Tote haben nichts zu lachen
Am Ende der Woche, in der amerikanische Fernsehsender bei den „Upfronts“ der Werbewirtschaft und den Medien ihr Herbstprogramm vorgestellt haben, zählen „Experten“ immer gern die Trends auf, die sie erkannt haben wollen. Das ging in den vergangenen Jahren fast immer daneben.
Der Mystery-Trend?
Zwar versuchten nach dem Erfolg von Lost fast alle Sender, mit verworrenen Mysteryserien Zuschauer zu erreichen, doch fast alle wurden schon am Ende ihrer ersten Staffeln oder sogar vorzeitig wieder abgesetzt. Das sind meistens die Serien, mit denen Pro Sieben dann seinen „Mystery-Montag“ bestückt und das für ein Prestige-Projekt hält.
Der Trend zur fortlaufenden Handlung?
Ja, klar, auch da gab’s eine Menge ambitionierter Projekte im Gegensatz zu den Serien, deren Episoden komfortabel für sich stehen können, weil sie immer so schön abgeschlossen sind. Es stellte sich dann aber heraus, dass die Aufnahmekapazität der Zuschauer für noch mehr fortlaufende Handlungsstränge begrenzt ist, und sie verfolgten doch schon Lost, 24, Desperate Housewives und Grey’s Anatomy. Da war kein Platz für weitere Serien, bei denen man keine Folge verpassen durfte, wenn man der Handlung noch folgen können wollte. Nur Heroes kam durch (ab Herbst bei RTL2).
So blieb über mehrere Jahre der einzige anhaltende Trend der zur abgeschlossenen Handlung und zu abgeschossenen Gastrollen. Der Vorteil von Krimiserien wie CSI und krimiähnlichen Serien wie Dr. House ist, dass man sie losgelöst aus dem Zusammenhang umliegender Episoden auch einzeln verstehen kann und dass es dabei völlig egal ist, ob man gerade eine neue Folge oder eine Wiederholung erwischt (der beste Beweis sind die RTL-Einschaltquoten für diese beiden Serien, die bei Wiederholung oft über der Erstausstrahlung liegen). Deshalb wurde ihr Publikum im Verlauf der Serien größer und das der o.g. Serien mit fortlaufender Handlung kleiner.
Dieser Trend reißt noch nicht ab, doch die schlagartige Vermehrung der Krimiserien scheint beendet. Das ist der erste offensichtliche Schluss, der sich fernab gewagter Prognosen aus den veröffentlichten Herbstprogrammen der diesjährigen Upfronts ziehen lässt:
Die Kriminalitätsrate stagniert.
CBS, wo die meisten der auch bei uns bekannten Krimis laufen (CSI, CSI: Miami, CSI: NY, NCIS, Criminal Minds, Without A Trace, Cold Case, Numb3rs) hat keine neue im Programm und die erste sogar schon wieder abgesetzt (Close To Home).
Und der andere?
Es gibt kaum noch was zu lachen.
Vor genau zehn Jahren fanden sich unter den zwanzig meistgesehenen Sendungen des amerikanischen Fernsehens zehn Sitcoms. Heute? Eine (Two And A Half Men). Kein Wunder also, dass die Sender vom einst beliebtesten Genre Abstand nehmen. Und so stehen im Herbstprogramm 2007 bei den fünf größten Sendern zusammen nicht mehr sechzig Sitcoms wie 1997, sondern nur noch sechzehn. ABC hat im Handstreich gleich sämtliche seiner Sitcoms abgesetzt, NBC keine einzige neue ins Herbstprogramm aufgenommen. Dafür aber allen Ernstes eine Neuauflage der 70er-Jahre-Serie Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau, und das ist ja auch schon wieder zum Lachen.
Nachtrag/WARNUNG (21. Mai, 22.00 Uhr):
In den Kommentaren zu diesem Text wurde unfreundlicherweise ein Spoiler hinterlassen, der ohne Ankündigung Ereignisse der dritten Staffel von Dr. House vorwegnimmt. Wer noch nicht wissen möchte, wie es im Herbst in Deutschland weitergeht, sollte die Kommentare meiden.
19. Mai 2007 um 17:51
Wobei man aber fairerweise sagen muss, dass das Remake der Sieben-Millionen-Dollar Frau aus dem Dunstkreis des Teams kommt, welches die Neuauflage von Battlestar Galactica macht. Die Serie dürfte daher nicht lächerlich werden, sondern eine gewisse Tiefe haben und gut an die heutige Zeit angepasst werden. Ich habe da keine Bedenken.
21. Mai 2007 um 14:36
Andererseits ist es in der gerade in Amerika laufenden Staffel von „Dr. House“ so, dass es eine fortgeführte Handlung gibt – Dr. House kann nämlich (so viel Spoilerei wird erlaubt sein) wieder gehen. Und dann wieder nicht. Und dann doch wieder.
Eine fortlaufende Handlung scheint dort dann also, ähem, was für ein dämliches Wortspiel, zu laufen.
Vielleicht ein homöopathisches Mittel der Serienverantwortlichen, um die Zuschauer wieder zu Fortsetzungsgeschichten hinzuerziehen?
PS: Wann kommt eigentlich wieder „KDD“? Diese großartige deutsche Serie mit fortlaufender Handlung, die, jaja, anscheinend erfolgreich auf dem ZDF lief? 🙂
21. Mai 2007 um 16:25
Nein, soviel „Spoilerei“ ist NICHT erlaubt 🙁
21. Mai 2007 um 16:26
Tschuldigung. 🙁 Aber eigentlich hatte man das ja mehr oder weniger schon im Cliffhanger der zweiten Staffel sehen oder erahnen können?
21. Mai 2007 um 22:06
KDD erhält eine weitere Staffel, nur muss die eben erst gedreht werden, bevor sie gezeigt werden kann, insofern: Geduld! Die letzte ist ja gerade erst zu Ende gegangen.
22. Mai 2007 um 08:59
Ja, ich weiß. Aber: trotzdem. 😉 Bin ungeduldig.
24. Mai 2007 um 18:21
Wollte mich nochmal fürs Spoilern entschuldigen, dachte, dass das nicht so wichtig wäre und ein gutes Beispiel für eine fortlaufende Handlung. Tschuldigung also nochmal. 🙁
25. Mai 2007 um 08:27
@ Till: Das ist durchaus ein gutes Beispiel für eine fortlaufende Handlung innerhalb einer Serie mit an sich abgeschlossenen Episoden.
Das Problem war lediglich die fehlende rechtzeitige Warnung, bevor dieser tatsächlich zentrale Handlungsstrang vorweggenommen wurde.
Grundsätzlich spricht natürlich nichts gegen Ausblicke auf das, was bald aus Amerika zu uns kommt. Machen wir hier ja öfter.