Die Tiny & Calli Show

Die Sonja & Dirk Show sollte eine Überraschungsshow werden, eröffnete aber noch vor dem eigentlichen Beginn mit einem Standard: Reiner Calmund. Ehrlich, da kann doch niemand überrascht sein, der tritt doch in jeder RTL-Show auf. Diesmal gab er den bombastischen Ansager, der die Inhalte und Mitwirkenden der Show marktschrie. Während er das tat, stand er in einer Sprecherkabine und ruderte wild mit den Armen, und wenn man ihn synchronisiert hätte, hätte das einigermaßen professionell gewirkt. Hat man aber nicht, und deshalb wurde deutlich: Reiner Calmund kann das wirklich überhaupt nicht. Das war deshalb ulkig, weil wenig später eine nichts ahnende Zuschauerin aus dem Publikum mit heimlichen Karaoke-Aufnahmen bloßgestellt wurde, aus denen hervorging, dass sie das mit dem Singen wirklich überhaupt nicht kann. Das war etwa eine Viertelstunde lang Stoff für Häme seitens Sonja Zietlow und Dirk Bach, und das wiederum war gut so, denn aus dem Dschungel wissen wir, das können die beiden. Aber über Reiner Calmund verloren sie kein Wort. Dem hatten die Autoren nur die üblichen „Ich esse dauernd“-Witze in den Mund gelegt.

Der Rest der Show barg tatsächlich ein paar Überraschungen und war eine kunterbunte schrille und größtenteils kurzweilige Mischung aus originellen Ideen und absurden Spielen, die manchmal ein bisschen an alte Peter-Frankenfeld-Shows oder an Donnerlippchen erinnerten, weil die Moderatoren immer mehr über ihr Publikum wussten, als es diesem lieb zu sein schien. Das vermeintliche, lang angekündigte Highlight des Abends, bei dem ein Kandidat aus dem Studiopublikum alle Produkte eines kompletten Werbeblocks gewinnen konnte, kam ohne eine erneute Ausstrahlung dieses Werbeblocks aus (es war ein zwei Monate alter Block aus einer Ultimativen Chartshow) und die Aufzählung der Produkte ohne Nennung der Marken. Das war zum Beispiel so eine Überraschung. In den Dauerwerbesendungen der 90er-Jahre hätte diese Chance niemand vertan. Über dieses Spiel hinaus gab es keinen roten Faden. Na und?

Private Streiche wurden geoutet, Peinlichkeiten öffentlich gemacht, und trotzdem hielt sich der Fremdschämfaktor in Grenzen. Noch eine Überraschung. Eine Zuschauerin wurde auf die Bühne gezerrt und musste ihre eigene Show moderieren, die „Tiny-Dopfer-Show“, für die es sogar ein eigenes Titellied und ein Bühnenbild gab. Ihre Moderationstexte las sie primavista von einem Teleprompter ab und gab dabei etwas mehr von sich preis, als sie freiwillig getan hätte. Ein anderer Kandidat wurde in einem Kinosaal aufgegriffen, in ein albernes Katzenkostüm gesteckt und in den Kampf mit einer Maus geschickt. Zwischendurch wurde ein Haushaltsgerät an eine Zuschauerin verschenkt („Die kriegt ’nen Fön“).


Foto: RTL

Und dann waren da noch Sonjas und Dirks Doppelgänger: Ein blondes und ein dickes Kind in den gleichen Klamotten wie die Moderatoren interviewten Til Schweiger und stellten ihm Fragen wie diese: „In Ihre Filme gehen viele Leute. Sie haben bestimmt ganz viel Geld. Würden Sie mich adoptieren?“ oder „Haben Sie schon mal in einem guten Film mitgemacht?“


Foto: RTL

Es ist schade, dass die Show nur ein einmaliger Test war und angesichts eines mauen Marktanteils vielleicht nicht fortgesetzt wird. Sie war noch lange nicht perfekt, aber sie hätte vielleicht noch Fahrt aufnehmen und es werden können.

Michael, 30. August 2008, 17:17.

14 Kommentare


  1. Aus diversen Gründen und einem im speziellen, ist RTL seit längerem nicht mehr mein Fall. Von Formel 1 mal abgesehen.

    Habs mir aber aufgrund einer positiven Ankündigung irgendwo doch reingezogen – und war überrascht. Positiv sogar, unterschreibe deine Zusammenfassung daher gerne.

    Und wie das so ist, wenn mir was gefällt, sei es abgedrehtes wie Eli Stone und My Name is Earl, oder qualitativ erstklassige Serien wie fast alle von David E. Kelley, fallen die Quoten bestenfalls ausreichend aus.

    Was wieder zur Henne-Ei Frage führt: frass das Publikum schon immer lieber Scheisse oder haben uns die Medien selbst auf den Geschmack gebracht.

