Und wieviel Prozent der Deutschen lieben Gameshows?
Seit Jahren behaupten Fernsehexperten, die Renaissance der Gameshow stehe unmittelbar bevor. (Gut, genau genommen behaupten es vor allem die Produzenten von Gameshows.) Und seit Jahren weigert sich die Prognose hartnäckig, in Erfüllung zu gehen.
Aber wenn’s diesmal wieder nichts wird, muss sich Vox zumindest nicht vorwerfen lassen, die Sache zu hasenfüßig angegangen zu sein. Als Moderator wurde nicht irgendein Noname, sondern Dirk Bach verpflichtet; als Sendeplatz wurde hammerhart 20.15 Uhr ausgeguckt; es wurden gefühlt sieben Trilliarden Werbetrailer gezeigt, und zum Warmwerden läuft von heute bis Freitag sogar jeden Tag eine Ausgabe der neuen Show.
Foto: Vox
Die ist sowas wie Pimp My Familienduell, nur ohne Familien. Wo Werner Schulze-Erdel früher sagte: „Wir haben 100 Leute gefragt“, ist die Grundlage nun eine Forsa-Umfrage unter 1000 repräsentativ ausgewählten Deutschen, die witzige, ernste oder sogar moralische Fragen beantworten sollen: Wieviel Prozent von ihnen können stehend ihre Füße sehen / fühlen sich vom Staat überwacht / finden es besser, geliebt zu haben und enttäuscht worden zu sein, als nie geliebt zu haben? Die Kandidaten tippen den Prozentsatz, wer näher an der richtigen Antwort liegt, bekommt einen Punkt, wer drei Punkte hat, kommt ins Finale — und kann in nur fünf Schritten eine Million Euro gewinnen!
Nun ja. Sehr theoretisch. Richtig ist zwar, dass sich der Gewinn beginnend bei 100 Euro jeweils verzehnfacht („Power of 10“), aber dafür schrumpft jedesmal auch die Spanne des Tipps auf den Prozentzahl, den die Kandidaten abgeben. Sie fangen bei 40 Prozent Breite an — für die Million müssten sie schon den exakten Wert tippen.
Es ist ein Spiel darum, wie wir Deutschen so sind, und bei manchen Fragen ist es tatsächlich interessant, darüber nachzugrübeln. Wieviel Prozent der Deutschen würden mit jemandem in ein Schwimmbecken steigen, der HIV-positiv ist? Darin steckt nicht nur die Frage, wie aufgeklärt unser Volk ist, sondern auch, wie ehrlich: Gibt es vielleicht viele, die das gemeinsame Schwimmen ablehnen, das aber nicht zugeben würden?
Dirk Bach ist ein ganz angenehmer Spielleiter, der — für seine Verhältnisse — eher unterkandidelt moderiert, die Kandidaten freundlich behandelt und gelegentlich die Veranstaltung mit mehr oder weniger spontanen Sprüchen auflockert: Wieviel Prozent der Deutschen haben schon einmal eine Leiche berührt? „Ich hab zumindest Ute Ohoven schon einmal die Hand gegeben, ich weiß nicht, ob das zählt.“ Was furchtbar nervt, ist die Auswahl der Kandidaten, die offenbar alle extrovertiert und ach-so-flippig sein mussten und den unschuldigen Zuschauer mit langen Monologen und übertriebenen Gefühlsausbrüchen belästigen.
In den Vereinigten Staaten, wo Drew Carey das gleichnamige Original moderiert, sanken die Zuschauerzahlen nach anfänglicher Euphorie schnell wieder ab. Ob in Deutschland überhaupt das Interesse reicht? Den Versuch ist es sicher wert.
Power of 10, diese Woche Montag bis Freitag, 22.15 Uhr, dann immer dienstags, 20.15 Uhr.