Eigentlich wollte RTL2 ab dem 14. Februar die zweite Staffel der Sandalenserie Rom zeigen; nicht wie bisher sonntags zur Primetime, sondern samstags gegen 22.00 Uhr. Diese Pläne haben sich geändert. Um 18.33 Uhr heute Abend teilte der Sender mit:
RTL II verschiebt den ursprünglich für Samstag, den 14. Februar 2009 geplanten Start der zweiten Staffel von „Rom“ ins zweite Quartal 2009, weil wir dieses herausragende Serienhighlight auf einem prominenteren Sendeplatz zeigen wollen. Über einen genaueren Sendetermin informieren wir Sie natürlich sobald wie möglich.
Wir veröffentlichen diese Pressemitteilung im Wortlaut aus reiner Bequemlichkeit. Auf diese Weise können wir ganz einfach auf sie verlinken, wenn RTL2 Rom im dritten Quartal auf einem unprominenteren Sendeplatz zeigt, zum Beispiel trotzdem um 22.00 Uhr, aber dafür im Sommerloch.
Es ist aber eine Überraschung, wie deutlich Bohlen und Dschungel Gottschalk in der privatsenderrelevanten Zielgruppe schlugen: Mit 4,12 bzw. 4,38 Millionen zu 3,09 Millionen. (Quellen: Teletexte RTL und ZDF laut GfK).
Als im vergangenen April eine reguläre Ausgabe von Deutschland sucht den Superstarzum ersten Mal gegen Wetten, dass…? antrat, gewann Gottschalk noch in beiden Zielgruppen, vor allem aber wurde deutlich, dass im Fall eines direkten Duells zweier Quotengaranten beide Sendungen Verluste hinnehmen müssen. Das war jetzt nicht mehr der Fall. Diesmal verlor nur Gottschalk. Seine Quote rutschte auf ein neues Tief, während im Gegenprogramm die „Superstars“ fast so viele Zuschauer wie bei der Staffelpremiere am Mittwoch erreichten und die Dschungelstars sogar so viele wie noch nie in dieser Staffel.
Es scheint fast so, als sehe das junge Publikum Wetten, dass…? an anderen Samstagen nur aus Verzweiflung an, weil beim besten Willen sonst nichts kommt.
Image ist alles. Und weil Kabel eins nicht länger das Image des Oldie-Senders haben wollte, der den ganzen Tag Uralt-Wiederholungen runternudelte, zeigte der Sender so lange gegen den Geschmack des Stammpublikums Krimiserien, Dokusoaps und Sitcoms, bis er nicht nur sein Image los war, sondern auch jede Menge seiner alten Zuschauer, dafür aber deutlich mehr junge Zuschauer gewonnen hatte.
RTL II hat auch ein Image. Aber eigentlich keins, das man gerne haben will. Glücklicherweise ist ja vor einiger Zeit ein Image freigeworden. Und weil die erfolgreichsten Sendungen von RTL II an vielen Sonntagen ohnehin Zwölftausstrahlungen von Das A-Teamsind, bekommen die Veteranen jetzt Gesellschaft, die sie noch aus den frühen 90ern kennen. Wer sonntags künftig irgendwann zwischen 11.00 Uhr und 16.00 Uhr RTL II einschaltet, sieht mindestens eine dieser Serien: Das A-Team, MacGyver oder, jawohl: Baywatch. Die kommen jetzt alle hintereinander.
Das nagelneue RTL II.
Es ist nicht das erste Mal, dass RTL II Serien zeigt, die bei einem anderen Sender zu einer anderen Zeit bekannt geworden waren. 1993 und 1994 wiederholte RTL2 die damals schon nicht mehr frischen ZDF-Eigenproduktionen Ich heirate eine Familie, Patrik Pacard und Rivalen der Rennbahn. Aber da war der Sender gerade erst gestartet, brauchte Programm und hatte noch gar kein Image, insofern war es egal.
Sogar Neueinkäufe von Serien bedienen heute ein Klientel, das RTL II bisher vernachlässigt hat. Für dieses Jahr ist der Start der Sitcom Hot In Cleveland angekündigt, einer Art Neuauflage der Golden Girls, in der es um das Leben von drei mittelalten und einer alten Frau geht. In einer der Hauptrollen wieder mit der inzwischen 90-jährigen Betty White.
Vielleicht können die jungen, total verrückten, aufgeschlossenen Klingeltonkäufer, denen RTL II jahrelang hinterher- und manchmal sogar vorauseilte, ja den Fernseher einfach für ihre Eltern laufen lassen.
