Top, der Thommy geht
Wenn der Unfall bei Wetten, dass…? im Dezember nicht passiert wäre, und Thomas Gottschalk hätte trotzdem in absehbarer Zeit seinen Abschied angekündigt, wäre dies in der öffentlichen Medienjournalistenwahrnehmung als logische Folge der kontinuierlich bröckelnden Einschaltquoten der vergangenen Jahre ausgelegt worden, als überfälligen Schritt zur Erneuerung der Sendung, und Gottschalk wäre abgetreten wie ein Boxer, der nach einer von Siegen geprägten Karriere ausgerechnet den letzten Kampf als Verlierer beendet.
Das hätte er nicht verdient gehabt.
Auch ich schlage seit Jahren auf Gottschalk ein, und es hat sich nichts geändert an meiner Auffassung, dass er seit langer Zeit ein schlechter Interviewer ist, der endlose Entweder-oder-Fragen stellt und seine Gesprächspartner dann nicht einmal zu Wort kommen lässt, ein schlechter Gastgeber, der die Gäste durch seine Unkenntnis ihrer Arbeit beleidigt, ein Heuchler, der permanent über das Niveau der Ekel-Privatsender, über Realityshows und über diese furchtbare neumodische Musik lästert, sich dann aber selbst mit Ekelwetten, in denen Kandidaten Tierkacke am Geruch erkennen müssen, auf dieses Niveau herablässt, Protagonist einer Realityshow wird und diese furchtbaren neumodischen Musiker in seine Sendungen einlädt. Wenn Gottschalk Interviews gibt, sind diese oft von einer unglaublichen Arroganz geprägt, wie man sie sonst nur vom FC Bayern München kennt, weil er jederzeit erkennen lässt, dass er sich selbst und seine Sendung für die Allergrößten hält.
Der Punkt ist nur: Es stimmt ja. Sie sind ja tatsächlich die Allergrößten. Alle sind auf ihrem Gebiet die unangefochtene Nummer 1. Zwischendurch mag es immer mal wieder ein Borussia Dortmund oder ein Supertalent geben, das sie kurzfristig von der Spitze verdrängt, aber auf lange Sicht bleiben immer die Bayern und Gottschalk mit Wetten, dass…? konkurrenzlos an der Spitze.
Dass die Quoten des Showdinos in den vergangenen Jahren rückläufig waren, lag nicht an ihm oder am altbekannten Konzept. Die Konkurrenz durch immer mehr Kanäle, immer aggressivere Mitbewerber und immer günstigere DVDs sorgt von selbst für eine Verteilung der vorhandenen Zuschauermasse auf immer mehr Anbieter; dass da jeder Einzelne Abstriche machen muss, ist nicht zu vermeiden. Im Gegenteil: An Gottschalk und am Konzept der Sendung liegt es, dass die Quoten überhaupt noch so hoch sind, dass bisher niemand sonst dauerhaft mithalten konnte. Sendung und Moderator sind eine Tradition wie die Tagesschau, die ja auch niemand anschaut, weil die Nachrichten dort so besonders gut aufbereitet werden, sondern schlicht weil sie da ist und schon immer da war. Wetten, dass…? ist eine gelernte Tradition, die man sah, weil sie so war, wie sie war. Das haben leider das ZDF und Gottschalk nie verstanden und deshalb in den vergangenen Jahren immer wieder panisch Änderungen am Konzept, der Gästeauswahl und dem Niveau der Wetten vorgenommen, die den Abwärtstrend eher beschleunigten als ihn aufzuhalten.
Womöglich hätte das ZDF irgendwann auch noch panisch den Moderator gegen einen Jüngeren austauschen wollen. Auch das hätte Gottschalk nicht verdient gehabt.
Was immer man von ihm hält: Gottschalk ist ein verdienter Fernsehmacher. In den 80ern war er ein junger Trendsetter auf der Höhe seiner Zeit und die einzige logische und zwangsläufige Wahl für die Nachfolge von Frank Elstner bei Wetten, dass…?. In den 90ern war er das Maß aller Dinge. In den Nullern wandelte er sich vom Berufsjugendlichen zum Früher-war-alles-besser-Opa, war aber der letzte große Entertainer für die ganze Familie und seine Sendung die einzige der alten Garde von Traditionssendungen, von der bisher weder der Moderator noch die Zuschauer die Nase voll hatten. Und in den 10er-Jahren ist er immer noch auf Sendung, weil jemandem wie Gottschalk niemand vorzuschreiben hat, wann er aufhören soll. Wer seinem Sender so viel genutzt hat wie Gottschalk, hat einzig und allein selbst zu entscheiden, wann er aufhören will. Alles andere hätte er nicht verdient.
