Tierisch jauchzender Jauch

Bei Frank Elstners unglaublichem Quiz der Tiere im Ersten tritt trete Günther Jauch gerade zum ersten Mal als Quizkandidat auf, was wie der Ansager schon im Vorspann betonte behauptete. Wenn man aber sieht, wie aufregend Günther Jauch das offensichtlich findet und wie viel Spaß er daran hat, drängt sich die Frage auf, ob sich bisher vielleicht einfach niemand getraut hat, ihn zu fragen.

Ebenfalls bemerkenswert: Die Begeisterung, mit der Jauch auf Anfrage von seinem eigenen Quiz erzählt, zeigt, wie viel Spaß er an seinem Job und auch nach 700 Ausgaben noch immer an Wer wird Millionär? hat. Das macht ihn noch sympathischer als er ohnehin schon ist.

Nachtrag 21.57 Uhr:
Ach so… Produzent der Sendung war die Firma I & U TV, deren Alleingesellschafter Günther Jauch ist. Dann hat er sich also selbst gefragt, ob er Kandidat werden will.

Til Schweiger ist Duff-Man!

Da hat ProSieben die wirklich spitzenmäßige Idee, im Dienste des Audience flow (Dranbleiben, jawoll!) zwischen zwei Episoden der Simpsons nur einen Spot zu zeigen, mit dem Vermerk „Nur ein Spot!“ und einem Countdown. ProSieben muss also davon ausgehen, dass die Schnittmenge derer, die die erste Folge Simpsons sahen, und derer, die den Spot sahen, nun, sagen wir so: recht groß ist.

Das heißt also, dass heute Abend weitgehend dieselben Menschen folgendes gesehen haben: Homer Simpson hält 30 Tage ohne Alkohol aus, trotzt den Verlockungen der Bierwerbung. Und im Anschluss daran den Spot „Til Schweiger belohnt sich am liebsten mit einem frischgezapftzen Pils“ von König Pilsener.

Tokio Hotel: US-TV-Debüt nachts um halb zwei

Tokio Hotel sind jetzt Weltstars. Wenn man ungefähr allen deutschen Medien glauben darf, gibt es in den USA gerade nichts Heißeres als die Magdeburger Krabbelgruppe, weil sie „als erste deutsche Band“ in einer großen amerikanischen Fernsehshow aufgetreten sei.

Das mag soweit richtig sein, denn Einzelpersonen sind ja keine Band. Der letzte deutsche Popstar, der in einer (größeren) amerikanischen Fernsehshow auftrat, war vor acht Jahren Lou Bega mit „Mambo No. 5″ in der Tonight Show with Jay Leno, und wir wissen ja alle, welch unaufhaltsame Weltkarriere Lou Bega seitdem macht.

Das amerikanische Fernsehdebüt von Tokio Hotel war am sehr späten Freitagabend in Late Night with Conan O’Brien. Conans Show beginnt um 0.35 Uhr, und Tokio Hotel waren die musikalischen Gäste vor dem Abspann eine Stunde später. Conan O’Brien ist einer der größten Fernsehstars der USA, aber mehr als zwei Millionen Zuschauer hat er zu dieser Zeit auch nicht mehr. Der Auftritt in Wetten, dass…? dürfte in höheren Plattenverkäufen resultiert haben. Dennoch rangiert das englischsprachige Album „Scream“ beim Onlinehändler amazon.com immerhin unter den Top 200. Es kostet dort gerade 7,99 Dollar, umgerechnet etwas mehr als fünf Euro.

Und auch die renommierten amerikanischen Musikmagazine seien begeistert, vermelden deutsche Medien euphorisch. Im „Rolling Stone“ liest sich diese Begeisterung so:

Es ist offiziell: Diese Jungs sind die größte deutsche Bubblegum-Neo-Glam-Goth-Emo-Boy-Band. Aller Zeiten. (…) Das ist vor allem Leadsänger Bill Kaulitz zu verdanken, ein 18-jähriger Androgyne, dessen gewaltige Elektroschock-Frisur etwa 15 Zentimeter höher absteht als Tina Turners 80er-Schnitt. Kaulitz‘ Gesangstechnik ist beschränkt, aber er hat das Charisma eines natürlichen Frontmanns. (…) Seine sonderbare englische Aussprache — er spricht „eyes“ wie „ice“ — trägt zusätzlich zu seinem Charme bei.

