Bäumchen voxel dich

Tach Vox,

ich habe gelesen, dass Ihr schon wieder das Nachmittagsprogramm ändern wollt. Das wäre dann schon das dritte oder vierte Mal in diesem Quartal. (Wer zählt schon genau mit?) Ein paar zusätzliche Auswanderer sollen einwandern. Allmählich kommen die Umschwünge in einer Schlagzahl wie bei… nun ja: jedem anderen Sender. Nur weil ein paar Marktanteile nach kurzer Zeit noch nicht optimal sind. Quasi wie bei… richtig: jedem anderen Sender! Aha! (Stellt sich schon jemand die Frage nach Ursache und Wirkung? Bisher jedenfalls bei keinem anderen Sender. Ich dachte, Vox sei anders.)

Vergesst mal nicht, warum Ihr ein ganz Großer unter den Kleinen geworden seid und der einzige Sender ohne nennenswerte Flops. Es liegt nicht nur an den vielen tollen Sendungen, die Ihr zweifelsfrei im Programm habt (mittlerweile überwiegend außerhalb des Nachmittags), sondern vor allem an Verlässlichkeit, Geduld, Ruhe und Vielfalt.

Das nur so am Rande.

Schöne Grüße und einen guten Rutsch. Oder besser: ein sanftes Gleiten.

Baby One More Time

Ist die frühere Co-Moderatorin von Deutschland sucht den Superstar, Tooske Ragas, jetzt eigentlich immer schwanger, oder wurde die sowieso gefeuert?

Und warum ist die Forschung noch nicht weit genug fortgeschritten, dass auch Marco Schreyl schwanger werden könnte?

Foto: RTL

Ein Bild aus glücklichen Tagen von früher.

Badass Wombels

Die Wombels haben schon einiges erlebt in den letzten 40 Jahren. Erfunden von Elisabeth Beresford für eine Kinderbuchreihe schafften es die spitznasigen Flauschzottel ins Fernsehen und eroberten das Herz von jedem, der sie sah — in Deutschland nicht zuletzt dank Dieter Hallervorden, der ihnen seine Stimme lieh. Die Wombels waren als Pausenact beim Eurovision Song Contest 1974 dabei, kamen mit einem Weihnachtslied fast auf den ersten Platz der britischen Charts, wombelten in einem eigenen Kinofilm und erlebten Ende der neunziger Jahre sogar ein Comeback im Fernsehen.

Jetzt sind sie in Großbritannien wieder aufgetaucht — als Mahnmal gegen die Amerikanisierung des britischen Kinderfernsehens. Nur ein Prozent der neuen Programme werde in Großbritannien produziert, behauptet eine Vereinigung namens Producers Alliance for Cinema and Television (PACT) und fordert „die Wombels in der Regierung“ auf, dafür zu sorgen, dass wieder britisches Fernsehen für britische Kinder gemacht wird.

Um das Volk aufzurütteln, haben sie einen Clip produziert, der zeigt, wie die Wombels aussehen würden, wenn sie in den USA produziert worden wären — Slang und Konservengelächter inklusive. Schockierend!

Bahn frei!

Die ersten Reaktionen auf das Rücktrittsangebot von Bahnchef Mehdorn sind verhaltener als erwartet.

Balder will blau machen

Was dem deutschen  Fernsehen seit dem Ende des Blauen Bocks und der Fröhlichen Weinrunde fehlt, ist eine ordentliche Saufshow.

Verschiedene Medien berichten heute über Hugo Egon Balders Idee eines Fernsehgelages, bei dem Prominente über politische Themen diskutieren und sich währenddessen volllaufen lassen, für das er aber noch keinen Sender als Abnehmer gefunden habe.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Balder sich nicht einfach im Gespräch mit der Heftbeilage „Stern TV-Magazin“ einen Scherz erlaubt hat, über den jetzt alle ganz ernst berichten. Seine Idee des Sendetitels, „Der Klügere kippt nach“, geistert als Wortwitz zumindest schon seit Jahrzehnten über Comedybühnen.

Ich bin mir aber auch unsicher, warum Sender zögern sollten, die Show zu kaufen. Womöglich haben sie Angst, dass die Marktanteile nur die 0,5-Promille-Grenze erreichen. Aber immerhin lief das Konzept bereits erfolgreich 35 Jahre lang unter dem Namen Der internationale Frühschoppen.

Ballgefühl

Symbolisiert irgendetwas den Zustand von Sat.1 besser als dieser Ball?

