Mein lieber Herr Gesangverein
Hoffentlich ist Ihr Fernsehtisch stabil. Wenn der Fernseher nämlich Glee zeigt, droht das Möbel darunter unter der Last an Klischees zusammenzubrechen.
Worüber man aber zuallererst hinwegkommen muss, ist schlicht dies: Die Serie ist ein Musical. Das ist eigentlich eine logische Konsequenz aus den vielen Serien, die in den vergangenen Jahren erfolgreich einzelne Musicalepisoden gedreht haben. Jetzt also eine ganze Serie, die ein Musical ist.
Das Thema, die Bemühungen eines Lehrers einen modernen Schul-Showchor aufzubauen und zum Erfolg zu führen, gibt natürlich ohnehin schon viele Möglichkeiten her, singende und tanzende Menschen zu zeigen. Darüber hinaus brechen die Darsteller aber auch mitten in der Handlung unvermittelt in Gesang aus, sauber orchestriert und begleitet von einer wundersamen Verwandlung in andere Kostümierungen. Glee ist keine Musicalparodie. Die meinen das ernst.
Und auch die klischeehafte Verteilung in der Zusammensetzung des Chores wirkt nicht, als sei sie als Parodie gedacht. Da sind alle, die man aus allen anderen amerikanischen Highschool-Serien kennt: Das Sport-As und seine Freundin, die intrigante Cheerleaderin; die hübsche, aber unbeachtete gute Sängerin, deren Herz für das Sport-As schlägt; die dicke Schwarze; der junge Schwule, der lernen muss, mit seiner Sexualität klarzukommen; der Behinderte im Rollstuhl; der nette Lehrer; die intrigante Lehrerin, die versucht, den Chor zu zerschlagen; und der gähnende Zuschauer, der das alles schon hunderttausendmal gesehen hat.
Das heißt aber nicht, dass Glee nicht auch überraschend und lustig ist. Wenn man erst über diese Musicalsache und den Klischeeberg hinweggekommen ist, findet man durchaus ein paar schöne Dialoge und intelligente Gags. Der Teil der Serie, der gesprochene Spielhandlung ist, ist deutlich auf Comedy getrimmt, und immerhin das unterscheidet ihn von den meisten anderen Teenieserien. Und obwohl der Schluss der ersten Episode so wirkt, als sei die Geschichte bereits am Ende und alles erzählt, muss man, sofern man ungeachtet dessen weiterguckt, ein gewisses Suchtpotenzial einräumen. Ob man will oder nicht.
In den USA hat sich die Serie seit dem Start vor anderthalb Jahren zu einem derartigen Überflieger entwickelt, dass der Sender Fox inzwischen sogar seine erfolgreichste Sendung American Idol auf einen neuen Sendeplatz verschiebt, nur um Glee nicht antasten zu müssen. (Beide hatten sich bisher je nach Jahreszeit einen Sendeplatz geteilt, aber die jetzigen Glee-Quoten ließen eine Aussetzung oder Verschiebung der Serie irrsinnig erscheinen.)
Von diesem Erfolg waren die Sender und Produzenten womöglich selbst am meisten überrascht, denn die Serie wirkt nicht, als sei sie als irgendetwas anderes gedacht gewesen als ein geniales Marketinginstrument, um den Verkauf von Tonträgern anzukurbeln. Allein in der ersten Staffel erschienen drei Soundtrack-Alben und danach ein Komplett-Box-Set mit allen 100 Songs aus der Staffel. Alle Songs sind vom Ensemble selbst eingesungen, und die meisten sind Coverversionen bekannter Hits. Weil alle Songs auch einzeln erhältlich waren, aber alle unter dem Namen „Glee Cast“, hatte es die Gruppe schon auf 71 Chart-Notierungen in den USA gebracht, bevor überhaupt die zweite Staffel losging. Kein Wunder, wenn man jede Woche um die Werbeblöcke herum einen 40-minütigen Dauerwerbespot für diese Produkte ausstrahlen kann. Aber die Werbung ist ja schon seit längerer Zeit öfter mal interessanter gemacht und besser produziert als große Teile des restlichen Fernsehprogramms.
Glee ist derzeit eine der erfolgreichsten Serien im US-Fernsehen und landete im deutschen Fernsehen ausgerechnet bei Super RTL. Dort laufen zwar auch einige andere der erfolgreichsten US-Serien, die sind aber in der Regel Jahrzehnte alt und mit alten Frauen besetzt. Montags abends kommen jeweils zwei Folgen von Glee, die erste sendet auch RTL vorab am Sonntagnachmittag weg und hält das für eine angemessene Starthilfe.
