Schall, Rauch und Feuchtigkeit

Punkt-12-Moderatorin Katja Burkard wird gegen Ostern ihr zweites Kind zur Welt bringen und hat sich heute in die Babypause verabschiedet. Redaktionsleiter Matthias Ebel überreichte ihr zum Abschied symbolisch einen Stoffosterhasen, zwang sie aber leider nicht, das Wort „Stoffosterhase“ auszusprechen. Wir überreichen deshalb eine Liste mit Namensvorschlägen, und wir fänden es total ssssüüüüüüüßßßßßßßß, wenn Katja Burkhards Kind einen davon erhielte:

•       Sissy
•       Susi
•       Saskia
•       Stacy
•       Sebastian
•       Sigismund
•       Alyssa
•       Constanze
•       Servatius
•       Aspasia
•       Esther
•       Celeste
•       Hassan
•       Silvester
•       Esperanza
•       Sixtus
•       Gustl
•       Stanislaus
•       Samson
•       Sven

Schatten im Blick

Seit Anfang der Woche zeigt das ZDF neue Folgen von Schatten der Leidenschaft, der alten US-Daily-Soap, die früher in Sat.1 lief und diesen Monat seit 35 Jahren in den USA auf Sendung ist.

Quasi zum Sendestart im ZDF vermeldet der Brachendienst Variety jetzt eine andere bemerkenswerte Zahl, die verdeutlicht, wie erfolgreich die Serie in den USA ist: 1000.

Halt, es kommt noch eine Erklärung.

In den USA werden die Quoten der Daily-Soaps im Wochendurchschnitt abgerechnet, und Schatten der Leidenschaft hält die Spitzenposition in diesem Genre jetzt seit genau 1000 Wochen. Yepp, das sind mehr als 19 Jahre. Also seit Dezember 1988. Damals war Ronald Reagan Präsident.

Schatten der Leidenschaft ist nicht nur die erfolgreichste unter den Daily Soaps, sie hat mit im Schnitt knapp sechs Millionen auch mehr Zuschauer als manche Primetime-Sendungen. Und der Vorsprung vor der zweitplatzierten Soap Reich und schön beträgt fast zwei Millionen.

Damit hat das ZDF jetzt also die beiden erfolgreichsten amerikanischen Daily Soaps jeden Vormittag hintereinander im Programm.

In den USA laufen beide Serien bei CBS. Die haben übrigens von allen US-Networks die ältesten Zuschauer. Aber das nur am Rande.

Schau, Sport!

Dass die 90-sekündige Tagesschau in der ungefähren Mitte der Sportschau nur eine Alibiveranstaltung ist, die die Sportschau künstlich in zwei „Einzelsendungen“ teilt, die dann insgesamt häufiger durch Werbung unterbrochen werden dürfen, ist ein alter Hut. Wäre sie mehr als das, hätte sie das Zeug, die langjährige Informationskompetenz der Tagesschau nachhaltig zu zerstören. Man stelle sich vor, an einem Tag wie heute schalte jemand die Tagesschau ein, um zu erfahren, wer Deutscher Fußballmeister geworden ist. Was ja unbestreitbar eine Nachricht ist, die in die Nachrichten gehört. Ha! Da erfährt es in den insgesamt drei Meldungen natürlich nicht!
Zum Glück ist die Vorstellung, dass jemand gezielt zu dieser speziellen Tagesschau einschaltet, komplett abwegig, denn heute zum Beispiel wurde sie 12 Minuten früher gesendet als überall ausgedruckt und sogar im eigenen Videotext angekündigt, der sonst ja öfter mal über Programmänderungen informiert.

Und sonst erinnert die Sportschau heute eher an einen Roland-Emmerich-Film. Die ersten 75 Minuten kann man getrost verpassen und muss erst zum großen Finale einschalten. Vorher passieren sowieso nur egale Sachen, und letztlich will man ja doch nur sehen, wie die Außerirdischen/der Riesenaffe/das Eis New York zerstören/Stuttgart Meister wird.

