Warum RTL uns spanisch vorkommt
Eigentlich hätte RTL es ja gar nicht mehr nötig, noch eigene Serien zu drehen. Sämtliche Sendeplätze könnten mit US-Wiederholungen gefüllt werden oder mit Menschen, die um die Wette auftreten oder verkuppelt werden.
Insbesondere hätte RTL es nicht nötig gehabt, die Serie Countdown – Die Jagd beginnt zu drehen, weil es sie nämlich schon gibt. In Spanien. Dort heißt sie „Cuenta atrás“, und die Protagonisten sehen fast genauso aus und heißen teilweise auch genauso wie ab heute bei uns.
Aber es gibt natürlich drei triftige Gründe, die dagegen sprechen, einfach das Original zu übernehmen:
- Der Standort: Die spanische Serie war irrtümlich nicht in Köln angesiedelt.
- Das Risiko: Obgleich RTL ohne gesundheitliche Folgen jede Woche etliche Stunden US-Serien zeigen kann, gibt es keine Untersuchungen darüber, ob die Zuschauer oder das RTL-Logo im Bildschirmeck bei Ausstrahlung einer europäischen Lizenzserie möglicherweise umgehend juckenden Ausschlag und hässliche Warzen bekommen.
- Die Statistik: Noch nie hatte ein deutscher Privatsender damit Erfolg, einfach eine ausländische Serie in Deutschland nachzudrehen. Irgendwann muss es also mal klappen, oder?
Oben: Countdown. Foto: RTL/Guido Engels. Unten: Cuenta atrás. Foto: Cuatro
Was die Serie von anderen unterscheidet, ist dieser Kniff: Sie beginnt mit dem dramatischen Höhepunkt, in der Regel mit einer Person, deren Leben gerade von einer anderen Person akut bedroht wird. Dann springt die Uhr zurück, und es wird die Geschichte erzählt, wie es zu dieser Situation kommt.
Das hat den Nachteil, dass der dramatische Aufbau bis zum Spannungshöhepunkt zwar gezeigt wird, die Spannung sich aber trotzdem in Grenzen hält, weil man ja weiß, was gleich noch passiert. Und dass dann das Opfer im nächsten Moment nicht wirklich stirbt, sondern von einem tollkühnen Helden gerettet wird, ist eigentlich auch klar, sonst wäre es ja noch langweiliger.
Was die Serie von allen anderen nicht unterscheidet, ist der Rest: Ein unkonventioneller Draufgänger als Protagonist, dem Regeln ein Dorn im Auge sind und der mit allem schläft, was befragt werden muss, zwischen dem und seiner Kollegin es aber knistert. Daneben ein paar wurstegale Nebenfiguren, ein feindseliger Chef und Kriminalfälle, die manchmal interessant genug sind, um die Serie über die Zeit zu retten.
Wie im Fernsehen ähnelt aber auch in diesem Text der Schluss dem Anfang: Eigentlich wäre diese Serie nicht nötig gewesen.
Countdown – Die Jagd beginnt, donnerstags um 21.15 Uhr bei RTL.
14. Januar 2010 um 07:40
Neu ist der Kniff aber auch nicht. Es gab da mal eine US-Serie der 60er oder 70er. Sie begann immer mit einer aufregenden Spannungsszene (also mit dem, was man damals dafür hielt), in der der Serienheld meist verfolgt wurde und in höchster Gefahr schwebte. Aus dem Off sprach er dann sehr ruhig so etwas wie: „Mein Name ist xyz. Sie werden sich sicher fragen, wie ich in diese Situation komme.“. Und dann begann die Rückblende.
Als Kind fand ich das sehr spannend.
14. Januar 2010 um 08:54
> Die Statistik: Noch nie hatte ein deutscher Privatsender damit Erfolg, einfach eine ausländische Serie in Deutschland nachzudrehen.
Gute Zeiten, Schlechte Zeiten, 1. Staffel?
http://de.wikipedia.org/wiki/GZSZ
14. Januar 2010 um 09:45
„Noch nie hatte ein deutscher Privatsender damit Erfolg, einfach eine ausländische Serie in Deutschland nachzudrehen. Irgendwann muss es also mal klappen, oder?“
Hmm. „Stromberg“ war eigentlich eine ganz erfolgreiche Kopie von „The Office“. Insbesondere die DVD-Auswertung.
Aber ansonsten gebe ich euch vollkommen recht.
14. Januar 2010 um 09:56
Hab gestern den Trailer gesehen – und war schockiert über die schlechte schauspielerische Leistung. Entweder die Cutter haben nur den Müll in den Trailer geschnitten, oder (und das halte ich für wahrscheinlicher) der Hauptdarsteller stößt mit dieser Rolle bereits an seine schauspielerischen Grenzen. Dieses pseudomachohaften Sprüche hatten Fremdschämfaktor – und das lag nicht am Inhalt.
Werde mal in eine Folge reinsehen. Nur um sicherzustellen, dass ich mich da nicht geirrt habe. Der Rest hört sich für mich nämlich extrem uninteressant an.
