Sessantotto


Foto: RTL

Es soll ja angeblich Unglück bringen, wenn man zu früh zum Geburtstag gratuliert. Heute gratuliert RTL Otto Waalkes, der in sechs Wochen 60 wird, mit einer dreistündigen Abendshow mit Nazan Eckes, und das ist dann auch schon der Beweis. Im Trailer auf RTL.de kann man sehen, wie Mark Medlock, Gülcan und andere, die er nicht kennt, Otto gute Wünsche schicken und um eine Einladung buhlen.

Natürlich hat Otto eine Gala verdient, und wenn jemand 60, 80 oder 175 wird, ist es normalerweise die ARD, die eine spendiert. Diesmal schmeißt RTL die Party, was ein Beweis dafür ist, welche Anziehungskraft man dem alten Otto, dessen gähnende Uralt-Witze wirklich jeder auswendig mitsprechen kann, die er aber vor 35 Jahren als Erster gemacht hat, auch beim jungen Publikum heute noch zutraut.

An Otto deshalb auch von uns die besten Glückwünsche nachträglich zu seinem 59. Geburtstag. 

Sherlock: New York

Wenn es in dem Rhythmus weitergeht, hat in sechs Jahren jeder große Sender seinen eigenen Sherlock Holmes. Und wenn der freizügige Umgang mit der Vorlage sich ebenfalls fortsetzt, ist Watson dann ein Formwandler vom Planeten Dukrtzghöwol.

Die neue Sat.1-Serie Elementary (ab heute donnerstags um 21.15 Uhr) versetzt Sherlock Holmes nicht nur in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts, sondern zudem nach New York und gibt ihm Dr. Watson zur Seite, genauer: Frau Dr. Watson.

Der Ansatz dieser Neuauflage des US-Senders CBS orientiert sich erkennbar mindestens ebenso stark an der großartigen BBC-Serie Sherlock wie an der literarischen Vorlage von Arthur Conan Doyle. Deshalb muss sie sich den Vergleich gefallen lassen, ihn aber auch nicht scheuen.

Holmes ist weiterhin Brite, nur eben strafversetzt, ist weiterhin ein Arschloch und ist natürlich weiterhin der geniale Kopf, der der Polizei und allen anderen weit voraus ist und deshalb Kriminalfälle aufklärt. Schon aus Langeweile. Und das ist oft lustig und spannend. Wie in der BBC-Version hat Holmes sein Drogenproblem übrigens im Griff.

Elementary kann zwar nicht ganz mit Sherlock mithalten, aber das hat schon mit der unterschiedlichen Zielsetzung zu tun. Während die Briten ganz gern Kunst schaffen und ihre Produkte rar machen, ist die Absicht der Amerikaner stets, erfolgreiche Massenware zu produzieren. Deshalb gibt es dort nicht alle zwei Jahre drei neue Folgen, sondern jedes Jahr 24. Schon deshalb und zur Erreichung des größtmöglichen Publikums folgen die eigentlichen Kriminalfälle als Kern der Handlung stets einem berechenbaren Muster. Ein US-Kritiker nannte es „die CBSierung von Sherlock Holmes“. CBS hat fast sein gesamtes Programm mit ebenso gleichförmigen wie erfolgreichen Krimiserien zugepflastert, darunter CSI, Criminal Minds und The Mentalist, und in dieses Format musste eben auch der neue Holmes passen. Unter diesen Umständen ist die Serie erstaunlich gut gelungen.

Wenn sich die CBSierung der Serie fortsetzt, haben wir allerdings nach Sherlock in New York bald wirklich auch noch Elementary: Miami und Elementary:Vegas.

Show ging doch nicht an die Nieren

Und plötzlich sind alle erleichtert und sogar voll des Lobes. Alle, die eben noch lauthals Zeter und Mordio keiften.

Sie haben von dieser ominösen Endemol-Show gehört, in der im niederländischen Fernsehen eine todkranke Frau darüber entscheiden sollte, wer von drei Bewerbern ihre Niere erhält? Ja… Schwamm drüber.

