Tatort-Zuschauer kritisiert Tatort-Ermittler-Schwemme-Kritik-Schwemme
Mit der 913. Folge feiert der Tatort heute seine 900. Folge (13 österreichische Folgen aus den 80er-Jahren zählt die ARD ungern mit).
Zum Jubiläum stellt sich Sabine Postel, die in der 914. Folge, also in einer Woche, wieder die Bremer Kommissarin Inga Lürsen spielt, in eine Reihe mit den anderen Großen am Tatort, zum Beispiel Felix Klare, Jörg Hartmann, Axel Milberg und Andrea Sawatzki. Postel macht sich nämlich Sorgen um den Tatort, wegen der Ermittler-Schwemme. Es gibt zu viele, kritisiert sie diese Woche in der Programmzeitschrift „auf einen Blick„. „Da muss man aufpassen, dass das Format nicht verwässert wird.“
Und genau das stellt sie in diese eindrucksvolle Reihe, denn genau das ist offenbar ein Hobby von Tatort-Kommissaren i.F. (= in Freizeit). Jörg Hartmann (Dortmund) kritisierte die Ermittler-Schwemme im November 2012 in „In„, Dominic Raacke (Berlin) im gleichen Monat im „Focus„, Felix Klare (Stuttgart) im April 2013 in der „WAZ„, Andreas Hoppe (Ludwigshafen) im Juni 2013 gegenüber der dpa, Charles Brauer (früher Hamburg) im August 2013 im „Express„, Axel Milberg (Kiel) im Dezember 2013 im „Spiegel“, und Andrea Sawatzki (früher Frankfurt) gerade erst zwei Tage vor Sabine Postel in der „Bunten“.
Diese Tatort-Ermittler sind noch zu viel.
Fotos: SWR (2), Radio Bremen, WDR, NDR
Die Schwemme der die Ermittler-Schwemme kritisierenden Ermittler ist nachvollziehbar, hat sich doch in der Vergangenheit gezeigt, dass man es mit dieser Kritik zuverlässig in eine Überschrift schafft. Trotzdem muss es mal einer sagen: Es gibt zu viele Tatort-Ermittler, die kritisieren, dass es zu viele Tatort-Ermittler gibt! Diese Zu-viele-Ermittler-Kritik-Schwemme ist inflationär! Da muss man aufpassen, dass diese Meinung verwässert wird.
Zu viele „Zu viele Ermittler“-Überschriften bei DWDL.de, n-tv, derwesten.de, Spiegel, Express, N24, Abendzeitung, Focus (unvollständige Sammlung)
Dabei hat es im Tatort in Wirklichkeit noch nie so viel Konstanz gegeben. Als Manfred Krug und Charles Brauer 2001 nach 17 Jahren und 41 Fällen abtraten, waren sie die mit Abstand Dienstältesten nach Jahren und hatten die meisten Fälle auf dem Buckel, 41. Auf Platz 2 in der Rangliste der meisten Fälle lag mit 29 damals immer noch Götz George als Horst Schimanski, der schon zehn Jahre vorher abgedankt hatte, nach zehn Jahren. So schnell hört heute kaum noch jemand auf. Ulrike Folkerts, seit 25 Jahren als Ludwigshafener Kommissarin Lena Odenthal im Dienst, löst heute ihren 59. Fall. Auf die gleiche Anzahl kommt nächsten Monat das Kölner Duo Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär), hat dafür aber nur 17 Jahre gebraucht. Behrendt hatte seine Rolle allerdings vorher schon in acht Folgen an der Seite von Martin Lüttge gespielt. Rekordhalter sind die Münchner; Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl spielten Batic und Leitmayr seit 1991 bis jetzt 66-mal. Selbst vergleichsweise junge Teams wie die Quotensieger aus Münster, die Langweiler vom Bodensee oder die Schwemme-Kritiker aus Kiel und Bremen sind jetzt schon länger dabei als es Schimanski je war – zumindest innerhalb der Tatort-Reihe.
Viel Konstanz auch in Konstanz. Ja, dieses Foto ist wirklich nur hier, damit ich dieses Wortspiel noch irgendwo unterbringen konnte.
Foto: SWR
„Ich finde es nicht gut, dass mit Einzelauftritten neuer Teams die Zuschauer verwirrt werden“, sagt Sabine Postel weiter. Bloß von wann spricht sie? Müsste sie nicht froh sein, dass genau dieses Problem behoben ist? Früher gab es immer wieder Ermittler, die nach nur einer einzigen Folge schon wieder weg waren, insgesamt 20-mal. Allein 14 davon von 1980 bis 1987. So etwas kann tatsächlich zur Unübersichtlichkeit führen. Schon seit 1996 gab es allerdings keinen solchen Fall mehr. Selbst der neue Tatort aus Weimar mit Nora Tschirner und Christian Ulmen, der eigentlich als Einzelereignis geplant war, findet nun doch eine Fortsetzung.
Richtig ist, dass in den vergangenen Jahren ein paar neue Ermittler hinzukamen. Aber ist das gleich eine Schwemme? Werden es dadurch gleich zu viele? Haben wir eine Tatort-Inflation? Es hören ja auch durchaus mal ein paar auf. Wurden nicht immer schon alte Kommissare in die ewigen Ermittlungsgründe geschickt und durch neue ersetzt? Die Anzahl der Tatort-Folgen, die jedes Jahr produziert werden, liegt jedenfalls seit zehn Jahren weitgehend konstant bei 35. (In einzelnen Jahren wurden nur 34, in anderen dafür 36 neue Folgen ausgestrahlt). Und die Zuschauer erwecken nicht den leisesten Eindruck, als seien sie des Tatorts oder seiner vielen Ermittler und Schauplätze überdrüssig. Im Gegenteil. Die durchschnittliche Zuschauerzahl der Reihe lag in jedem der vergangen fünf Jahre über der des jeweiligen Vorjahres.