14. Januar 2010 um 10:58
„Noch nie hatte ein deutscher Privatsender damit Erfolg, einfach eine ausländische Serie in Deutschland nachzudrehen. Irgendwann muss es also mal klappen, oder?“
Curb Your Enthusiasm? Sicher ist „Pastewka“ keine 1:1-Kopie und hat mittlerweile eine ganz eigene Dynamik. Aber ohne Curb kein Pastewka…
Oder vielleicht „Yo soy Betty la fea“. Bei „Verliebt in Berlin“ wurde das Vorbild aus Kolumbien natürlich entsprechend angepasst. Aber es bleibt eine Kopie des Originals.
14. Januar 2010 um 11:19
Hab‘ mich gewundert, dass der notgeile Haupt(darsteller) im Trailer nicht noch die geile, String „bekleidete“ Wasserleiche bespringt.
14. Januar 2010 um 12:27
Ich glaube mit nachdrehen ist eher so etwas wie „Hilfe, meine Familie spinnt“ gemeint bei der wirklich alles nachgedreht wird, nicht nur eine Idee übernommen wie bei Stromberg oder Pastewka oder auch Samstag Nacht.
Hilfe, meine Familie spinnt ist eine fast wortgetreue Adaption der Erfolgs-Sitcom Eine schrecklich nette Familie. Die Originaldrehbücher wurden übernommen. Jeder einzelne Gag, aus den Originalfolgen schon bekannt, ist in der deutschen Version exakt gleich.“
– Kabel-1-Serienlexikon
http://de.wikipedia.org/wiki/Hilfe,_meine_Familie_spinnt
14. Januar 2010 um 12:39
Nachtrag: http://www.fernsehlexikon.de/1667/hilfe-meine-familie-spinnt/
http://www.fernsehlexikon.de/1668/ein-job-fuers-leben/
14. Januar 2010 um 16:49
Ja, das Nachdrehen hat Tücken:
„Verrückt nach Clara“ („Clara Sheller“): gefloppt
„R.I.S.“ (RIS – delitti imperfetti): eingestellt
„Das iTeam“ („The IT Crowd“): abgesetzt
Undsoweiter…
Wenn man dann noch der schauspielerischen Fachkraft Sebastian Ströbel die Hauptrolle gibt, steht dem Erfolg doch einiges im Wege.
Und jeder Misserfolg einer deutschen Serie ist ein Sargnagel für die deutsche Fiction.
Darum trotzdem: Toi, toi, toi!
14. Januar 2010 um 18:18
Naja, bis auf den Vollbärtigen, den ich jetzt mal komplett ausblenden auf beiden Fotos, finde ich, dass die restlichen vier Darsteller ALLE in Spanien besser aussehen als bei uns. Wenn die Deutsche Version Mist ist, hätte man sich ja wenigstens die Darsteller/innen angucken können 😉
14. Januar 2010 um 20:49
Ich gestatte mir nochmals darauf hinzuweisen, dass RTL in den vergangenen zwei Jahren, also noch vor der Eindampfung der Fiction-Redaktion zahlreiche Formate, insbesondere im Medical-Drama Bereich pilotiert hat, diese allerdings allesamt wohl nicht die Gunst des Testpublikums oder die von Frau Schäferkordt gefunden haben.
„Die 25. Stunde“, eine Serie, die im Vergleich zu „Countdown“ immerhin mit Darstellern der gehobenen deutschen Kategorie und mit einem etwas ungewöhnlichen Plot sogar zur Serienreife geschafft hat landete hingegen ungesehen im Giftschrank, die beiden übrigen deutschen Serienformate neben Cobra 11, also Doctor’s Diary und Lassko wurden bisher nur in der eher zuschauerschwachen Sommerpause programmiert.
Warum man glaubt, dass es Countdown, eine Serie die eher bescheidene Kritiken bekommt und der Produktionsfirma filmpool produziert wird, die eher für Trash am Nachmittag bekannt ist bleibt wohl das Geheimnis von RTL.
Überhaupt ist dank nahezu nicht vorhandenem Output (Sat.1 hat letztes Jahr überhaupt keine neue Primetime-Serie produziert und zwei alte aus der Alberti-Ära setzen im Giftschrank Staub an) momentan ja völlig unklar wo und wie man dort mit eigenproduzierten Serien hinwill.
14. Januar 2010 um 21:19
@Thomas
Wenn bei einem Sender wie RTL eine Serie („25. Stunde“) im Giftschrank landet und mehrere fertige Pilot-Folgen (z.B. „Brains“) für verschiedene Serien nicht gesendet werden, weil sie dem Sender selber nicht gefallen – dann kann man daraus eigentlich nur eine Schlussfolgerung ziehen: Die zuständigen Redakteure und ihre Chefin verstehen ihren Job nicht.
Bei SAT.1, mit Flops wie „Plötzlich Papa“, „RIS“, „Doktor Molly und Karl“, „Klinik am Alex“ (27 Folgen produziert, 5 ausgestrahlt!), muss man dasselbe Fazit ziehen.
Bei allem was man gegen ARD und ZDF sagen kann: Die haben sich solche Total-Flops in den letzten beiden Jahren nicht geleistet. Nee, Moment, „Geld, Macht, Liebe“ hab ich vergessen. Noch was?
