Lippebekenntnis
Die neuen Grimme-Preisträger sind raus und stehen hier.
Erstmals tagte in diesem Jahr die „Jury Unterhaltung“, die sich die Frage stellte: „Was ist gute Unterhaltung?“. Die Antwort lautet: Extreme Activity. Das ist deshalb interessant, weil es sich um eine Pro-Sieben-Sendung mit Jürgen von der Lippe handelt und man noch vor einem Jahr Pro Sieben weder mit Jürgen von der Lippe noch mit Grimme-Preisen in Verbindung gebracht hätte (obwohl natürlich auch schon Stromberg und Stefan Raabs Suche nach dem Grand-Prix-Superstar ausgezeichnet wurden).
Die Jury begründet die Ehrung u.a. so:
Extreme Activity ist (…) gute Unterhaltung mit Aktionswert, eine Spielshow, die ihren Unterhaltungswert in hohem Maße daraus bezieht, dass sie sich mit der Intelligenz ihrer Zuschauer verbündet.
Damit müssen sie die Stelle meinen, als Verona Pooth Helium aus einem Ballon einatmete, damit sie ihre Stimme noch piepsiger klingt als ohnehin schon. Hahaha, ein Brüller!
Zum Unterhaltungswert der Show trägt ihr Moderator wesentlich bei. Indem Jürgen von der Lippe souverän zwischen Kalauer und Bonmot, zwischen einfachem Witz und geistreicher Anspielung changiert, macht er deutlich, dass es viele Arten gibt, sich zu unterhalten und dass vordergründige Zweckfreiheit nicht automatisch Geistlosigkeit bedeutet. Damit verwandelt Jürgen von der Lippe ein zunächst nur interessantes neues Format in ein herausragendes Unterhaltungsangebot.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist erfreulich, dass die neue „Jury Unterhaltung“ nicht krampfhaft nach irgendeinem Pseudoanspruch suchte, sondern in der Tat einfach nur „gute Unterhaltung“ auszeichnete. Jürgen von der Lippe ist für mich seit jeher und noch immer ohnehin der Allergrößte, deshalb trinke ich heute auf ihn ein Gläschen Sekt. Vielleicht reicht es mir ja jemand ins Publikum.
Und da die ARD-Vorabendserie Türkisch für Anfänger, die derzeit wiederholt wird, bevor sich ab Ende März neue Folgen anschließen, „von seltener Qualität“ ist und „die Serie Humor und Tempo auf hohem Niveau durchhält“ bekommt auch sie einen Unterhaltungspreis.
14. März 2007 um 16:45
Wie werden eigentlich die Kategorien eingeteilt? Türkisch für Anfänger wird in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet obwohl es eine fiktionale Produktion ist.
Nun aber man sieht deutlich, dass das Angebot von Jahr zu Jahr dünner wird, das es ausgerechnet für ProSieben zu zwei Preisen gereicht hat ist schon grotesk.
Für Eigenproduktionen interessiert sich dort schließlich keiner der Verantwortlichen bzw. Zuschauer.
14. März 2007 um 17:18
Sehe ich anders. Die eigenproduzierten Filme von Pro Sieben sind oft sehr erfolgreich, und die eigenproduzierten Shows wie „Popstars“ und „Germany’s Next Topmodel“ sogar überaus. Manche eigenproduzierten Comedys wie „Stromberg“ und „Switch“ sind zwar keine großen Publikumserfolge, aber grandios. Lediglich ein paar Serien funktionierten nicht.
Dass das Angebot dünner wird, kann ich auch nicht unbedingt erkennen. Die Privaten, deren Eigenproduktionsanteil zugunsten von US-Serien im vergangenen Jahr zurückgegangen ist, spielten beim Grimme-Preis sowieso nie eine große Rolle. Und die Öffentlich-Rechtlichen produzieren Qualitätsware wie eh und je. Insofern ist der Doppelsieg von Pro Sieben umso bemerkenswerter.
Und seit wann ist Fiktion keine Unterhaltung?
14. März 2007 um 19:16
Natürlich ist Fiktion auch Unterhaltung, aber wenn mit Extreme Activity eine Unterhaltungsshow gewinnt gehört Türkisch für Anfänger in den Bereich Fiktion.
Die Privaten haben tatsächlich noch nie eine Rolle gespielt beim Grimme-Preis.
Diesmal waren aber erstaunlich viele von ihren Formaten nominiert.
Weil die alle nicht toll waren könnten sie als Füllmaterial verwendet worden sein, weil die Öffentlich-Rechtlichen quantitativ nicht mehr so viel auf den Markt geworfen haben, schließlich braucht insbesondere das ZDF das Geld jetzt um die Zahl ihrer Fließband-Krimi-Produktionen fürs Vorabendprogramm hochzutreiben.
Ist aber nur eine Vermutung.
ProSieben produziert zwar selbst, aber nicht aus innerer Überzeugung, bei US-Serien kriegen die Verantwortlichen stets leuchtende Augen, während man Eigenproduktionen eher als lästiges Übel betrachtet um ein wenig Profil zu bekommen und ein paar Slots zu füllen.
Die Märchen-Spoofs hatte noch Geschäftsführer Bartls Vorgänger Jocic angestossen. Da sahnt er jetzt den Erfolg ab. Made by ProSieben Movies hat Bartl gekippt. Mit Serien lief es noch nie. Bartl hat keine Vorstellungen von eigenproduzierten Formaten weil er sich diese Fähigkeiten bei weder bei ProSieben noch bei kabeleins aneignen konnte. Anke Schäferkordt musste bei VOX auch nur ihre US-Krimiserien in die richtige Sendestrecke programmieren. Jetzt soll sie bei RTL über eigenproduzierte Serien und Event-Filme entscheiden. Das kann doch nur schief gehen.
15. März 2007 um 16:41
Viel erschreckender finde ich den Preis für Wut. Das hat nicht mal was mit der Diskussion drumherum zu tun, die war ja nicht ernstzunehmen. Sondern einfach, weil das ein langweiliger 08/15-Film war, Dutzendware, wie man sie jede Woche sieht. Warum kriegt sowas einen Preis? Da hätte man jeden x-beliebigen Tatort nehmen können.
15. März 2007 um 18:43
„Wut“ tanzte zumindest dahingehend aus der Reihe, dass es nicht mit dem klassischen „Alles wird gut und alle Probleme sind gelöst“ endete, wie es sonst üblich ist, sondern zeigte, dass es für manche Probleme schlicht keine Lösung gibt. Und dass die ARD zwei Tage vor der Ausstrahlung plötzlich beschloss, dem Film einen schlechteren Sendeplatz zuzuweisen, spricht auch eher FÜR den Film.