Ein guter Witz am Tatort
Was für ein überraschend guter Tatort!
Das ist ja auch nicht die Regel, dass ein solches Stück mit Botschaft (es geht um Familienehre und Zwangsheirat in einer türkischen Familie) es schafft, sowohl als Sozialdrama als auch als Krimi zu funktionieren. Zum Glück haben die Autorinnen Thea Dorn und Seyran Ates nicht versucht, sich unangreifbar zu machen. Und Regisseur Mark Schlichter hat die Geschichte schnell, opulent und packend inszeniert (nur schien sich ein Hund aus dem ZDF-Samstagvorabendprogramm in den Film verlaufen zu haben).
Mein Herz erobert hat dieser Tatort aber schon, als Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) noch neben der Leiche anfängt, dem Ehemann der Toten (Roman Knizka) unangenehme Fragen zu stellen, und er sie anknurrt:
Ehemann: Pietät ist für Sie wohl ein Fremdwort.
Kommissarin: Pietät ist ein Fremdwort.
8. Februar 2009 um 23:15
Ein wenig irritierend war, dass sowohl Cem, als auch Costa aus TfA auftauchten, und zwar mit – wie ich fand – sehr ähnlichen Rollen… 🙂
Aber guter Tatort, und über obigen Witz musste ich auch sehr lachen!
8. Februar 2009 um 23:15
Ich fand den Tatort auch größtenteils gelungen. Ich fand allerdings, dass Mark Schlichter ZU SEHR auf die Tube gedrückt hat. So ging die „Der Pate“ Referenz am Anfang unter und verlor zu viel an Wirkung. Ich hatte gleich mehrfach den Eindruck, dass man das Publikum nicht „langweilen“ wollte und deshalb den Schnitt zu flott gemacht hat.
Und was war bitte mit der Schauspielerin der Anwältin. Die Reaktion als sie vom Tod ihrer Freundin erfuhr war beschissen gespielt und dann war sie auch noch die einzige im ganzen Film die durchgehend nachsynchronisiert wurde.
Was war da denn los?
8. Februar 2009 um 23:53
Der Witz ist natürlich von einem der schönsten Spam-Betreffe aller Zeiten inspiriert: „Heutzutage ist Impotenz ein Fremdwort!“
9. Februar 2009 um 00:31
Also ich fand die Folge schrecklich. Mehr Klischee in einem Film ging wohl nicht. Sämtliche Charaktere reine Abziehbilder. War mal wieder einer der Tatorts, die nur Sozialdrama sind und das leider auf Lindenstraßenniveau. Da fand ich den letzten Hamburger Tatort sehr viel besser. Als Krimi und als Sozialkritik.
Wen die Wirkung einer derart differenzierten Darstellung interessiert, der schaue sich mal das ARD-Forum an.
9. Februar 2009 um 04:51
Als Tatort-Fan und als jemand der die Islamophoben-Szene beobachtet weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll.
Ich mag aber auch Sabine Postel nicht…
9. Februar 2009 um 08:07
Mir hat er auch gut gefallen. Noch ein guter Witz angesichts des mitspielenden Elyas M’Barek: „Was soll das hier werden – Türkisch für Anfänger?“
9. Februar 2009 um 09:03
Einerseits: Ein Film ist ein Film und kein Abbild irgendeiner Wirklichkeit. Trotzdem müssen sich filmemacherinnen bewusst sein, dass das Gezeigte eine Wirkung auf die Zuschauer hat, dass es Zuschauer gibt, die sich nur allzu gerne in liebgewonnenen Vorurteilen bestätigen lassen.
Vor diesem Hintergrund fand ich die Darstellung der türkischen Großfamilie Korkmaz recht bedenklich: Wenn schon in wohlhabenden, erfolgreichen Familien so viel Verbohrtheit, so viel durch Tradition begründete Lieblosigkeit herrscht, wird sich mancher denken, wie ist es dann erst in der großen Mehrheit der schlechter situierten und daher vielleicht noch strengeren Familien?