Ich bin übrigens froh, dass nur Fußballer halbnackt Interviews geben. Stellen Sie sich vor, unsere Politiker fingen damit an.

Schicksalsjahre eines Arztes

Für die heute beginnende Wiederholung von Familie Dr. Kleist wirbt die ARD so:

       „Ein schwerer Schicksalsschlag…“

Schlimme Sache.

       „…bedeutet oft auch einen Neuanfang.“

Klar.

       „Zum Beispiel als Hausarzt in Eisenach.“

Aha. Aber ist das nicht schon der zweite schwere Schicksalsschlag?

Schindluders Liste

Mit drei Jahren Verspätung kommt die viel gepriesene US-Comedyserie My Name Is Earl heute ins deutsche Fernsehen. Ein Kleinkrimineller versucht, sein Leben neu zu ordnen und Gutes zu tun, damit ihm Gutes widerfährt, weil er zum ersten Mal in seinem Leben von „Karma“ gehört hat – just nach einem fiesen Unfall, der ihn ins Krankenhaus brachte. Guter Zeitpunkt also. In ungeordneter Reihenfolge arbeitet er eine Liste seiner Schandtaten ab, sucht die Menschen auf, denen er Schlechtes antat und bemüht sich um Wiedergutmachung. Um diese Leute aufzutreiben, muss er manchmal seinen tumben Bruder unter einem Vorwand vorschicken.

Ich werde nervös, wenn ich lügen muss. Aber Randy ist ein Profi, solange er die richtige Menge Bier drin hat. Und vier scheint die Zauberzahl zu sein.

Als Ich-Erzähler aus dem Off ordnet Earl die Ereignisse historisch ein.

Randy war nicht mehr bei Kennys Eltern gewesen, seit wir sie in der High-School-Zeit ausgeraubt hatten.

Die Serie beginnt mit dieser völlig neuen, originellen Grundkonstellation und ist auch in der Umsetzung gelungen. Die Charaktere sind liebevoll kreiert: Alle sind sie Gauner, doch man fühlt Sympathie für sie, weil es ihnen selbst schlecht geht und sie es neuerdings gut meinen, und Earl tut einem schon fast leid, wenn er völlig überfordert mit der Situation ist, zum ersten Mal in seinem Leben in seiner kleinen Welt einem echten Schwulen zu begegnen. Manchmal drohen die Figuren zu klischeehaft zu werden, bergen dann aber gerade noch rechtzeitig eine Überraschung.

Man erkennt zwar sehr schnell das immer wiederkehrende Schema der Serie, aber der Spaß flaut nicht so schnell ab – und die Geschichten dürften auch noch sehr lange nicht ausgehen. Nach dem Ende der ersten Folge umfasst die Liste noch 258 zu bereinigende Vergehen.


Fotos: RTL

Leider versteckt RTL die Serie mutlos im Nachtprogramm um 23.30 Uhr im Sommer und kündigt vorsichtig nur 11 Folgen an, was nicht einmal der Hälfte der ersten Staffel entspricht. In den USA beginnt im September schon die vierte Staffel. 69 Episoden gibt es bisher – bei RTL2 würde das für eine werktägliche Ausstrahlung mit mindestens Doppelfolgen reichen. Der späte Sendeplatz ist umso enttäuschender, wenn man bedenkt, dass vorher noch Wiederholungen der 90er-Show von vor vier Jahren und von Mario Barth präsentiert die besten Comedians Deutschlands vom vergangenen Sommer laufen. Denn die Serie hat durchaus das Potenzial, auch deutsche Zuschauer zu befriedigen: Sie ist nicht das klassische amerikanische Sitcom-Format mit einer räumlich begrenzten Handlung, die auf einer Bühne vor Publikum gespielt wird, das man hierzulande traditionell ins Samstagnachmittagprogramm oder in die Nacht verbannt, und hat auch kaum popkulturelle Bezüge, die man nur versteht, wenn man sich mit amerikanischen Medien oder dem dortigen Leben als solchem auskennt.