Und die Lieder aus Glee sind ab jetzt natürlich auch in Deutschland erhältlich.
Korrektur (Montag, 17.01.): Super RTL zeigt nur heute zwei Folgen, ab nächstem Montag immer nur eine um 20.15 Uhr.
16. Januar 2011 um 11:15
Oder im SF2 🙂
da läuft sowas abends
16. Januar 2011 um 12:23
Mal sehen, ob sie den Weg fast aller in den USA erfolgreichen Serien geht (also: ob sie grandios floppt) oder sich tatsächlich behaupten kann…
16. Januar 2011 um 13:29
Wir haben hier ja in der Nähe auch so einen Musicaltempel. Meinereiner musste da schon des öfteren mit und sich so eine Auffürung anschauen. Na ja….ich glaube das ist irgendwie nix für mich…….. Schatz war dagegen jedes mal total begeistert….von der Atmosphäre und so.
Also eher doch was für Mädchen.
Mit staunen habe ich somit gerade vernommen, dass es jetzt quasi Musicals für zu Hause gibt……tendenziell ist das glaube ich eine gute Nachricht…..ich geh gleich mal meine Plattensammlung von dieser Schwedischen Gruppe, deren Namen mir gerade nicht einfällt….abstauben…….
16. Januar 2011 um 14:22
Warum man zwei Folgen einer Serie direkt nacheinander
verschleudertversendet erschließt sich mir nie.16. Januar 2011 um 14:40
@SvenR
Das ist oben leider falsch. Super RTL zeigt nur morgen zwei Folgen, wohl dami es auch neue Ware gibt und nicht nur die schon auf RTL gezeigte Folge. Ab der darauffolgenden Woche läuft nur noch eine Folge um 20:15 Uhr und danach um 21:15 Uhr das DSDS-Magazin
16. Januar 2011 um 18:26
Stinklangweilig! Ich konnte keinen Unterschied zu „High School Musical“ erkennen. Kann Deiner Kritik nur 100% zustimmen
17. Januar 2011 um 10:17
Gott, wie ich Musicalfolgen hasse. Wenn da die alten Wiederholungen der Simpsons laufen und so eine Folge kommt, schalt ich erst einmal für 30 Minuten den Fernseher aus… und dann eine ganze Serie, die so ist? *brrrr*
Zumal mir Glee sowieso schon aus einem Grund auf die Nerven geht: Wer regelmäßig irgendwelche Podcasts oder Sendungen von Online-Persönlichkeiten auf blip.tv schaut, der kennt diese unglaublich nervige Glee-Werbung(en) sicherlich auch. Und man kann die nicht abschalten. Immer und immer wieder muss man sich dieselben Dialoge, die man schon beim ersten Mal nicht lustig fand, anhören. Aaaarrrgh… DAMN YOU, GLEE!
17. Januar 2011 um 11:33
Also da muß ich jetzt wohl mal ne Lanze für Glee brechen: mir macht die Serie Spaß und wenn man sich ein bißchen drauf einläßt und die Serie nicht gleich nach der ersten Folge abverurteilt (seien wir ehrlich: nur wirklich wenige gute Serien haben in der ersten Folge bereits die Genialität gezeigt, für die sie später berühmt wurden, viele brauchen einfach etwas Zeit, um ihren Ton zu finden) dann kann man schon erkennen, warum z.B. Jane Lynch in ihrer absolut obergeilen Rolle mit Preisen überhäuft wird (diese Frau ist einfach grandios) und die Serie auch sonst jede Menge (hochkarätige) Preise abräumt.
Mit High School Musical kann man die Serie wirklich nicht vergleichen. Nur weil die „hübsche Blondine“, der „schwule Junge“ und die „unbeachtete gute Sängerin“ hat, heißt das nicht, daß diese Serie vor Klischees nur so tropft. Im Gegenteil. Die „unbeachtete gute Sängerin“ ist von Ehrgeiz zerfressen, der „schwule Junge“ muß nicht, wie im Text oben beschrieben, erst lernen, mit seiner Sexualität klarzukommen (im Gegenteil, er hat keine Probleme damit, ist offen schwul und verheimlicht das keinem), usw… Viele der auf den ersten Blick erstmal als reines Klischee wirkenden Rollen ist das genaue Gegenteil (was sich allerdings erst im Laufe der ersten Staffel rausstellt)
Was allerdings wirklich katastrophal ist, ist die deutsche Synchonisation. Ich weiß, ich weiß. Das ist das Argument bei jeder Serie und wird von den Fans immer als Grund angeführt, wenn andere nicht erkennen wollen, was denn so gut an der Serie sei. Ich selbst hasse dieses Argument eigentlich und fand es früher auch immer blöd. Aber leider, leider muß ich sagen: in diesem Fall stimmts.