Die Show war ein Bluff. Eine Inszenierung. Erfunden. Eine PR-Aktion. Und dadurch plötzlich doch eine ganz nützliche Veranstaltung, die für Organspenden warb. Die vermeintlich Todkranke war eine Schauspielerin. Die Nierenpatienten waren echt, aber eingeweiht, was dem Zweck vermutlich noch mehr diente, als wenn auch dies Schauspieler gewesen wären. Auf diese Weise fehlte der Show der als menschenverachtender Organhandel kritisierte Aspekt, brachte den Zuschauern aber dennoch das Schicksal dreier Menschen näher, die auf eine Spenderniere angewiesen sind und warten. Vielleicht hat der ein andere Zuschauer nun beschlossen, doch Organspender zu werden. Heute ist übrigens der „Tag der Organspende“.

Der Blick in die Fernsehgeschichte bringt auch in Deutschland drei Beispiele zu Tage, mit denen die Zuschauer gefoppt wurden. Zweimal, weil sie’s nicht kapiert haben (Das Millionenspiel und Smog), und einmal mit Absicht (Private Life Show). Die drei Texte aus dem Buch gibt’s jetzt frisch online.

Sicher, Dicker

Ad lib (ad libitum [lat.]: nach Belieben, in Tempo und Vortrag frei) ist etwas Feines, wenn man ein hervorragendes Schauspielensemble zur Verfügung hat. Ein gutes Beispiel ist der Spielfilm „Die fetten Jahre sind vorbei“ mit Julia Jentsch („Sophie Scholl“) und Daniel Brühl („Goodbye Lenin“). Hier improvisieren die Schauspieler über weite Strecken ohne vorgeschriebenen Text und schaffen eine wunderbar authentische Atmosphäre. Mit so herausragenden Schauspielern funktioniert ad lib also.

Wie verhält es sich dann aber in einer Dauerserie, wie etwa, sagen wir mal, der Lindenstraße? Nehmen wir als kleines Beispiel, sagen wir mal, Bill Mockridge in der Rolle des Erich Schiller. Gestern Abend zwischen 18.50 Uhr und 19.20 Uhr benutzte Mockridge/Schiller geschlagene fünf Mal seine Lieblingsfloskel „sagen wir mal“ und davon nicht ein einziges Mal an einer, sagen wir mal, passenden Stelle:

Helga, ich glaube, Du verkennst, sagen wir mal, den Ernst der Lage.

Ich denke, Du hast, sagen wir mal, so ziemlich alles falsch gemacht.

Vorwürfe bringen uns in dieser Situation, sagen wir mal, nicht weiter.

Wenn Nastya nichts anderes zu tun hat, als die ganze Sache, sagen wir mal, hier abzusitzen.

Ja, dem kann ich nur, sagen wir mal, aus vollstem Herzen zustimmen.

Im Gegensatz zu Bill Mockridge hinkte Anja Antonowicz als Nastya Scholz-Pashenko schwer hinter ihrer bisherigen Performance her. Normalerweise antwortet Nastya auf wirklich jede Frage mit ihrer  Lieblingsfloskel „’Türlich“ (ohne „Na“). Gestern Abend: totale Fehlanzeige, nicht ein einziges „Türlich“ in der gesamten Folge. Ich mache mir Sorgen.

Trotzdem sind beide, Anja Antonowicz und Bill Mockridge auf dem besten Wege, einen anderen ganz Großen im ad-lib-floskeln zu schlagen: Klausjürgen Wussow, der in seiner Rolle als Prof. Brinkmann in der Schwarzwaldklinik die berühmten „Du…nich“-Formulierungen prägte und damit so vollendete Sätze schuf wie, sagen wir mal: „Du, die Käti ist jetzt tot, nich?“

Sick Day

Der Duden war schon immer ein Beststeller, galt aber nie als Werk von besonders hohem Unterhaltungswert. Erst als Bastian Sick anfing, nicht nur aufzuschreiben, wie es richtig ist, sondern auch wie es häufig falsch gemacht wird, und die Erläuterungen in ganze Sätze packte, wurde Sprache zum neuen Entertainmentknüller. Vier Bücher und etliche Hörbücher verkauften sich prächtig, und so verwundert es wenig, dass man mit dem Thema auch 90 Minuten Sendezeit im Fernsehen füllen kann, ohne dass es langweilig wird — und das obwohl Bastian Sicks vom SWR dokumentierte Bühnenshow im Wesentlichen ein Diavortrag ist.

