Warmes Herz für kalte Fälle


Foto: ProSieben.

In Alexandra Neldels neuer Serie Unschuldig muss man zumindest nicht darauf warten, ob sie sich eines Tages der fiesen Verkleidung entledigen wird.

Außerdem hat Unschuldig keinen Untertitel. Kein Gedankenstrich, kein Titelzusatz. Kein Unschuldig — Grundlos gefangen. Oder Unschuldig — Auf der Jagd nach der Wahrheit. Oder wenigstens Unschuldig — Die total abgefahrene ProSieben-Krimikopie. Nichts. Schon allein das muss gepriesen werden.

Auch sonst lässt sich wenig Negatives über die neue Krimiserie sagen. Gut, sie sieht aus wie Cold Case. Verzeihung, es muss natürlich heißen: Cold Case — Kein Opfer ist je vergessen.

Und so wird es verborgen: Alexandra Neldel spielt keine Polizistin, sondern eine Rechtsanwältin, und die Fälle, die sie übernimmt, wurden nicht als unlösbar zu den Akten gelegt, sondern es wurde jemand als schuldig eingebuchtet, den die Protagonistin für unschuldig hält und rausholt. So oder so muss ein alter Fall neu aufgerollt werden, und damit haben wir im Wesentlichen Cold Case, inklusive der Jerry-Bruckheimer-Serien-typischen Flashbacks, die mit hektischen Weißblitzen ein- und ausgeblendet werden, und der pathetischen Musik, wenn am Ende in Zeitlupe der wahre Täter abgeführt wird.

Aber das macht ja mal wieder nichts, denn Krimiserien beruhen im Grunde ohnehin alle auf derselben Idee. Man muss diese Idee also nur mit guten Geschichten füllen, und schon freuen wir uns alle ganz doll. Das ist hier der Fall: Die Geschichten der ersten beiden Episoden sind originell, überraschend und spannend, und im Gegensatz zu den meisten Jerry-Bruckheimer-Serien spielt nicht schon die erste Episode in der Sadomaso-Szene, sondern erst die zweite. Und es gibt noch einen Unterschied: Die Hauptfigur lügt.

Schon früh in der Pilotfolge wird Rechtsanwältin Anna Winter von einem Bewunderer gefragt: „Warum machen Sie das?“, und sie antwortet: „Weil es mein Beruf ist.“ Doch wer deutsche Serien kennt, weiß: Protagonisten machen niemals etwas, weil ihr Beruf ist, sondern immer, weil es ihre Berufung ist. Weil sie ein Kindheitstrauma zu bewältigen haben. Weil ihnen einst selbst eine große Ungerechtigkeit widerfuhr. Oder weil der Untertitel es verlangt. Und deshalb erfahren wir am Ende dieser ersten Episode auch von dem Ereignis in Anna Winters Leben, das der wahre Grund für ihr Engagement ist.

Auch für die anderen beiden Hauptfiguren, die im Wesentlichen die Detektivarbeit für die Anwältin machen, haben sich die Autoren geheimnisvolle persönliche Geschichten ausgedacht, die hier und da aufblitzen. Das ist löblich, aber egal. Die Figuren sind uninteressant. Wer diese Serie sieht, wird sie wegen der Fälle sehen.

Deshalb wäre ein Wetten auf die Einschaltquote ein reines Glücksspiel. Unschuldig ist eine gute, aber unbedeutende Serie. Es gibt keinen Grund, warum sie ein Erfolg werden sollte. Es gibt aber auch keinen, warum sie keiner werden sollte.

Interessant könnte es werden, wenn ab übernächster Woche Cold Case direkt im Anschluss läuft. Falls Unschuldig dann überhaupt noch im Programm ist.

Unschuldig, mittwochs um 20.15 Uhr auf ProSieben.

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Michael, 23. April 2008, 06:06.

13 Kommentare


  1. Bist Du heute aber garstig *gg*

  2. Zum Thema Untertitel: Im Pressebereich von ProSieben steht unterhalb von „Unschuldig“ übrigens „Für die Wahrheit ist es nie zu spät“. Ganz konnte man die Finger also doch nicht davon lassen.

