Eurovision Song Contest
Seit 1956 (ARD). Europäischer Schlagerwettbewerb, der jedes Jahr im Frühling im Land des Vorjahressiegers ausgetragen wird und eine der merkwürdigsten Veranstaltungen darstellt, die das Fernsehen hervorgebracht hat.
Jedes teilnehmende Land entsendet einen Interpreten mit seinem Titel. Jurys oder die Zuschauer wählen daraus den Gewinner, der daraufhin entweder ganz groß herauskommt oder von dem man nie wieder etwas hört. Letzteres ist die Regel.
Den ersten Grand Prix Eurovision de la Chanson veranstaltete die Eurovision, zu der sich sechs Jahre zuvor 23 öffentlich-rechtliche oder staatliche Fernsehsender Westeuropas zusammengeschlossen hatten, am 24. Mai 1956 im Teatro Kursaal in Lugano. Damals nahmen sieben Länder mit jeweils zwei Titeln teil. Deutschland war mit Walter Andreas Schwarz und Freddy Quinn vertreten, die beim Vorentscheid am 1. Mai 1956 im Großen Sendesaal des Kölner Funkhauses von einer Jury ausgewählt worden waren. Von den Jurys der vertretenen Länder wurde Lys Assia mit dem Titel „Refrain“ zur Siegerin gewählt. In den kommenden Jahren stieg die Zahl der Teilnehmerländer, die ab 1957 nur noch je einen Titel ins Rennen schicken durften. Nach dem Ende des Kalten Krieges nahmen auch die Länder Osteuropas teil, wodurch die Zahl der Teilnehmer bis auf 26 (2003) stieg. Die Zahl der Interessenten überstieg die Möglichkeiten einer dreistündigen Live-Sendung, weshalb ab 1994 einige Länder aussetzen mussten — im Jahr 1996 traf dies den deutschen Vertreter Leon mit „Blauer Planet“, weil eine internationale Jury den Titel (nicht ohne Grund) für zu schlecht hielt. 2004 wurde ein Modus mit einem Halbfinale eingeführt, in dem sich Länder, die neu dabei waren oder im Vorjahr nicht gut abgeschnitten hatten, einige Tage vor dem eigentlichen Wettbewerb erst qualifizieren müssen.
Abgesehen von den ersten Jahren galt die Regel, dass das Gewinnerland im nächsten Jahr den Song Contest ausrichten würde. Das war mit außergewöhnlich hohen Kosten verbunden, von denen die Eurovision nur einen Teil übernahm, weshalb Israel, als es 1979 zum zweiten Mal in Folge gewann, auf die Veranstaltung der Show verzichten musste und die Niederlande einsprangen. Andererseits bietet die Ausrichtung des Song Contest vor allem kleineren Ländern oder Staaten im Umbruch eine einzigartige Möglichkeit, sich vor zig Millionen Zuschauern in aller Welt als modern und weltoffen zu präsentieren. Am häufigsten gewann Irland: siebenmal.
Interessanter als die Lieder, die schon in den ersten Jahren wenig mit aktuellen Musiktrends zu tun hatten, war die Punktevergabe, die fast jedes Jahr zu Diskussionen über Mauscheleien und Freundschaften oder Abneigungen zwischen Ländern führten. Während sich etwa die skandinavischen Länder untereinander meist reich mit Punkten beschenkten, demütigten sich die Jurys aus Deutschland und Österreich jahrelang mit einem Punkt — wenn überhaupt.