Im Grunde ist die Sache einfach: Wenn man an eine Serie glaubt, die man produziert hat, lässt man sie nicht ein Jahr ungesendet rumliegen. Und man setzt sie nicht nach einer einzigen Folge ab, ohne wenigstens abzuwarten, ob vielleicht die (wenigen) Menschen, die die erste Folge gesehen haben, ihren Freunden sagen, wie gut sie war, und die zweite Folge deshalb schon von mehr Menschen gesehen wird.
Es spricht nichts dafür, dass RTL je an Die Anwälte geglaubt hat, die Anwaltsserie mit Kai Wiesinger, die der Sender nun bereits nach der Premiere abgesetzt hat. Und wenn man die Pressemitteilung liest, in der RTL diese Entscheidung bekannt gibt, ahnt man auch, warum der Sender selbst mit seiner Produktion nie warm wurde:
Die qualitativ hochwertige Serie „Die Anwälte“, die am 14.01. gestartet ist, blieb mit 10,8 Prozent Marktanteil beim jungen Publikum deutlich unter den Erwartungen des Senders und wird deshalb nicht fortgesetzt.
Vielleicht war die Serie Die Anwälte einfach zu qualitativ hochwertig. Für RTL. Ob sie es auf Dauer auch für das Publikum gewesen wäre, werden wir vermutlich nie erfahren.
Kaum sind vier Monate in der Zeit mit der höchsten TV-Nutzung des Jahres vergangen, da holt RTL Mitte März auch schon seine Serien von „House“ bis „CSI“ aus dem Winterschlaf zurück.
Schöner und pointierter als DWDL kann man die Mitteilung nicht formulieren, dass der Sender RTL, der früher tolle Quoten mit amerikanischen Serien erzielte, ab übernächstem Monat wieder einzelne neue Folgen dieser Serien zeigt.
RTL muss ziemlich neidisch auf das ZDF gewesen sein, weil es mit ZDFneo einen eigenen Nischensender hat, in dem es tolle, neue US-Serien zeigen kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass diese jemand sieht. RTL sitzt nämlich schon seit geraumer Zeit auf der tollen, schon gar nicht mehr so neuen US-Serie Modern Family mit Ed O’Neill, die 2009 startete. (Wir berichteten.) Oder auf Nurse Jackie mit Edie Falco. Und im Hauptprogramm gibt es für solche schönen Sendungen, die weder ihre Protagonisten noch ihre Zuschauer verachten, natürlich keine Sendeplätze, die unprominent genug sind.
Aber RTL kann ja vom öffentlich-rechtlichen Modell lernen. Deshalb laufen diese und ältere Serien ab April beim neuen Free-TV-Kanal RTL NITRO. Kein Witz. Ich weiß nur noch nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Bei RTL beginnt heute eine neue Castingshow. Wer keine Castingshows mag, wird sie lieben. Sie heißt Dr. House, und es geht darum, ein neues Team für den mürrischen Doktor zu finden. Also hat er einem Saal voller Bewerber Startnummern auf den Bauch geklebt und siebt der Reihe nach einzelne aus, ganz so, wie man es aus den gängigen Realityshows kennt.
Foto: RTL
Die tolle Parodie gipfelt nächste Woche in einem Tribunal im Hörsaal mit brennenden „Kerzen“, in dem House auftritt wie der Moderator von Survivor auf der abgelegenen Insel.
Mein erster Blick ging auf den Kalender. Habe ich etwa bis zum nächsten 1. April durchgeschlafen? Oder gibt es eine neue Tradition der Septemberscherze?
Denn wenn RTL in einer Pressemitteilung über eine neue Serie informiert, die bald im Ersten läuft, kann irgendetwas nicht stimmen.
Foto: RTLARD Marion von der Mehden.
Die abgesetzte RTL-Serie Die Anwälte ist ab Oktober im Ersten zu sehen.
Andererseits schlüssig, dass man für Sender wirbt, die man mag, gerade für die ARD, die das Gute in der Welt und im Fernsehen verkörpert, ein Anwalt der Zuschauer ist und seit jeher für qualitativ hochwertige, anspruchsvolle Serienproduktionen steht. Das haben wir doch alle schon immer gesagt, gell?
Die Anwälte, eine gelungene Serie mit Kai Wiesinger, war am 17. Januar bei RTL gestartet und am 17. Januar dort zu Ende gegangen. RTL beteuerte immer und auch heute noch, man glaube an die Serie und sei von der Qualität der Anwälte überzeugt. Und was macht man, wenn man von einer Serie so überzeugt ist? Klar: Man lässt sie nach Fertigstellung ein Jahr lang ungesendet liegen, setzt sie dann nach der ersten Folge ab und verkauft sie ein paar Monate später an die Konkurrenz.