Und es wurde wirklich nichts ausgelassen: Zwangsverheiratung, das „Wiederherstellen der Jungfräulichkeit“, die Brautbewertung im Hamam, unerträglicher Druck durch die Familie auf „Abtrünnige“. Zu sehr veschränkte sich der Film auf die Gleichsetzung Modern-Westlich = Gut, Traditionell-Türkisch = Böse. Angesichts der durchaus bekannten Postion der Macherinnen vielleicht doch etwas zu plakativ.
Und am Ende: So sind sie eben, die Türken, wenn ihnen etwas nicht passt, zücken sie das Messer, egal wie sympathisch sie vorher wirken.
🙁
9. Februar 2009 um 09:13
Also mir gefallen die Bremer Tatorte sowieso immer sehr gut, weil ich gerade die beiden Hauptdarsteller sehr mag.
Den Tatort gestern fand ich auch gut, den Samstag-Vorabend-Hund nicht sooo störend, eher nett. Aber ich muß zugeben, ich hab auch zuerst gedacht: „Hoppla, sind wir hier jetzt im ZDF?“
Zum Krimi selbst: überhaupt nicht klischeehaft, meiner Meinung nach. Wirklich gestört hat mich nur, daß der Cem-Darsteller aus „Türkisch für Anfänger“ den Junior-Chef der Firma gespielt hat. Sorry, das passte für mich nicht, da mußte ich einfach zu oft an Cem denken, total unglaubwürdig.
Das mit dem Nachsynchronisieren der Rechtsanwältin hab ich auch als störend empfunden…
Alles in allem wars aber mal wieder ein schöner Wochenendabschluß, lohnt sich also doch meist, Sonntag abend die ARD einzuschalten.
Viele Grüße!
9. Februar 2009 um 10:07
Gutes Zitat, ja. Und ein sehr guter TATORT ebenfalls. Ich bin beruhigt, meine Vermutung der Synchronisierung nun bestätigt zu wissen.
9. Februar 2009 um 10:43
Tatsächlich ein guter Tatort, obwohl ich mich mit den Postel-Folgen immer eher schwer tue. Der ZDF-Hund hat mich auch nicht gestört, der war doch herzallerliebst. Diese Unsitte der Nachsynchronisation im deutschen Fernsehen ist allerdings befremdlich. Ich frage mich immer, ob man das, wenn es schon sein muss, nicht besser machen kann. Und warum es überhaupt sein muss. Aus dem US-Fernsehen ist mir so etwas nicht bekannt. Oder es ist dort besser gemacht.
9. Februar 2009 um 11:27
Der Witz kam wirklich gut, und die Folge war auch spannend bis zum Schluss. Wer hätte gedacht, das ausgerechnet die kleine Schwester die Mörderin ist ?
Nur die Nummer mit dem Hund war überflüssig.
9. Februar 2009 um 12:35
leider bleibt der Hund am TATORT erhalten, nicht nur in Bremen – demnächst taucht er auch in Leipzig auf (8.März)
9. Februar 2009 um 13:14
Ja, wirklich guter Tatort, und die Hochzeitsszene am Ende hatte eine Dynamik, die sonst selten erreicht wird in dieser Serie. Nur müssten endlich mal ALLE Tatortkommisare Wurstbudenverbot bekommen.
9. Februar 2009 um 13:52
Mit den Tatorten bewahrt sich die ARD einen riesigen Fan-Pool, das die Filme wirkliche mit Liebe zum Detail gemacht werden und inhaltlich weit über das Normalmaß deutscher Krimis hinausgehen. Den ZDF-Hund hätte man sich aber wirklich sparen können…
9. Februar 2009 um 14:17
Letzte Woche (?) gab es einen Tatort, bei dem sich der Regisseur nach eigener Aussage von der Kampagne von ver.di gegen LIDL hat inspirieren lassen. Anschließend wurden Szenen aus dem Film genutzt, um eine Diskussion über Arbeitsbedingungen in Niedriglohnjobs anzuheizen.
Gestern kan dann der Tatort, für den eine Frauenrechtlerin und Islamkritikerin das Drehbuch geschrieben hat. Applaus von der falschen Seite ließ nicht lange auf sich warten.
