Kann man Bremen von hier aus sehen?
Die „geringe Sichtbarkeit“ von Radio Bremen innerhalb der ARD ist ein Thema im „Focus“, der nachgezählt hat, dass der kleine Sender nur noch 30 Stunden Programm im ganzen Jahr zum Ersten beisteuert.
Für Das Erste und die seiner Zuschauer, die noch wach sind, ist diese geringe Sichtbarkeit mindestens ebenso tragisch wie für Radio Bremen selbst. Denn über viele Jahre war es ausgerechnet das kleine Radio Bremen, das einige der innovativsten, erfrischendsten, mutigsten und witzigsten Sendungen nicht nur der ARD, sondern des gesamten deutschen Fernsehens produziert und damit einige der größten Fernsehstars für Generationen entdeckt hat:
- Loriot und seine gleichnamige Reihe Loriot
- Total normal mit Hape Kerkeling
- Die erste Rudi Carrell Show, Am laufenden Band und Rudis Tagesshow mit Rudi Carrell
- Die erste Popmusiksendung Beat-Club und die Nachfolger Musikladen und Extratour
Also gut, das ist alles eine Weile her. Kann irgendjemand aus dem Stand eine aktuelle Sendung von Radio Bremen im Ersten nennen?
Aber vielleicht läge hier die Möglichkeit, auch mit wenig Geld und wenig Sendestunden zumindest die gefühlte Sichtbarkeit wieder zu erhöhen. Denn klein war Radio Bremen schon immer, aber damals fiel der Sender eher auf. Die Innovationsfreude muss wieder her, der Mut, die Lust an Experimenten. Dann kann Radio Bremen auch ohne Masse wieder an Bedeutung gewinnen. Denn auf die ebenso risiko- wie ideenlose Nummer Sicher setzen die anderen ARD-Anstalten schon. Bitte, Bremer: Einer muss es doch mal machen.
15. Juli 2012 um 19:38
Vor einiger Zeit war ich mal ganz erstaunt als im Ersten noch ein Film aus der Reihe „Unter deutschen Dächern“ lief. Das war doch immer Radio Bremen, scheint inzwischen aber auch eingestellt zu sein.
Das Hauptproblem (außer dem chronischen Geldmangel) ist doch wohl, daß im Ersten absichtlich keine Landesrundfunkanstalt mehr identifiziert werden soll. Seit der Abschaffung von „Zur Fortsetzung des Programms schalten wir nun um nach Bremen.“ hat man doch auch an sämtlichen anderen Design-Elementen an der Vereinheitlichung des Auftritts gearbeitet, bis hin zum zentralen Outplay.
Auch meine letzte Hoffnung für halbwegs ansehbare Sendungen in der ARD war immer Radio Bremen, gerade wegen seiner vielen Innovationen in der Vergangenheit. Heute hat man eben nur noch das Geld für überflüssige Promi-Portraits und muß mit dem Rest Tatort und „Buten und Binnen“ irgendwie stemmen. Schade um den kleinsten, aber sympathischsten Sender der ARD.
PS: In der Liste fehlt noch die letzte wirklich tolle Vorabendserie „Nicht von schlechten Eltern“. Auch danach ging es es im Ersten auf dem Sendeplatz nur noch bergab.
15. Juli 2012 um 21:20
„Kann irgendjemand aus dem Stand eine aktuelle Sendung von Radio Bremen im Ersten nennen?“
Ja: „Höchstpersönlich“
15. Juli 2012 um 22:57
Den Appell nach mehr Mut und Kreativität unterschreibe ich. Der Blick in die Sendervergangenheit lohnt sich. Auch wenn wir Radio Bremen nicht nur Loriot, sondern auch Schreinemakers zu verdanken haben.
Ab 1990 hat RB an Bedeutung verloren, weil plötzlich mit ORB und MDR zwei weitere Programmbefüller da waren, die massiv Sendeplätze im Ersten beanspruchten. Dagegen kommt man mit kreativen und experimentellen Programmideen kaum an, sondern – wenn überhaupt – nur mit langweiliger Mainstreamware.
Daran wird sich auf absehbare Zeit wohl auch nichts ändern. Selbst frühere Nischen-Sendeplätze in Prime-Time-Nähe (ab 23 Uhr) sind ja mit höchstwichtigen Talkshows besetzt.
16. Juli 2012 um 10:42
Leider ist Michael Geyer viel zu früh gestorben.
16. Juli 2012 um 11:21
Das Beispiel von Radio Bremen zeigt doch eindrucksvoll, daß man für Kreativität nicht unbedingt Unsummen an Geld braucht. Oft macht ja sogar gerade erst die Not erfinderisch.
Insbesondere ARD/ZDF sollten daher nicht immer über finanzielle Probleme reden, sondern eher mal über ihre kreativen Probleme. Vielleicht rächt es sich mittlerweile auch, daß man immer größere Teile des Programms von externen Produktionsfirmen entwickeln und produzieren läßt.
