Dominos sind für Loser: Das große Kipp-Roll-Fall-Spektakel
Ich finde ja, man muss ProSieben schon dafür loben, dass sie der Sendung tatsächlich den ebenso albernen wie anschaulichen Namen Das große Kipp-Roll-Fall-Spektakel genannt haben. Bei RTL hätte das nur Die ultimative Chain Reaction Show oder so geheißen. Überhaupt muss man ProSieben dafür loben, eine solch aufwändige Live-Show zu veranstalten, die nicht zuletzt davon lebt, dass man tatsächlich nicht weiß, was klappen und was schiefgehen wird und als Zuschauer dabei ist, während es passiert. (Die Wiederentdeckung des Reizes der Gleichzeitigkeit im Fernsehen ist wohl vor allem Stefan Raab zu verdanken.)
In den letzten Tagen hat auf dem riesigen Studiogelände in Hürth bei Köln eine erstaunliche Zahl von Menschen daran gearbeitet, kleinste und größte Alltagsgegenstände so anzuordnen, dass sie sich gegenseitig umschubsen, anstoßen, aufribbeln, in die Luft werfen – und das in möglichst spektakulärer und überraschender Form.
Zehn Teams von Cheerleaderinnen über Rocker, Pfadfinder, Sportwissenschaftler, Designstudenten bis hin zu Flughafenmitarbeitern haben zusammen mit Architekten und Special-Effekt-Profis daran gearbeitet, eine jeweils rund zehnminütige Kettenreaktionen zu ihrem Thema aufzubauen: In der Welt der Insel Juist fallen Strandkörbe und öffnen sich Miesmuscheln, in der Sportwelt werden Fitnessgeräte missbraucht, um einen Tischfußballspieler einen Ball im Tor zu versenken, in der Männerwelt fallen tausende Bierflaschen um und Hunderte Mentos-Dragees in Colaflaschen, um einen klebrigen Springbrunnen zu bilden, und in der Frauenwelt kippen so lange Kleider, Schuhe und Kosmetika aus den Regalen, bis am Ende ein Mechanismus Geldbündel aus dem Fenster wirft. Baumaterial für die Mechanik hatten sie alle reichlich: Sie konnten das Sperrholz der Bühne der Oliver Geißen Show verwenden, die gerade nebenan abgerissen wird.
Eine der spektakulärsten Welten dürfte die am Flughafen Köln-Bonn sein, wohin die Kette per Mobiltelefon springt, das durch den Druck auf eine Wahlwiederholungstaste in Hürth angerufen wird und dank Vibrationsalarm zig Kilometer weiter (hoffentlich) vom Tisch fällt. Wenn alles klappt, gibt es einen Weltrekord, aber die Konstruktionen der Hobbybastler, die während der Sendung vor Ort mit Hunderten Unterstützern mitfiebern, sind so liebevoll und detailverliebt, dass es vermutlich nicht schlimm ist, wenn der Rekord nicht fällt.
Urahnen der Show sind natürlich die Rube-Goldberg-Maschinen und die berühmte Installation „Der Lauf der Dinge“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3), von der sich bei YouTube viele inspirierte Nachahmer bestaunen lassen.
An der ProSieben-Variante sind auch mehrere Tiere beteiligt. Ausgelöst wird die Kettenreaktion heute Abend durch einen Seelöwen, der beim Pressetermin gleich mal Moderator Matthias Opdenhövel ins Handgelenk biss. Angeblich handelte es sich nicht um einen PR-Gag; er musste sogar kurz ins Krankenhaus. (Opdenhövel, nicht der Seelöwe.)
Es könnte eine ungewöhnlich unterhaltsame Show werden. Und wie wenig das mit dem unerklärlich erfolgreichen Domino Day von RTL zu tun hat, demonstriert Ihnen Herr Opdenhövel hier mal selbst — und in diesem Fall ist einem Werbetrailer von ProSieben ausnahmsweise absolut zu trauen:
Das große Kipp-Roll-Fall-Spektakel, heute, 20.15 Uhr, ProSieben.
7. Juni 2009 um 22:11
opdenhövel ist toll!
wie waren denn die quoten?
7. Juni 2009 um 23:23
ich habe – und das sage ich aus den tiefsten gründen meines herzens – selten so eine langweilige scheiße gesehen. und ich hab schon viel langweilige scheiße gesehen.
