In Memoriam Erich Böhme
Als das private Fernsehen sonntags nach dem Abendfilm noch politische Talkshows gezeigt hat und das öfffentlich-rechtliche noch nicht, war Erich Böhme ein Star. Halb versunken saß er bei Talk im Turm in seinem Stuhl, rührte mit seiner Brille die Luft um und sang seine Fragen in dieselbe.
Die Brille war für Erich Böhme ein genauso wichtiges Requisit wie heute für Horatio Cane, der sie so lange auf- und absetzt, bis der Fall gelöst ist. Kriminalfälle löste Böhme auf diese Weise nicht, und ehrlich gesagt auch keine gesellschaftlichen Probleme, aber er sprach sie mal an. Hinterher hatte man in Einzelfällen sogar das Gefühl, bei einem Fernsehereignis dabei gewesen zu sein, zum Beispiel als sich 1998 Studenten auf der Bühne anketteten, weil sie ihre Probleme thematisieren wollten.
Sogar als sich Böhme 2000 in der Nachfolgesendung Talk in Berlin beim kleinen Sender n-tv mit einem Jörg-Haider-Interview blamierte, hatte das einen höheren Aufmerksamkeitswert als alles, was Sabine Christiansen in ihren zehn Jahren vor Millionen Zuschauern besprochen hat – außer vielleicht die Sendung, in der Edmund Stoiber sie versehentlich als „Frau Merkel“ ansprach. Denn Böhme fiel auf — und rauschte im Gegensatz zu vielen TV-Talkern nicht einfach durch.
Im Alter von 79 Jahren ist der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur und Turmtalker Erich Böhme gestorben.
29. November 2009 um 20:24
Auf http://www.emorial.de kann man eine Kerze für ihn anzünden.
1. Dezember 2009 um 05:17
Tschuldigung, wenn ich mich ausgerechnet hier so reinquetsche aber gibt es dieses Jahr wieder einen Adventskalender?