Wertung: Dreieinhalb von fünf möglichen Sternen. Das ist in der Tat ziemlich gut und alles sehr schön für die Band, und womöglich schicken sie sich tatsächlich an, die erfolgreichsten deutschen Popstars in den USA zu werden. Das würde ich ihnen sogar gönnen. Man sollte nur die Dimensionen nicht unbedingt glauben, die deutsche Medien gern aus den USA berichten. Dass morgens in aller Herrgottsfrühe Menschenscharen vor den New Yorker NBC-Studios Schlange stehen, um Tickets für Conan O’Brien zu bekommen, hat nämlich nicht zwingend mit Tokio Hotel zu tun. Das ist jeden Morgen so.

Sie wissen schon, dieselben deutschen Medien, die auch den Eindruck erwecken, als ginge es im Rennen um die amerikanische Präsidentschaft nur um die Frage, ob es Barack Obama oder Hillary Clinton wird.

Bis auf den „Stern“. Der hält es sogar für möglich, dass Bill Kaulitz Präsident wird.

Tolstois R’ Us

„Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist.“ „Hundewiese“. „Boogaloo On Second Avenue“. Drei gute Bücher, die noch nie verfilmt wurden. Krieg und Frieden dagegen wurde vermutlich schon öfter verfilmt als gelesen, denn ernsthaft: 1645 Seiten? Wer liest die?

Trotzdem glaubten das ZDF und seine europäischen Partner, es sei mal wieder an der Zeit. Ist ja auch spannend zu sehen, wie die Kleidung des frühen 19. Jahrhunderts im frühen 21. Jahrhundert aussieht. Wie sie im mittleren und späten 20. Jahrhundert aussieht, haben wir ja schon gesehen.

Die vierteilige Coverversion beginnt mit einem schier endlosen Vorspann, ohne den die Geschichte wahrscheinlich in zwei Teilen zu erzählen gewesen wäre. Der Vorspann verrät uns auch schon, was den bisherigen Verfilmungen fehlte: Hannelore Elsner. Damit dürfte eine Vergabe des Deutschen Fernsehpreises in der Kategorie „Hannelore Elsner“ für dieses Jahr gewährleistet sein.

Das Folgende ist nicht so langatmig wie der Vorspann, aber schlicht nicht mein Genre. Ich enthalte mich deshalb einer Beurteilung und belasse es beim Sendehinweis.

Krieg und Frieden, sonntags und mittwochs um 20.15 Uhr im ZDF.

Ton Schweine Scherben

Puh, hier wird aber keine Zeit verschwendet. Family-Showdown-Moderator Wigald Boning ist ungefähr zwanzig Sekunden auf der Bühne, da läuft schon das erste Spiel. Mehrere Mitglieder aus zwei Familien rennen hektisch auf einem Laufband und lösen simple Matheaufgaben.Wie gehen eigentlich die Regeln? Aber wir haben es nun einmal eilig, gleich kommt ja schon Werbung. Wie, schon Werbung? Wie gehen eigentlich die Regeln?

Es stellt sich heraus, dass die Sorge um die Regeln der neuen Sat.1-Show Family Showdown unbegründet ist. Sie gehen wie in jeder 80er-Jahre-Spielshow: Familien treten in Aktions- und Geschicklichkeitsspielen gegeneinander an, wer besser ist, gewinnt das Spiel, und am Ende kommt eine Familie ins Finale und spielt um den Hauptpreis. Als die Show nach knapp 90 Minuten an diesem Punkt angelangt ist, wäre Frank Elstner gerade damit fertig gewesen, die Regeln zu erklären.