Der Modus der Punktevergabe variierte anfangs. Erst 1975 etablierte sich das System, wonach jedes Land für das liebste Lied zwölf Punkte gibt, für das zweitliebste zehn, dann acht, sieben, sechs und so weiter bis zu einem Punkt. Das Ritual, die Punkte eines Landes durch einen Vertreter per Telefon oder Live-Schaltung bekannt zu geben, die dann in englisch oder französisch wiederholt und von einer mehrköpfigen Jury überwacht wurden, wurde im Laufe der Zeit für viele Zuschauer zum eigentlichen Grund einzuschalten — neben den abenteuerlichen Kostümen, den unfassbaren Choreografien, den unterirdischen Titeln und dem regelmäßigen Scheitern an der Pflicht, live zu singen. 1997 verteilten fünf Länder ihre Punkte erstmals nicht nach dem Votum einer Jury, sondern dem des Publikums, das per TED abstimmte. Ab 1998 wurde das zur Regel, 1999 zur Pflicht. Mit der Abschaffung der Jurys war auch der Versuch verbunden, die Veranstaltung zu modernisieren. Ebenfalls 1999 fiel die Pflicht, in der Landessprache zu singen, und statt mit Orchester sangen die Künstler zum Halbplayback.
Auch die deutsche Vorentscheidung wandelte sich. Viele Jahre hieß sie Ein Lied für … mit dem Namen der Stadt, in dem der Grand Prix stattfand, im Titel. 1998 wurde die Show in Countdown Grand Prix umgetauft, 2004 in Germany 12 Points, seit 2006 heißt sie schmucklos irgendwas mit „Vorentscheid“. Die Veranstaltung wurde von wechselnden Moderatoren präsentiert. Axel Bulthaupt moderierte sechsmal (1998–2003), Carolin Reiber viermal (1979 und 1980 mit Thomas Gottschalk, 1982 und 1983 mit Rudolf Rohlinger), Hape Kerkeling dreimal (1989–1991). Seit 2006 moderiert Thomas Hermanns. Mal wählte eine Jury, mal ein Programmdirektor, mal stand der Interpret vorher fest und stellte mehrere Titel zur Auswahl. 1961 nahm übrigens ein junger Mann namens Carl Dieter Heckscher mit dem Titel „Was tut man nicht alles aus Liebe“ am Vorentscheid teil. Unter seinem Künstlernamen Dieter Thomas Heck hörte man später mehr von ihm. 1976 durfte erstmals das Publikum abstimmen: Per Postkarte wählte es Tony Marshall. Allerdings war sein Titel schon vier Jahre vorher veröffentlicht worden, was Disqualifikation bedeutete — nur ein Skandal von vielen. Statt Marshall fuhren die zweitplatzierten Les Humphries Singers zum Finale. Nach verschiedenen Umfragesystemen kam 1987 zum ersten Mal der TED zum Einsatz.
In den 90er Jahren geriet der Wettbewerb fast völlig aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. 1998 wurde er von Guildo Horn scheinbar zerstört, tatsächlich aber wiederbelebt: Mit dem Titel „Guildo hat Euch lieb“ von Stefan Raab (unter dem Pseudonym Alf Igel) und großem PR-Geschick schaffte er die nötige Polarisierung („Bild“ fragte scheinheilig: „Darf dieser Mann für Deutschland singen?“ — eine Idee von Horns Manager Johannes Kram). In den folgenden Jahren wurde auch die Musik vielfältiger und relevanter, vor allem beim jungen Publikum war die Sendung außerordentlich erfolgreich.
Den größten Erfolg nach einem Grand-Prix-Sieg schafften Abba, die 1974 mit „Waterloo“ gewannen. Aber auch für andere Künstler brachte der Grand Prix den weltweiten Durchbruch, darunter Udo Jürgens (1966), Vicky Leandros (1972) und Céline Dion (1988). Deutschland gewann 1982 zum ersten und bislang einzigen Mal mit Nicole und dem Lied „Ein bisschen Frieden“ von Ralph Siegel (Musik) und Bernd Meinunger (Text). Im Jahr darauf moderierte Marlène Charell den Grand Prix Eurovision aus München. Als Einziger konnte Johnny Logan zweimal gewinnen: Er siegte für Irland 1980 und 1987.
Seit 2001 wird der Grand Prix in Deutschland offiziell nicht mehr mit dem französischen, sondern dem englischen Titel benannt: Eurovision Song Contest, was sich aber nur zögerlich durchsetzte. Stefan Raab erfand 2005 eine eigene Konkurrenzveranstaltung namens Bundesvision Song Contest, in der die 16 Bundesländer gegeneinander antraten.
