Hau! Und zwar ab statt drauf!
Mit dem Ende der Oliver Geissen Show im Sommer wird der Daily Talk als solcher zwar noch nicht komplett vom Bildschirm verschwinden (Sat.1 hat irrtümlich immer noch Britt — Der Talk um eins auf Sendung), doch der Sender, der das Genre 1992 mit Hans Meiser einführte und zwischenzeitlich fünf tägliche Talkshows im Programm hatte, lässt es sterben.
Damit hat das Genre in Deutschland eine Abart ausgelassen, die in den USA seit vielen Jahren Standard ist und auch bei uns oft vorhergesagt wurde. 1999 fragte (nicht nur) „TV Today“ in einer Titelgeschichte: „Kommen jetzt die Prügelshows?“ Auch, wenn es schwer vorstellbar ist: Das Niveau vieler US-Daily-Talks liegt noch weit unter dem, was wir in Deutschland je gesehen haben. Doch, das geht.
Jerry Springer, ehemaliger Bürgermeister von Cincinatti, moderiert seit 18 Jahren eine Sendung, zu der und in der er selbst eine gewisse ironische Distanz bewahrt, wenn sich vor johleendem Publikum auf der Bühne fette Prolls prügeln, weil gerade wieder Seitensprünge mit der Mutter der Lebensgefährtin im Fernsehen aufgeflogen sind. (In der Busenschau mit Sonya Kraus sind immer wieder Ausschnitte zu sehen.) Wegen dieses Grundkonzepts beschäftigt die Show eigene Sicherheitskräfte, die gerade so weit einschreiten, dass man noch von einer Prügelei sprechen kann, aber Verletzungen möglichst vermieden werden. Der kahlköpfige Ex-Polizist Steve Wilkos war der Sicherheitschef bei der Jerry Springer Show. Das allein machte ihn berühmt genug, um seine eigene tägliche Show zu bekommen, die sehr ähnlich funktioniert, aber einerseits lebenshilfiger daherzukommen versucht, andererseits mit Drohungen arbeitet. Der untreue Ehemann verspricht dem Moderator, er werde sich bessern, und der Moderator verspricht der Mutter der betrogenen Ehefrau, wenn er sich nicht bessere, komme er mal vorbei. Das Publikum johlt. Beinahe wäre es in die gewohnten „Jerry, Jerry!“-Rufe ausgebrochen, doch es wurde gerade noch ein „Steve! Steve!“ Klingt leider nicht so schön, weil einsilbig. Schon Franz Beckenbauer erklärte die Beliebtheit des damaligen Bundestrainers Rudi Völler so: „’Rudi’ lässt sich so schön rufen.“
Woran genau die Einführung der Prügelshows in Deutschland scheiterte, kann man nicht genau sagen, da nicht einmal RTL2 es ernsthaft versuchte. Womöglich hätte dies den Tod des Genres einige Jahre hinausgezögert. Aber wahrscheinlich ist es gut, dass es so weit nie kam. Sie ruhe in Frieden.
2. Mai 2009 um 13:21
kleine Anmerkung:
aber einerseits lebenshilfiger daherzukommen evrsucht, andererseits mit Drohungen arbeitet.
2. Mai 2009 um 14:44
mir kann keiner erzählen, dass diese jerry springer-show nicht gefaked ist.
ich kann und will das nicht aktzeptieren.
2. Mai 2009 um 19:41
Apropos Hans Meiser: Ich habe letztens einen schönen Ausschnitt aus Meiserns Anfangszeit bei youtube gefunden. Darf ich den hier mal posten?
http://www.youtube.com/watch?v=E1fSa9W07F8
3. Mai 2009 um 01:11
Von wegen Lebenshilfe: Das Schöne an der Jerry Springer-Show war aber (oder ist es immer noch), dass, nachdem man sich eine Stunde lang ordentlich eins auf die Brezel gegeben hatte, Jerry in einer ruhigen Minute am Ende nochmal die Konflikte zusammenfasste, um Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die relativ weit von denen entfernt waren, zu denen die Gäste in der Sendung gegriffen hatten…
4. Mai 2009 um 19:49
Es gibt mehrere deutsche Piloten… Sie ruhen in den Giftschränken. Es gibt einen besonders schönen Versuch mit jemandem als Moderator, der seit Ewigkeiten bei Big Brother das Zepter schwingt.. Keiner hat es sich getraut. Daran tragen die Vermarkter, Mediaagenturen und Werbekunden die größte Schuld…Und natürlich der fehlende Heldenmut vor dem Thron der Entscheider.
5. Mai 2009 um 01:30
SpassamGerät: wäre es in diesem Fall nicht angebrachter, statt von „Schuld“ von „Verdienst“ zu reden?
6. Mai 2009 um 13:37
Hans Meiser, die Legende!