Ein neuer Trend 2009: Der „Tatort“ als gebührenfinanziertes Gesinnungskino, mit plump im Plot untergebrachter Propaganda?
Zumindest zweifelhaft, aus meiner Sicht.
9. Februar 2009 um 14:22
Mal abgesehen davon, dass ich in beiden Fällen nicht der Meinung bin, dass es sich um politische Propaganda handelte… ein neuer Trend?? Brisante soziale Themen aufzugreifen, war immer schon eine Spezialität des Tatorts.
9. Februar 2009 um 14:31
Ich sehe einen Unterschied zwischen „in einem Film ein Thema aufgreifen“ und „eine Botschaft ganz und gar einseitig in einen Film kleiden“.
Keiner der beiden „Tatorte“ versucht auch nur, differenziert zu sein. Der eine war ein „Böse Discounter“-Film, der andere ein „Schlimme muslimische Traditionen“-Film. Gewerkschaften und PIler reiben sich die Hände.
9. Februar 2009 um 14:36
Okay, in deinem Deutsch: Der Tatort war immer schon gebührenfinanziertes Gesinnungskino, bei dem sich hinterher irgendwer die Hände rieb und irgendwer anders auf Barrikaden kletterte.
9. Februar 2009 um 18:40
@ ruhrpottjunge:
Wenn Ihnen das „gebührenfinanzierte Gesinnungskino“ ein Dorn im Auge ist, sollten Sie sich beispielsweise auch über die „Lindenstraße“ ereifern, die uns nun schon seit Jahrzehnten mit ihrer moralinsauren politischen Korrektheit langweilt.
Der „Tatort“ ist eine Unterhaltungssendung und somit nicht zur Neutralität verpflichtet. Es hat in dieser Krimireihe auch schon genügend Folgen gegeben, mit deren Schlagseite Sie sich zweifellos eher identifizieren können.
Und – wie Stefan ganz richtig anmerkt: Der „Tatort“ hat im Laufe seiner Geschichte schon oft polarisiert bzw. provoziert, denken Sie z.B. an die Episode „Reifeprüfung“ oder das anfängliche Scherbengericht gegen den Fäkalsprachenbenutzer Schimanski.
Ich finde es eigentlich ganz positiv, dass Menschen mit Migrationshintergrund seit einiger Zeit nicht mehr nur als Opfer der Mehrheitsgesellschaft oder aber als anonyme Putzfrauen, Dönermänner und Gemüsehändler dargestellt werden. Vor zehn Jahren hätte man einen türkischstämmigen Großunternehmer im deutschen Fernsehen wohl noch vergeblich gesucht. Ich fand außerdem, dass im gestrigen „Tatort“ nicht alle Mitglieder der türkischen Familie durch und durch unsympathisch gezeichnet waren. Natürlich gab es in dem Film Überspitzungen und Klischees. Allerdings ist es der Folge auch gelungen, den Druck und die Zerrissenheit zu veranschaulichen, unter denen nicht ganz wenige Migranten leiden, weil sie sich einerseits an die Tradition gebunden fühlen, aber andererseits doch auch an der säkularen Kultur partizipieren.
9. Februar 2009 um 18:59
Jetzt lasst doch mal die Lindenstraße in Ruhe. Bashing ist Für Euch wohl kein Fremdwort…
9. Februar 2009 um 19:41
Wie ich versucht habe deutlich zu machen – anscheinend erfolglos – geht’s mir gar nicht darum, dass ein Tatort durch Handlungsverlauf und Charakterzeichnung zwangsläufig Position bezieht.
Mir geht es darum, dass man Menschen Drehbücher schreiben lässt, von denen eine differenzierte Sichtweise von vornherein nicht zu erwarten ist. Seyran Ateş (mit „ş“, so viel Respekt muss sein) ist eine Radikale, sie schafft es als Türkin von der neuen deutschen Islam“kritik“ hofiert zu werden.
Ich habe etwas dagegen, wenn Themen nicht „angepackt“ werden, sondern künstlich Evidenz geschaffen wird: So sind sie nämlich, „die Türken“, das haben wir doch alle am Sonntag wieder im Fernsehen gesehen.