  2. Irgendwie muss ich eine andere Sendung aus einem Paralleluniversum gesehen haben. Die ungefähre Handlung war gleich, aber die Sendung in meinem Fernsehen war richtig beschissen. Ich weiß sowieso nicht, warum man Leute, die für sich Karaoke singen, dabei Spaß haben und nie daran dachten, andere damit zu beglücken, so vorführen muss. Das war dann Grund genug für mich, die Sendung (die ansonsten stinklangweilig war) auszumachen.

  3. Es hat mich nen bisschen an die Sendungen in der Kindheit (späte 80er) erinnert, nen bisschen bloßstellen, nen bisschen Unsinn machen, sich über sich selbst lustig machen, teilweise absurde Preise, alles son bisschen wie Alles Nichts Oder meets Total Normal – das die Leute, die bloßgestellt wurden, das mehr oder weniger freiwillig gemacht haben und dafür schöne Preise gewonnen haben, war auch sehr sympathisch – ich hab mich sehr unterhalten gefühlt. Das is quotentechnisch meist ein schlechtes Zeichen, ich glaub ich bin nur bei Fußball / Sport allgemein Massenkompatibel was den Fernsehgeschmack angeht.

  4. Die Ansprüche sinken halt enorm…
    und man freut sich wohl schon über (fast) jede Peinlichkeit.

  5. Dschungelwettkönig 2008,

    Könnte es nicht einfach eine Mentalitätsfrage sein? Diese Sendung läuft ja schon seit längerem als „Ant and Dec’s Saturday Night Takeaway“ erfolgreich bei ITV. Als ich das britische Original sah, konnte ich mir nicht vorstellen, warum diese Sendung so erfolgreich ist. Für mich wirkte die Show etwas aus der Zeit gefallen. Ein wenig wie die Rudi Carrell Show aus den Sechzigern. Ist es nicht so, dass wir Deutschen uns mit Formaten, die sich auf Kosten anderer lustig machen, sehr schwer tun. Britische Medien bedauern im Allgemeinen nicht die Prominenten, die sich für „I’m a celebritiy, get me out of here“ hergeben. Hier hat man oft das Gefühl, die Prominenten würden von RTL gezwungen, Känguruh-Hoden zu essen. In Wirklichkeit ist das doch ein „Eine-Hand-wäscht-die-andere“-Geschäft. Oder warum erschienen just zum Zeitpunkt ihres Campbesuchs Nacktfotos von Julia Biedermann im Playboy? Ohne den Dschungel hätten diese Fotos der fast schon verschollenen Schauspielerin niemanden interessiert.
    Zum Anderen tuen wir uns mit Formaten schwer, die keinen tieferen Sinn haben und einfach nur unterhalten wollen. Darf man ohne Bildungsanspruch fernsehen? Herr Gottschalk musste dies schon schmerzlich erfahren, als er das Nonsense-Format „Noel’s Houseparty“ für Deutschland adaptierte. Auch diese Sendung floppte trotz des prominenten Moderators.
    Ich kann mich Peer Schaders positiver Kritik in der FAZ nur anschließen. Im Vergleich zum Original fand ich allerdings die Miniaturausgaben von Sonja und Dirk im Gegensatz zu little Ant and Dec recht schwach. Die Szenerie wirkte arg gestellt, zudem machten beide keinen sehr spontanen Eindruck. Dies mag in England zwar auch so sein, allerdings merkt man das nicht so. Beweise gibt’s bei youtube.
    Natürlich kann man argumentieren, dass in dieser Sendung „normale“ Bürger bloßgestellt werden und nicht Prominente. War das aber wirklich so herabwürdigend?

  6. Alberto Green,

    Es gibt neue Peter-Frankenfeld-Shows?!
    SCNR!

  7. „Ein anderer Kandidat wurde in einem Kinosaal aufgegriffen, in ein albernes Katzenkostüm gesteckt und in den Kampf mit einer Maus geschickt.“

    Ihr habt bestimmt (verständlicherweise) nur mit einem Auge hingeguckt. Et war nämlich jenau andersrum. Also fast, es gab keinen Kampf zw. Katz u. Maus, sondern der arme Irre musste sich im Mäusekostüm lächerlich machen.

    Und das Kind war auch nicht wirklich dick, sondern ausgestopft.

    Ich habs mir wegen der Besprechung bei SpOn angeguckt, weil ich dachte, die hätten da was in den falschen Hals gekriegt. Ham se aber nicht wirklich.
    Das mit der Karaoke singenden Frau ging gar nicht. Ein Albtraum. Freiwillig hätte die das bestimmt nicht gemacht. Sowas gehört echt verboten. Ich hoffe nicht, dass es eine Fortsetzung gibt.