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, heute um 22.30 Uhr im SWR.

Sie berechnen nicht, was sie tun

Heute hat der Papst Geburtstag. Und es ist schon ulkig, dass Reinhold Beckmann während der ARD-Themenwoche „Kinder“ und unter dauerhafter Einblendung des Schriftzugs „Kinder sind Zukunft“ mit und über Menschen spricht, die von Amts wegen dem Zölibat unterworfen sind.

Sie können alles, auch Hochdeutsch

Stuttgart im Fernsehen geht normalerweise so: Der Hausmeister steht schon am Treppenabsatz und mahnt die nicht erledigte Kehrwoche an (Tatort: „Bienzle und der/die/das…“). Oder so: Eine junge Berlinerin spuckt am Stuttgarter Eugensplatz einen Kaugummi aus und sieht sich plötzlich von schimpfenden Schwaben jeder Altersklasse umgeben (Berlin Berlin, Episode „Stuttgart Stuttgart“). Letztgenannte Episode einer eigentlich sehr tollen Serie hat mich dazu gebracht, Lolle für immer abzuschalten. Schade, aber ich mag es nun mal nicht, wenn meine Stadt als derart hinterwäldlerisch und bekloppt dargestellt wird.

Jetzt hat es also der neue Tatort in der Hand, alles anders zu machen.

Und dort geht Stuttgart so: Eine Kinderleiche treibt den Neckar hinab, unter einer dieser typischen Straßenbrücken aus Beton. Hinter einem der Brückenpfeiler wacht ein Obdachloser auf, wäscht sich in der trüben Suppe und entdeckt dabei die Leiche.

Es gibt schönere Stücke Neckarufer, es gibt schönere Brücken über den Fluss, aber die erste Szene im neuen Tatort zeigt keine schwäbische Idylle, sondern ein Stück Großstadt, und hebt sich so schon nach einer Minute von den bräsig-behäbigen Bienzle-Geschichten ab.


Foto: SWR/Schweigert

Der Fall rund um das tote Mädchen, Adoptionsmafia und osteuropäische Kinderhändler ist nicht schlecht, kein Krimi-Kracher, aber in den 90 Minuten Spielzeit müssen ja auch zwei Kommissare und ein ganzes Team vorgestellt werden. Richy Müller ist Kriminalhauptkommissar Thorsten Lannert, Anfang 50, unverheiratet, kinderlos und frisch aus Hamburg nach Stuttgart gekommen. Sein Partner Sebastian Bootz (Felix Klare in seiner ersten großen Fernsehrolle) ist erst 31, trotzdem schon Hauptkommissar, verheiratet und hat zwei Kinder. Die Vitae sind natürlich auf Gegensätzlichkeit konstruiert, treten aber schon nach einer Viertelstunde wohltuend in den Hintergrund.

„Lannert und Bootz ermitteln im urbanen Ambiente einer modernen Großstadt“ heißt es in der Pressemitteilung zur Premiere, und irgendwie liest sich das wie „Stuttgart besteht nicht nur aus Volksschauspiel mit Dialektfärbung und Kehrwoche“. 22 Prozent der Stuttgarter sind Ausländer, eingebürgerte Migranten nicht mitgerechnet. Nur noch in Frankfurt und München ist die Quote höher. So gibt es eben auch im neuen Tatort die Kriminaltechnikern Nika Banovic (Miranda Leonhardt) mit bosnischen Wurzeln, Staatsanwältin Emila Alvarez (Carolina Vera) stammt aus Spanien, einer der Hauptverdächtigen ist Däne. Vielleicht wirkt dieses Multikulti ein bisschen zu gewollt, aber so sieht die Realität eben aus. Schwäbisch sprechen dürfen in diesem Tatort nur eine Obdachlose und der Gerichtsmediziner, was ähnlich fehl am Platze wirkt, wie wenn in anderen Krimis in der Pathologie ständig gegessen wird. Dafür wird sehr viel Stadt gezeigt und das ständige Namedropping der Viertel, Straßen und Plätze erinnert einen immer daran, dass man in Stuttgart ist.