Die Serie ist wie ein Film gedreht, ist eine amüsante und charmante Kleinganovenkomödie und könnte einen schlüssigen Block mit der abgesetzten Eigenproduktion Herzog bilden. Leider ist eher zu erwarten, dass beide Serien sich im Archiv wiedersehen als auf benachbarten Sendeplätzen.

Aber warum so pessimistisch? Vielleicht hat RTL ja heimlich eine Liste mit 259 Programmsünden der letzten Jahre erstellt und beginnt heute mit der Wiedergutmachung. Es wäre ein gelungener Anfang.

My Name Is Earl, freitags um 23.30 bei RTL.

Schläfers Bruder

Man muss als Terrorist schon ziemlich dämlich sein, seinen Anschlag ausgerechnet auf die Stadt Los Angeles zu planen, denn selbst jedem Halblicht wäre klar, dass er gegen Jack Bauer ohnehin keine Chance hat.


Foto: RTL II/Showtime

Der hat aber nun offenbar gerade sein freies Halbjahr oder sitzt in irgendeinem chinesischen Kerker, und so ist es in der neuen Terroristenserie Sleeper Cell an Darwyn al-Sayeed, den Anschlag zu verhindern. Es fällt ihm relativ leicht, sich undercover in eine islamistische Schläferzelle einzuschleichen und als „Bruder“ aufgenommen zu werden, denn er ist selbst gläubiger Muslim. Zwischendurch erstattet er seinem Vorgesetzten beim FBI Bericht, der sich als Darwyns Bewährungshelfer tarnt. Die Zelle, in die er da hineingerät, ist im Gegensatz zu den Stereotypen in 24 eine bunt zusammengewürfelte Multikultitruppe mit einem französischen Skinhead, einem blonden Amerikaner und einem wütenden Bosnier, die alle zum Islam konvertiert sind. Wenigstens ihr Chef ist ein echter Araber, und er führt die Truppe wie ein mittelständisches Unternehmen.

Ich würde dich gern nach Hause fahren, aber dann scheißt Farik mich an. Das Dschihad-Mobil ist nur für Dienstfahrten.

 

Foto: RTL II/Showtime

Und wenn sie gerade niemanden umbringen, feiern sie im familiären Kreis Kindergeburtstag. Das wirkt schon eher wie Die Sopranos als wie 24, doch schnell genug geschehen Dinge, durch die es vermieden wird, die Terroristen auch nur annähernd wie Sympathieträger wirken zu lassen. Diese Rolle bleibt allein dem schwarzen Protagonisten Darwyn vorbehalten, der allerdings wie schon Jack Bauer so oft rasch in die Verlegenheit gerät, böse Dinge tun zu müssen, um sich nicht zu verraten. Dennoch lässt sich die Serie auch mit 24 eigentlich nicht vergleichen. Sleeper Cell ist zwar immer wieder spannend, hält aber nicht durchgehend dieses enorme Level, das 24 in den meisten Staffeln gelang, und legt es auch gar nicht darauf an. Stattdessen spielen auch menschliche Geschichten eine Rolle: Darwyn ist kein eiskalter, gefühlloser Superheld mit übermenschlichen Kräften, sondern zeigt seinem FBI-Kontaktmann gegenüber immer wieder, dass er Angst hat: Angst, aufzufliegen, Angst, den Anschlag nicht rechtzeitig verhindern zu können. Angst vor dem Tod. Darwyn ist sich bewusst, dass er sterblich ist und akzeptiert diese Tatsache, hat aber kein Interesse, sein Leben ernsthaft aufs Spiel zu setzen. Er wird wütend, wenn die Agenten, die ihn beschatten und beschützen sollen, sich so blöd anstellen, dass selbst der Dorftrottel sie bemerkt. Richtig: Darwyn ist kein Einzelkämpfer. Er ist undercover zwar allein, doch braucht und will den Schutz aus der Ferne. Das macht die Serie interessant.