9. Februar 2009 um 23:12
@ruhrpottjunge
Seyran Ateş als „Radikale“ zu bezeichnen, zeugt von einer in meinen Augen etwas eingeschränkten Sicht auf die Realität. (Ich formuliere das mal ganz sachte.)
Wer derjenige ist, von dem eine differenzierte Sichtweise nicht zu erwarten ist, darüber bin ich mir nach der Lektüre Ihrer Kommentare ziemlich sicher… 😉
10. Februar 2009 um 00:24
Also ich kann mich Smeik anschließen. Negative Klischees wurden aufgegriffen und verstärkt, positive Aspekte des Großfamilienlebens ausgelassen. Alles in allem blieben die Charaktere recht flach. Einzige Ausnahme war für mich der Vater, dem man den Spagat zwischen westlicher Anpassung und Wahrung der Tradition abnahm. Insbesondere in der Szene, in der er erklärte, dass das einzige, was man in ein neues Leben in einem anderen Land mitnimmt, die Identität ist.
Der Hund hat einfach genervt und war kein Stück lustig. Nichtmal süß.
10. Februar 2009 um 01:28
Seyran, nicht Syeran.
Ich hab‘ nur halb hingeschaut. Etwas dick aufgetragen, ja, aber PI-ler werden sich immer aufregen, nicht wahr, und in anderen Tatorten tauchen auch oft „Böse“ auf. Und Klischees.
Mich würde interessieren, wieviele Zuschauer der Tatort bei Immigrantinnen und Immigranten überhaupt erreicht, und einen Tatort über solche zu machen ist ein Schritt auf dem Weg der Integration, einen Tatort mit ihnen zu machen ein zweiter.
10. Februar 2009 um 04:50
Ich muß dem ruhrpottjungen beipflichten. Die Tatorte sind nur noch didaktische, öde Langweiler. Meist ohne irgend eine annähernd interessante Story.
10. Februar 2009 um 09:08
[…] Meinungen von Sopranisse, Chloevomsee, vom Dünenwanderer sowie Diskussion im Tatort-Forum und ausnahmsweise auch im Fernsehlexikon […]
12. Februar 2009 um 11:36
Seyran Ateş eine Radikale? Man lernt nie aus. Andererseits… So ein bisschen radikal ist wohl es schon, sich innerhalb bestimmter Kreisen für Frauenrechte einzusetzen. Sehr aufschlussreich…
12. Februar 2009 um 12:27
„sollten Sie sich beispielsweise auch über die „Lindenstraße“ ereifern“
Stimmt: Ich muss mich ja über alles ereifern, was nicht gut und nicht perfekt ist – sonst verlier ich ja das Recht, mich über IRGENDETWAS zu ereifern.
Und zu Herrn Niggemeier: Die Blasiertheit, mit der Sie Ihre eigene Kritik an jedem Pups vortragen, aber Kritik anderer in’s Lächerliche ziehen – das ist die Blasiertheit eines kleinen Korinthenkackers, der auch noch in der ungünstigen Situation ist, von der Korinthenkackerei leben zu müssen. Sex soll Wunder wirken, manchmal.
12. Februar 2009 um 13:23
Das Schlimme am Internet: Manche Leute vergessen, dass sie gerade mit echten Menschen kommunizieren.
Das Schönste am Internet: All diese Leute muss man nie persönlich kennen lernen.
12. Februar 2009 um 13:53
@ruhrpottjunge
Schön, wie Sie sich selber demontieren.
14. Februar 2009 um 00:48
Da steht immer noch „Syeran“. 🙁
14. Februar 2009 um 01:36
@Stefan W.: Oh Verzeihung. Nun nicht mehr.
15. Februar 2009 um 01:56
Ich bedanke mich; artig.
18. Februar 2009 um 09:46
Fand ich ebenfalls sehr schön. Auch sehr gut gefallen hat mir dieser Dialog:
„Wir haben ein Messer mit ihren Fingerabdrucken am Tatort gefunden“
„Kein Wunder, ist mein Lieblingsmesser, schon ewig zerschneide ich damit alles mögliche“
„Und gestern auch auch ihre Frau?“