Und so wird ab Mitte Oktober kurzfristig ein Primetime-Sendeplatz in der ARD freigeräumt, um alle acht Folgen der soeben von RTL erworbenen Serie Die Anwälte zu zeigen. (Wir werden dann hier daran erinnern.) Ausgerechnet in der ARD, die normalerweise selbst Ewigkeiten braucht, bis produzierte Serien ausgestrahlt werden. Aber ich will auf keinen Fall über diese frohe Botschaft des Monats klagen. Es hätte alles schlimmer kommen können. Zum Beispiel gar nicht mehr. Oder RTL hätte die verbleibenden Folgen ohne Ankündigung kurz vor Jahresende nachts um drei versendet, damit man sie wenigstens dieses Jahr noch von der Steuer absetzen kann. Stattdessen passiert den Anwälten das Bestmögliche: Sie laufen auf einem hervorragenden Sendeplatz montags um 20.15 Uhr, und sie laufen auch noch werbefrei! Es ist nicht einmal die erste schöne Serie auf diesem Sendeplatz. Auch Mord mit Aussicht war genau dort zu sehen. Man muss sich allmählich wieder damit abfinden, dass das Erste ein Platz für interessante Hauptabendserien sein könnte. (Dass die ARD einst auch schon die alte RTL-Serie Ein Schloss am Wörthersee kaufte und zeigte, sei hier nur aus historischen Gründen erwähnt.)
Die ARD sei also hiermit offiziell gepriesen.
Und ich will ja auch nicht übermütig werden und das Glück herausfordern, aber, liebe ARD, nur so am Rande…:
Kunden, die Die Anwälte gekauft haben, interessierten sich auch für Herzog.
Das klang schon ein bisschen verzweifelt heute in der E-Mail von RTL:
Da die meisten Sender erst heute Ihre Meldung zu den Jahresquoten veröffentlicht haben, anbei noch einmal die (bereits gestern) versandte Meldung von RTL Television inkl. der Angaben zum Abschneiden der deutschen RTL-Senderfamilie im Zuschauermarkt.
Fast rührend, der dezente Hinweis auf die „Angaben zum Abschneiden der deutschen RTL-Senderfamilie“. Diese Angaben sind — weil das Familienmitglied Vox so erfolgreich ist — nämlich ungefähr die einzigen wirklich guten Nachrichten in der ganzen Pressemitteilung.
Wovon RTL verzweifelt abzulenken versucht, ist diese Entwicklung des großen Marktführers aus Köln:
(Noch trauriger ist nur die Pressemitteilung von n-tv, die davon fantasiert, dass der Sender sich im Zuschauermarkt im vergangenen Jahr „überaus erfolgreich behauptet“ habe. „Überaus erfolgreich behauptet“ bedeutet für n-tv, dass dem Sender wenigstens die Zusatz-Demütigung erspart blieb, Zuschauer verloren zu haben, während N24 und Phoenix schon wieder, teilweise deutlich, Zuschauer gewonnen haben.)
Spannender als das Programm war es am Anfang hinter den Kulissen. Weil den Landesmedienanstalten RTL 2 zu eng mit RTL verflochten war und sich dann die alten und neuen Gesellschafter über die Aufteilung der Anteile zunächst nicht einig wurden, musste der Sendestart über Monate immer wieder verschoben werden, insgesamt dreimal. Die Branche nannte das „jugendorientierte Vollprogramm“ schon „Ankündigungssender“. Aber dann ging es doch noch los, am 6. März 1993 um 6.05 Uhr. Und jetzt alle im Chor: Deh-deh-deh-düpp-djüh deh-deh-deh-djöh…
In kürzester Zeit schaffte es RTL 2, sich das Prädikat „Schmuddel-“ oder „Tittensender“ zu erobern, das zuvor meist mit der großen Stiefschwester RTL verbunden worden war. Dabei waren die ersten prägenden Sendungen des Programms (neben der üblichen Mischung aus alten Serien und schlechten Spielfilmen) harmlos — und nicht einmal Eigengewächse: Vom kurz zuvor eingestellten Tele 5 (woher auch der RTL-2-Programmchef Gerhard Zeiler kam) übernahm man Jochen Bendel und die Gameshow Ruck Zuck sowie Mike Carl und die Pannenshow Bitte lächeln.