Und obwohl wir ja bei den angeblich humorlosen Schwaben sind, bietet dieser Tatort erstaunlich viel Humor — kein Münsteraner Comedy-Krimi, viel mehr eine stimmige Mischung. Dazu noch eine schnell geschnittene Verfolgungsjagd, die in einem anständigen Crash endet. Hauptkommissar Lannert zerlegt nämlich schon an seinem zweiten Tag den 60.000-Euro-Mercedes der Staatsanwältin an einem Müllcontainer. Diese Staatsanwältin Alvarez erinnert an Lisa Cuddy, die Chefin von Dr. House, und sie darf, nachdem Lannert ihren Benz zu Schrott gefahren hat, den schönen Satz sagen:

Und? Haben Sie sich wenigstens verletzt?

Der neue Stuttgarter Tatort haut einen nicht um, schon gar nicht in den etwas holprig inszenierten ersten zehn Minuten, aber Lannert, Bootz und das ganze neue Team haben eine ganze Menge Entwicklungspotenzial. Ich freue mich auf den nächsten Fall, und noch mehr darüber, dass sich die Stuttgarter in Zukunft nicht mehr dafür schämen müssen, wie ihre Stadt dargestellt wird.

Tatort: „Hart an der Grenze“, Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

Sie kennen es also doch!

Interessante Studie. Schon ein paar Wochen alt, aber gerade erst entdeckt. Das Schülerbarometer 2007 vom trendence Institut. Es geht um die Frage der Berufswahl. Wen halten deutsche Schüler für den attraktivsten Arbeitgeber?

Platz 1: Die Polizei!

Okay. Und jetzt raten Sie mal, wer dann auf Platz 2 stehen könnte. Die Feuerwehr? Irgendwas Medizinisches? Ha!

Platz 2: Das ZDF.

Richtig, das ZDF. Direkt nach der Polizei. Vielleicht liegt es an den vielen SOKO-Serien, dass die Schüler das ZDF für eine Art Außenstelle der Polizei halten.
Kein weiteres Medienunternehmen ist unter den Top 10.

Die ZDF-Zuschauer werden immer älter, weil junge Leute sich beharrlich weigern es einzuschalten. Aber dort arbeiten würden sie schon gern.

Sie ruth in Frieden

Die ehemalige Erfolgsserie Der Bulle von Tölz ist wohl zu Ende.

Die Schauspielerin Ruth Drexel, die in der Reihe die Mutter von Benno Berghammer (Ottfried Fischer) spielte, ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Sat.1 geht nicht davon aus, dass ohne sie weitergehdreht werde und sagt:

Wir können uns einen ‚Bullen von Tölz‘ ohne Resi Berghammer nur sehr schwer vorstellen.

Als Ruth Drexel vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen für mehrere Folgen ausfiel, konnte sich Sat.1 einen „Bullen“ ohne Resi Berghammer noch sehr gut vorstellen. Aber damals hatte die Serie ja auch noch bessere Quoten.

In jüngerer Zeit wurde schon mehrfach über eine Einstellung des Bullen von Tölz spekuliert, dessen Quoten, seitdem die Reihe nicht mehr regelmäßig und auf wechselnden Sendeplätzen gezeigt wurde, deutlich gesunken waren. Es wäre schade, wenn diese langlebige Reihe, die über Jahre fast im Alleingang den Sender Sat.1 gerettet hat, nicht einmal die Chance auf eine würdige Abschiedsfolge bekäme.

Sie war einmal

Heute Abend im Ersten: Pilawas großes vor zwei Wochen aufgezeichnetes Märchenquiz. Die prominenten Kandidaten Kai Pflaume, Andrea Kiewel und Nina Hagen müssen zeigen, wie gut sie sich auskennen: Wie viele Zwerge umgaben Rotkäppchen? Womit erschlug der Däumling die sieben Fliegen? Wie befreite sich der gestiefelte Kater aus dem Hexenhaus? Warum riss sich Aschenputtel selbst entzwei? Wie heißt die Geschichte mit dem König und dem Schloss? Und wer schrieb doch gleich das Märchen über das arme dicke Mädchen, das durch einen Zauber plötzlich dünn wurde und überhaupt kein Gold dafür erhielt, dass es den Zauber überall verriet?

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