Als ich die Werbetrailer von super RTL gesehen habe, bin ich fast rückwärts vom Stuhl gefallen. Das geht wirklich garnicht. Vor allem der Witz scheint bei vielen Sätzen einfach gestrichen worden zu sein bei der Übersetzung. Wollte man den deutschen Jugendlichen und erwachsenen Zuschauern manches einfach nicht zutrauen? Hatte man Angst, daß manche Anspielungen nicht verstanden werden?
Ich tippe drauf, daß die Serie bei uns phänomenal floppt. Zumal bei Super RTL. Verstehe nicht, warum RTL da nicht mehr riskiert und das an prominetere Stelle zeigt.
17. Januar 2011 um 21:58
Ich habe immer Angst gehabt, einer von denen zu werden, die das sagen, was ich jetzt sagen werde, trotzdem muss es sein: Die Sendung ist wirklich großartig, aber die Synchronfassung ist unerträglich. Diese Stimmen. Brrr.
18. Januar 2011 um 08:04
Das ist nix für mich….das weiß ich jetzt sicher.
Wann ist endlich März?…..Chevron 9 – aktiviert!
18. Januar 2011 um 15:23
Was die Synchronisation angeht, habe ich festgestellt, das die Beurteilung der Qualität meisstens nicht wirklich objektiv ist, sondern davon abhängt wie Lange man sich an die Originalstimmen gewöhnt hat und was den Witz angeht, ist das selten Unvermögen des Studios, sondern schlicht die Tatsache das dieser sich nur sehr schwer ins Deutsche übertragen lässt. Die Stimmen passend zum Original zu casten dürfte im übrigen auch nicht immer möglich sein. Ich fand es sehr beruhigend, das sie die Songs selber nicht Synchronisisiert haben, ist eben nicht Disney.
19. Januar 2011 um 12:40
@dent42:
ich gebe Dir recht. Auch ich konnte beispielsweise mit der deutschen Synchonisation der „Gilmore Girls“ wunderbar leben und habe die vielen Anspielungen, die durch die Übertragung ins deutsche verloren gegangen sind, nicht wirklich vermisst (man sollte aber auch erwähnen, daß gerade die Synchronisation der Gilmore Girls in Deutschland wohl einige Preise gewonnen hat, weil sie besonders gut gelungen ist)
Wenn man sich also an die deutsche Synchonisation gewöhnt hat und das Original nicht kennt, ist es meistens halb so schlimm.
ABER: man muß schon sagen, es gibt halt auch große Qualitätsunterschiede bei der Synchronisation. Bei vielen Serien sieht man drüber hinweg und ist glücklich, daß sie überhaupt im deutschen TV laufen.
Aber bei Glee fällt es mir ganz besonders auf. Und zwar negativ. Es ist wirklich traurig, wenn man das Original kennt und dann den deutschen Text hört. Sowohl die Stimmen, als auch den Inhalt. Die Serie hat tatsächlich nur noch halb soviel Witz und wird deshalb nicht das Publikum finden, was es verdient hätte.
Daß man die Songs nicht auch synchonisiert hat, liegt wohl daran, daß die amerikanische/englische Originalversion der meisten Songs bei uns schon etabliert ist und die Zuschauerschaft, die damit erreicht werden soll, wohl auch etwas älter ist als das Highschool-Musical-Publikum.
19. Januar 2011 um 12:54
Also ich hab mir auch den Piloten auf RTL angesehen und habe dann doch festgestellt, dass Glee definitiv nichts für mich ist. Musicals an sich sind wirklich eine tolle Sache, aber im Fernsehen funktioniert das ganze, meiner Meinung nach, leider meistens nicht wirklich.
Ich fand nämlich auch die Scrubs Musical Folge nahezu unterirdisch, obwohl die Serie sonst wirklich zu den besten gehört, die deutsche Sender jemals eingekauft haben 😉
22. Januar 2011 um 03:29
Glee ist einfach nur erfrischend, neu und großartig. Punkt.