Wer in Sleeper Cell hineingerät, muss weniger Zeit investieren als in 24. Zunächst mal minus 14. Die erste Staffel umfasst nur zehn Folgen. Der amerikanische Pay-TV-Kanal Showtime zeigte sie Ende 2005 innerhalb von 15 Tagen. RTL2 plant, die zweite Staffel mit acht Folgen nahtlos anzuschließen. Für sie brauchte Showtime ein Jahr später sogar nur acht Tage. Bei uns ist die Serie in Doppelfolgen zu sehen, heute geht’s los, morgen schon weiter, und dann immer mittwochs.

Sleeper Cell, heute und morgen ab 20.15 Uhr, und dann mittwochs ab 20.15 Uhr bei RTL2 (jeweils zwei Folgen).

Schlämmermenü

Heute beginnt die neue Staffel von Deutschland sucht den Superstar bei RTL. Das Fernsehlexikon empfiehlt aus diesem Anlass für heute Abend um 20.15 Uhr den Film im ZDF: Ein Mann, ein Fjord!. Glücklicherweise besteht laut Deutschem Fernsehnutzungsgesetz seit vergangenem Jahr ja keine DSDS-Pflicht mehr.


Auszug aus dem Deutschen Fernsehnutzungsgesetz


Fotos: ZDF/Hans-Joachim Pfeiffer

Ein Mann, ein Fjord! ist ein Roadmovie über einen Arbeitslosen, der immer wieder Preisausschreiben gewinnt. Weil als Folge eines solchen in Norwegen ein Fjord nach ihm benannt wird, macht er sich auf den Weg dorthin, und weil er währenddessen eine halbe Million in einem anderen Preisausschreiben gewinnt, reist ihm seine Frau hinterher, weil der Mann den Gewinn persönlich in wenigen Tagen beanspruchen muss. Es ist die Verfilmung des gleichnamigen Hörbuchs von Hape Kerkeling, das seit gestern auch als gedrucktes Buch mit geschriebenen Wörtern erhältlich ist. Der Film ist nicht durchweg zum Brüllen komisch, aber amüsant und äußerst kurzweilig und besetzt mit den typischen Kerkeling-Charakteren, wie man sie aus seinen anderen Filmen kennt. Jürgen Tarrach spielt die Hauptrolle, Kerkeling selbst ist in drei Nebenrollen zu sehen: Als Schlägersängerin an Bord eines Vergnügungsschiffes (während die Schlagersängerin Wencke Myhre auf dem gleichen Schiff die Rezeptionistin spielt), als Fernsehmoderatorin im Abzocksender Sechseinhalb Live und natürlich als Horst Schlämmer. Den hätte man beim besten Willen nicht gebraucht, denn weder treibt er die Geschichte voran, noch ist er hier besonders lustig, aber damit erfüllt Kerkeling wohl die Erwartungshaltung, denn seit ein paar Jahren will jeder ja immer nur noch Horst Schlämmer sehen, wenn Kerkeling irgendwo auftaucht. Wenigstens stört er nicht.

Hape Kerkeling ist zu Recht einer der größten Stars des deutschen Fernsehens und einer der dienstältesten. Er ist erst 44, aber seit 25 Jahren nicht nur im Geschäft, sondern erfolgreich und populär. Kerkeling ist enorm vielseitig und weiß genau, wann er sich rar machen muss. Wenn die Gefahr droht, zu präsent zu sein, verschwindet er für eine Weile. Wenn ihm gerade nichts einfällt, belästigt er uns auch nicht. Deshalb kann man in der Regel davon ausgehen, dass, wenn Kerkeling wieder auftaucht, das Resultat gut geworden ist. Der Film Ein Mann, ein Fjord! bestätigt diese Regel.

