Gottschalk Late Night
1992-1995 (RTL). 45-minütige tägliche Late-Night-Show mit Thomas Gottschalk.
Gottschalks tägliche Sendung, zunächst jeden Werktag um 23.15 Uhr, ab Januar 1993 nur noch dienstags bis freitags, war heiß erwartet worden, hatte er doch dafür das erfolgreiche Wetten, dass …? aufgegeben. Er führte mit ihr das Late-Night-Format in Deutschland ein und wollte sich an den US-Vorbildern Johnny Carson und David Letterman orientieren, machte dann aber doch vieles anders. Zu Beginn jeder Ausgabe hielt er einen zehnminütigen Monolog mit Gags zum aktuellen Tagesgeschehen. Danach empfing er mehrere prominente Gäste zur Plauderrunde. Zwischendurch gab es kurze Comedy-Einspielfilme, in denen Gottschalk in verschiedene Rollen schlüpfte, z. B. die der tratschenden Hausfrau beim Frisör. Jede Woche schaltete Gottschalk außerdem in das Wohnzimmer einer Zuschauerfamilie, wo für die Show eine Kamera aufgebaut worden war. Studioband, die kurze Tuschs und für das Studiopublikum Songs während der Werbepause spielte, war Christoph Pauly und seine Band.
Gottschalks Hauptakzente lagen im Unterschied zu den US-Originalen mehr beim Talk mit den Promis und beim Infotainment als bei der Comedy. Zwar ließ Gottschalk viele spontane Gags einfließen, doch die wirkliche Late-Night-Comedyshow, wie Carson und Letterman sie seit Jahrzehnten machten, kupferten erst die RTL Nachtshow mit Thomas Koschwitz und Die Harald Schmidt Show haargenau bei den beiden Amerikanern ab. Gottschalk saß nicht hinter einem Schreibtisch, sondern mit den Gästen auf einem Sofa, und er machte aus allem eine viel größere Nummer, indem er z. B. über eine lange Showtreppe ins Studio kam. Er veranstaltete einen Model-Wettbewerb, hatte einen Schoßhund als Maskottchen und begrüßte als Gäste viele Models und ausländische Stars mit Knopf im Ohr. Gottschalk stellte die üblichen belanglosen Fragen, und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb: „Es ist schon seltsam: Obwohl er alles wie immer macht, macht er doch – mit einem Mal – alles falsch. Der Witz ist schal geworden, der Charme zotig, das Tempo nur oberflächliche Dynamik.“ Sie lag jedoch völlig daneben mit der Einschätzung, dies sei nun das Ende von Gottschalks Karriere und der Moderator zu bemitleiden.
Am 26. November 1992 dachte Gottschalk, es sei eine gute Idee, sich Franz Schönhuber in die Show einzuladen, den Vorsitzenden der Partei Die Republikaner. Schönhuber saß 14 Minuten in der Glitzerdeko auf dem Sofa, wo sich sonst Chris de Burgh, Nena, Sophia Loren, Willy Bogner, Hildegard Hamm-Brücher oder Lothar Matthäus flätzten. Er tat dort nichts Schlimmes, Gottschalk aber auch nichts Journalistisches. Gottschalk sagte hinterher, der Wolf habe wie ein Schaf geredet, was ihn überrascht habe, und verstand den Grund für die anschließende Aufregung nicht: dass er in Zeiten von Angriffen auf Ausländer den Rechtsaußen mit der Einladung salonfähig gemacht hatte (drei Tage vorher hatten Rechtsradikale in Mölln einen Brandanschlag auf von Türken bewohnte Häuser verübt). „Bild“ titelte: „Schönhuber redete Gottschalk platt“, die Berliner „B. Z.“ schrieb: „Das war zum Kotzen, Thomas“. Als Reaktion auf Schönhubers Auftritt sagte Hardy Krüger seine für wenige Tage später vorgesehene Teilnahme ab und empörte sich über die „Verantwortungslosigkeit“ des Moderators, „einem solchen Mann, einem Nazi“ ein Forum zu geben. Gottschalk rechtfertigte sich später, er habe Schönhuber „auf der Gefühlsebene packen wollen“. Das sei „vielleicht naiv“ gewesen. RTL sprach von einem „einmaligen Ausrutscher“ und betonte, man habe keinen Einfluss auf die Gästeauswahl.
Die Einschaltquoten waren zu Beginn moderat, weshalb das Konzept mehrfach geändert wurde. Zuerst kam zu den roten Sofas dann doch ein Schreibtisch ins Studio, hinter dem Gottschalk von nun an Post vorlas oder Zuschauer mit Anrufen überraschte. Dann wurde, parallel zu einem Wechsel im Redaktionsteam (Ex-„Bild“-Chef Hans-Hermann Tiedje hatte von Holm Dressler übernommen), die Zahl der Gäste auf fünf erhöht, die nicht mehr zwingend prominent waren, sondern etwas zu erzählen haben mussten. Auch der Sendetitel wurde zwischenzeitlich in Gottschalk täglich geändert. Die Quoten pendelten sich nun bei knapp zwei Millionen Zuschauern ein. Jedoch war weder RTL mit diesen Zahlen noch Gottschalk mit der Sendung besonders glücklich.
Im Februar 1995 wurde bekannt, dass Gottschalk ab 1996, wie auch sein Kollege Harald Schmidt, für den Konkurrenten Sat.1 arbeiten würde. Daraufhin kündigte RTL im April 1995 Gottschalks eigentlich bis Dezember laufenden Vertrag mit Hinweis auf die Marktanteile, die die vereinbarten 17 % unterschritten hätten. Begleitet wurde der angekündigte Senderwechsel der beiden Stars von einer Medienschlammschlacht (RTL-Chef Georg Thoma sprach vom „Parasit, der den Wirt gewechselt“ habe), die auch deren finanzielle Verhältnisse ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Nach knapp drei Jahren war also für Gottschalk Schluss, doch die Late-Night-Show in Deutschland etabliert. Thomas Koschwitz übernahm, später wurde Die Harald Schmidt Show in Sat.1 zum Dauerbrenner. Im Nachhinein hatte RTL jedoch die Erfahrung gemacht, dass nie wieder eine Late-Night-Show so hohe Einschaltquoten erreichte wie die von Thomas Gottschalk.