Die Show ist wenig originell, tut aber auch gar nicht so. Wigald Bonings Moderation ist eine Reise durch die Fernsehgeschichte. Wenn sich eine Familie ein Glücksschwein aussuchen muss, das es zu zertrümmern gilt, weil darin Geld versteckt ist, fragt er wie Robert Lembke: „Welches Schweinderl hätten’S denn gern?“, bevor es zertrümmert wird sagt er: „Hartmut, den Hammer!“ und klingt wie Vico Torriani, als er sagte: „Bruno, den Bolzen!“, und am Ende lässt er sich wie Hans-Joachim Kulenkampff den Mantel bringen. Manchmal hält sich Boning im Gespräch mit den Kandidaten („Dein Hobby ist Lesen…“) oder bei ausformulierten Anmoderationen der Spiele so sehr zurück (oder wurde im Schneideraum deart gestutzt), dass die Show genausogut wie jede andere auch von Kai Pflaume hätte moderiert werden können, doch oft lockern seine Sprüche und Wortwitze die Show auf („Wenn Sie auch mal mitmachen wollen, vermehren Sie sich fleißig!“). Es ist ein positiver Trend, dass Spielshows wieder zunehmend mit witzigen Entertainern als Gastgeber besetzt werden und weniger mit monotonen Moderationsrobotern.

Dass die Show nicht sonderlich originell ist, heißt nicht, dass sie langweilig ist. Spielshows dieser Art hat es schon immer gegeben und wird es wohl immer geben.

Die klassische Samstagabendshow nach diesem Muster mag tot sein, aber heute ist schließlich Freitag. Und wer sieht nicht gern Glas in Zeitlupe zerspringen? Bemerkenswert, was an diesem Abend alles zerstört wird. In einer Runde werden Vasen abgeschossen, in der nächsten Gläserpyramiden zum Einsturz gebracht und nach jeder Runde Tonschweine zertrümmert. Ein Polterabend für die ganze Familie.

Eine Unklarheit zu den Spielregeln bleibt jedoch nach dieser Premiere bestehen: Es hat den Eindruck, als seien die ersten vier Spiele am Ende völlig egal und als komme in jedem Fall die Familie ins Finale, die das fünfte Spiel gewinnt. Wäre merkwürdig. Vielleicht irre ich mich aber auch. Wo ist Frank Elstner, wenn man ihn braucht?

Top 5 der peinlichen Verwechslungen

ARD-Sportreporter Waldemar Hartmann erklärte am Wochenende versehentlich einen ehemaligen Boxer für tot und schafft es damit von null auf Platz drei in unserer Liste der lustigsten peinlichen Verwechslungen. Das ist schon der zwei Neueinstieg in diesem Monat, nachdem CNN am 1. Januar durch einen Schreibfehler einen angesehenen Senator zum gesuchten Terroristen machte.

  1. Max Schautzer begrüßt beim ARD-Wunschkonzert Ehefrauen von Politikern und stellt „die Frau unseres Bundeskanzlers“ mit den Worten vor: „Die Gattin von Helmut Schmidt, Hannelore Kohl!“ Frau Kohl reagierte humorvoll: „Jetzt darf ich Sie aber auch mit Herr Gottschalk ansprechen!“
  2. Alfred Biolek begrüßt in Boulevard Bio den Rennfahrer Michael Schumacher als „Harald Schumacher!“ Dieser nimmt Platz und teilt mit: „Sie dürfen mich Michael nennen“. Biolek bemerkt seinen Fehler noch immer nicht und glaubt, „Herr Schumacher“ biete ihm das „Du“ an, weshalb Biolek entgegnet: „Ach, das ist aber nett“.
  3. Waldemar Hartmann spricht während einer Box-Übertragung vom „vor kurzem verstorbenen deutschen Schwergewichtsboxer Jürgen Blin“. Jürgen Blin sitzt derweil zu Hause vor dem Fernseher und wird von der Nachricht seines Todes ziemlich überrascht.
  4. CNN schreibt zu einem Beitrag über die Suche nach dem Terroristen Osama Bin Laden ganz groß „Wo ist Obama?“ auf den Bildschirm. Nach Obama wird aber gar nicht gesucht. Barrack Obama ist Senator des US-Bundesstaates Illinois und inzwischen Präsidentschaftsbewerber und sein Aufenthaltsort in der Regel bekannt.
  5. Bei der Zieleinfahrt der Tour de France spricht ARD-Reporter Jürgen Emig die Mutter des Radprofis Jan Ullrich mit „Mama Becker“ an.