Ein Mann, ein Fjord!, heute um 20.15 Uhr im ZDF.

Schlag den Raab zum Ritter

Die große Samstagabendshow ist tot. Vor allem junge Leute setzen sich doch heute keinen ganzen Samstagabend mehr vor eine Spielshow. Günther Jauch hat durch den Erfolg von Wer wird Millionär? die klassische Samstagabendshow zerstört. Wetten, dass…? ist nur deshalb so erfolgreich, weil es das schon immer gab.

Jahrelang standen diese Aussagen im Raum, weil es keinen Gegenbeweis gab. Aber kann es vielleicht auch sein, dass einfach niemand mehr eine gute Idee für eine erfolgreiche Samstagabendshow hatte, seit mit der Rudi-Carrell-Show, Flitterabend und Geld oder Liebe die letzten erfolgreichen von uns gegangen sind? Denn siehe da: Vor allem junge Leute setzen sich heute einen ganzen Samstagabend lang vor eine Spielshow. Und ausgerechnet Pro Sieben, ein Sender völlig ohne Geschichte in diesem Bereich, rettet eines der ältesten Genres des deutschen Fernsehens.

Schlag den Raab hat alles, was alle klassischen Samstagabendshows seit den Tagen von Peter Frankenfeld und Hans-Joachim Kulenkampff und später Rudi Carrell und Joachim Fuchsberger hatten: Spielrunden, Spannung, Showblöcke, Schiedsrichter, Sichtschutzbrillen, schalldichte Kabinen und noch einige andere Merkmale mit anderen Anfangsbuchstaben. Und am Ende wird gnadenlos überzogen. Vor allem läuft Schlag den Raab nur alle zwei Monate und hat damit den Ereignischarakter, den sonst tatsächlich nur noch Wetten, dass…? hat.

Der Erfolg von Schlag den Raab ist nach der dritten Ausgabe nicht mehr zu bestreiten. Hier macht sich der Star noch selbst zum Affen! Zweimal schon hatten Kandidaten im Spielewettkampf gegen Stefan Raab verloren, am Samstagabend musste sich Raab zum ersten Mal seinem Gegner geschlagen geben, der den Jackpot mit 1,5 Millionen Euro gewann. Am Ende, als es schon weit nach Mitternacht und das Spiel extrem spannend war, schauten mehr als doppelt so viele Menschen zu wie zu Beginn zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr. Dieser Beginn hatte freilich noch ganz andere Merkmale aus der Samstagabendantike. Wie weiland bei Frank Elstner in der Anfangsphase von Wetten, dass…? dauerte es eine geschlagene Dreiviertelstunde, bis außer Kandidatenvorstellung und Spielregelerklärung überhaupt mal was passierte. Doch nachdem die Show schließlich Fahrt aufgekommen hatte, ertrug man sogar den Auftritt von Tokio Hotel ohne größeres Wehklagen. Früher wäre es eben das Medium-Terzett gewesen.

Natürlich hätte nie jemand gedacht, dass Matthias Opdenhövel einmal der große Samstagabend-Showmaster würde, aber es hätte natürlich auch niemand erwartet, dass sich Stefan Raab jemanden als Moderator für seine Show aussucht, bei dem die Gefahr bestünde, er könne lustiger sein als Raab.

Die große Samstagabendshow lebt. Und sie ist deshalb so erfolgreich, weil endlich wieder jemand eine gute Idee hatte. Willkommen zurück.

Schlag dich auf die Seite vom Raab

Wow. Ich glaube, so wenig wie heute bei Schlag den Raab haben sich Fernsehzuschauer noch nie über den Gewinn eines Kandidaten gefreut.