Einer der ersten Tatort-Stars, die die Sorge um zu viele Ermittler äußerten, war der Darsteller des Berliners Till Ritter, Dominic Raacke. Er riet Ende 2012 der ARD, aufzupassen „die Marke Tatort nicht immer weiter aufzublasen. Am Ende platzt sie noch. (…) Es wäre an der Zeit, etwas Neues zu probieren.“ Der letzte Tatort mit Raacke lief vor einer Woche. Der zuständige RBB hat Till Ritter inzwischen stillgelegt, um etwas Neues zu probieren. Insofern muss sich Sabine Postel vielleicht doch keine Sorgen um den Tatort im Allgemeinen machen. Höchstens um ihren eigenen.
16. Februar 2014 um 23:13
Der Tatort verliert an Qualität. Keinerlei Spannung, vorhersehbare Handlung. Die ARD setzt daher lieber auf Quantität, anstatt den Tatort etwas aufzupeppen. Die Autoren sollten sich an England orientieren, dort werden spannende Krimis produziert.
17. Februar 2014 um 12:04
Was ich ja ’super‘ finde ist, dass so viele Tatort-Ermittler eine angebliche Ermittler-Schwemme kritisieren, aber freiwillig „Nein“ gesagt hat ja wohl auch keiner, als sie alle gefragt wurden, ob sie mal im Tatort ermitteln wollen.
Ich finde die Abwechslung schön, da kann man sich die Teams und Städte aussuchen, die einem gefallen und „muss“ nicht jede Folge schauen, um nix zu verpassen. Ist doch eine hübsche Alternative zu den ganzen US-Krimi-Serien. Ein paar Ermittler haben wohl nur Sorge, dass sie nicht genug Einsätze kriegen, wenn es ‚zu viele‘ Teams gibt?
19. Februar 2014 um 07:07
Weil ja gestern das Funkhaus beinahe abgebrannt wäre und so fast zu einem Tatort geworden wäre, schreibe ich lieber noch schnell ein paar Zeilen…..der Herr Reufsteck wird ja allem Anschein nach wohl schon von den Herren Spion & Spion observiert…..
Weniger ist eben nicht immer mehr. So ist es auch beim Tatort im Fernsehen. Ich habe gerade mal durchgezählt, und bin aktuell auf 22 Ermittler bzw. Ermittlerteams gekommen. Das ist schon ganz schön viel. Wenn man nämlich die 35 Fälle pro Jahr nimmt, bleibt da pro Team nicht viel übrig. Nämlich nur 1Komma59 Fälle.
Eine gewisse Kontinuität finde ich gar nicht schlecht. Da hat der Herr Raacke schon recht, mit dem was er sagt. In der STZ hat er aktuell ein recht aufschlussreiches Interview gegeben.
Nur weil man bei der ARD jetzt gemerkt hat, dass die Marke Tatort super läuft, sendet man auf allen verfügbaren Kanälen bis dem Zuschauer das Ganze dann doch wieder irgendwann zu den Ohren heraus kommt. Es gibt Tage, da kann man den Fernsehabend bequem in München beginnen und in Hamburg beenden, weil mindestens 3 Tatorte hintereinander weg oder oftmals sogar zeitgleich gesendet werden.
Bei den aussortierten Ermittlerteams habe ich auch mal nachgeschaut und bei denen die es nur auf eine Folge gebracht haben, komme ich auf 21. Teams mit nur 2, 3, 4 oder 5 Auftritten gibt es auch genügend. Wobei sich ja die Kündigungen, für mein Gefühl, in den letzter Zeit irgendwie häufen. Und obwohl die Quote beim Berliner Duo stimmt, möchte man jetzt doch lieber was neues ausprobieren….mehr oder weniger.
19. Februar 2014 um 11:14
Ich finde auch, dass man diese Inflation an Tatort- (und auch Polizeiruf-)Teams durchaus kritisch sehen kann. Dass es früher auch schon so gewesen sein mag, macht es nicht besser. Es gibt einfach zu viel Mittelmaß, sowohl was Drehbücher als auch Schauspieler angeht. Würde man alles Teams bis auf München und Münster abschaffen, würde sich der Verlust in Grenzen halten und von vielen wohl kaum bemerkt werden. Der zunehmnede Hang, Stars wie Schweiger, Ulmen, Tschirner zu verpflichten, die bestimmt auch entsprechend höhere Gagen bekommen als weniger bekannte Darsteller, ist auch fragwürdig. Zumal die Intendanten dann an anderer Stelle, insb., wenn es um die Produktion hochwertiger Serien geht, garantiert wieder rumjammern, dass man ja nicht die Riesen-Budgets wie in den USA hätte….
26. Mai 2014 um 10:45
Lächerlich,
natürlich gibt es nicht genug Teams,
vor allem nicht genug gute 😉
Wenn, wie am vergangenem Sonntag (mit SEHR schlechter Quote), ohne Not, eine Wiederholung gezeigt werden muss, ist das deutsche Lagerfeuer eh‘ auf den Hund gekommen; oder?
Einige Team sind für mich unerträglich geworden (Köln & München) und sollten doch lieber mal etwas erfrischt werden.
Aktuelle, neue Teams haben mir immer sehr gut gefallen.