Top, der Thommy geht

Wenn der Unfall bei Wetten, dass…? im Dezember nicht passiert wäre, und Thomas Gottschalk hätte trotzdem in absehbarer Zeit seinen Abschied angekündigt, wäre dies in der öffentlichen Medienjournalistenwahrnehmung als logische Folge der kontinuierlich bröckelnden Einschaltquoten der vergangenen Jahre ausgelegt worden, als überfälligen Schritt zur Erneuerung der Sendung, und Gottschalk wäre abgetreten wie ein Boxer, der nach einer von Siegen geprägten Karriere ausgerechnet den letzten Kampf als Verlierer beendet.

Das hätte er nicht verdient gehabt.

Auch ich schlage seit Jahren auf Gottschalk ein, und es hat sich nichts geändert an meiner Auffassung, dass er seit langer Zeit ein schlechter Interviewer ist, der endlose Entweder-oder-Fragen stellt und seine Gesprächspartner dann nicht einmal zu Wort kommen lässt, ein schlechter Gastgeber, der die Gäste durch seine Unkenntnis ihrer Arbeit beleidigt, ein Heuchler, der permanent über das Niveau der Ekel-Privatsender, über Realityshows und über diese furchtbare neumodische Musik lästert, sich dann aber selbst mit Ekelwetten, in denen Kandidaten Tierkacke am Geruch erkennen müssen, auf dieses Niveau herablässt, Protagonist einer Realityshow wird und diese furchtbaren neumodischen Musiker in seine Sendungen einlädt. Wenn Gottschalk Interviews gibt, sind diese oft von einer unglaublichen Arroganz geprägt, wie man sie sonst nur vom FC Bayern München kennt, weil er jederzeit erkennen lässt, dass er sich selbst und seine Sendung für die Allergrößten hält.

Der Punkt ist nur: Es stimmt ja. Sie sind ja tatsächlich die Allergrößten. Alle sind auf ihrem Gebiet die unangefochtene Nummer 1. Zwischendurch mag es immer mal wieder ein Borussia Dortmund oder ein Supertalent geben, das sie kurzfristig von der Spitze verdrängt, aber auf lange Sicht bleiben immer die Bayern und Gottschalk mit Wetten, dass…? konkurrenzlos an der Spitze.

Dass die Quoten des Showdinos in den vergangenen Jahren rückläufig waren, lag nicht an ihm oder am altbekannten Konzept. Die Konkurrenz durch immer mehr Kanäle, immer aggressivere Mitbewerber und immer günstigere DVDs sorgt von selbst für eine Verteilung der vorhandenen Zuschauermasse auf immer mehr Anbieter; dass da jeder Einzelne Abstriche machen muss, ist nicht zu vermeiden. Im Gegenteil: An Gottschalk und am Konzept der Sendung liegt es, dass die Quoten überhaupt noch so hoch sind, dass bisher niemand sonst dauerhaft mithalten konnte. Sendung und Moderator sind eine Tradition wie die Tagesschau, die ja auch niemand anschaut, weil die Nachrichten dort so besonders gut aufbereitet werden, sondern schlicht weil sie da ist und schon immer da war. Wetten, dass…? ist eine gelernte Tradition, die man sah, weil sie so war, wie sie war. Das haben leider das ZDF und Gottschalk nie verstanden und deshalb in den vergangenen Jahren immer wieder panisch Änderungen am Konzept, der Gästeauswahl und dem Niveau der Wetten vorgenommen, die den Abwärtstrend eher beschleunigten als ihn aufzuhalten.

Womöglich hätte das ZDF irgendwann auch noch panisch den Moderator gegen einen Jüngeren austauschen wollen. Auch das hätte Gottschalk nicht verdient gehabt.