Balsambaumgewächse


Fotos: RTL2

Das deutsche Fernsehen misst mit seltsamen Maßstäben. Die hervorragende US-Politserie The West Wing zeigte es nicht, weil man eine Serie, die im Weißen Haus spielte, deutschen Zuschauern nicht vermitteln könne. Die mittelmäßige US-Politserie Welcome Mrs. President, die im Weißen Haus spielte, zeigte es.

David E. Kelleys Anwaltsserie Practice — Die Anwälte brach das deutsche Fernsehen zwar an, aber auch ab, und nie wieder ward im Free-TV von ihr gehört. Stattdessen wurde gleich David E. Kelleys Fortsetzung Boston Legal gezeigt, die Practice mit einigen (den US-Zuschauern) bekannten Charakteren weiterführte.

Die großartige Thrillerserie 24 war beim kleinen Sender RTL2 mit jeder Staffel weniger erfolgreich, da kaufte der größere Konkurrent ProSieben die Rechte und zeigte voller Stolz die sechste und gleichzeitig erste schlechte Staffel der Serie. Überraschend ohne großen Erfolg.

Ebenfalls bei ProSieben floppte die britische Kultserie Doctor Who sogar im Nachmittagsprogramm. Nach deutscher Logik sollte sich der Spin-off Torchwood über einen anderen Zeitreisenden, der ebenfalls Außerirdische bekämpft, also fürs Abendprogramm eines anderen Senders geradezu aufdrängen. Na dann. Heute geht’s los.

In der ersten Folge beißt ein sabbernder Außerirdischer mit einer hässlichen Fratze einen armen Krankenhausmitarbeiter tot, und das Blut spritzt meterweit. In der zweiten Folge wird eine junge Frau von einem sexbesessenen Alien befallen, das sich von Orgasmen ernährt, und die Männer, mit denen es Sex hatte, zerfallen zu Staub. Würde die gebührenfinanzierte ARD eine solche Trashserie produzieren, gäbe es einen großen Aufschrei anlässlich des erneuten Untergangs des Abendlandes und des weiteren Niveauabfalls, für den unser Geld verschwendet würde. Produziert sie stattdessen die gebührenfinanzierte BBC, gilt sie als Kult. In Deutschland griff RTL2 zu, und das passt ganz gut.

Immerhin wirkt Torchwood nicht halb so billig wie Doctor Who, ist seitens der BBC aber auch nicht für das Nachmittagsprogramm entwickelt worden, sondern für den späteren Abend. Sonst würde das Blut vielleicht weniger weit spritzen. Und immerhin nimmt sie sich und seine Gimmicks nicht so furchtbar ernst. Zum Beispiel den unsichtbaren Aufzug.

Gwen Cooper: Wie funktioniert das?
Captain Jack Harkness: Keine Ahnung. Wir wissen, dass es funktioniert, aber nicht wie. Aber wenn ich raten sollte, dann würde ich sagen dass hier mal ein dimensional-transzendenter Chamäleonschaltkreis bestanden hat, dessen Wahrnehmungsschild punktuell mit einem Raum-Zeit-Riss verschmolzen ist.

Oder die militärischen Kommandos.

Jack Harkness: Standardformation!
Gwen Cooper: Was ist die Standardformation?
Owen Harper: Ändert sich ständig.

Aber schlimmer Trash ist die Serie trotzdem.

Torchwood, mittwochs um 22.05 Uhr bei RTL2.

Barthlängen, ey!

Günther Jauch wusste am Ende von Wer wird Millionär? nicht so genau, wie er die nachfolgende Sendung ankündigen sollte: „Jetzt Mario Barth präsentiert –  die neue Comedyshow mit Mario Barth“. Es klang irgendwie ratlos. Das setzte fort, was mit den ersten Programmankündigungen zur Sendung vor vielen Wochen begonnen hatte. Darin stand auch nicht wesentlich mehr als die Titelzeile. Man dachte wohl: Ach egal, der Barth soll halt irgendwas machen. Die Leute gucken das eh.

Das stimmt bedingt. Seine originelle und auch recht gelungene ProSieben-Show Keine Ahnung?! guckte kaum jemand. Die TV-Ausstrahlung seiner flach-leeren Bühnenprogramme sah halb Deutschland. Insofern war die Marschrichtung für die neue Show klar. Das Programm ist die Bühne. Auf ihr steht Barth und sagt ein paar Sätze, dann kommt schon Gaby Köster und erzählt dem Publikum ein paar Witze über ihre Brüste, dann setzt sie sich auf die Couch zu Barth und erzählt ihm noch ein paar Witze, er ihr auch, dann kommt ein freiwilliger Kandidat aus dem Publikum auf die Couch — der Einzige, der sich gemeldet hat — und macht ein so leeres Gesicht, wie es der Show angemessen ist. Sie spielen gemeinsam „Bumsda“, eine Parodie auf Dingsda, was zwar viele von Mario Barths Fans gar nicht mehr kennen dürften, aber weil im Titel „bums“ vorkommt, finden sie es lustig. Switch Reloaded hätte diese Idee bestimmt toll umgesetzt.