Er hatte es auch nicht verdient, dass nach seiner vom Saalpublikum sehr bedauerten Abschiedsankündigung gestern Abend die blonde Assistentin, die gerade erst neu zur Sendung hinzugekommen ist, fast ebensoviel Redezeit für sich beanspruchte wie er, als wäre sie ein ähnlich relevanter Bestandteil der Show.
Das ZDF hat jetzt die Chance, jemanden für die Moderation der Sendung zu gewinnen, der ihren Status als Europas größter Fernsehshow und als Unterhaltung für die ganze Familie erhalten kann. Jemand, der nicht nur in einer Zielgruppe populär ist, sondern in allen. Jemand, der ebenso ein großes Gesamtpublikum mit seinen Filmen im ZDF erreichen kann wie ein großes junges Zielgruppenpublikum mit seiner Personalityshow bei RTL. Jemand, der mit 46 jung genug ist, um die Show noch lange machen zu können, aber schon lange genug im Geschäft, um auch von den ältesten ZDF-Zuschauern akzeptiert zu werden. Jemand, der witzig und schlagfertig ist und mit Prominenten ebenso charmant umgehen kann wie mit Normalo-Kandidaten. Jemand, der wie damals Gottschalk heute die einzige logische Wahl für die Nachfolge ist. Jemand namens Hape Kerkeling.
Natürlich könnte das ZDF auch dem einzigen anderen bekannten Entertainer ein Angebot machen, der derzeit ein großes Publikum für eine große Samstagabendshow erreicht, aber Stefan Raab wird klug genug sein zu wissen, dass die beiden nicht zueinander passen würden.
Oder das ZDF wählt den bequemen Weg und gibt die Sendung einfach an den hauseigenen Jörg Pilawa, der sie genauso routiniert und egal wie jede andere seiner Shows wegmoderieren wird und macht damit aus der Samstagabendshow schlicht irgendeine Samstagabendshow.
14. Februar 2011 um 18:22
Hape Kerkeling ist eine gute Lösung. Ich finde aber auch Mathias Opdenhövel sehr gut. Hauptsache es wird nicht Pilawa.Wir werden sehen.
14. Februar 2011 um 18:32
Ich finde auch, dass es jemand sein müsste, der sich für (fast) nichts zu schade ist, aber dennoch Niveau behält…
Michelle Hunziker hat sich in den letzten Sendungen wirklich sehr gesteigert! Ich finde es gut, dass sie scheinbar bleibt, was jedoch auch gewissermaßen einen männlichen Nachfolger für Gottschalk verlangen würde…
Mir fiel in der letzten Sendung spontan ein: Anette Frier.
14. Februar 2011 um 18:39
Interessant, Hape fiel auch mir sofort als Nachfolger ein, als ich las, dass Gottschalk aufhört.
Andrereseits hat Peter Schlönske eigentlich schon genug fiktive Erfahrung um zu wissen wie man als Entertainer in einer extrem beliebten Sendung über kurz oder lang endet, und das wäre extrem schade um ihn. Auch wenn man zugegebenermaßen sowieso nicht mehr damit rechnen kann, dass einmal wieder Knaller wie „Hurz!“ oder Beatrix‘ Staatsbesuch kommen werden…
14. Februar 2011 um 18:42
Bitte auf keinen Fall Pilawa! Der war doch schonmal als Gast in der Show, und das war alles andere als eine Bewerbung:
http://faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog/archive/2009/01/25/was-soll-das-pilawa.aspx
Wen ich mir schon eher vorstellen lönnte, wäre Beckmann. Der hat doch schon vor rund zehn Jahren bei der leider längst eingestellten Guiness-Rekordeshow bewiesen, dass er sowas moderieren kann. Jürgen Von der Lippe könnte ich mir auch vorstellen, aber mein Favorit wäre ganz eindeutig Günther Jauch. Der ist neben Gottschalk einfach der einzige echte Super-Moderator, der wirklich in einem ähnlichen Maße wie Thommmi charmant, witzig und spontan ist, und da er ja jetzt eh schon bei den Öffentlichen ist, läge der Job ja nicht allzu fern.