7. Juni 2009 um 23:38
Oh Mann, wenn das als Trash gemeint war, dann wars ziemlich gut, ansonsten war das natürlich nen Griff ins Klo, die Idee hat doch potential, wenn man nich gerade das Team des Offen Kanal-Köln zur Verfügung hat…und dessen Budget. Pro 7 kann sich eigentlich freuen, wenn das ganze so Preiswert war wie es aussah, haben die ordentlich verdient, MA war mit 18% oder so auch ganz ok.
Was die Moderation angeht, so muß schon einiges passieren damit Saron Stone in Catwoman nicht die dilletantischste Blondine des TV-Abends ist.
Den Unterhalungsfaktor brauch man, ob dessen fehlen, nicht erwähnen, sollten aber die Chinesen mal die längste Kettenreaktion der Welt mit Reissäcken
aufführen wollen, wird das bestimmt wesentlich spanneneder.
„Der längste Tag“ ist auf jedenfall das spannendere Kipp-Roll-Fall-Spektakel gewesen und die hatten auch noch Krach-Bumm-Peng dabei.
7. Juni 2009 um 23:40
off topic: Ich plädiere dringend für eine Edit-Funktion in Blogs wie diesem.
8. Juni 2009 um 00:59
Früher mochte in den Opdenhövel nicht. Aber beim Kipp Roll Fall Debakel (oder „Kipp Roll FAIL“ für die LOLcats) hat er in meinen Augen echt Qualitäten bewiesen. So einen unglaubliche Fremdscham-Veranstaltung relativ locker weg zu moderieren und sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen – das stell ich mir nicht einfach vor.
Und am Schluss mit entspanntem Gesicht der Hinweis, dass es 2010 noch eine Ausgabe davon geben wird … hui-ui-ui. Hut ab.
8. Juni 2009 um 10:20
ich muss mich dem Versuch der Meinungsvielfalt anschließen: Ich fands gut. Es war eine Show, wo nicht alle die nicht nicht gewonnen haben gedemütigt werden, sondern alle zusammenarbeiten müssen, damit es funktioniert. Etliches hat nun nicht geklappt (wofür schon zu beginn das Wetter verantwortlich gemacht wurde), aber eigentlich war das nicht so schlimm. Es waren großartige Ideen dabei (Zahnrad aus Ordnerschränken, Feuerarten erklären, ein Flugzeug einbinden), die mit viel Engagement vorbereitet wurden.
Und wer hingehört hat: Der Moderator sagte zu beginn, dass sie Probleme damit hatten, dass Kameramänner Sachen umgerannt hatten und sie daher jetzt größeren Abstand halten.
Und es wurde auch angekündigt, dass es wohl ein paar mal hängen wird, aber dass der Spaß im Vordergrund steht und es trotzdem weiter geht, und man trotzdem die spektakulären Sachen sehen kann.
Ich verstehe nicht, warum hier alle ins Jammern verfallen… Vielleicht ist es einfach der Konsumzeitgeist, dass alles perfekt hergerichtet sein muss, und natürlich immer Action geboten wird.
Ich würde mich über eine Neuauflage freuen – und finde es super, dass Pro7 sich an eigene Sachen wagt, statt die tausendste „Viele Trottel kommen hier an und alle bis auf einer fliegen raus, aber auch der ist ein Trottel“-Show zu veranstalten.
8. Juni 2009 um 10:31
Also ich fand es jetzt nicht so abgrundtief schlecht, wie die meisten anderen. Und Live heißt halt auch, das was schief gehen kann. Das man das besser hinbekommen könnte zeigte sich am Flughafen – da lief es meiner Erinnerung nach komplett durch, oder?
Vielleicht fand ich es ja auch nur nicht so schlimm, weil mein kleinster Sohn gerade Zähne bekommt und ich daher bis gegen elf immer nur so fünf bis zehn Minuten am Stück sehen konnte…
8. Juni 2009 um 13:30
Sonja Kraus muß ja eine Granate auf der Besetzungscouch sein, anders ist nicht zu erklären, warum die für Moderationen gebucht wird.
8. Juni 2009 um 20:56
traurig dass die reaktionen von mir und dir hätten stammen können.
Total stümperhaft, aber schön behaupten in den Proben hätte es IMMER funktioniert…
Schade um die gute idee (youtube beweist es) aber katastrophal umgesetzt.
Was tat mir der Opdenhövel leid…
9. Juni 2009 um 15:24
Das Video sieht schon besser aus.
Hier funktioniert alles 😉
9. Juni 2009 um 19:17
Ist das Flugzeug am Schluss wenigstens explodiert oder nicht?
4. März 2010 um 08:39
[…] [für Godehard] […]