Durch das Kinderprogramm führte eine Puppe namens Vampy, durch das Teenagerprogramm Bravo TV ein Moderationsroboter namens Kristiane Backer. Seriendauerbrenner werden in den ersten Jahren Dr. Quinn — Ärztin aus Leidenschaft, Ausgerechnet Chicago und Walker, Texas Ranger, aber auch Oliver Stones Miniserie Wild Palms lief 1993 auf RTL 2.
Revolutionär wurde es mit der Exklusiv — Die Reportage, die wohl einzige RTL-2-Sendung aus dem ersten Sendejahr, die immer noch läuft. Sie hat inzwischen mehrere Häutungen hinter sich, aber am nachhaltigsten war die Zeit, als sie Woche für Woche unter irgendwelchen Vorwänden nackte Brüste zeigte und Sauf- und Sextouristen begleitete. 99 Prozent der kreativen Energie floss in dieser Zeit offenkundig in die Erfindung immer neuer Titel und Stabreime. Im November 1999 zeigte Exklusiv innerhalb von nur zehn Tagen die Reportagen „Knödel, Sex und Billigbier“, „Weiber, VIPs und Whiskey Cola“ und „Swinger, Singles, Seitensprünge“.
Passend zum Genre erfand RTL 2 im Jahr 1995 eine Show für behauptete Erotik und unfreiwillige Komik, besser bekannt als peep! — nacheinander, äh, „moderiert“ von Amanda Lear, Verona Feldbusch, Verena Araghi und Nadja Abd el Farrag (mehr zur erstaunlichen Sendungsgeschichte hier). Bereits im Dezember 1994 ging Die Redaktion auf Sendung, ein Magazin, das vor allem wegen der schmierig inszenierten Redaktionsrunde am Tisch, geleitet von dem grauenhaften Joachim Steinhövel, in Erinnerung blieb.
Während Harald Schmidt seine ersten Late-Night-Versuche noch als Eins-zu-eins-Kopie von David Lettermans Late Show anlegte, zeigte RTL 2 eine Weile das Original, und passend dazu die amerikanischen Nachrichten „World News Tonight“ mit Peter Jennings. Schnell wieder aufgegeben wurde der Versuch, unter dem Label „Die jungen Wilden“ hochwertige eigenproduzierte Spielfilme zu produzieren. Der bekannteste ist „Der Sandmann“ mit Götz George, Karoline Eichhorn und Barbara Rudnik, der dem jungen Sender einen „Grimme-Preis mit Gold“ bescherte.
Dass Claudia Schiffer am 5. Dezember 1995 eine eigene Show namens Claudia Schiffer — Close Up bekam, erwähnt die offizielle Pressemappe zum Jubiläum. Dass es aus Mitleid mit dem Publikum bei einer Folge blieb, verschweigt sie. Nur einige Wochen länger hält 1997 auch die Heike Makatsch Show durch. Sogar eine eigene tägliche Soap hatte der damals noch ehrgeizige Sender: Alle zusammen — jeder für sich hieß sie — und floppte ebenfalls (hinterließ der Nachwelt aber immerhin ein Nachwuchstalent namens Oliver Petszokat).
Gelinde gesagt abwechslungsreich waren auch die Versuche von RTL 2, Nachrichten zu machen. Die ersten Variante war so bunt und laut wie ihr Name: Action News — aber nicht so erfolgreich, wie man befürchten musste. Von 1996 an versuchte es RTL 2 sogar ein paar Jahre ganz seriös und minimalistisch, mit Nachrichten vor einem vollkommen schwarzen Hintergrund.
RTL 2 verhalf mit Serien wie Sailor Moon und Pokémon den Animes in Deutschland zum Durchbruch, zeigte die ersten Staffeln Popstars, in denen unter anderem die No Angels gecastet wurden, etablierte 1997 The Dome als nach eigenen Angaben „größte Musikshows Europas“ — und wurde zum Markenzeichen für gewagte, billige, innovative Unterhaltung. Dafür stehen insbesondere die Doku-Soaps und das Reality-TV. Im Jahr 2000 ging das Experiment auf Sendung, das das deutsche Fernsehen verändert und für Diskussionen gesorgt hat wie kaum eine zuvor oder seitdem: Big Brother. Dazu passten perfekt Sendungen wie Frauentausch und ihre vielen Varianten. Diese Genres bestimmen — Hochglanzserien wie Heroes oder 24 zum Trotz — heute noch Programm und Image von RTL 2, obwohl sie längst in trostloser Routine erstarrt sind. So frisch, wie es sein müsste, wirkt das Programm von RTL 2 längst nicht mehr.
RTL 2 feiert seinen Geburtstag mit einer zweistündigen Show: heute, 21.10 Uhr.