14. Februar 2011 um 19:13
Wie wäre es denn mit Ersatz-Pilawa Florian Weber? Der ist jung, unverbraucht und treibt mich nicht nach 5 Minuten zur Weissglut wie andere, hier genannte, Verdächtige.
14. Februar 2011 um 19:46
Stimmt, Günther Jauch kann das bestimmt gut, bei ihm weiß man auch sicher, dass er keine Hemmungen hat, schamlos Werbung unterzubringen und Mitgefühl zu heucheln, wo er nur Quotengeilheit empfindet.
14. Februar 2011 um 20:34
Man sollte daran denken, die Sendung abzusetzen. Alle Wetten die man machen kann, sind abgearbeitet. Ich hätte mir nur einen glanzvolleren Abschied für den Thomas gewünscht. Das jetzt……hat er nicht verdient.
14. Februar 2011 um 20:52
Jauch? von der Lippe? Kerkeling?
Die wären alle eine gute Wahl, aber standen die nicht schon bei Gottschalks erstem Abschied oder schon als Elstner Nachfolger auf der Liste?
Irgendwie schwant mir dass wir Gottschalk mal ganz schön vermissen werden…
14. Februar 2011 um 20:53
Ein prima Kommentar!!
Ich möchte mal ein Lanze für Frau Hunziker brechen, die neben toll aussehen auch gut mit den Kandidaten umgehen kann.
Seitdem sie dabei ist, sind zumindest die Wetten fluffiger geworden.
Als Nachfolge wäre mir auch zuerst Kerkeling eingefallen. Je länger ich darüber nachdenke umso besser gefällt mir die Idee es an Matthias Opdenhövel abzugeben.
Der Mann ist großartig. Neben seinen Moderationspflicht ist er in der Kür extrem schnell und schlagfertig – mit einer Prise Unverschämtheit.
Und wenn die Frauenquote erfüllt werden soll, ist Barbara Schöneberger mehr als einen Gedanken wert.
14. Februar 2011 um 22:40
Jauch ist fast zu alt und mit ARD und RTL ausgelastet, Pilawa für 60 minuten Quiz gut, für 120 Minuten Abendunterhaltung nervig… (und „rette die Million“ ist öde, was aber auch am langgezogenen Konzept liegt…)
Kerkeling wäre ein ziemliches Experiment was durchaus gut gehen köntne ich mir aber ncith wirklich als Dauerlösung vorstellen kann…
Opdenhövel und Geissen wären am ehesten das was Tommi einmal war, Schöneberger würde ich es auch zutrauen und fürs ZDF hat sie ja die letzten zwei Filmpreise moderiert, wäre also schon im Sender eine bekannte Größe und müsste nicht abgeworben werden, oder?
Dem Florian Weber trau ich die große Samstag Abend show aber noch nicht zu.
Als noch nicht genannte Katastrophe möchte ich aber Nuhr erwähnen den hält irgendein ZDF-Redakteur bestimmt für einen großartigen Entertainer…
14. Februar 2011 um 22:47
Günther Jauch natürlich.
14. Februar 2011 um 23:00
Ich dachte ja als Nachfolger zuerst an Kurt Felix, Hugo Egon Balder oder Mike Krüger. Am besten alle zusammen, und Karl Dall macht auch noch mit. Oder wie wäre es mit Florian Silbereisen?
Nee, im Ernst. Wie wäre es denn mit Lukas Heinser? Interviews kann der ganz gut, sogar auf norwegisch, und lustig ist er auch. Aber bitte bitte nicht Sascha Lobo …
15. Februar 2011 um 00:41
Was soll an Thomas Gottschalk „verdient“ sein? Etwa daß er seit Rudi Carrell der letzte Unterhaltungskönig der GEZ-Mafia ist, während es in den USA hochgradig geistreiche, intelligente und witzige Entertainer wie Jon Stewart gibt, die in Deutschland beim Gerangel um die mehr als sieben Gebühren-Milliarden jährlich systematisch ausgesondert werden? Nein, genau deshalb, weil Thomas Gottschalk schon immer ein ignoranter Langweiler war, hätte Hape Kerkeling schon 1987 der Nachfolger von Frank Elstner werden müssen. Dann hätte ich vielleicht heute noch einen Fernseher.