Der Grand Prix löste bei Komponisten wie Ralph Siegel und Stefan Raab eine anscheinend unheilbare Besessenheit aus. Aus schwer zu erklärenden Gründen hat er außerdem eine beunruhigende Anziehungskraft insbesondere auf homosexuelle Männer, die in teils rivalisierenden Fanclubs das Ereignis mit quasi-religiöser Anteilnahme verfolgen. Die Mainstream-Presse dagegen stellt Jahr für Jahr auf breitem Raum die Frage, welchem Zweck der Eurovision Song Contest überhaupt diene, was möglicherweise zugleich eine Antwort auf die Frage ist.
8. März 2007 um 22:28
[…] Raab sich drei Mal mit mäßigem Erfolg am Eurovision Song Contest beteiligt hatte (als Komponist für Guildo Horn 1998, als Interpret 2000, als Komponist […]
9. März 2007 um 01:55
[…] mehr „Germany 12 Points“, der deutsche Vorentscheid zum Eurovision Song Contest kommt seit letztem Jahr wieder gediegen daher — und aus dem Schauspielhaus […]
11. Mai 2007 um 13:31
[…] finde es schade, dass DJ Bobo im Halbfinale des Eurovision Song Contest ausgeschieden ist, ich hätte ihn morgen Abend gern gesehen. DJ Bobo ist einer der […]
13. Mai 2007 um 09:58
[…] hier sind noch sieben Dinge, die uns der Eurovision Song Contest 2007 gelehrt […]
23. Juni 2007 um 17:47
[…] Jahr davon verabschiedet, modern sein zu wollen. (Passender Schleich-Eigen-Werbelink zum Thema: «Link» […]
8. November 2007 um 12:21
[…] ein solches zu moderieren. Johannes B. Kerner lädt Eva Herman ein. Stefan Raab singt beim Eurovision Song Contest und lässt sich von Regina Halmich verhauen. Elton läuft als Spätfolge den Marathon […]
24. Mai 2008 um 18:51
[…] und verpunkten sie sich wieder. Bei Stefan läuft noch bis zum Beginn der Punktevergabe im Eurovision Song Contest die Grand-Prix-Wette 2008, und bei Lukas wird ab Beginn der Show livegebloglästert. […]
25. Mai 2008 um 09:21
[…] in Krankenhäuser und Parlamente. Als Stefan Raab im Mai 2000 für Deutschland beim Eurovision Song Contest antrat und auf der Hamburger Reeperbahn eine große Grand-Prix-Party stieg, kam das Wort zum […]
25. Mai 2008 um 09:27
[…] dass der Grand-Prix-Abend doch noch so viele, nämlich diese, Überraschungen birgt? Stichworte: […]
1. Juni 2008 um 09:41
[…] den No Angels ereilt Deutschland eine weitaus größere Katastrophe im Zusammenhang mit dem Eurovision Song Contest: Thomas Hermanns will nicht mehr […]
4. September 2008 um 21:50
Die Dame heißt Marlène Charell, nicht Charrell.
4. September 2008 um 22:13
Danke. Ist korrigiert.
12. März 2009 um 14:58
kann mir jemand sagen wer eurovision gegründet hat wichtig für referat
31. Mai 2010 um 00:05
Raab hat’s also doch geschafft! Die merkwürdige Sendung hatte dabei eine Quote von fast 50%. Dank Lena findet der ESC nächstes Jahr in Deutschland statt.
20. September 2010 um 21:30
Unter Guildo hat der Grand Prix noch was getaucht…. aber mitlerweile kann man das voll vergessen!
Ich fordere: Guildo muss wieder antreten!
21. September 2010 um 19:42
„Unter“? Guildo Horn ist als Kandidat im Vorentscheid und im Finale angetreten, aber er hatte nichts zu entscheiden. Geschrieben wurde sein Beitrag übrigens von Stefan Raab. 😉