stern TV

Seit 1990 (RTL). Wöchentliches Infotainment-Magazin mit Filmbeiträgen und Gästen am Mittwochabend.

Die Aufmerksamkeit für das neue Magazin auf RTL war von Anfang an groß, nicht nur wegen der Popularität seines Moderators Günther Jauch, sondern auch, weil für die Sendung Gerd Berger, der Erfinder von ZAK, und die Moderatorin Désirée Bethge das WDR-Magazin verließen. Doch es war eine schwere Geburt. Berger hatte als Konzept anfangs noch angegeben, möglichst farbig über Politik zu berichten. Jauch wollte offenbar in eine boulevardeskere Richtung. Das Ergebnis lag irgendwo zwischen Spiegel TV und Schreinemakers live. Jauch geriet in der Presse heftig unter Beschuss, ebenso wie sein Freund Gottschalk, der gleichzeitig zu RTL gewechselt war, um Gottschalk zu moderieren. Jauch beschwerte sich, dass es kaum möglich sei, dass er und Gottschalk so abrupt so schlecht geworden sein könnten, wie die Medien schrieben. Die frotzeligen Übergaben von Jauch an Gottschalk waren über viele Jahre, wenn beide Sendungen aneinander grenzten, fester Bestandteil der Sendung: Erst von Gottschalk zu stern TV, später von stern TV zu Gottschalk Late Night.

Zur Sendung gehörten in der Anfangszeit außer Berichten über menschliche Schicksale, politischen, oft satirischen Beiträgen und Gesprächen mit Prominenten und Nichtprominenten im Studio der „Alltagstest“, bei dem Politiker öffentlich kleine, lästige Aufgaben erledigen mussten, die ihnen im Gegensatz zu Normalbürgern sonst vermutlich üblicherweise jemand abnahm. Désirée Bethge war anfangs Reporterin in Bonn für stern TV und Urlaubsvertretung für Jauch. Als sie 1993 ging, weil ihr Jauch „zu sehr auf Unterhaltung und zu wenig auf Information“ setzte, moderierte fortan Amelie Fried, wenn Jauch fehlte. Das Magazin wurde schließlich mit viel Lust an Sensationen zum Erfolg. Die Sendezeit wurde 1992 von einer halben auf eine Stunde, 1995 von einer auf zwei Stunden verdoppelt. Die Sendung bekam mehr Talk-Elemente und wurde dann  live vor Studiopublikum gesendet. Vertreten ließ sich Jauch nun nicht mehr, er moderierte fortan ganzjährig durch.

Viele Aufregerthemen verdankt stern TV der Zusammenarbeit mit dem gedruckten „Stern“, so auch den Skandal um das sogenannte „Barren“, bei dem Springpferde mit Schlägen gegen die Beine zum Höherspringen animiert werden. 1990 machte vor allem stern TV diese Praktiken öffentlich, die schließlich von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung verboten wurden. Im folgenden Jahr zeigte stern TV Aufnahmen, die bewiesen, dass auch auf dem Hof von Paul Schockemöhle trotzdem weiter gebarrt wurde.

Anfang 1997 verurteilte der Bundesgerichtshof stern TV zu Schadensersatz in sechsstelliger Höhe, weil das Magazin fünf Jahre zuvor einem Frauenarzt gravierende Operationsfehler unterstellt und dabei einzelne entlastende Aussagen und Fakten weggelassen hatte. Der Arzt, der später von der Ärztekammer entlastet wurde, hatte daraufhin seine Existenzgrundlage verloren. Wie sorglos stern TV war, wenn es um die Chance ging, Sensationelles zu enthüllen, zeigte aber noch mehr der Fall Michael Born. Der Filmemacher hatte erfolgreich verschiedenen Magazinen Berichte angedreht, die frei erfunden und mit Laienschauspielern gedreht waren. Hauptabnehmer war stern TV, auch noch Ende 1995, als ein Born-Film über Kinderarbeit für Ikea als Fälschung aufgeflogen war. 1996 flog Born auf, und obwohl es die Zuschauer waren, die hier eigentlich betrogen wurden, verklagte Jauch als stern-TV-Chef Born und schaffte es damit, sich selbst als Opfer darzustellen. Das Gericht stellte zwar fest, dass die Redaktion „nur zu gern dem süßen Irrglauben aufgesessen“ sei, „alles von Born sei authentisch“ und wertete Kontrollmängel in der Redaktion für den Fälscher strafmildernd. Aber dem Image Jauchs oder der Sendung schadete der Skandal erstaunlicherweise kaum. Und das obwohl Jauch als Zeuge vor Gericht Erschütterndes aussagte: Er sei „im Grunde genommen nie in einem Schneideraum drin gewesen“, verteidigte er sich. Wenn er schon einmal bei der Endabnahme von Filmen teilnehme, interessiere ihn nicht, ob die Darstellungen stimmen, sondern nur, ob sie „in sich stimmig“ seien. („Die Zeit“ sprach danach von den „Aufschneideräumen“ in der Redaktion von stern TV.) Die Beiträge schaue er sich nur zur emotionalen Einstimmung auf die Moderationen an.

Trotz allem: Die Reihe blieb erfolgreich und wurde eine der langlebigsten Sendungen bei RTL. Im Jahr 2000 übernahm Jauch mit seiner Firma I & U selbst die Produktion der Sendung. Unter der Regie der Fernsehtochter des Verlages Gruner + Jahr hätte die Qualität der Sendung zu leiden gedroht, sagte er. Zwei Jahre später ließ sich Susan Stahnke bei stern TV vor laufenden Kameras den Darm spiegeln.

6 Kommentare


  1. Sprach Stefan Aust bei spiegel TV nicht gar von Günther „Kujauch“ im Zusammenhang mit der, pardon, Born-Verschwörung?

  2. Sebastian,

    das muss schon eine Weile her sein. Aust hatte anschließend ja alle Hände voll zu tun, zum Beispiel Spiegel-Artikel pro Windkraft zu verhindern und durch dubiose, übel konstruierte Contra-Windenergie-Geschichten zu ersetzen.
    Ich meine damit: wenn man Austs Gesamtwirken betrachtet, dürfte er der Letzte sein, der da auf journalistische Prinzipien verweist.

  3. Dass er der letzte ist, der das sollte, schließt ja nicht aus, dass er es tut 🙂

    Und natürlich ist das schon eine Weile her. Weil: die ganze Affäre ist ja schon eine Weile her.

  4. Spannender allerdings finde ich, warum Michael Reufsteck all so etwas am 1. Weihnachtstag in aller Herrgottsfrühe, noch vor 06.00 Uhr, hier veröffentlicht. Schlafprobleme?

  5. Na, er hat halt nach US-amerikanischer Art gefeiert und sich auf die Lauer gelegt.

  6. Die Antwort auf die Brötchenfrage…

    Nachdem ihr euch nun über einen Monat beraten habt, um die Mutter aller Fragen, die Brötchenfrage, zu beantworten und sich am Ergebnis zuletzt auch nichts mehr getan hat, ist es jetzt wohl an der Zeit einen Gewinner zu küren. Meine Damen und Herren,…



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