14. Januar 2010 um 23:06
Andi,
die ARD hat „Die Anwälte“ von RTL gekauft.
15. Januar 2010 um 09:28
Ein Wort der Quoten-Experten hier noch zum Abschneiden des Piloten?
😉
15. Januar 2010 um 13:51
Nebenbei war nicht „Im Namen des gesetzes“ eine Adaption von „Law and Order“. Meines Wissens war die Serie sehr erfolgreich.
15. Januar 2010 um 14:06
@ treets: Über RTL-Quoten sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen. Deren Zuschauer sehen auch zu, wenn einfach jemand auf der Bühne steht und furzt.
15. Januar 2010 um 16:05
Michael,
meine Frage ging an die, welche hier vorher genau wußten, dass und warum diese Sache floppen muss.
15. Januar 2010 um 16:08
@treets
Die Quote war okay. Aber entscheidend werden die 2. und die 3. Folge – ob die Leute weiterhin einschalten.
@der drei
„Im Namen des Gesetzes“ hat das Prinzip von „Law and order“ übernommen, aber die Geschichten waren komplett neu und deutsch.
Bei z.B. „R.I.S.“ hingegen hat man die Drehbücher gekauft und neu geschrieben/überarbeitet.
Ähnlich wohl bei „Doktor Martin“ (ZDF) und bei „Bis in die Spitzen“ (SAT.1).
15. Januar 2010 um 17:34
Ach so, es wird unterschieden, ob man nur das Prinzip übernimmt oder gar ganze Geschichten. Im Erfolgsfalle wird man auch eigene Geschichten erzählen, so wie man es auch bei GZSZ gemacht hat.
Wie läuft eigentlich das Haus Anubis? Ist das nicht auch eine Kopie von Het Hus Anubis.
15. Januar 2010 um 19:42
@Andi:
Gebe dir weitestgehend recht, allerdings werden die heutigen Piloten, die ja nur noch die Länge einer Serienepisode haben ja nicht mehr der Fernseh- sondern nur noch einem Testpublikum vorgeführt und wenn der durchfällt landet das Ding im Giftschrank.
Was die Fähigkeiten der Fiction-Redakteure von RTL & Sat.1 angeht möchte mich nicht festlegen – prinzipiell waren viele Sachen aus der Vergangenheit ja gar nicht so schlecht, aber der Zuschauer hat von vornherein den Daumen gesenkt.
Auch mich hat die Folge gestern nicht wirklich vom Hocker gehauen – andererseits sollte es schon noch etwas anderes geben als US-Serien und öffentlich-rechtlicher Krimieinheitsbrei unter SOKO-Label.
Bezüglich der Serienflops der gebührenfinanzierten Sender, da gab es in den letzten Jahren schon noch einige mehr, die Serien mit Marion Kracht & Jan-Gregor Kremp, aber wichtiger waren vermutlich einige in den Jahren zuvor, Eine Liebe am Gardasee und die Serie mit Valerie Niehaus, tut mir leid, mir fällt der Titel nicht ein.
Hier war immerhin der Versuch da mal eine neue Serie außerhalb des Genres Krimi zu versuchen, immerhin gibt es außer Krimis insbesondere beim ZDF kaum mehr klassische Familienserien, und da haben die meisten schon viele Jahre auf dem Buckel (Landarzt, Forsthaus Falkenau), dann gibt es noch zwei Serien mit Tieren, Unser Charly und Da kommt Kalle.
@Michael: Dasselbe was du über RTL-Zuschauer schreibst trifft auf jene der Öffentlich-Rechtlichen zum größten Teil auch zu, die sehen den dicken Udo Kroschwald in SOKO Wismar im Verhörzimmer auf- und abgehen, Joseph Hannesschläger sein Bier vor dem heimischen Bauernhof trinken und Jophie Ries in seinen alten Citroen steigen. Bei diesen Serien fragt man sich auch mit Recht, warum sich der Zuschauer so einen drögen Einheitsbrei antut.
Mit ist es jedenfalls unklar wie man quasi sein ganzes Programm mit so etwas bestücken kann und dann noch Erfolg hat.
16. Januar 2010 um 00:47
Wenn ich die Typen schon so blöd da rumstehen seh, langweil ich mich. Egal ob auf spanisch oder auf deutsch. 😉
22. Januar 2010 um 23:39
Und es läuft doch.
Da gingen jetzt in den vergangenen Jahren zahlreiche Produktionsfirmen pleite, weil sie keine Aufträge mehr bekamen, weil keiner mehr eigenproduzierte Serien mehr sehen wollte. Man hätte als posivites Signal der Krise vielleicht eine höhere Qualität erwarten können.
Aber nein, derselbe Mist der schon vor zehn Jahren hätte so über den Sender gehen können kommt wieder, mittlerweile hat sich die Kreativität aber schon soweit zurückgebildet, dass man die Dutzendware schon von den Spaniern adaptieren muss.
Und die Leute gucken es trotzdem an.
Geht es eigentlich noch tiefer runter?