Extra frei
Ein festangestellter Redakteur musste sich gestern herablassen, das NDR-Satiremagazin Extra 3 zu moderieren. Anzusagen hatte er aber nur altes Archivmaterial.
Der eigentliche Moderator Tobias Schlegl hatte sich rund 400 anderen freien Mitarbeitern des NDR angeschlossen und einen Tag Auszeit genommen, um dagegen zu protestieren, dass sie alle grundlos rausgeworfen werden — nicht sofort, aber früher oder später.
Beim NDR ist das nämlich so: Freie Mitarbeiter werden nach etwa zehn Jahren vor die Tür gesetzt. Grundsätzlich. Die konkrete Zahl der Beschäftigungsjahre kann in beide Richtungen geringfügig abweichen, aber die Tatsache bleibt: Unabhängig von der Leistung oder davon, ob es zu Verfehlungen gekommen ist oder nicht, fliegt ein Freier nach einer bestimmten Zeit raus. In den 70er-Jahren haben sich wohl mal ein paar freie Mitarbeiter auf eine Festanstellung eingeklagt, und es muss um jeden Preis verhindert werden, dass so etwas noch einmal vorkommt.
Der WDR sichert sich auf einem anderen Weg ab: Dort dürfen freie Mitarbeiter in der Regel nur zehn Tage im Monat arbeiten, zu wenig für eine Klage auf Festanstellung, aber dafür ggf. ein Leben lang. Der RBB handhabt es ähnlich, hält aber in einem Parallelmodell einige Hintertüren offen, ggf. nach einer sechsmonatigen Beschäftigungspause. Die anderen ARD-Anstalten haben keine solchen Regelungen und trotzdem keine nennenswerten Probleme.
Wie dumm diese Regelung aus programmstrategischer Sicht ist, zeigte sich in den vergangenen Jahren wiederholt, als gleichzeitig mehrere populäre Hörfunkmoderatoren, die über die Jahre eine Fangemeinde gewonnen hatten, vor die Tür gesetzt wurden und die Sender damit gleich mehrere ihrer wiedererkennbaren Stars, ihrer Programmmarken, auf einmal verloren. Nicht nur das, sondern auch die Beschaffung adäquaten Ersatzes stellt ein Problem dar, denn warum sollte jemand, der nicht unbedingt Berufsanfänger ist, sondern zum Beispiel schon zwischen 30 und 40, ein Interesse daran haben, bei einem Arbeitgeber anzuheuern, der ihn in einem Alter in die Arbeitslosigkeit entlassen wird, in dem man schon als schwer vermittelbar gilt?
Es war nicht das erste Mal, dass die Mitarbeiter von Extra 3 ihren Protest zum Ausdruck brachten. Bereits im Dezember wurde dieses Video im Internet veröffentlicht, das die Situation der Freien sehr anschaulich und amüsant erklärt:
15. Februar 2008 um 21:31
Freie Mitarbeiter, die beim WDR auf der technischen Seite der Programmgestaltung sitzen (Cutter, Tontechniker/Ingenieure) dürfen sogar nur 4 Tage im Monat dort arbeiten. Nicht sehr sinnvoll für die Produktion eines 90-minütigen Spielfilms…
15. Februar 2008 um 23:19
Nur zur Info – ohne Wertung: In den 70er Jahren hatten sich 400 freie Mitarbeiter eingeklagt.
16. Februar 2008 um 00:27
Und ich hatte mich schon gewundert, warum die schon wieder ein Best of machen. Und dann noch ein „Bye bye, Bush“ – ein Jahr, bevor er aus dem Amt ist.
16. Februar 2008 um 12:59
Das ist aber die gängige Methode im „öffentlichen“ Dienst. Arbeitnehmer die einen befristeten Vertrag (vergleiche das jetzt mal mit freien Mitarbeitern) haben, bekommen niemals nicht(!) wieder einen Vertrag bei Land/Bund usw. weil sonst auf Festeinstellung geklagt werden kann. So ist es bei uns und warum sollte es beim Fernsehn anderes sein? Die Säcke sicheren sich überall ab!
16. Februar 2008 um 15:54
Warum ist es überhaupt erlaubt, Menschen in der Scheinselbstständigkeit zu halten? Ist das tatsächlich preiswerter, als die Heerscharen an festen Freien direkt einzustellen?
16. Februar 2008 um 22:48
Die freien programmgestaltenden NDR-Mitarbeiter können sich nicht einklagen.Siehe http://www.freie-im-norden.de/recht003.html
zur aktuellen Rechtslage.
Es handelt sich eher um reine Betriebspolitik. Zum Schaden des Programms, denn selbst preisgekrönte Freie müssen den Sender verlassen.
16. Februar 2008 um 23:18
Warum noch mal genau sind „feste freie“ kein Fall von Scheinselbständigkeit?
17. Februar 2008 um 13:30
Scheinselbständigkeit liegt nicht vor, weil die Freien Mitarbeiter bei ca. zweidrittel ihrer Tätigkeit sozialversicherungspflichtig sind, und die KK, RV und sogar Arbeitslosenversicherung direkt vom Honorar abgezogen werden. Wie bei einem festangestellten Arbeitnehmer zahlt der Frei und der NDR jeweils die Hälfte.
Im Übrigen gelten die Freien deshalb bei der BFA als festangestellt.