Teilnehmer Hans-Martin, der keine Freunde, sondern eine halbe Million gewinnen wollte, trat von Beginn an mit einer solchen, nennen wir es, Selbstsicherheit auf, dass weder Moderator Mattias Opdenhövel noch Stefan Raab, und nicht einmal Kommentator Frank Buschmann ihre Abneigung verbergen konnten. Von den Zuschauern ganz zu schweigen, denn das taten auch sie oft genug. Raab wurde bejubelt wie noch nie, und Punktgewinne des Kandidaten wurden teilweise mit einer derartigen Stille quittiert, dass ich mich zwischendurch fragte, ob überhaupt durchgehend Publikum anwesend ist. Die Buh-Rufe beantworteten die Frage dann aber recht schnell.

Wenn die Sympathie, die den Kontrahenten von Stefan Raab normalerweise zuteil wird, in den Jackpot wandert, wird Raab in der nächsten Sendung eine sehr aufgebrachte Meute gegen sich haben.

Schlag die Außenwelt

Schlag den Raab aufzunehmen und erst später zu gucken wird allmählich ein Ding der Unmöglichkeit.

Haben Sie mal versucht, ein wichtiges Fußball-Länderspiel nicht live, sondern erst am nächsten Tag als Aufzeichnung anzuschauen, ohne bis dahin erfahren zu haben, wer gewonnen hat?

Schlag den Raab hat inzwischen ebenfalls einen Ereignischarakter erreicht, der es verbietet, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, wenn die Spannung beim späteren Ansehen erhalten bleiben soll. Bloß nicht mit Menschen sprechen! Die könnten es gesehen haben und das Gespräch darauf bringen, bevor man es verhindern kann. Und schon gar nicht dieses Internet aufsuchen, das sonntags ja auch nur froh ist, irgendwas thematisieren zu können.

Mein vorletzter Versuch im Frühjahr hätte beinah geklappt, bis bei Spiel 13 das liebste Wesen der Welt die Tür öffnete und den in diesem Moment blödesten Satz der Welt sagte: „Ah, du bist schon beim letzten Spiel!“ Rechnerisch konnte aus dieser Information leider nur noch ein Ergebnis resultieren.

Beim letzten Mal habe ich schon vor dem ersten Drücken der Play-Taste aufgegeben, weil ich den Fehler gemacht hatte, kurz meine E-Mails checken zu wollen und mein Mailanbieter mich schon auf der Startseite mit einer Schlagzeile begrüßte, die Raabs Sieg beinhaltete.

Diesmal hat’s geklappt. Aber der Tag bis dahin war anstrengend. Nächstes Mal muss das Leben wieder leichter werden. Dann muss wieder live geguckt werden.

Zu dieser Erkenntnis sind andere, schlauere Menschen offenbar schon vor mir gekommen. Das wäre eine Erklärung, warum die Einschaltquoten von Schlag den Raab nach vier Jahren immer noch steigen. Aufnehmen und später gucken ist zu riskant. Also live. Gestern kamen zum ersten Mal vier Millionen Zuschauer zusammen, und damit kann man die Show mittlerweile auch beim Gesamtpublikum, und nicht nur bei der privatsenderrelevanten Zielgruppe als großen Erfolg bezeichnen.

Das könnte aber auch daran liegen, dass Schlag den Raab inzwischen offenbar auch gezielt die älteren Zuschauer ansprechen will. Denn während bei Wetten, dass…? immer häufiger junge musikalische Gäste auftreten, von denen das Stammpublikum noch nie gehört hat, stellt plötzlich Phil Collins seine neue CD nicht wie gewohnt bei Wetten, dass…? vor, sondern bei Schlag den Raab. Und auch Kylie Minogue, die ohne Frage viele junge Fans hat, ist schon lang genug im Geschäft, um auch von über 50-jährigen als Star angesehen zu werden.

Wenn außerdem eines Tages sogar mal Kandidaten ausgewählt werden, die nicht aussehen wie Kojak, kann man vielleicht noch weitere neue Zielgruppen erreichen.

Haben Sie’s gemerkt? Im ganzen Text kommt kein Hinweis darauf vor, wer gestern gewonnen hat. Keine Ursache.

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