Der nächste Gast ist Ingo Appelt. Zum ersten Mal an diesem Abend spricht jemand hochdeutsch. Gleicher Ablauf wie vorher: Bühnen-Stand-Up, Couchwitze, Spiel mit Kandidaten, das dem goldenen Comedygrundsatz folgt: Verschwendung ist lustig. Drei Neuwagen werden zerstört. Später kommt noch der Koblenzer Komiker Roberto Capitoni und erzählt ein paar Witze, ist aber offenbar nicht berühmt genug, um ebenfalls auf die Couch zu dürfen. Dann wird der Schauspieler Ralf Moeller überfahren.

Werbung. Haha! War nur ein Gag, es geht ihm gut. Der Überraschungseffekt, als Ralf Moeller beim zweiten angekündigten Stuntversuch, in letzter Sekunde vor einem auf ihn zurasenden Auto zur Seite zu springen, stattdessen vom Wagen erfasst wurde, war allerdings gelungen. Zwar auch geschmacklos, aber das darf Humor ruhig sein. Und nachdem sich Mario Barth über das Rauchverbot in öffentlichen Räumen und die Gesetze der deutschen Sprache hinweggesetzt hat („Für die Leute, die jetzt erst zugeschalten haben“), ist die Show auch schon vorbei. Es ist nicht so, dass sie mir kurz vorgekommen wäre, nur, dass so wenig passiert ist.

Eine Erkenntnis müssen wir Zuschauer aus der Show zum Glück nicht gewinnen, denn die rief der dauergutgelaunte Mario Barth mehrfach selbst in den Saal: „Ey, ist die Sendung geil!“

Bastian Pastewka: Keine Sendung für Marcel Reich-Ranicki!

Ein Kommentar von Bastian Pastewka über den Eklat, den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bei der Verleihung des Fernsehpreises auslöste, als er die Annahme des Ehrenpreises ablehnte (wir berichteten).

Marcel Reich-Ranicki hat unrecht. Er hat sich offenbar in einem Anfall von Überforderung zu etwas hinreißen lassen, das ihm selbst schon nach wenigen Minuten aus der Hand glitt. Ich glaube, das Publikum hätte ihn gefeiert, wenn er den Preis nur zögerlich angenommen und den bisherigen Abend mit spitzer Zunge kommentiert hätte. Denn uninspirierte und flache Momente gab es wirklich genug. Das tat Reich-Ranicki jedoch nicht, und deshalb blieb sein Auftritt in erster Linie eines: rätselhaft.

Im Gegensatz zu den Verleihungen des Deutschen Fernsehpreises in den Vorjahren hatte man sich diesmal entschieden, die Zahl der Entertainer unter den Laudatoren deutlich zu reduzieren. Allein Atze Schröder, Ingolf Lück, Ralf Schmitz und das Schweizer Duo „Ohne Rolf“ liefen auf und machten ihre Sache allesamt bestens. Das war es aber auch. Was man sich für die meisten übrigen Kollegen ausgedacht hatte (die aus anderen Fachbereichen kamen, aber mit einem Mal so lässig und witzig sein sollten wie die Entertainer im Saal), führte — wie so oft — zu ratlosen Gesichtern.

Ausdrücklich von der Kritik auszunehmen ist Thomas Gottschalk, der den Abend perfekt meisterte und speziell nach dem Schock durch Marcel Reich-Ranicki zur Höchstform auflief. Man darf nicht vergessen: Um den 88-jährigen Kritiker zu schonen, wurde die Verleihung des Ehrenpreises spontan vorgezogen und ins letzte Drittel des Ablaufs gelegt. Dies geschah offenbar, da Reich-Ranicki sich ausbedungen hatte, nicht bis zum Ende bleiben zu müssen. Also musste Gottschalk noch 40 Minuten rudern, als der Eklat bereits perfekt war — und das tat er erstklassig.