15. Februar 2011 um 00:44
Oh ja, Isabella! Barbara Schöneberger ist mal ein richtig guter Vorschlag. Vor allem verbinde ich mit ihr ne bestimmte Spontanietät und Klugheit, die den meisten anderen hier genannten Personen fehlt.
15. Februar 2011 um 14:47
Peer Kusmagk.
15. Februar 2011 um 18:21
@dyrox
Florian Weber erschiene mir auch als eine gute Wahl. Sehr charmant, Schwiegersohntyp und dennoch keiner der wie Pilawa ein aufgeblasenes Ego ausstrahlt. Der würde das sicher hinkriegen.
15. Februar 2011 um 19:39
Ich finde es sehr interessant, dass überall diese Nachfolgerfrage diskutiert wird und Namen über Namen ins Geschehen geworfen werden. Da bin ich froh, dass noch niemand Karl-Theodor zu Guttenberg oder Daniela Katzenberger genannt hat…
Aaaaargh! Ich stelle mir gerade das Duo Katzenberger/Huntziker vor…
15. Februar 2011 um 20:12
Das sind jetzt schon 67 Kommentare….ist dem Sörwer schon schindelig?
15. Februar 2011 um 22:08
Hat schonmal jemand an Kerner gedacht?
Der moderiert doch im Zweifelsfall auch alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Ausserdem tritt er immer wieder als Allzweckwaffe auf.
15. Februar 2011 um 22:49
Was außer der hochgerechneten Gage von dreiundzwölfzig Milliarden Euro für eine Sendung spräche eigentlich gegen Monika Lierhaus?
16. Februar 2011 um 01:27
@struwwelpeter:
Monica Lierhaus moderiert Leute an, die ihre Gesundheit riskieren, indem sie über Autos springen? Klingt spannend.
17. Februar 2011 um 01:16
Wunderbare Satire, vielen Dank dafür!
17. Februar 2011 um 05:08
Meine spontane Idee dazu: Sonya Kraus.
17. Februar 2011 um 19:13
*leise aus der hintersten reihe*
bully herbig
18. Februar 2011 um 07:50
Gestern war der Thomas bei Frau Illner…..und hat seine Sicht der Dinge erläutert….hier der Link…wenn ich darf:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-verpasst/#/beitrag/video/1263372/Was-ist-gute-Unterhaltung?
18. Februar 2011 um 11:02
[…] Top, der Thommy gehtFernsehlexikonWenn der Unfall bei Wetten, dass…? im Dezember nicht passiert wäre, und Thomas Gottschalk hätte trotzdem in absehbarer Zeit seinen Abschied angekündigt, wäre dies in der öffentlichen Medienjournalistenwahrnehmung als logische Folge der kontinuierlich …und weitere » […]
18. Februar 2011 um 13:36
@TempoTempo: Die Sendung hab‘ ich auch gesehen. Mein persönlicher Lieblingssatz: „Wir werden sehen, was mein Nachfolger aus dieser Sendung macht und ob’s funktioniert. Falls nicht, ich bin ja nicht aus der Welt…“
18. Februar 2011 um 14:51
@ Felix
Ja, der letzte Satz sagte alles :p
Bin mal gespannt wie es sich weiterentwickelt.
20. Februar 2011 um 09:23
[…] Laut Michael Reufsteck ist es Top, dass der Thommy geht. […]
21. Februar 2011 um 00:19
@ liborix, 13. Februar 2011, 21:59
Danke dafür, dass Sie den grandiosen Hubertus Meyer-Burckhardt vorgeschlagen haben. Von alleine wäre ich nicht darauf gekommen.
Doch je mehr man ihn sich auf dem Wetten-Dass-Sofa vorstellt, umso besser passt er. Wahrscheinlich passt er sogar besser als Gottschalk.
Meyer-Burckhardt ist sehr souverän, intelligent und humorvoll. Ein Hans-Joachim Kulenkampff der 10er Jahre.
30. Juni 2014 um 00:02
[…] Beim Fernsehlexikon geht das lustige Rätselraten um die ZDF-Sendung Wetten, dass..?? los, nachdem Thomas Gottschalk seinen zweiten Abgang aus der Sendung angekündigt hat. […]