  3. … und auf den Plakaten hat Frau Neldel eine Mappe in der Hand, auf der steht: „Unschuldig – und trotzdem im Gefängnis“.
    Das könnte aber auch ein mir unbekanntes Anwalts-typisches Ordnungssystem sein. Vermutlich stand die Mappe zwischen: „Unschuldig – und nicht im Gefängnis“ und „Unschuldig – aber irgendwie verdächtig“
    Nach’m Alphabet ordnen kann ja jeder…

  4. Ich räume ein, diesen Text schon vor einigen Wochen geschrieben zu haben, als ProSieben die Pressemappe und -DVD verschickt hat. Da haben diese Füchse doch tatsächlich seitdem noch einen umständlichen Untertitel druntergeschrieben… Hätte man eigentlich erwarten müssen.

  5. wie viele folgen sind für die erste staffel geplant?

    zwischen folge 6 und 9 verschwindet sie im nachtprogramm. wenn es denn überhaupt so viele werden. eben pro7-like.

  6. hab grad mal nachgesehen. es sind 12. na dann viel glück! 😉

  7. @ Michael: Naja, einen Grund warum sie kein Erfolg werden sollte, gibt es schon: Sie ist deutsch. Für die Masse der Zuschauer von deutschen Privatsendern ist das heutzutage leider schon ein guter Grund, sie nicht zu gucken…

    @ Björn: Man muss fairer Weise sagen, dass ProSieben mit seinen Eigenproduktionen im Allgemeinen geduldiger umgeht als mit Lizenzware.

  8. stimmt auch wieder. hat man ja leider bei der großen film-verarsche gesehen *aarrgh*

  9. ProSieben hat diesmal jedenfalls viel Wert auf ordentliche Promotion gelegt. Und mit Alexandra Neldel hat man sich auch noch eine Sympathieträgerin als Aushängeschild geangelt. Zumindest die erste Folge wird sicher sehr gute Martkanteile holen. Aber wie so oft lässt sich erst ab der 2. Folge ein Trend erkennen…

  10. Mal abgesehen davon, dass sich die Anfangstitel mit dem nervigen Dauerlogo unten links überlappten und in manchen Einstellungen zwischen Bild und Balken die Oberkante des Timecodes zu sehen waren (!!!), hat mich die Sendung überzeugt.
    Nicht spektakulär, schon gar nicht originell, aber perfekt inszeniert, toll gespielt und spannend bis zum Ende.

    Und die Quoten: 14,7% in der Zielgruppe sind angesichts der momentanen Serienkriese als sehr gut zu bewerten. Ich würde der Serie wünschen, dass sie diesen Wert annähernd halten oder sogar noch steigern kann, wenn mal kein Championsleaguespiel parallel auf Sat.1 läuft.

    Ich frage mich nur, wie diese technischen Patzer bei der Ausstrahlung passieren konnten. Ist die Folge noch bis Minuten vor der Ausstrahlung geschnitten worden oder haben die in der Sendezentrale gerade neue Praktikanten? 😉

  11. Bin ich froh, dass ich nicht die Einzige bin – beim Trailer dachte ich schon „Na toll, eine deutsche Cold Case-Abkupferung“ und habe gehofft, dass es nicht ganz so offensichtlich ist. Leider anscheinend zu Unrecht.

    @Fabian: Traurigerweise ist das tatsächlich der Grund gewesen, warum ich sie mir erst gar nicht angesehen habe. Vielleicht gebe ich mal der zweiten Folge eine Chance.

  12. Tja, und schon ging die Quote bei der 2. Folge unter die 10%! 🙁
    Schade. Die Serie ist super gemacht, toll gespielt… und bleibt leider völlig emotionslos. Vor lauter schicken Ermittlungen fehlt mir das Persönliche. Ich finde auf jeden Fall keinen Anhaltspunkt, warum ich nächste Woche wieder einschalten sollte.

  13. Weiß jemand wie das lied aus dem Vorspann heißt?



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