Saupreis: Zu viel der Ehre

Die Idee war schon so putzig wie der ganze Deutsche Fernsehpreis an sich, einen Literaturkritiker, der im Fernsehen genau zwei Sendereihen gestaltet hat, die er sinngemäß damit zubrachte, den Menschen zu empfehlen, lieber Bücher zu lesen als fernzusehen, mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk wegen seiner Verdienste um das Fernsehen auszuzeichnen.


Marcel Reich-Ranicki und Hellmut Karasek im Februar 1990 im Literarischen Quartett. Foto: ZDF

Dieser Deutsche Fernsehpreis wurde am Samstagabend in Köln verliehen, und weil das ZDF die Aufzeichnung der Verleihung erst am Sonntagabend zeigt, muss es normalerweise hoffen, dass noch nicht zu viele Preisträger vorher durchsickern, damit es halbwegs spannend bleibt. Sehr schnell durchgesickert ist allerdings, welcher Preisträger gar keiner sein wollte.

Vorab bekannt war, dass der 88-jährige Marcel Reich-Ranicki den Ehrenpreis fürs Lebenswerk bekommen sollte, und Thomas Gottschalk erzählte am Donnerstagabend bei Schmidt & Pocher, wie er sich auf die Laudatio vorbereitet und dass er deshalb noch einmal mit Reich-Ranicki telefoniert hatte.

Die Laudatio hat er gehalten.

Den Preis wollte Reich-Ranicki aber nicht mehr haben.

Er trat auf die Bühne und erklärte, nicht gewusst zu haben, was ihn erwarte, bezeichnete die bis dahin geehrten Sendungen und die ganze Veranstaltung als Blödsinn und verweigerte die Annahme des Preises.

Ich finde es schlimm, was wir uns über Stunden hier ansehen mussten.

Wer hätte gedacht, dass der Deutsche Fernsehpreis jemals einen erinnerungswürdigen Fernsehmoment hervorbringen würde?

Würde er ihn nehmen, müsste man Reich-Ranicki für diesen Auftritt schon wieder mit einem Fernsehpreis auszeichnen.

Fernsehlexikon.de bloggt die Aufzeichnung der Sendung heute Abend „live“ ab 20.15 Uhr.

Michael, 12. Oktober 2008, 04:11.

21 Kommentare


  1. Unglaublich!

    Und unglaublich was er sich da erlaubt…
    bin aber mal sehr gespannt, wie die Verleihung heute Abend gesendet wird.

  2. Da inzwischen auch SPON darüber berichtet, wird das ZDF wohl nichts anderes übrig bleiben, als das zu senden.

    Und wieso ist ds unglaublich? Er scheisst ja nicht in das Nest, in dem er sitzt. Und selbst wenn, ich habe zwar die Aufzeichnung noch nicht gesehen, aber: Vermutlich hat er Recht.

  3. Dieser Auftritt bringt MRR bestimmt eine Grimme-Nominierung und erspart ihm zugleich Einladungen zu Gala-Abenden von Bambi und Konsorten.

  4. Sehr geil, endlich ein Grund sich das heute Abend anzutun. Danke Fernsehlexikon für die kurze Berichterstattung und danke an Herrn Reich-Ranicki für seine Reaktion.

  5. […] Kommentar: http://www.fernsehlexikon.de Share and […]

  6. Erich von Halacz,

    Ich finde es nur ein bißchen „scheinheilig“, auch wenn er Recht haben mag, dass „schlimm“ sei was so derzeit im Deutschen Fernsehen angeboten wird, aber er tut ein bißchen wie jemand, der man in ein Bordell eingeladen hat und der sich dann über all die Prostituierten aufregt und der eher darauf gehofft hat ein paar geistvolle Gesprächsrunden über Literatur führen zu dürfen. Tut mir Leid, aber MRR wusste ganz genau worauf er sich da einlässt. Er hätte schon vorher sagen können, dass er den Preis nicht annehmen wolle. (Wobei ich mich da auch frage, wie die Macher des Preises auf die Idee kamen MRR für sein Lebenswerk auszuzeichnen. Ich schätze einfach mal: Die wussten nicht, wem sie sonst dieses Jahr den Preis fürs Lebenswerk hätten geben können. Alle denen man einen geben könnte, haben schon einen oder sind schon seit Jahren tot. (Oder wie wäre es damit Hans Joachim Kuhlenkampff posthum sein Lebenswerk mit dem Fernsehpreis auszuzeichnen ? Ich mein, das hätte auch gepasst, da dieser vor 10 Jahren gestorben ist.) Da kam dann bestimmt jemand auf die „crazy“ Idee den MRR auszuzeichnen. Da hätte man auch Joachim Blubath einen Ehrenpreis für seine Leistungen im Zusammenhang mit Wissenschaftssendungen auszeichnen können (das hätte niemanden weh getan und man hätte Ranga Yogeshwar auch die Laudation halten lassen können. Damit hätte man wieder ein paar Minuten füllen können).
    Dass man den Deutschen Fernsehpreis sowieso nicht wirklich ernst nehmen kann, sollte einem doch schon im Laufe der letzten Jahre klar geworden sein.
    (Wie viele andere Preise übrigens auch. Man könnte meinen, dass jemand irgendwelche Preise ins Leben ruft nur um sich wichtig zu machen und ein Mal im Jahr eine Sause zu veranstalten, wo alle sich mal schick anziehen müssen und man sich durchs Buffet durchfressen kann.)