  8. Also mir ist das auch schleierhaft, wie man hier zu einem solch positiven Urteil kommen kann. Von Originalität oder gar Charme habe ich hier nichts vorfinden können.
    Zugegeben, vielleicht wurde das ja nach der Karaoke-Geschichte noch um Welten besser – aber diese Aktion war schon dermaßen daneben und ärgerlich, dass es schon einer 180°-Wendung bedurft hätte, um mich zu einem ansatzweise positiven Urteil zu verleiten. Ich fand das einfach nur schrecklich und habe dann doch lieber alte Pushing Daisies-Folgen geguckt.

  9. Dito, eine mehr als peinliche Sendung mit mehr als peinlichen, hyperaktiven, nervtötenden Moderatoren.
    Was für eine nette Aktion auch von RTL, dass man- obgleich die Dame ohnehin schon bloßgestellt war- auch gleich ein Nacktfoto der Karaoke- Sängerin abbildete,- Niveau fehlanzeige.
    Ach ja, wer es während der ganzen Sendung nicht mitbekommen hat: Man konnte alle Produkte eines kompletten Werbeblocks gewinnen. (nach der achten Wiederholung dieser Formel, hätte ich abschalten und Nerven sparen sollen…)

  10. Stefan Friedrich,

    Da die Show in der Wiederholung am Sonntag nachmittag in der Zielgruppe sogar nur eine Marktanteil von 6,8 % erreicht hat dürfte das Schicksal sowieso besiegelt sein.

  11. „eine kunterbunte schrille und größtenteils kurzweilige Mischung aus originellen Ideen und absurden Spielen“ habe ich also noch verpasst, nachdem ich weggeschaltet habe. Die muss direkt gekommen sein nach

    – der öffentlichen Zur-Schau-Stellung privater Bild- und Tonaufnahmen ohne vorheriges Einverständnis der Betreffenden (wie originell: Eine Karaoke-Sängerin, die nicht richtig gut singt),
    – einer langatmigen Aufzählung von total ausgeflippten Streichen (zwinker, zwinker) von Tiny und noch einer Dame aus dem Publikum, die sich jetzt mal so richtig schämen, dass jetzt alle Welt weiß, was für ausgeflippte und unkonventionelle verrückte Hühner sie sind,
    – einem total verrückten Autorennen (bahnbrechende Idee: Mit C-Prominenten alberne Spiele machen)
    – und den beiden total süßen Kinderversionen von Sonja und Dirk (das nächste Mal vielleicht noch mit süßen Tieren, die auch wie Moderatoren verkleidet sind), die dem unglaublich überraschten Til Schweiger so freche und spontane Fragen gestellt haben, dass sich wahrscheinlich sogar Frank Elstner für diese Form der Familienunterhaltung schämen würde.

    Echt schade, aber vielleicht war ich einfach nicht crazy genug an dem Abend, um auf die kunterbunte schrille und größtenteils kurzweilige Mischung zu warten, sondern habe ganz konventionell weggeschaltet!

  12. Ach, meine Güte! All die negativen Meinungen hier… Ich fand die Sendung ganz witzig, aber nicht ausgereift und teilweise total durcheinander. Ich hatte manchmal den Eindruck, daß Sonja und Dirk nur 10 Minuten Zeit hätten, alles unterzubringen. Total gehetzt, die beiden.
    Aber nach 3 oder 4 Sendungen hätte sich das sicher alles eingespielt.

    Die Tini-Dopfer-Show fand ich super, auch den Kandidaten, der den Werbeblock gewinnen konnte (sehr sympatisch), das Til-Schweiger-Interview so lala und die Karaoke-Sache von der Idee eigentlich supergeil. 🙂

  13. Also die Karaoke-Sache ging gar nicht.

    Klar habe ich mich amüsiert über das arme Mädel und die schrägen Töne. Klar war ich froh, dass ich nicht vor Dieter B. mit meinem Wolfsgeheul „I always loooooove youhuhuhuhu“ abgespielt wurde.

    Aber wenn ich’s gewesen wäre, säße ich jetzt im Knast, weil meine „guten Freunde“ für ihre großzügigen Foto- und Videospenden an RTL ins Gras gebissen hätten.

    Wenn BILD Leute vorführt, die sich nachher nicht mehr aus dem Haus trauen, findet Ihr (wir) hier alle das zurecht Sch…

    Wenn Sonja und Dirk das für RTL machen, ist das okay, nur weil die beiden (tatsächlich!) so witzig sind?

    Nein, nein, nein.

  14. […] direkt vom Hocker gerissen hatte mich letztens die “Sonja & Dirk Show”. Nach den  begeisterten Kritiken im Fernsehlexikon hatte ich mir die Show mit hohen Erwartungen angeguckt, […]



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