Was immer man von ihm hält: Gottschalk ist ein verdienter Fernsehmacher. In den 80ern war er ein junger Trendsetter auf der Höhe seiner Zeit und die einzige logische und zwangsläufige Wahl für die Nachfolge von Frank Elstner bei Wetten, dass…?. In den 90ern war er das Maß aller Dinge. In den Nullern wandelte er sich vom Berufsjugendlichen zum Früher-war-alles-besser-Opa, war aber der letzte große Entertainer für die ganze Familie und seine Sendung die einzige der alten Garde von Traditionssendungen, von der bisher weder der Moderator noch die Zuschauer die Nase voll hatten. Und in den 10er-Jahren ist er immer noch auf Sendung, weil jemandem wie Gottschalk niemand vorzuschreiben hat, wann er aufhören soll. Wer seinem Sender so viel genutzt hat wie Gottschalk, hat einzig und allein selbst zu entscheiden, wann er aufhören will. Alles andere hätte er nicht verdient.

Er hatte es auch nicht verdient, dass nach seiner vom Saalpublikum sehr bedauerten Abschiedsankündigung gestern Abend die blonde Assistentin, die gerade erst neu zur Sendung hinzugekommen ist, fast ebensoviel Redezeit für sich beanspruchte wie er, als wäre sie ein ähnlich relevanter Bestandteil der Show.

Das ZDF hat jetzt die Chance, jemanden für die Moderation der Sendung zu gewinnen, der ihren Status als Europas größter Fernsehshow und als Unterhaltung für die ganze Familie erhalten kann. Jemand, der nicht nur in einer Zielgruppe populär ist, sondern in allen. Jemand, der ebenso ein großes Gesamtpublikum mit seinen Filmen im ZDF erreichen kann wie ein großes junges Zielgruppenpublikum mit seiner Personalityshow bei RTL. Jemand, der mit 46 jung genug ist, um die Show noch lange machen zu können, aber schon lange genug im Geschäft, um auch von den ältesten ZDF-Zuschauern akzeptiert zu werden. Jemand, der witzig und schlagfertig ist und mit Prominenten ebenso charmant umgehen kann wie mit Normalo-Kandidaten. Jemand, der wie damals Gottschalk heute die einzige logische Wahl für die Nachfolge ist. Jemand namens Hape Kerkeling.

Natürlich könnte das ZDF auch dem einzigen anderen bekannten Entertainer ein Angebot machen, der derzeit ein großes Publikum für eine große Samstagabendshow erreicht, aber Stefan Raab wird klug genug sein zu wissen, dass die beiden nicht zueinander passen würden.

Oder das ZDF wählt den bequemen Weg und gibt die Sendung einfach an den hauseigenen Jörg Pilawa, der sie genauso routiniert und egal wie jede andere seiner Shows wegmoderieren wird und macht damit aus der Samstagabendshow schlicht irgendeine Samstagabendshow.

Töpfe, Titten und Talente*

*RTLII-Gedenkstabreim.

Das neue Nachmittagsprogramm des Kochsenders Woks schließt gleich mehrere Lücken. Zum einen die Kochlücke zwischen Mittag und Vorabend, die nun mit dem essenden Running Gag Reiner Calmund und seinen fünf Tellern überbrückt wird. Calmund ist die Ein-Mann-Jury im uninspirierten Promi-Kochduell, bei dem fünf als prominent deklarierte Menschen 20 Minuten lang etwas kochen müssen, das den alleinigen Zweck zu erfüllen hat, dass es Calmund schmeckt.

Und dann gab es ja auch noch das massive Problem, dass zwischen dem Ende von Punkt 12 um 14 Uhr und dem Anfang von Explosiv um 18 Uhr stundenlang keine einzige Sendung ausführlich über Das Supertalent informierte. Auch diese Misere ist jetzt passé, denn das Magazin Prominent! kommt jetzt täglich und kann auch dieses Loch stopfen. Mehr Worte muss man zu der ideenlosen neuen Woks-Stunde von 15 bis 16 Uhr auch schon nicht mehr verlieren.

Ab 16 Uhr gibt es ein paar Lichtblicke. Die neue Plaudersendung Frauenzimmer mit vier Moderatorinnen ist etwas, das es so in der letzten Zeit nicht im Fernsehen gab. Yasmina Filali (34), Birgit Ehrenberg (47), Maite Kelly (29) und Bettina Böttinger(53) bildeten das Premierenquartett, und sofort wurde klar: Dies ist die einzige Sendung im deutschen Fernsehen, bei der das Alter der Moderatorinnen eingeblendet wird. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, welchen Zweck das haben soll, aber ich würde das gern mal im Presseclub sehen.

Über weite Strecken der ersten Hälfte wirkte Frauenzimmer zwar wie eine Mischung aus Blond am Freitag und Sieben Tage – sieben Köpfe, und nichts ist unnatürlicher als vorbereitete Pointen in einem vermeintlich spontanen Gespräch. Zudem ist die Sendung auch noch frauenfeindlich, wenn die Moderatorinnen ihr Interesse an Politik darauf reduzieren, wie sexy die Minister sind und wie groß der Busen von Angela Merkel ist.

Abseits der Klischees blieben aber positive Eindrücke. Es wurde zum Beispiel nicht gekocht. Die Sendung wird frisch am Sendetag produziert, die Themen, über die sich die vier Frauen austauschen, sind also aktuell. Wenigstens das, wenn schon nicht interessant. Und ausgerechnet, als auch hier noch ein Ausschnitt aus dem Supertalent gezeigt wurde, begannen die ehrlichen Momente: Die Frauen kritisierten die Sendung für den Auftritt einer Vierjährigen und gerieten in eine Diskussion über zu ehrgeizige Eltern.

Der Tratsch über die Themen von Prinz Harry über Übergewicht bis zu Heiratsanträgen, die die Frauen vermeintlich bewegten, nahm mehr als die Hälfte der Sendung ein. Dann erst kam der Gast. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, denn in den meisten Sendungen haben die prominenten Gäste ohnehin nichts zu sagen und werden nur eingeladen, damit sie da sind. Premierengast Ross Antony mit seiner offenen und ehrlichen Art erwies sich allerdings als Glücksfall, wie ihn jede Talkshow öfter mal gebrauchen könnte. „Du bist schon 53?“ fragte er Bettina Böttinger, nachdem er hinter der Bühne die Einblendungen im Fernsehen gelesen hatte. Und schon fast entschuldigend sagte er irgendwann: „Eine Geschichte muss ich aber noch erzählen…“ Das ist großartig, weil deutsche Talkgäste sonst oft mit der „Frag mich was“-Forderungshaltung in eine Talkshow gehen, statt sich vorher eine unterhaltsame Anekdote zu überlegen, mit der sie das Publikum erfreuen könnten.

Wenn es also schon wenige Gründe gibt, sich das neue Woks-Nachmittagsprogramm anzusehen, so kann es wenigstens als Lehrbeispiel für künftige Talkgäste dienen, und als Informationsquelle für Boulevardzeitungen, damit sie endlich mal das richtige Alter von Prominenten in ihre Klammern schreiben.

Total perveze Videos aufgetaucht!

So kündigte Jon Stewart in der Daily Show vergangenen Donnerstag seinen Talkgast an:

Mein Gast heute Abend ist Ben Stiller. Er hat ein faszinierendes Buch darüber geschrieben, wie die Bush-Regierung uns unter Vortäuschung falscher Tatsachen in den Irak-Krieg geführt hat.

In Wirklichkeit war Stiller natürlich da, um Werbung für seinen neuen Film zu machen, doch Stewart ergänzte voller Selbsterkenntnis:

Das scheint ja die einzige Möglichkeit zu sein, wie man noch in diese Show eingeladen wird.

Heute Abend um 23.30 Uhr zeigt Comedy Central wieder die deutsch untertitelte „Global Edition“ der Daily Show with Jon Stewart.

In den USA ist diese Woche Sendepause, damit sich das Team auf den Nominierungsparteitag der amerikanischen Demokraten in Denver vorbereiten kann, von wo die Comedyshow nächste Woche gesendet wird. Derweil arbeiten die Verantwortlichen für den Internetauftritt der Show trotz Pause weiter aktuell: Anlässlich des Rücktritts des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf hob das Team noch einmal das Video einer Show von vor zwei Jahren auf die Startseite, als Musharraf als erstes amtierendes Staatsoberhaupt Gast in der Daily Show war.

