Das Eieiei des Kolumbus

EinsPlus hat das Rad erfunden. Ach was, das Feuer entdeckt! Nein, noch besser: Der Sender blendet bald Tweets im Fernsehen ein!

So werden die Sendungen des Eurovision Song Contest zu einem „einzigartigen interaktiven Live-Erlebnis“, jubelt die Pressemitteilung.

Der ARD-Digitalkanal überträgt das Clubkonzert aus Hamburg (27.2.), den Vorentscheid (13.3.), die Halbfinals (6. und 8.5.) sowie das Finale (10.5.) live und zeigt gleichzeitig die Kommentare der Zuschauer aus den sozialen Netzwerken im selben Bild.

Das hat es so noch nie gegeben!

Fotos, Tweets und Kommentare, die Zuschauer per #ESC oder #EinsPlus via Twitter, Instagram oder Facebook absetzen, zeigt EinsPlus in seinem innovativen „One-Screen-Angebot“ neben dem Fernsehbild live auf dem Bildschirm.

Potzblitz.

Damit bietet EinsPlus total exklusiven Content, denn Fotos, Tweets und Kommentare von Twitter, Instagram und Facebook können Interessierte sonst allenfalls bei Twitter, Instagram und Facebook lesen. Der Clou: Bei EinsPlus werden all diese Kommentare jetzt auch von Menschen gesehen, die sich einen Scheiß für Twitter, Instagram und Facebook interessieren, dafür aber vielleicht die Auftritte der Musiker gern auf voller Bildschirmgröße gesehen hätten.

Die deutsche Medienlandschaft atmet auf. In der verzweifelten ARD hat man einen Weg gefunden, sein gewollt junges Programm für die junge Zielgruppe des digitalen Zeitalters interessant zu machen. Man blendet einfach die Inhalte, die in den sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, auch im Fernsehen ein. Brillant! Man könnte noch weiter gehen und auch Blog-Einträge zum Thema als Laufschrift eins zu eins durchs Bild laufen lassen. Warum nicht? Der Hilflosigkeit sind schließlich keine Grenzen gesetzt.

Wie man beispielsweise Twitter wirklich innovativ und sogar sinnvoll einbinden kann, zeigten vergangene Woche die Brit Awards beim englischen Sender ITV. Während in Deutschland, auch bei diesem ESC, die Publikumsabstimmungen grundsätzlich über teure Anrufe und SMS vollzogen werden, stimmte das englische Publikum per Twitter ab: mit einem Hashtag, einem vorgegebenen Stichwort zur Veranstaltung und dem Namen der Band, die man wählte. Also im Normalfall „#BRITsOneDirection“. Das war neu, kostenlos und auch noch fairer: Während jeder Fan beliebig oft dieselbe Telefonnummer wählen kann, wurde hier nur eine Stimme pro Twitter-Account gewertet. Dezent war es außerdem, denn Desinteressierte wurden nicht mit unqualifizierten Kommentar-Einblendungen belästigt.

Gleichzeitig war es allerdings das Ende der geheimen Abstimmung. Twitter ist öffentlich, und jeder kann nachvollziehen, wer wem seine Stimme gegeben hat. Schon allein deshalb würde dieser Weg in Deutschland nicht funktionieren. Wer würde schon öffentlich zugeben wollen, einen ARD-Jugendkanal zu gucken?

Michael, 24. Februar 2014, 17:29.

7 Kommentare


  1. Die kritik halte ich für völlig überzogen. Einsplus hat schon ewig Sendungen im Programm, in denen Twitter/Facebook-Meldungen eingeblendet werden. Die machen da nix Neues, und ich verstehe gar nicht den Wirbel darum, warum das angeblich was Neues sein soll. Und wer die Show ohne Einblendungen sehen will, schaltet halt nicht einplus ein, sondern den NDR oder wer sonst auch immer die Songcontest-Shows noch zeigt.

  2. Die Kritik beziegt sich zu einem großen Teil auch darauf, dass hier etwas, das Du zu Recht als „nix Neues“ identifizierst, als etwas total Neues verkauft wird mit Formulierungen wie „einzigartig“, „innovativ“ und „gab es (…) noch nie“.

  3. Hier ist auch ein Beispiel, wie man Tweets in Sendungen lustig und originell einsetzt: http://www.youtube.com/watch?v=sb2Vofx_y48

  4. @Michael: Was den ESC angeht, ist es ja auch neu. Aber nicht was einspkus an sich angeht.

  5. Siehe der Einstieg in den Text: „EinsPlus hat das Rad erfunden. Ach was, das Feuer entdeckt! Nein, noch besser: Der Sender blendet bald Tweets im Fernsehen ein!“
    Bald? Nein, das machen die schon lange.

  6. Verzeihung. So gesehen ist da ist noch ein anderer Fehler im Text. EinsPlus hat das Rad möglicherweise gar nicht erfunden.

  7. Ich brauche keine eingeblendeten Tweets, aber die EinsPlus-Lösung ist noch lange nicht so blöd wie die des ZDF. Da nämlich werden junge Menschen angestellt die, etwa bei der Fußball-EM, minutenlang Twitter vorlesen müssen.



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