Meine These: Je mehr Instanzen am Entwicklungsprozeß einer Sendung beteiligt sind, umso höher die Gefahr, daß wieder etwas Altbekanntes herauskommt. Das FAZ-Fernsehblog hat vor kurzem „Brot&Spiele“ als Beispiel für die Krise der ARD-Unterhaltung angeführt, dabei war das ja eine externe Produktion von Günther Jauchs Firma I&U. Die Frage ist da also, inwiefern ARD-Redakteure da überhaupt nennenswerten Einfluß auf die Details der Sendung hatten und ob das Problem nicht auch darin liegt, daß viele I&U-Sendungen irgendwie wie vom Fließband aussehen.
Zum Artikel selbst noch ein paar Anmerkungen:
– Meines Wissens hatte Radio Bremen die Loriot-Reihe Ende der 70er produziert – die noch früher gelaufende Reihe „Cartoon“ müßte aber eine SDR-Produktion gewesen sein.
– Was alle an Rudis Tagesshow so lustig finden, ist mir oft ein Rätsel, wenn ich gelegentlich mal in die Zusammenschnitte reinzappe, die im NDR-Fernsehen montagabends laufen. Aber gut, für die frühen 80er mag das Format relativ progressiv gewesen sein.
– Täusche ich mich, oder ist die „Sichtbarkeit von Radio Bremen“ auch im gemeinsamen Dritten mit dem NDR relativ gering?
– Wenn man schon sparen muß, muß man dann unbedingt einen eigenen Tatort produzieren (wenngleich WDR/Degeto(?) bereits da unter die Arme greifen)? „Früher“, als es RB finanziell noch besser ging, gab es ja auch keinen Bremer Tatort. Na schön… bei den Bremer Tatorten waren auch schon ein paar gute Folgen dabei und das Team ist mir lieber als manch anderes. Aber im Grunde sind wir auch schon wieder zurück beim Thema: Ist es sonderlich kreativ, immer mehr Tatort-Teams zu etablieren und immer mehr vom Gleichen zu servieren?
16. Juli 2012 um 19:47
„3 nach 9“ ist eine — oft durchaus sehenswerte — Talkshow von Radio Bremen.
17. Juli 2012 um 08:23
…ich schaue 3 nach 9 auch…..allerdings nur wegen Frau Rakers….
18. Juli 2012 um 10:49
Für Sender ist es natürlich schöner, wenn sie einheitlich auftreten. woher genau die einzelnen Sendungen kommen, wird deshalb ganz bewusst nicht gesagt.
Das ist grundsätzlich nicht so schlimm, denn viele Zuschauer kennen sowieso eher die Sendung selbst und interessieren sich wenig dafür, wer sie gemacht hat. Wenn aber viele Zuschauer eine bestimmte Sendung gut finden, werden wahrscheinlich auch andere Sendungen vom betreffenden Produzenten ausgestrahlt.
Insofern geht es einfach darum, dass man den Geschmack der Leute trifft und das konnte Radio Bremen in der Vergangenheit gut. Wird Zeit, dass mal wieder Mut bewiesen wird, auch seitens der ARD, denn die tollste Idee bringt nichts, wenn die ARD sich nicht traut, die Sendung auszustrahlen.
20. Juli 2012 um 00:12
Vielleicht sollte man einfach mal positiv hervorheben, was alles Radio Bremen nicht produziert. Kein „Tiere suchen ein Zuhause“, kein „Heiter bis tödlich“-Krimi, keine Kochsendung und keine Hitliste (für die ist im Norden ja der NDR zuständig)! Nur bei den Zoodokus musste Radio Bremen leider mitmischen…
25. Juli 2012 um 11:47
„Höchstpersönlich“ ist mir auch direkt eingefallen. Ist aber trotzdem zu wenig.
11. September 2012 um 11:38
Kleine Klugsch***erei: Zumindest „Rudis Tagesshow“ war nicht wirklich innovativ, sondern lediglich eine Adaption der britischen Nahcrichtensatire „Not the Nine O’Clock News“.
Aber insgesamt ist es natürlich schon eine Liestung, dass so ein kleiner Sender so viel guten Programm gemacht hat, das für die meisten anderen Sender zu mutig gewesen wären, das ezigt in der Tat, dass Geld nicht alles ist. Oft wird der Mangel an kreativem Fernsehen hierzulande ja damit begründet, dass gutes Fernsehen eben Geld koste und man nicht die Riesenbudgtes wie in den USA habe. Dabei reicht es oft schon aus, einfach mal etwas Mut zu haben und neuen, talentierten Künstlern und mutigeren Formaten einfach mal einen Chance zu geben. Die britischen sender haben auch nicht die Budgets wie die US-sender, msssen auch mit regelmäßigen Budget- un Programmkürzungen leben, trotzdem entsteht dort bekanntermaßen das kreativste und innovativste Fernsehen Europas und der Welt, aus genau dem Grund, weil dort Kreativität wesentlich eher belohnt wird.