Von Brüllaffen und Marco Schreyl
Dieser pelzige Geselle heißt Cuny und ist ein Brüllaffe, und die Lebensskepsis, die aus seinem Blick spricht, hatte er vermutlich schon, bevor er erfuhr, dass er in einer RTL-Show mit Marco Schreyl mitmachen soll. Man kann sich sowas als Zoobewohner ja nicht aussuchen, aber Cuny nutzte seine wenigen Protest-Möglichkeiten. Die Fernsehleute waren morgens um sechs gekommen, um seine Rufe aufzunehmen und ihre Lautstärke mit der eines Marktschreiers zu vergleichen, aber Cuny sagte keinen Mucks. Die Fernsehleute machten allerdings auch keine Anstalten wieder zu gehen, und so erbarmte sich der Brüllaffe gegen Mittag endlich und brüllte und brachte es hinter sich, Marco Schreyl hin oder her. Später stellte sich heraus, dass der Marktschreier es auf ein paar Dezibel mehr gebracht hatte, aber bei der Frage, wer sich hier zum Affen gemacht hatte, gab es mindestens ein Unentschieden.
Brüllaffe gegen Marktschreier war eines von gefühlt siebentausend Duellen Mensch gegen Tier, die RTL für seine neue Samstagabendshow Mensch gegen Tier gestern inszenierte. Die Dramaturgie war so aufregend und abwechslungsreich wie ein tropfender Wasserhahn: Der Mensch und das Tier kamen ins Studio, dann wurden ihre vorher aufgezeichneten Leistungen gezeigt, dann gab es eine Quizfrage, dann kamen der nächste Mensch und das nächste Tier und so weiter. Zwei Teams aus je zwei Kindern und einem Prominenten sollten jeweils raten, wer gewinnt, und als Prominente hatte man Mario Barth gewählt, weil der für seine Olympiastadion-Show werben sollte, die es jetzt auf DVD gibt und nächste Woche auf RTL, und Reiner Calmund, weil der Zeit hat und Angst vor Tieren. (Vor kleinen, vor allem. Vor Elefanten habe er keine Angst, weil die ihm ja verwandt seien — „net vom Rüssel her, aber vom Gewicht“.)
Natürlich scheitert die Idee des Wettbewerbs schon daran, dass nur einem der beiden Beteiligten klar ist, dass es sich um einen solchen handelt. Im Tauchduell bleibt der Bundeswehrtaucher unter Wasser, bis er nicht mehr kann, und der Pinguin, bis er keine Lust mehr hat. Das Wettrennen mit dem Gepard gewann der Mensch in seinem Superduperfahrrad, weil das Tier sich nach der Hälfte der Strecke überlegte, dass es besseres mit dem Tag anstellen könnte, als hinter diesem doofen Köder herzuhetzen. Sehr sympathisch.
Es war eine sehr abwegige Idee für eine Show, die vielleicht dadurch zu retten gewesen wäre, dass man diese Abwegigkeit zelebriert: mit Witz, Selbstironie und etwas Wahnsinn. Es war aber natürlich eine dieser von Günther Jauchs „I&U“ produzierten Fließbandsendungen, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre eigene Langeweile zu kaschieren. Selbst den 100-Kilometer-Wettlauf zwischen Joey Kelly und einem Pferd, die sich viele Stunden lang verausgabt hatten, handelte die Show in einem lustlos zusammengeschnittenen, winzigen Film ab. Nur mit Mühe schaffte es der Extremsportler, der ganz knapp verlor, eine Revanche zu fordern, bevor Marco Schreyl den nächsten Tagesordnungspunkt von seinen Karten verlas. (Schreyl verlor das Duell um die kürzeste Aufmerksamkeitsspanne gegen sich selbst.)
Am Ende ging der Wettkampf Mensch gegen Tier unentschieden aus — aber auch nur, weil die Tiere nicht die 50.000 Bonuspunkte Vorsprung bekommen hatten, die sie dafür verdient hätten, dass sie klug genug sind, keine solche Shows zu veranstalten.
28. September 2008 um 18:28
Beim kurzen Blick ins TV-Programm war mir klar, dass ich die Show aus diversen Gründen nicht sehen wollte. Da mir aber beim Betrachten der Zeitschrift irgendwie die nichtexistenten Alternativen (Frank Elstners versteckte Kamera, Guido Cantz‘ Wiesenshow, der 752. Mel Gibson Film) entgangen waren, lief die Sendung dann doch noch „nebenbei“ (kann man wenigstens einigermaßen den obligatorischen SpOn-Verriss nachvollziehen). Aber spätestens als der Leopard sich beim Hochsprung an einem Metall(?)quader hochhangelte und der menschliche Gegenspieler eine handelsübliche (also dünn, wackelig und mit enormen Erdanziehungskräften versehene) Hochsprunglatte bei 1,90m riss (Weltrekord laut Wikipedia bei 2,45m), war der Sinn diser Wettkämpfe endgültig ad absurdum geführt worden. Der Pinguin war in der Tat symphatisch, die sensationsgeile Freude über den Sieg des Tauchers aber nur noch peinlich.
Fazit des Abend: Schade, dass Wohnungseinweihungspartys mittlerweile erst um 21:30Uhr beginnen.
28. September 2008 um 18:36
Und jetzt alle zusammen: So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergehen! CSU: 42,8%
28. September 2008 um 18:48
Ich hab kurz hingezappt, als der Fallschirmspringer dran war. „Fallschirmspringen macht bestimmt Spaß“ dachte ich mir und hab weggeschaltet. Dann hab ich der Sendung aber doch nochmal eine Chance gegeben und mir den Wettkampf Gepard gegen Fahrrad angesehen. Als am Ende dann Schreyl den Fahrradfahrer gefragt hat, was es denn für ein Gefühl sei, gegen einen Geparden gewonnen zu haben, hab ich einmal den Kopf auf den Wohnzimmertisch gehauen und endgültig weggezappt.
Wer denkt sich denn immer solche Fragen aus?
28. September 2008 um 20:05
„Wer denkt sich denn immer solche Fragen aus?“
Das ist einfach Marco Schreyls sprudelnd-witzige und spontane Moderationskunst.
Es gibt aber auch etwas Gutes daran, wenn Schreyl moderiert: Oliver Geißen moderiert dann nicht.
29. September 2008 um 09:31
(elitäres Arschloch)Auf 3sat kam doch Verdis Maskenball in einer halbwegs passablen Inszenierung.(/elitäres Arschloch)
29. September 2008 um 15:15
Die Idee „Mensch gegen Tier“ finde ich gar nicht so abwegig, die Umsetzung jedoch miserabel.
Die Voraussetzungen sind unterschiedlich, die Motivationen sind unterschiedlich (ein Tier weiß ja nicht, dass es ein Wettkampf ist). Achja, der Gepard. Ich glaube kaum, dass man einen Gepard aus der Zoohaltung mit einem frei lebenden Gepard vergleichen kann.
Und in einem echten Vergleich würde das Tier sich den Sieg nie nehmen lassen (wenn es also auch weiß, dass es ein Wettkampf ist).
29. September 2008 um 15:55
Man hätte dem Geparden den Radfahrer als Belohung in Aussicht stellen sollen.
2. Oktober 2008 um 10:34
Wie uninteressiert, ergo vermutlich dumm Schreyl ist, habe ich daran erkannt, als er auf die Frage, „wer hat mehr Zähne, ein Leopard oder ein Mensch“ die Lösung mit den Worten präsentierte: „Der Mensch, er hat 32 Zähne!“.
Den interessanteren Fakt hat Schreyl nicht als solche erkannt und präsentiert.