Tote haben nichts zu lachen

Am Ende der Woche, in der amerikanische Fernsehsender bei den „Upfronts“ der Werbewirtschaft und den Medien ihr Herbstprogramm vorgestellt haben, zählen „Experten“ immer gern die Trends auf, die sie erkannt haben wollen. Das ging in den vergangenen Jahren fast immer daneben.

Der Mystery-Trend?

Zwar versuchten nach dem Erfolg von Lost fast alle Sender, mit verworrenen Mysteryserien Zuschauer zu erreichen, doch fast alle wurden schon am Ende ihrer ersten Staffeln oder sogar vorzeitig wieder abgesetzt. Das sind meistens die Serien, mit denen Pro Sieben dann seinen „Mystery-Montag“ bestückt und das für ein Prestige-Projekt hält.

Der Trend zur fortlaufenden Handlung?

Ja, klar, auch da gab’s eine Menge ambitionierter Projekte im Gegensatz zu den Serien, deren Episoden komfortabel für sich stehen können, weil sie immer so schön abgeschlossen sind. Es stellte sich dann aber heraus, dass die Aufnahmekapazität der Zuschauer für noch mehr fortlaufende Handlungsstränge begrenzt ist, und sie verfolgten doch schon Lost, 24, Desperate Housewives und Grey’s Anatomy. Da war kein Platz für weitere Serien, bei denen man keine Folge verpassen durfte, wenn man der Handlung noch folgen können wollte. Nur Heroes kam durch (ab Herbst bei RTL2).

So blieb über mehrere Jahre der einzige anhaltende Trend der zur abgeschlossenen Handlung und zu abgeschossenen Gastrollen. Der Vorteil von Krimiserien wie CSI und krimiähnlichen Serien wie Dr. House ist, dass man sie losgelöst aus dem Zusammenhang umliegender Episoden auch einzeln verstehen kann und dass es dabei völlig egal ist, ob man gerade eine neue Folge oder eine Wiederholung erwischt (der beste Beweis sind die RTL-Einschaltquoten für diese beiden Serien, die bei Wiederholung oft über der Erstausstrahlung liegen). Deshalb wurde ihr Publikum im Verlauf der Serien größer und das der o.g. Serien mit fortlaufender Handlung kleiner.

Dieser Trend reißt noch nicht ab, doch die schlagartige Vermehrung der Krimiserien scheint beendet. Das ist der erste offensichtliche Schluss, der sich fernab gewagter Prognosen aus den veröffentlichten Herbstprogrammen der diesjährigen Upfronts ziehen lässt:

Die Kriminalitätsrate stagniert.

CBS, wo die meisten der auch bei uns bekannten Krimis laufen (CSI, CSI: Miami, CSI: NY, NCIS, Criminal Minds, Without A Trace, Cold Case, Numb3rs) hat keine neue im Programm und die erste sogar schon wieder abgesetzt (Close To Home).

Und der andere?

Es gibt kaum noch was zu lachen.

Vor genau zehn Jahren fanden sich unter den zwanzig meistgesehenen Sendungen des amerikanischen Fernsehens zehn Sitcoms. Heute? Eine (Two And A Half Men). Kein Wunder also, dass die Sender vom einst beliebtesten Genre Abstand nehmen. Und so stehen im Herbstprogramm 2007 bei den fünf größten Sendern zusammen nicht mehr sechzig Sitcoms wie 1997, sondern nur noch sechzehn. ABC hat im Handstreich gleich sämtliche seiner Sitcoms abgesetzt, NBC keine einzige neue ins Herbstprogramm aufgenommen. Dafür aber allen Ernstes eine Neuauflage der 70er-Jahre-Serie Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau, und das ist ja auch schon wieder zum Lachen.

Nachtrag/WARNUNG (21. Mai, 22.00 Uhr):

In den Kommentaren zu diesem Text wurde unfreundlicherweise ein Spoiler hinterlassen, der ohne Ankündigung Ereignisse der dritten Staffel von Dr. House vorwegnimmt. Wer noch nicht wissen möchte, wie es im Herbst in Deutschland weitergeht, sollte die Kommentare meiden.

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