Wir hatten ja damals nur das ZDF. Woher hätte das Privatfernsehen wissen sollen, als es nach Jahren der Ausstrahlung von US-Serien damit begann, eigene Serien zu produzieren, wie man das zielgruppengerecht macht? Zwar gab es im Vorabendprogramm der ARD ein paar ganz flotte deutsche Serien, aber das war damals noch durchregionalisiert und in winziger Schrift in den Programmzeitschriften abgedruckt, weil in jedem Bundesland andere Serien zu anderen Zeiten liefen – wer sollte da durchblicken? Also schaute man zum ZDF. Dort spielten die Serien in der Regel vor grüner Idylle in heiler Welt, die auf den zweiten Blick enorm problembeladen war, und die Hauptfiguren waren entweder Ärzte oder Urlauber. Deshalb sahen zunächst auch alle Eigenproduktionen des Privatfernsehens so aus: Ein Schloss am Wörthersee, Almenrausch und Pulverschnee oder Der Bergdoktor. Letzterer war sogar schon im Titel eine dreiste Abwandlung einer ZDF-Serie, nur wurde aus dem Land ein Berg und aus dem Arzt ein Doktor.
Es dauerte einige Zeit, bis die Sender bemerkten, was sie sich eingebrockt hatten: Wenn man ZDF-Serien dreht, sehen ZDF-Zuschauer zu. Das war anfangs sogar ganz toll, denn das waren viele, doch dann erfand das Privatfernsehen in den 90er-Jahren grundlos die „werberelevante Zielgruppe“ und wollte in Zukunft lieber auf den Bergdoktor und dessen Sponsor Doppelherz verzichten.
Der Bergdoktor aber sah einer ZDF-Serie so sehr zum verwechseln ähnlich, dass selbst das ZDF ihn für seine eigene Produktion hielt und die Serie im Jahr 2000 versehentlich ausstrahlte. Es war das erste Mal, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender eine Eigenproduktion eines Privatsenders wiederholte. Die ARD zog im nächsten Jahr nach und wiederholte das alte RTL-Schloss am Wörthersee.
Jetzt schließt sich der Kreis. 18 Jahre nachdem die Privatsender damit anfingen, deutsche Serien zu zeigen, haben sie wieder damit aufgehört, und ihre alten Produktionen werden einfach von den Öffentlich-Rechtlichen fortgesetzt. Das ZDF zeigt ab heute ganz neue Folgen des Bergdoktors, die zwar mit den alten wenig zu tun haben, aber dafür unfassbar altbacken wirken.
Bergvolk und ZDF-Zuschauern kann man offenbar noch weismachen, dass es keine Handys gibt und eine Überfahrt von New York nach Österreich fast eine Woche dauert. Der neue Bergdoktor kommt aus New York in seinem Heimatkaff an und platzt in die Beerdigung seiner Jugendliebe und Schwägerin, die mindestens fünf Tage zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Davon wusste er noch nichts, denn als man versucht hatte, ihn in New York zu erreichen, war er bereits abgereist! Diese Jugendliebe übrigens hatte damals, nachdem er in die USA ausgewandert war, einfach seinen Bruder geheiratet. Willkommen zurück in den 50er-Jahren! Jeden Moment glaubt man, gleich kommt Beppo Brem ums Eck.
Die Serie spielt in einer klischeehaften und komplett humorfreien Welt voller Probleme, Verwicklungen, Anstrengung, Schwermut, Tod, Drama und Seife, in der elfjährige Kinder Sätze sagen wie: „Ich war so wütend und verwirrt.“ Und da sind die schlimmen Krankheiten, die die Episodengeschichten bestimmen, noch gar nicht inbegriffen. Der neue Bergdoktor schafft es, seicht zu sein, ohne leicht zu sein. Weil im Rest des ZDF-Programms neben einigen moderner anmutenden Serien aber immer noch dieselben Wald-und-Wiesen-Serien wie vor zwanzig Jahren laufen, namentlich Der Landarzt und Forsthaus Falkenau, fügt sich Der Bergdoktor ganz gut ein.
Der Bergdoktor, donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF.