Humorfreitag
Im Herbst 1995 füllten die vier großen amerikanischen Sender genau 50 Sendeplätze jede Woche mit Sitcoms und Comedys. Im Herbst 2007 waren es noch 17 Sendeplätze. Daraus lernen wir: Wenn man nicht so viele gute Comedys hat, sendet man einfach nicht so viele.
In Deutschland ist das anders. Seit Jahren halten RTL und Sat.1 stur an ihrem „Fun-Freitag“ fest, völlig wurscht, ob sie something fun zu senden haben. Programm muss gefüllt werden, und so erblickt eine lahme „Comedy“ nach der anderen zunächst das Licht des Bildschirms und oft wenige Wochen später schon wieder das Dunkel der Archive. Uninspiriert dahingerotzte Sketchshows sind der Grund, warum selbst hervorragende Reihen wie Pastewka oder Kinder, Kinder mittlerweile floppen: Wer erwartet denn noch, dass sich zwischen dem ganzen Müll, der einfach nur die Sendeplätze füllen soll, mal etwas tatsächlich Lustiges versteckt? Ließen die Sender ihren Fun-Freitag einfach mal eine Weile ruhen, bis wieder etwas sendenswertes Neues vorliegt, könnte vielleicht auch der Erfolg zurückkehren.
Heute jedenfalls sind wir noch nicht so weit. Zunächst geht es weiter mit gewaltsamem Sendeplatzaufrechterhalten. Gleich drei neue Comedys startet Sat.1, und immerhin ist im Lauf des Abends eine Steigerung erkennbar. Markus Maria Profitlichs neue Serie 3 ein Viertel ist eine Qual auf der Basis der Annahme, dicke Männer in Frauenkleidern seien pauschal lustig. Die Grundidee ist zwar originell: Die Serie ist eine Sitcom mit den Mitteln einer Sketchcomedy — oder umgekehrt. Es gibt mehrere durchgehende Handlungsstränge mit etlichen wiederkehrenden Charakteren. Die Handlung spielt im fiktiven Essener Viertel Schraubstock, und dort können sich auch mal die Handelnden aus den verschiedenen Erzählebenen über den Weg laufen. Neu ist, dass wie in einer klassischen Sketchshow jeder Darsteller des Ensembles mehrere Rollen spielt: Sprich: Die rund 20 Figuren verteilen sich auf nur drei Darsteller. Heißt: Dicke Brillen, lustige Perücken, schräge Mützen und eben Frauenkleider. Humorvermutung dahinter: Verkleidungen sind witzlos, wenn man ihnen nicht ansieht, dass es Verkleidungen sind. Doch leider hat man vergessen, Gags in die Serie zu schreiben.
Das iTeam – Die Jungs an der Maus über ein paar Deppen einer IT-Abteilung und ihren planlosen Chef ist eine klischeehafte Sammlung einfältiger Charaktere auf der Basis der Annahme, Trottel seien pauschal lustig, steigert sich nach einem öden Beginn im Lauf der Episode aber immerhin fast bis zur Erträglichkeit.
Erst Two Funny, wie alle Sat.1-Sendungen untertitelt mit „Die Sketch Comedy“, überrascht mit einigen originellen, guten und sogar neuen Gags, die nicht schon Diether Krebs im Mülleimer von Klimbim gefunden hatte. Judith Richter und Alexander Schubert spielen ihre vielen Rollen glaubwürdig und in den meisten Fällen ohne übertriebene Maskierung. Das ist riskant, denn dann konzentriert man sich mehr auf den Inhalt. Doch dem halten viele der Sketche stand.
Beide Darsteller haben übrigens berühmte Eltern: Alexander Schubert ist der Sohn von Günter Schubert, der vorgestern im Alter von 69 Jahren gestorben ist, und Judith Richter die Tochter und Beatrice Richter und Heinz Baumann.
Interessanterweise ist Two Funny die einzige der drei neuen Sat.1-Comedys, auf deren Pressefolder der Name eines Autors genannt wird (Michael Balzer). Beim iTeam und 3 ein Viertel fehlt die Autorenangabe. Entweder sind den Autoren diese Sendungen so peinlich, dass sie ihre Nennung untersagten, oder es gibt tatsächlich keine. Das würde alles erklären.
3 ein Viertel, freitags um 21.15 Uhr in Sat.1
Das iTeam — Die Jungs an der Maus, freitags um 21.45 Uhr in Sat.1
Two Funny, freitags um 22.45 Uhr in Sat.1
4. Januar 2008 um 09:09
Das iTeam kann man sich ja auf der Webseite des VerSenders bereits an-schauen. Und sich überzeugen, wie schrecklich das ist.
