Woche, „The Crow — Die Rache der Krähe“, ist dieses Verlangen allerdings nicht sehr wahrscheinlich). Wiederum andererseits hat er dann aber gerade vor dem Beginn des Films schon gesehen, wie er ausgeht. Und trotzdem ist das vielleicht die Lösung für das Problem, kompatible Sendungen zu finden, die ein ähnliches Publikum ansprechen, um den audience flow zu verbessern. Ähnlicher geht’s nämlich nicht mehr.

Sie merken, ich weiß noch nicht, ob ich diese Programmplanung blöd oder genial finden soll. Zumindest finde ich sie so absurd, dass ich sie einfach noch ein paar Mal in unterschiedlichen Formulierungen aufschreiben werde, um sie fassen zu können. Also dann: Vox zeigt jetzt sonntags zweimal hintereinander denselben Film. Der Vox-Spätfilm am Sonntag fängt anschließend sofort wieder von vorn an. Vox wiederholt seinen Sonntagsspätfilm direkt nach dem Sonntagsspätfilm. Wenn der Sonntagsspätfilm bei Vox zu Ende ist, fängt er wieder an. Der Sonntagsspätfilm bei Vox kommt anschließend gleich noch mal. Vox bringt also zweimal direkt hintereinander dasselbe! Wenn das jeder machen würde…

Das doppelte Voxchen

Der von mir sehr verehrte Sender Vox, der im vergangenen Jahr im Wesentlichen alles richtig gemacht hat, hat eine sehr interessante Programmierungsstrategie für seine Spätfilme entdeckt. Der Film, der sonntags gegen 22.00 Uhr beginnt, kommt ab sofort direkt im Anschluss noch mal. Ohne irgendwas anderes dazwischen. Zum besseren Verständnis: Vox zeigt zweimal sofort hintereinander denselben Film. Einerseits ist das eine ziemlich plumpe Variante, Sendezeit zu füllen, andererseits muss derjenige, der zufällig mitten im Film hineingerät, gefesselt ist und ihn gern komplett sehen würde, nicht lange darauf warten, dass er endlich mal wiederholt wird (im konkreten Fall dieser Woche, „The Crow — Die Rache der Krähe“, ist dieses Verlangen allerdings nicht sehr wahrscheinlich). Wiederum andererseits hat er dann aber gerade vor dem Beginn des Films schon gesehen, wie er ausgeht. Und trotzdem ist das vielleicht die Lösung für das Problem, kompatible Sendungen zu finden, die ein ähnliches Publikum ansprechen, um den audience flow zu verbessern. Ähnlicher geht’s nämlich nicht mehr.

Sie merken, ich weiß noch nicht, ob ich diese Programmplanung blöd oder genial finden soll. Zumindest finde ich sie so absurd, dass ich sie einfach noch ein paar Mal in unterschiedlichen Formulierungen aufschreiben werde, um sie fassen zu können. Also dann: Vox zeigt jetzt sonntags zweimal hintereinander denselben Film. Der Vox-Spätfilm am Sonntag fängt anschließend sofort wieder von vorn an. Vox wiederholt seinen Sonntagsspätfilm direkt nach dem Sonntagsspätfilm. Wenn der Sonntagsspätfilm bei Vox zu Ende ist, fängt er wieder an. Der Sonntagsspätfilm bei Vox kommt anschließend gleich noch mal. Vox bringt also zweimal direkt hintereinander dasselbe! Wenn das jeder machen würde…

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