Und ja, auch wenn sich manche Laudatio zog wie Kaugummi: Es ist falsch, den Abend mit dem Wort „Blödsinn“ abzustempeln. Was müssen die anwesenden Nominierten (und kurz zuvor ausgezeichneten) Reporter aus Krisengebieten gedacht haben, die ihr Leben einsetzen, um über Unrecht in China, Pakistan oder unserem Land zu berichten? Was müssen die anwesenden Fernsehfilm-Autoren, Nachrichten-Mitarbeiter, Cutter oder auch nur die zwei sympathischen älteren Herren von Eurosport gedacht haben, die nicht permanent vor der Kamera stehen, sondern sich seit Jahren teilweise im Stillen engagieren, als Reich-Ranicki sagte: „Ich finde schlimm, was wir uns über Stunden hier ansehen mussten!“. Er hat eben nicht ausgesprochen, was ein Teil der Betrachter im Verlauf der Show mehrfach dachte; da war der letztjährige Ehrenpreisträger Götz George mit seiner Bemerkung „Kinder, wir müssen zum Ende kommen!“ deutlich näher an der Wahrheit.

Genau das, und nur das, macht Reich-Ranickis Auftritt zu einem traurigen Höhepunkt in seinem Schaffen. Es ist bedauerlich, dass ein Großteil von Branche und Publikum ihm beipflichten werden, nachdem sie heute Abend die über weite Strecken spannungsarme Show im ZDF verfolgt haben. Und noch bedauerlicher ist es, dass die Stifter-Sender offenbar aus Sorge um den eigenen Ruf erwägen, diese Fehlleistung mit einer weiteren TV-Sendung für Marcel Reich-Ranicki wettzumachen.

Nachtrag:

Reich-Ranicki hat inzwischen gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt:

Ich sage ja nicht, dass alles schlecht war, was da ausgezeichnet wurde, überhaupt nicht. Aber auch die guten, vielleicht sogar sehr guten Produktionen, die einen Preis erhielten, wurden auf eine Art und Weise präsentiert, die ihre Qualität überhaupt nicht erkennen ließen. Ein Beispiel: Eric Fiedler bekam einen Preis für seine Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“. Das soll ein guter, sehr beachtlicher Film sein. Aber man sah nur einen ganz kurzen Ausschnitt, der überhaupt nichts von dieser Qualität sichtbar machte. So ging es den ganzen Abend, und zwischendurch immer wieder Köche, nichts als Köche. Es war schrecklich.

Dem stimme ich natürlich zu. Aber sein erster Satz „Ich sage nicht, dass alles schlecht war“ fiel eben erst hinterher. Ich beziehe mich nur auf die Verleihung an sich, nicht auf nachträgliche Kommentare Reich-Ranickis! Denn die „Köche, nichts als Köche“ meine ich natürlich auch mit meiner Kritik!

Bates‘ Kanzlei

Kathy Bates macht uns ab heute den Harry.

Drei Hoffnungen für 2012 hatte ich vor allem halben Jahr geäußert. Modern Family und Walulis sieht fern haben inzwischen ihren Weg zumindest in die Nischen des deutschen Fernsehens gefunden, und heute startet die dritte: Harry’s Law, eine Anwaltsserie von David E. Kelley, die so ist, wie Anwaltsserien von David E. Kelley immer sind, nur dass diese im Gegensatz zu Practice – Die Anwälte, Ally McBeal und Boston Legal versehentlich nicht in Boston spielt, sondern in Cincinnati. Wir finden eine Riege skurriler, überdrehter, ex- und egozentrischer Charaktere, allen voran die resolute, miesepetrige aber herzensgute Hauptfigur Harriet „Harry“ Korn, deren Kanzlei gleichzeitig ein Schuhgeschäft ist, und ihr Gegenpart Thomas Jefferson (Christopher McDonald), eine Art Denny Crane, nur noch geringfügig mehr bei Trost. Dazu ein paar abwegige Fälle, und zwischendurch verwechselt Autor Kelley immer wieder Kanzlei mit Kanzel, wenn er seine Anwaltsfiguren im Gerichtssaal politische Predigten halten lässt.


Foto: Sat.1

Harry’s Law ist oft lustig, oft bewegend und manchmal anstrengend, aber bevor enorme Ermüdungserscheinungen eintreten können, ist die Serie auch schon wieder zu Ende. NBC setzte sie erwartungsgemäß im Mai nach 34 Folgen ab, obwohl die Serie mehr Zuschauer hatte als die meisten anderen Programme des gebeutelten Senders. Alerdings waren die Zuschauer auch bei kaum einer anderen Serie im Durchschnitt so alt. Sat.1 versucht deshalb erst gar nicht, sie auf einem prominenten Sendeplatz zu etablieren. Sie läuft ab heute immer donnerstags kurz nach 23.05 Uhr.

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