Zumindest für mich, als Gelegenheitsnerd und kenner des grandiosen und damit zu recht legendären britischen Originals.
Ich mag nur auf diese Gegenüberstellung zwischen Original und Fälschung hinweisen. Eine 1:1-Kopie ist das. Und unter dem Gesichtspunkt muss man seinen Hut ziehen, vor der Meisterleistung, eine 1:1-Kopie (ich wiederhole das einfach immer weiter…) so dermaßen misslingen zu lassen und in den Sand zu setzen!
(Sagt auch der Autor des Originals (mehr in einem Kommentar).)
Aber irgendwie ist es doch schön, wenn man sich im neuen Jahr darauf verlassen kann, dass Deutsches Fernsehen imemrnoch grausam ist.
4. Januar 2008 um 09:47
eben, dass beim „iteam“ (allein dieser titel schon…) der autor nicht genannt wird hat sdoch sicher alleine damit zu tun, dass niemand seinen namen für diesen misslungenen rip-off hergeben will…
4. Januar 2008 um 11:18
Das „iTeam“ ist in der Tat faszinierend. Wie man derart wenig vom Charme des Originals herüberbringen konnte, obwohl man alles ca. 0,98:1 abgefilmt hat, ist mir ein absolutes Rätsel. Am britischen Akzent alleine kann es doch nicht gelegen haben, oder!? Wohl eher schon daran, dass man bis auf Sky DuMont (eigentlich) und Britta Horn keine wirklichen Comedy-Schauspieler genommen hat.
Die Frage ist halt, wie es auf jemanden wirkt, der die Serie im Original noch nicht kennt. Grundsätzlich hätte aber wohl etwas Eigenständigkeit der Serie ganz gut getan, würde ich vermuten. Schauen wir mal, ob dies vielleicht im weiteren Verlauf der Serie noch kommen wird – wenn sie nicht ohnehin in ein paar Tagen abgesetzt ist…
Ganz davon abgesehen, ist es eigentlich als clever zu bewerten, direkt drei komplett neue Formate (naja nicht von der Innovationsseite her) mehr oder weniger direkt hintereinander laufen zu lassen. Bin mir da grad nicht so ganz sicher…
5. Januar 2008 um 01:01
Lieber Michael,
kann doch nicht sein, dass ich es dieses Jahr schon wieder nicht geschafft habe, was zu machen, das zu Dir durchdringt. Ich mach es doch eigentlich bloss noch für Dich.
Im Gegensatz zu Deiner Annahme habe ich keine Probleme damit laut rauszurufen, dass ich Regisseur und einer der Autoren, der neuen (sehr coolen) Sat1 Serie „3 ein Viertel“ bin. Mehr noch die erste Folge, die wir heute zum Besten gaben, stammt zum größten Teil aus meiner Feder (ziemliches Unterfangen 20 Charaktere in ebensovielen Minuten einzuführen, aber ich bin zufrieden, auch wenn ich glaube, dass die Sendung in den folgenden Episoden besser funktioniert, da man die Leute dann kennt).
Ich glaube Du hast was anderes erwartet, als Du bekommen hast – und damit kann das abgestorbene Kritikergehirn nichts mehr anfangen – keine Adaption (war „Deutschland ist schön“ ja übrigends auch nicht, sei’s drum), keine Sketchshow, kein Panel – der Versuch was einigermassen Neues zu machen – das geht natürlich nicht.
Im Einzelnen: Von den 20 Charakteren sind 5 Frauen, die zugegebenermassen von Männern gespielt werden – aber wir wollten ja den Querschnitt eines Viertels herstellen, da gehören die nun mal mit dazu. (und im speziellen Yvonne – die Schauspielerin, ist Roland ganz hervorrangend gelungen, wie man in den kommenden Wochen sehen wird.) Nur ein Charakter trägt eine Mütze (Sladoban der Klempner) und nur 3 eine Brille. Keine davon besonders dick (eventuell die von Gustav, der miese Rentner, aber der graue Star, ausserdem mussten wir die Maskenränder verkleiden.)
Verkleidungen sind witzlos wenn man die Verkleidung nicht sieht? Das ist ja kompletter Unsinn. Wer hat die Regel den aufgestellt?
Gags? Der große Wahlplakat Gag ist nicht originell?
Chiropraktische Physical-Comedy beim Arzt – ist nicht mehr lustig (wer hat das abgeschafft)
Ein mieser alter Rentner, auch nicht mehr?
Mel Ibsen kein Lacher?