  7. […] Gnihihihihihi! […]

  8. Wenn man sich aber auch mal anguckt, was da teilweise für ein Mist nominiert wird: Deine Chance! 3 Bewerber – 1 Job, Die Ausreißer – Der Weg zurück, Teenager außer Kontrolle – Letzter Ausweg Wilder Westen, Deutschland sucht den Superstar: Die Motto-Shows, Germany’s next Topmodel – by Heidi Klum…

  9. @Erich von Halacz Kulenkampff hätte ihn auch nicht angenommen, mit dergleichen Begründung.

  10. […] Fernsehpreises verweigert. Und das Kuriose daran ist: Der bissige alte Mann hat trotz absoluter Ahnungslosigkeit, was dieses Sujet angeht, vollkommen Recht. Und zugleich etwas getan, was jedes halbwegs gebildete, […]

  11. Warum zeichnet man mal nicht den deutschen geduldigen Zuschauer und Rundfunkgebührenzahler mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ aus?

    Schließlich tut er sich das „Grauen im Deutschen Fernsehen“ tagein-tagaus an und bezahlt zwangsweise auch noch dafür.

    Ob M.R.-R. eigentlich noch weis was er sagt oder plagte ihn wie vielen anderen auch nur der Hunger oder gab man ihm erst danach seine Medikamente um dann wieder bei Sinnen seinen Preis doch noch nachhause zu tragen?

  12. […] Laut Fernsehlexikon.de bloggen Peer Schrader und Stefan Niggemeier die Aufzeichnung der Sendung heute Abend »live« ab […]

  13. So kommt es halt wenn vier schwerbeschäftigte Entscheider unter großem Zeitdruck in einer Telefonkonferenz auf einen Ehrenpreisträger einigen müssen.
    Dann kommt der Literaturkritiker zum Fernsehpreis oder auch nicht.
    Das er es sich jetzt mit all den Leuten verscherzt hat, die er sowieso verachtet wird ihm herzlich egal sein, in seiem Alter hat er einen guten Draht zu Anke Schäferkordt oder Veronika Ferres zu haben.
    Das der Preis an sich Käse ist wissen doch alle, aber wer möchte den bitteschön den Telestar zurück?

  14. Erich von Halacz,

    @Twipsy: „Tote können sich nicht wehren“ und schon gar nicht die Annahme eines Ehrenpreises verwehren.
    Ich schrieb ja „posthum“. Irgend einen Verwandten von Kuhlenkampff hätte man sicherlich auftreiben können, der statt seiner den Ehrenpreis annimmt.

  15. […] Ein Kommentar von Bastian Pastewka über den Eklat, den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bei der Verleihung des Fernsehpreises auslöste, als er die Annahme des Ehrenpreises ablehnte (wir berichteten). […]

  16. […] Fernsehlexikon hat sich schon heut früh mit der Chose beschäftigt (Mein Lieblingssatz: “Würde er ihn nehmen, müsste man Reich-Ranicki für diesen Auftritt […]

  17. […] da mal kurz aus meiner Sicht drüber reden. Als Abonnement des Fernsehlexikons, las ich dort den Bericht über seinen Auftritt in der Show und die Ablehnung des Preises.Ein wenig später folgte Nerdcore, der auf einen sehr […]

  18. […] Fernsehlexikon wies bereits auf das Kuriosum des Ehrenpreises hin: “Die Idee war schon so putzig wie der […]

  19. Also wenn Herrn Reich Ranicki das deutsche Volk zu dämlich ist soll er sich doch bitte ein anderes, intelligenteres suchen. Es ist nun einmal so, daß eine Sendung wie Deutschland sucht den Superstar eine höhere Einschaltquote hat wie etwa eine intelektuelle Laberrunde. Im übrigen ist das Angebot im TV doch vielfältig genug, hier findet doch jeder das was er möchte.

  20. Empf.:
    Olaf Pilz

    Eben nicht.
    Zwischen den Extremen „intelektuelle Laberrunde“ und Bohlen klafft eine Riesenlücke, die nur sehr spärlich von wenigen Ausnahmen wie Switch oder Neues aus der Anstalt ausgefüllt wird. Es ist doch so, dass auf Privaten wie auf ÖR wirklich (fast) nur noch Mist gesendet wird; Pilcher, Castingshow, Auswanderer, Gerichtspseudohalligalli und anderer Quark…
    Da steckt meiner Meinung nach schon eine richtige Verdummungsindustrie dahinter.
    Ziel:
    Hirn ausschalten, Applaus für die mittelmäßige Elite, buckeln, Ellenbogen raus und keine Fragen stellen!
    Das mag man für eine Verschwörungstheorie halten und wahrscheinlich geht es Springer und Bertelsmann nur um die Kohle. Kann natürlich auch sein.

  21. […] Vorgeschichte kann auf amüsante Weise im Fernsehelexikon nachgelesen […]



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