Früher wird alles anders

Mit dem Wort „Revolution“ wirft man in der Berichterstattung über das Fernsehen gern um sich, doch was der US-Sender NBC mit seinem Late-Night-Star Jay Leno vorhat, ist tatsächlich eine. Zumindest in Amerika. Bei uns wirkt sie auf den ersten Blick unspektakulär: Leno sendet ab Herbst 2009 schon um 22.00 Uhr statt um 23.35 Uhr.

Die Vorgeschichte: 1992 übernahm Leno die Tonight Show von der Legende Johnny Carson, der die Show 30 Jahre lang moderiert hatte. Viele, vor allem die Zuschauer, hätten damals lieber David Letterman als Carsons Nachfolger gesehen, der ohnehin schon bei NBC unter Vertrag stand und die Show um 0.35 Uhr moderierte. NBC zog Leno vor, Letterman ging zur Konkurrenz CBS und schlug Leno in den Quoten eineinhalb Jahre lang deutlich. Dann nicht mehr. Dennoch gilt der Abgang Lettermans bis heute als eine der größten Niederlagen für NBC.

Um eine Wiederholung dieses Desasters zu vermeiden, regelte NBC die Leno-Nachfolge frühzeitig, und zwar so, wie es damals schon logischer gewesen wäre. Schon vor vier Jahren kündigte der Sender an, Conan O’Brien, bisheriger Moderator der 0.35-Uhr-Show, werde ab 2009 Lenos Prestige-Sendeplatz um 23.35 Uhr übernehmen, den klassischen Late-Night-Sendeplatz seit Anbeginn des Fernsehens in den USA und begehrtesten Sendeplatz für TV-Entertainer.

Leno erklärte sich damals zum Aufhören bereit, je näher der Termin jedoch rückte, desto häufiger ließ er sich anmerken, wie wenig Lust er habe, mit 58 schon in Rente zu gehen, und stichelte gegen seinen eigenen Sender. Und so munkelte man, Leno werde wie weiland Letterman zur Konkurrenz gehen, zum Beispiel ABC, und fortan gegen seinen Nachfolger senden.

Mit der Platzierung einer neuen werktäglichen Leno-Show um 22.00 Uhr hält NBC einerseits seinen größten Star im eigenen Haus, schlägt aber andererseits seinem zweitgrößten Star Conan O’Brien ins Gesicht: Ist dessen Übernahme der Tonight Show wirklich noch eine so große Sache, wenn Leno sogar zur Primetime sendet? Offiziell kommt von der Conan-Seite kein böses Wort: Man habe Leno lieber als Vorprogramm als als Konkurrenz. Doch Fakt ist: Wie bisher wird O’Brien in Lenos Schatten stehen und erst nach ihm auf Sendung gehen.

Die Programmreform ist aber auch ein Schlag ins Gesicht der Produzenten von Dramaserien, für die es ab Herbst 2009 fünf Sendeplätze weniger geben wird. 22.00 Uhr ist in den USA allerbeste Primetime. Einige der erfolgreichsten Serien liefen oder laufen auf diesem Sendeplatz: Emergency Room, Law & Order, Law & Order: New York, Medium, Crossing Jordan oder Third Watch (alle NBC). Zum Ende der laufenden Saison kann NBC hemmungslos Serien absetzen, ohne für Ersatz sorgen zu müssen. Leno wird die Zeit schon füllen – mit Witzen und Promiplausch.

Vielleicht hat auch die aktuelle Wirtschaftslage bei der Entscheidung eine Rolle gespielt, und die ständig rückläufigen Einschaltzahlen für alle großen Sender infolge größerer Konkurrenz durch Qualitätsprogramme im Kabelfernsehen. Schon vor einigen Wochen wurde diskutiert, ob es für eines der großen Networks sinnvoll sein könnte, aus Kostengründen in Zukunft auf eine Stunde Primetime zu verzichten und die Sendezeit an Lokalstationen oder Drittanbieter abzugeben. NBC gibt eine tägliche Stunde Primetime nun an Jay Leno ab. Dafür müssen sie ihm zwar geschätzte 50 Millionen Dollar im Jahr bezahlen, aber 110 Folgen hochwertiger Serien wären vermutlich teurer geworden.

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Michael, 9. Dezember 2008, 08:45.

6 Kommentare


  1. d

  2. hups

    da darf man getrost von revo reden :p

  3. Diese Entscheidung finde ich super, denn ich hatte erst die Befürchtung, Conan O’Brien würde mit dem Wechsel auf den früheren Sendeplatz zwangsläufig auch bräver, angepasster und konventioneller werden müssen. Wenn Jay Leno aber weiter als Lead-In da ist, dann kann Leno auch in Zukunft auf die eher seriöse „Tonight Show“-Art moderieren, und Conan kann weiterhin so frech und überraschend sein wie bisher ohne Angst haben zu müssen, die traditionellen „Tonight Show“-Zuschauer zu verprellen oder zu überfordern.
    Natürlich ist es schade, dass ein Serien-Sendeplatz weg fällt, aber im deutschen Fernsehen sind Serien in den letzten Jahren durch Doku-Soaps und Reality-Formate auch permanent zurückgedrängt werden.
    Und in den USA ist es wohl gegenwärtig ohnehin so, dass die besten Serien von Kabelsendern kommen. Dies wird sicher auch 2009 so bleiben und CBS könnte sich überlegen, die ganze Sache noch spannender zu machen, und Dave Letterman auch einfach eine Stunde nach vorne zu holen…

  4. Kurz hier angemerkt: Im Switch-Jahresrückblick wurde gerade eben das Fernsehlexikon-Cover durch Bild geschlagen.

  5. Dazu muß man sagen das NBC in der fiktionalen Sparte fast nur noch Flops produziert….teure Flops. Leno’s show dürfte dagegen deutlich billiger sein als eine neue Serie zu produzieren, die d´wieder kein schwein sehen will

  6. Auch ich habe so meine Befürchtungen, was passiert, wenn man Conan in das Tonight Show-Korsett drückt. Late Night funktioniert aktuell nur durch und mit Conan, Max, La Bamba usw. und die Selbstironie – wieviel davon in einer eher auf „Chuckles“ ausgelegten Tonight Show übrig bleibt, ist abzuwarten.



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