„Mischen Sie sich nicht ein“ auch nicht? (ich wünschte der wäre mir damals bei Switch eingefallen)
Ich denke uns sind da ne ganze Menge cooler Ideen eingefallen, die wir elegant in Szene gesetzt haben. Aber da alle, die deutsche Comedy zu Grabe getragen haben, kümmert sich anscheinend keiner mehr drum.
Ich selber rechne leider fest damit, im Todessumpf Sat1 unterzugehen, aber wir werden weiter versuchen etwas Neues zu machen, damit ihr es uns dann wieder als Kopie oder als Transencomedy zurückspucken könnt.
Holger Schmidt
Regisseur, Autor, Idealist
5. Januar 2008 um 01:12
Guck mal, war ich so in Rage: das ich Deine Verkleidungsbemerkung vollkommen falsch gelesen habe. Asche auf mein Haupt. (Naja, nochmal hingucken zahlt sich eben aus. HINT!)
Aber dann eben so rum. Unsere Verkleidungen sind nicht übertrieben, wenn Du es nicht glaubst, lohnt sich eine Reise nach Essen-Steele (tatsächlich sind wir ein gutes Stück hinter der Realität zurückgeblieben – aber ich liebe die Essener, waren sehr gut zu uns beim Dreh 🙂 )
Holger
immer noch stolz
5. Januar 2008 um 02:04
Jetzt wünschte ich mir doch fast, dass ich mir „3 ein Viertel“ angeschaut hätte. Okay, nicht wirklich, Gilmore Girls haben immer und überall Vorrang. Aber zumindest schön zu sehen, wenn sich jemand mit *seinem* Projekt und seinen Ideen identifiziert. Und das mein ich ernst.
6. Januar 2008 um 22:59
@ Marsellinho:
Ich bekenne mich, zu der Bevölkerungmehrheit zu gehören, die das Original nicht gesehen hat. Und wie die deutsche Fassung auf mich wirkt, habe ich ja oben ausgeführt.
@ Holger Schmidt:
Es tut mir ja auch leid, aber die wenigen Gags, die ich lustig fand, trugen mich leider nicht gut gelaunt über die halbe Stunde. Ich würde ja einfach sagen, dass wir nicht den gleichen Humor haben und wir damit leben müssen, aber über Switch konnte ich auch zu Deiner Zeit schon sehr lachen.
Dennoch würde ich mich freuen, wenn Du meine Meinung weniger als die eines Kritikers, sondern als die eines Zuschauers werten würdest. Vielleicht hat sie dann eine etwas größere Bedeutung.
Das ändert aber nichts dran, dass der Ansatz der Sendung tatsächlich originell und innovativ ist und ich mir wünsche, dass Du Idealist bleibst.
Grüße
Michael
7. Januar 2008 um 15:25
Okay, da du das Original mit keiner Silbe erwähnst, hätte man darauf kommen können.
Aber derart grandios, wie man mit diesem dreifachen Neustart am Freitag auf die Fresse geflogen ist (und das mit nahezu sämtlichen Sendungen über den Abend verteilt) erübrigen sich die Diskussionen über Sat1 allmählich ohnehin von selbst. Ich glaube, wenn ich in zehn Jahren mal meinen Kindern von Sat1 erzähle, dann werden die mich wohl fragend anschauen und wissen wollen, was ein „Sat1“ denn ist.
Zumindest wenn die Quotendramen so weitergehen…
22. Januar 2008 um 17:32
„3 ein Viertel“ ist eben nix für „Halbe“! HalbHingucker, HalbZuhörer, HalbDenker und HalbDetailisten. Mir gefällt die Serie ausgesprochen gut, trotz meines etwas „anderem“ Humor. Warum das so ist? Ich finde die Autoren/der Regisseur haben nicht nur sehr viel situativen AlltagsGimik unterhaltend in Szene gesetzt, sondern durch Texte, Charakteren, Kostüme und Schauplatz viel Fantasie und Liebe zum Detail bewiesen. Der Spagat zwischen schriller Realität und ernüchternden Wahrheiten innerhalb eines eher aufwendigen, dennoch runden und belustigenden Szenarios ist absolut gelungen! Top gewählte Musik, sehr gute schauspielerische Fähigkeiten und die Kunst, wie gebe ich meinen schrägen Gedanken wirklich humoristische Gestalt, zeichnen diese Serie aus und hebt sie ab von vielen anderen! Einzige Kritik gilt den „künstlichen Lachern“ – wenn ich schon wahrhaft überzeugende Comedy mache, muss ich nicht noch den akustischen Lachpfeil rot blinken lasse…
11. März 2008 um 06:56
[…] sollte ich der CSU beitreten. Denn wenn ich die Meinung vertrete, deutsche Sender sollten erst dann wieder Comedy zeigen, wenn sie was wirklich Lustiges produziert […]